Dienstag, 31. Juli 2018

Wenn man gedacht hat, der Höhepunkt sei erreicht...

Wird die Mesut Özil-Debatte noch mal absurder. Ja, das geht. Auf einen einzigen Weg:

Jetzt versuchen uns die alten, weißen Männer zu erklären, was Rassismus ist... und noch viel schlimmer: Dass sie das besser beurteilen können als die Spieler mit Migrationshintergrund. Weil sie... Statistiken gelesen haben?

Also hier kurz die "Money Quotes" aus dem Montags-Kicker:
Heribert Bruchhagen, 69 Jahre: "Reinhard Grindel in die Nähe des Rassismus zu bringen, ist absurd." Der Bruchhagen muss es ja wissen, der ist schon so oft Opfer der Alltagsrassismus geworden. Also als HSV Vorstand...
Lothar Matthäus, 57 Jahre: "Sportlich ist Özils Rücktritt kein Verlust." Auch da ist Matthäus echter Experte, weil er ja selber weiß, wie es ist, wenn man eigentlich komplett durch ist und trotzdem noch ein großes Turnier spielt... Gut, Matthäus war damals wesentlich älter als Özil... aber Details...
Rainer Holzschuh, 74 Jahre: "Als ob ein Mensch wie Özil, der, in Deutschland aufgewachsen, als talentierter Fußballer gehegt und gepflegt wurde (...) die Probleme der Migration und des Rassismus glaubwürdig skizzieren könnte." Besser als der Kicker-Cheredakteur. Und nebenbei haben all die Einwände niemanden gestört, als Özil als Paradebeispiel für gelungene Integration galt... Und genau dies ist das Problem, welches Özil hat: Wenn es den Leuten passt, dass er ein Imigrantenkind ist, stellen sie es in den Vordergrund, wenn es ihnen nicht passt, sprechen sie ihm die Kompetenz ab... Und genau das ist auch Rassismus. Entweder Özil war jahrelang Vorbild der Integration, dann kann er sich zu dem Thema äußern und seine Wahrnehmung und sein Urteil muss respektiert werden... oder wir müssen unsere Berichtserstattung der letzten 10 Jahre komplett korrigieren. Beides ist halt verdammt schwierig.

Rassismus ist eben nicht nur ein Nazi Mob, der einen Afrikaner durch die Straßen jagt und tötet. Oder die "Fans", die Schwarze Spieler mit Affengeräuschen begrüßen... Rassismus ist auch, wenn identische Situationen auf Grund des unterschiedlichen Aussehens der handelnden Personen anders beurteilt werden...
Und dass der Kicker das diesen Sommer extrem macht, will er sich halt bis heute nicht eingestehen.

Lasst uns da mal als weiteres Indiz einen Blick auf die Kicker Rangliste werfen... da haben wir gerade 3 Kandidaten: einer heißt Thomas Müller und war durchaus der Beste von den 3. Das will ich nicht in Frage stellen... aber Internationale Klasse? Weil er in einem Freundschaftsspiel gegen Spanien, welches nicht in die Bewertung fallen sollte, ein Traumtor erzielt hat? Da verzeihen wir ihm natürlich die bescheidene WM... Und den Fakt, dass er gegen Real Madrid und den FC Sevilla genau so effektiv war, wie Robert Lewandowski. Aber nur einer der beiden muss sich Vorwürfe gefallen lassen, dass er in den entscheidenden Spielen nichts gerissen hat... Das ist natürlich nicht der vorbildlichste aller Deutschen. Der kann ja nichts dafür... Da sind wir halt solidarisch...
(Und ja, ich verstehe nicht, wie Müller und Franck Ribery, der seit 3 Jahren auf ein Tor auf der internationalen Bühne wartet, internationale Klasse darstellen sollen... Der Kicker hat an der Stelle halt sein eigenes "Die Bundesliga ist nicht mehr so gut" Narrativ wieder komplett vergessen... Und ja, ich erwähne Müller hauptsächlich deswegen, weil ich am Ende im großen Bild auf ihn zurück komme.

Aber gut, dass Müller der beste dieser Kandidaten ist, sehe ich sofort ein. Aber danach... wird es völlig absurd:
Denn dann behauptet der Kicker tatsächlich, dass Julian Draxler eine genau so gute (also im Blickfeld endende) Halbserie wie Mesut Özil gespielt hat. Warte, was? Der Ersatzspieler in einer Gurkenliga war genau so gut wie der Stammspieler in der Premiere League, der mit seinen Leistungen in der K.O. Phase einen entscheidenden Anteil an der Halbfinal-Teilnahme in der Europa League hatte? Kann mir das jemand erklären? Der eine spielte in der K.O. Phase insgesamt 20 Minuten, der andere sammelte derweil (wenn auch im schlechteren Wettbewerb) 5 Torvorlagen... Und brachte bis zu seiner Verletzung in der besseren Liga die besseren Leistungen... Oh und eine bessere WM hat er auch noch gespielt... auch wenn das keiner wahrnehmen will.
Natürlich habe ich auch behauptet, dass das Nachlassen von Özil, welches keiner in Frage stellen will, einer der Gründe ist, warum Arsenal London nur noch in der Europa League spielt, weil der Mann halt keine internationale Klasse mehr liefert. Aber sachlich betrachtet gehört der Mann (was nebenbei auch Bodo Illgner so sieht) in den weiteren Kreis. Genau so wie er gegen Südkorea keine 5 verdient gehabt hat...
Und mal wieder schafft es der Kicker nicht, die persönlichen Geschehnisse abseits des Fußballs (also den Fakt, dass der Junge halt Deutsch-Türke ist) auszublenden... dafür blenden sie lieber die Leistungen in der Europa League aus. Das ist einfacher... Und dann kann man sich eine Erklärung zusammen basteln...
Oder um einen deutlicheren Rahmen aufzumachen: Will mir wirklich jemand erzählen, dass Özil im letzten Halbjahr schlechter war als Lewis Holtby, Kai Havertz und Maximilian Eggestein? Ja, der Kicker will das... 

Aber es gibt hier ja keinen Rassismus. Hat es nie gegeben. Zumindest nicht im Wahrnehmungskreis der greisen, weißen Männer, die ja die Deutungshoheit für sich beanspruchen... Deswegen (jetzt kommt der Bogen) muss sich Thomas Müller jetzt ja aus reinen Leistungsgründen die selben Urteile über sich ergehen lassen, wie wie Mesut Özil. Oh, warte... nur einer von denen wird als überflüssig und nutzlos betrachtet... von allen Seiten... (also Uli Hoeneß, dem Kicker und Lothar Matthäus).

Stellen wir uns mal vor, ein Müller würde über einen Rücktritt nachdenken... Dann würden alle mit einem "Tu's nicht!" um die Ecke kommen. Das Abstimmungsergebnis im Kicker würde bei 90% pro Müller ausfallen...
Oder es wäre vor der WM (wie im Fall Özil im Kicker geschehen) davon geschrieben worden, dass dies seine Abschiedsvorstellung sein könnte, weil er zuletzt einfach nicht die Leistung gebracht hat, die eine weitere Nominierung rechtfertigt. Der Journalist wäre sofort entlassen worden... (Ok, der Stern hat es sich erlaubt vom Problemkind Müller zu schreiben... als einzige und erst nach dem 2. Spiel) Dabei hat Müller vor 2 Jahren eine schlechtere EM gespielt... und mindestens eine genau so beschissene Weltmeisterschaft. Trotzdem würde niemand die Bedeutung von Müller für die Nationalmannschaft in Frage stellen. Im Gegensatz: Im großen "Wer könnte zurücktreten" Gemurmel ist sein Name nie gefallen... obwohl es leistungstechnisch mehr als angebracht wäre... Aber der ist halt der sympathische Deutsche...
Und genau das ist auch Rassismus: 2 Spieler bringen dieselbe Leistung, werden aber völlig unterschiedlich beurteilt.

Guckt euch einfach mal die Liste mit den Nationalspielern, die mehr als 90 Länderspiele absolviert haben, an. Und dann fragt euch wer von denen die meiste Kritik über all die Jahre einstecken musste. Wessen Leistungen immer wieder in Frage gestellt wurden, weil einem "die Körpersprache" nicht gefällt. Erinnert euch einfach an die Public Viewing Abende in eurer Stadt und fragt euch, wer dringend ausgewechselt werden sollte, weil er "heute nichts bringt" und "mal wieder abtaucht"... Fragt euch wer all die Jahre am häufigsten hinterfragt worden ist... (also während der Karriere, nicht danach... Und wegen ihrer fußballerischen Leistungen und nicht wegen ihres Privatlebens...)
Die Antwort lautet. Der einzige muslimische Migrant auf dieser Liste. Der einzige, den man definitiv ansieht, dass kein arisches Blut in seinen Adern fließt... Das ist kein Zufall. Und ich nehme mich selbst da ja auch nicht aus... Ich gebe durchaus zu, dass ich Özil stellenweise und unbewusst kritischer betrachtet habe als andere Spieler.

Und genau deswegen kann sich Özil zu diesem Thema äußern. Denn selbst als gehegter und gepflegter Fußballer wird man in der Öffentlichkeit anders beurteilt, wenn man Deutsch-Türke ist.
Auch wenn keiner in Frage stellen sollte, dass er über das Ziel hinaus geschossen hat. Das kann man durchaus erwähnen und kritisieren. Ihm aber jegliche Kompetenz zu dem Thema abzusprechen und dadurch zu versuchen, seine Vorwürfe komplett lächerlich zu machen... oder man schiebt die Aussagen seinen Berater zu, der eine völlig absurde Agenda haben soll... nur damit man sich selber nicht hinterfragen muss... Das ist kein Lösungsansatz, sonder bestätigt Özils Aussagen nur.

Und ja, der Kicker hat sich bis heute nicht im Ansatz hinterfragt, ob er nicht selber seinen Beitrag dazu geleistet hat, dass der Özil sich so fühlt, wie er sich fühlt. Obwohl er das über all die Jahre definitiv gemacht hat. Aber wie immer hat keiner Bock drauf sich mal an die eigene Nase zu fassen. Aber die sind ja derzeit intensiv damit beschäftigt die Schuld auf Özil zu schieben, denn dann sehen sie selber besser aus.

Montag, 30. Juli 2018

Karl-Heinz Rummenigge will sich zurückziehen!

Und da das mein Lieblingsfeindbild ist, werde ich ihn vermissen. Wirklich Schade.

Schließlich wendete sich der Bayern-Präsident an die Leitmedien und ließ dort ein "Wir müssen aufhören, den Populismus voranzutreiben" verbreiten... Großartig. Der größte Populist nutzt den einfachsten Weg um anderen das zu verbieten, was er selber permanent macht. Ein ganz klares "Das darf nur Ich... weil ich Bayern-Präsident bin."

Und ja, wir reden von genau dem Typen, der letztens gerade verbreiten ließ, dass der DFB "nur noch von Amateuren durchsetzt ist." Einen Satz, den ich ihn sogar durchgehen ließ, weil ich nicht den Eindruck erwecken wollte, dass ich ständig nur auf Gelegenheiten warte gegen ihn zu schießen...

Karl-Heinz Rummenigge ist immer noch der Letzte, der sich über Populismus aufregen darf... denn er ist der größte Populist, den die Liga hervorgebracht hat. Er argumentiert immer lautstark und Medienwirksam. Und nutzt den Fakt aus, dass ihm in den Medien niemand widersprechen will. Weil diese Medien ja von seinen Statements abhängig sind und wenn sie ihn kritisch hinterfragen, geht er zu den nächsten, die dies nicht tun...
Dazu kommt, dass er immer einseitig zum Wohle seines FC Bayerns argumentiert. Auch wenn dies manchmal nicht mal offensichtlich erscheint. Dazu kommt, dass er ein ganz schlechter Verlierer ist.

Gucken wir uns doch mal sein derzeitiges Problem an: da geht es mal wieder um 50+1. Und dem Fakt, dass er beim letzten Mal zum Bundestag des DFBs nur seinen Ersatzmann geschickt hat... wodurch er anderen Populisten (und ja, ein Bundestag ist immer eine populistische Veranstaltung, das ist auch nichts schlechtes) den Freiraum gegeben hat, ihre Meinung in den Vordergrund zu stellen. Und dass sein Verein diese Schlacht dann verloren hat, hat Kalle genau so gut verkraftet wie die Halbfinalniederlage 2017 gegen Real Madrid. Deswegen muss er jetzt bei jeder Gelegenheit nachtreten. In der Hoffnung, dass er so das Meinungsbild doch nachträglich ändern kann. Gute Strategie...

Aber den Bayern kann das 50+1 doch egal sein... das ist doch kein Thema, von dem die profitieren... ähm... doch.
Natürlich sind die Bayern die einzigen, die auch ohne 50+1 international wettbewerbsfähig sind. (also neben Barcelona und Real Madrid...) Und solange die Liga nicht komplett einbricht, wird dies auch so bleiben. Aber die Bayern sehen halt auch, dass die Liga eher schwächer als stärker wird... was ihnen langfristig halt eher schadet als hilft. Schließlich schaffen die Bayern es seit Jahren nicht wirklich in den Halbfinalspielen in den höchsten Gang zu schalten. Und wenn sie es versuchen, brechen sofort Muskelverletzungen auf.

Aber da zeigt sich ja auch der Interessenskonflikt: Die Bayern hätten gerne, damit sie halbwegs gefordert werden, weitere Mannschaften in der Liga, die wirklich im Internationalen Geschäft mitmischen. Die das Leistungsniveau und den Anspruch zu haben in ein internationales Halbfinale einzuziehen. Und wenn es nur die Europa League ist. Die internationale Realität sieht halt so aus, dass man dafür einen Investor braucht, an sonsten schafft man es nicht das entstandene Loch zu schließen.

80% der Bundesligisten wollen aber eigentlich nur Bundesliga spielen... und mal gelegentlich am Internationalen Geschäft teilnehmen. Einige wie Schalke und Leverkusen gelegentlicher als Frankfurt oder Freiburg. Aber keine dieser Mannschaften hat wirklich den "Wir spielen um die Internationalen Titel mit" Anspruch. In der Champions League wären sie alle glücklich, wenn es fürs Achtelfinale reicht. Das reicht aber den Bayern nicht. Und die einzigen, die da eventuell ausbrechen, sind RB Leipzig und Borussia Dortmund. Der eine Verein verstößt praktisch gegen das 50+1, der andere ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Und selbst diese Mannschaften spielen (noch nicht, oder nicht mehr) ernsthaft um die internationalen Titel mit.

Das Problem... die Bayern sind die einzigen, die mehr Mannschaften dieser Art haben wollen. Denn für die klassischen, Investor-losen Vereine ist die Bundesliga halt das Paradies: Hier können sie in einer Umsatz-starken und attraktiven Liga mitspielen. Und kriegen im geschlossenen System ihren Teil vom Kuchen ab. Schön für sie.
Aber sobald sich der Markt endgültig für Investoren geöffnet wird, bricht dieses Paradies zusammen. Deswegen funktioniert auch das "Lasst das doch jeden für sich entscheiden" nicht. Denn dass allgemeine Kostenniveau in der Bundesliga wird dann steigen... und dann heißt es entweder mitbieten oder im Abstiegskampf verschwinden. Und ja, die Vereine, die sich dann dagegen entscheiden, entscheiden sich auch langfristig gegen die Bundesliga. Die wird es geben... Dessen muss man sich aber bewusst sein. Und die Vereine, die strikt gegen das 50+1 sind, sind sich dessen bewusst.

Also am lautesten flucht halt der 1.FC St.Pauli. Ein Verein, der sich schlecht an Investoren verkaufen kann (sie haben es schon geschafft als alternative Image zu kommerzialisieren, ohne dass ihnen das jemand vorwirft, was eine große Leistung ist...) und der damit in einem geöffneten Markt noch größere Probleme als jetzt schon haben wird. Und dieses "jetzt schon" bedeutet halt "Alle 2 Jahre heftiger Abstiegskampf in Liga 2". St.Pauli würde natürlich als Marke erhalten bleiben, aber von der Fußballlandschaft verschwinden. Natürlich sind die da dagegen.

Und das kann man halt auf einige weitere Vereine ausweiten. Auch ein SC Freiburg wird dann die Wahl haben: "Wollen wir da mitspielen oder nicht?"
Fragt euch einfach mal, wie viele Premiere League Vereine es gibt, die 2018 nicht irgendwelchen Investoren gehören, sondern sich freiwillig an die 50+1 Regel hält. Das dürfte dort selbst in der 3. Liga schwer werden...
Natürlich habe ich als Freiburg und St.Pauli wenig Interesse an einer Idee, die meine Existenzgrundlage gefährdet... Und als Bayern Interesse an einem System, welches langfristig dazu führt, dass man in der Liga wieder halbwegs gefordert wird.

Das ist ja auch der Punkt, an dem ich Rummenigge vollkommen Recht gebe. Aus seiner Sicht ergibt das alles Sinn. Und natürlich nutzt er seine Möglichkeiten aus um seine Sicht lautstark und eindeutig zu positionieren. Alles, was ich von ihm verlange, ist ja, dass er sich dabei ein bisschen mehr Mühe gibt... damit es nicht ganz so auffällig ist... In dem er zum Beispiel nicht anderen das vorwirft, was er selber macht... das wirkt immer konstruktiver...

Donnerstag, 26. Juli 2018

Quo vadis: Wer soll dieses Jahr eigentlich absteigen?

Jetzt, wo zum Sommerloch-Füller alles gesagt ist... (außer vielleicht noch ein "Der Kicker sollte dankbar sein, dass Mesut Özil mit seinem finalen Rundumschlag so lange gewartet hat, dass das ehemalige Fachmagazin damit heute ihre Donnerstags-Ausgabe verkaufen konnte.)

Können wir uns wieder den wichtigen Dingen zuwenden. Quo vadis, Bundesliga?

Denn ganz ehrlich... wenn ich mir jetzt eine Prognose zum nächstjährigen Abstiegskampf angucke... frage ich mich, wie die Liga es eigentlich geschafft hat noch schwächer zu werden... der Kandidatenkreis ist jetzt schon so groß...
Fangen wir unten an:

Fortuna Düsseldorf startet laut Trainer Friedhelm Funkel "in allen Rankings auf Platz 18". Man hat mit Rouwen Hennings den definitiven "Marius Ebbers Stürmer in seinen Reihen... und ihm mit Marvin Duksch einen weiteren Kandidaten aus der Kategorie "Zu gut für die 2., zu schlecht für die 1. Liga". Man ist als Düsseldorf nicht in der Lage sich irgendwelche etablierten Bundesligaspieler zu kaufen, sondern muss wirklich darauf hoffen, dass die Neuzugänge allesamt zünden... man sollte an der Stelle auch mal erwähnen, dass die Fortuna zuletzt 1996 den Klassenerhalt in der Bundesliga erreichte... Das ist verdammt lang her... da kommt nicht mal der

1.FC Nürnberg ran. Andererseits hat der Verein zuletzt 4 Jahre am Stück in der 2. Liga gespielt... und dabei so viel an Substanz verloren, dass sie Stefan Köhler als Trainer und Leiter der Jugendakademie beschäftigen mussten. Nürnberg ist halt drauf und dran den Anschluss zur neuen Bundesliga zu verpassen... Und dass man sich als Nürnberg irgendwie darauf einstellen muss, dass man zwar um den Aufstieg in die Bundesliga mitspielen kann, aber die einzelnen Saison in der Bundesliga doch eher die Ausnahme bleiben werden... Weil man halt nach dem endlich erreichten Abstieg doch innerhalb von 2 Jahren wieder absteigt... Dass man sich mit Christian Mathenia verstärken will, sollte als Beispiel genügen: In Nürnberg könnte der Ersatztorwart eines Absteigers zum Stammspieler und Stützpfeiler werden... ich sehe nicht, wie das schief gehen kann...


Der VfL Wolfsburg hat natürlich reine realistischen Erwartungen an den Abstiegskampf... abgesehen davon, dass man unbedingt der neue HSV werden will... Was auch nur bedeutet, dass man wieder unten mitspielen wird...

Der SC Freiburg ist einer dieser Vereine, die immer gegen den Abstieg kämpfen. Und denen selbst dann ein Abstieg "passieren" kann, wenn sie alles richtig machen... Dennoch ist man dieses Jahr weit davon entfernt zu den schlechtesten Mannschaften der Liga zu gehören. Dieses Jahr ist der Klassenerhalt eigentlich Pflicht... was alles über die Konkurrenz aussagt...

Die Mainzer haben bereits letzte Saison "alles getan, um abzusteigen". Das behaupte nicht mehr nur ich, sondern sogar ihr eigener Sportchef Rouven Schröder. Jetzt hat man zwar trotzdem 43 Millionen an Ablöse kassiert (wie auch immer sie das geschafft haben, wenn sie in einer derart schwachen Bundesliga gerade so die Klasse gehalten haben...), müssen aber auch die entsprechenden Leistungsträger ersetzen... es ist nicht davon auszugehen, dass Mainz wirklich besser geworden ist...

Hannover 96 arbeitet seit Jahren konsequent am Abstieg. Also nicht der Verein, sondern die eigenen Anhänger, die versuchen den einzigen Mann, der Bundesligafußball in der Stadt möglich macht, zu vergraulen. Wenn die ihren Stimmungsboykott aufrecht erhalten, kann das der Mannschaft mehrere Punkte kosten... dazu hat man es verpasst aus Niklas Füllkrug Kohle zu machen und setzt dagegen all seine Hoffnungen darauf, dass der mehr als ein One Season Wonder wird... Und ich sag das mal so: Wenn Füllkrug nur eine "normale Saison" abliefert und weniger als 10 Tore erzielt, sollte Hannover eigentlich absteigen...
Oh und um ihre Ansprüche wirklich deutlich zu machen, haben sie sich mit Bobby Wood und Walace die größten Problemkinder des Hamburger SVs gekauft... Guter Plan...

Der FC Augsburg sollte damit endgültig im gesicherten Mittelfeld angekommen sein. Nicht zwingend, weil sie sich verbessert haben, sondern weil die Konkurrenz halt mehr und mehr nachlässt. Dies wäre die erste Saison, in der ein Abstieg der Augsburger eine wirkliche Endtäuschung wäre. Denn sie sind halt nicht mehr der Abstiegskandidat Nummer 1. Was für sie eine völlig neue Erfahrung ist, mit der sie auch erst Mal umgehen müssen...

Werder Bremen muss dieses Jahr endgültig die Frage beantworten, ob sie mit Florian Kohfeldt wirklich endlich den nächsten Thomas Schaaf gefunden haben... oder ob sie einfach nur den nächsten Dead Coach Bounce erlebt haben und jetzt wieder einen absoluten Fehlstart hinlegen... wie unter Viktor Skripnik und Alexander Nouri...

Der VfB Stuttgart hat dasselbe Problem. Genau genommen haben sie ihre erste Starke Rückrunde seit der Meistersaison gespielt... und jetzt sollen sie plötzlich wieder um die Champions League mitspielen? Ob sie den seit Jahren anhaltenden Negativtrend wirklich durchbrochen haben und es auch perspektivisch wieder aufwärts geht. Oder ob diese Rückrunde unter Tayfun Korkut nur ein kurzes retadierendes Moment war... Auch wenn die Stuttgarter für andere Ansprüche stehen, sollten sie in ihrem 2. Jahr nach dem Aufstieg vielleicht erst Mal nach unten als nach oben schielen...

Und bei der Eintracht ist halt alles angerichtet, um die Rolle des 1.FC Köln aus der Vorsaison zu übernehmen: Ein überraschend erfolgreiche Saison mündet in der Teilnahme an der Europa League und dem Abschied vieler elementarer Leistungsträger.... Dazu kommt noch ein neuer Trainer, der sich mit den Erwartungen seines Vorgängers messen und seine neue Spielphilosophie in englischen Wochen unterrichten muss... Normaler Weise genau der Cocktail, den man so lange genießt bis man plötzlich verkatert als Zweitligist zu sich kommt... zumindest normaler Weise... da die Konkurrenz allerdings alles andere als Bedrohlich aussieht...

Bei keiner dieser Mannschaften (außer Wolfsburg) würde es mich überraschen, wenn sie in den Abstiegsstrudel geraten. Wenn sie bis zum Schluss um den Klassenerhalt zittern müssen. Was aber halt praktisch nicht bei allen geht, da nur 2 Mannschaften am Ende absteigen werden... Obwohl es bis 9 Kandidaten geben könnte.

Was halt alles in allem kein gutes Zeichen für die Bundesliga sein kann, deren Lack ja eh schon am abblättern ist: Die nächste Saison wird nicht zwingend besser werden als die Letzte... eher im Gegenteil, man muss sich Sorgen machen, dass es gerade im Keller eher schlimmer als besser wird...

Dienstag, 24. Juli 2018

Was hat denn bitte der Hoeneß genommen?

Zu tief in Horst Seehofers Glas geguckt?

Ich meine ernsthaft, WTF? Der hat es geschafft, dass sein eigener Haus und Hof Blog sich gegen ihn wendet...
Dass Özil bei der EM ein gutes Viertel- und Halbfinale gespielt hat, hat dem Uli Hoeneß wahrscheinlich einfach niemand mitgeteilt... wahrscheinlich erinnert der sich nur an die verschossenen Elfmeter...
Und genau das ist ja Özils Problem. Hoeneß kippt genau das Benzin ins Feuer, an dem Özil am Ende verzweifelt ist. Dessen Argumentation wird genau dadurch nur noch bestätigt: Wir sehen immer nur die schlechten Leistungen des Dreckstürken, was er alles gut gemacht hat, ignorieren wir. Danke, dass sie Özil bestätigen... Dass Hoeneß Wahrnehmung sich mit der betrunkenen Mehrheit deckt, ist der Grund, warum wir diese Diskussion führen müssen...
Und es ist natürlich auch wieder Munition für all die rechten Giftmischer. Genau das, was wir jetzt gerade brauchen.

Vor allem, es ist der Hoeneß... der selber als staatlich anerkannter Steuerhinterzieher sich ausgiebig darüber ausgeheult hat, wie schlimm ihn doch die Medien behandelt haben. Schlüsselzitat:

"Aber was in den letzten 14 Monaten auf einen Mann und seine Familie, der am Boden lag und liegt, an Häme, an Pranger niedergeprasselt ist, das konnten meine Familie und ich keinen Tag länger ertragen."

Vielleicht sollte sich der Hoeneß mal daran erinnern, wie es ihm aus eigener Perspektive (meine Wahrnehmung war natürlich eine andere) ergangen ist, nachdem er einen wesentlich dramatischeren "Fehler" begangen hat als Özil. Vielleicht sollte er mal darüber reflektieren, wie er sich damals gefühlt hat, als er durchs Dorf getrieben wurde... Und das sein eigenes Schuldbewusstsein am Ende auf Augenhöhe mit Özils ist und in einem "Freispruch wäre normal gewesen" endet... Also gerade der Typ sollte doch genau wissen, wie es ist, wenn man seinen eigenen Fehler als völlig überbewertet ansieht...

Und ja, ich packe das immer wieder aus, wenn der Hoeneß sich zu sozialen Themen äußert: Der Mann hat jegliches Recht sich als Moralische Instanz aufzuspielen verloren.

Vielleicht sollte der Typ auch einfach mal vor seiner eigenen Vereinstür kehren... Also nur so als Gedanke... Wir haben gerade eine WM erlebt, bei der die Profis des VfB Stuttgarts mehr Tore erzielt haben, als die des FC Bayerns... bei denen Leute wie Robert Lewandowski, Jerome Boateng und Thiago Özils Nicht-Leistungen in den Schatten gestellt haben... Oder nehmen wir einfach mal... Thomas Müller, der den letzten beiden Turnieren jeweils schlechter abgeschnitten hat als Özil... aber man stelle sich vor, jemand würde mit Hoeneß mit der Theorie konfrontieren, dass Müller nicht mehr ins Nationalteam gehört... Der würde mit "So ein verdienter Spieler" anfangen... genau das ist Özil halt auch... Nur dass auf dem einen verdienten Spieler ständig rumgehackt wird und auf den anderen nicht...
Und an der Stelle funktioniert halt auch das "lasst uns nur über das sportliche reden" nicht. Denn wenn Özil Stefan Meier heißen würde und guter Christ wäre, hätten weder wir noch er das Problem, über welches wir jetzt diskutieren... Und ja, dann hätte er sich auch mit einem Russischen Diktator ablichten lassen dürfen. Weil Stefan Meier natürlich russische Vorfahren hat und keine türkischen...

Weder Hoeneß, noch ich, können halt nachvollziehen, wie es ist in einer derart exponierten Stellung einen Migrationshintergrund zu haben. Und wenn man sich jahrelang darin gesonnt hat, dass die Nationalmannschaft als Musterbeispiel der Integration gilt (Siehe unser guter Nachbar Boateng...), dann kann man jetzt, wo es mal nicht läuft, nicht behaupten, dass das alles kein Thema ist... Denn gelungen Integration zeigt sich ja gerade in den schwierigen Momenten...

Und natürlich kann man die Özil-Aussagen kritisch betrachten... aber halt nicht so... Das war echt das Dümmste, was man zu diesem komplexen Thema sagen konnte...

Montag, 23. Juli 2018

Mesut Özil ist doch ein perfekt integrierter Deutsche

Gebt dem den nächsten Bambi...
Der ist so deutsch, dass es für ihn keinen Zusammenhang zwischen Politik und Politikern gibt... Das kann auch nur jemand glauben, der bewusst nur Angela Merkel als Kanzlerin erlebt hat... die ja die Trennung zwischen sich und der Politik perfektioniert hat...

Und ganz ehrlich: Das ist der einzige Vorwurf, den ich jetzt dem Mesut Özil mache: Dass er nicht anerkennen will, das ein Treffen mit einem Staatspräsidenten immer auch ein politisches Thema ist... denn alles, was Politiker in ihrem Leben machen hat halt einen Einfluss auf ihren "Arbeitsbereich".

Wenn das Özils eigene Ansichten sind (und nicht das vom Berater empfohlene Statement), wovon man bei der Intensität des 3. Parts zwingend ausgehen muss... dann muss man sich eigentlich bei ihm bedanken, dass er während der WM geschwiegen hat... denn wie viel Unruhe hätte er in das Turnier gebracht, wenn er vor Ort vom "Krisenmanagement bei Mercedes" gesprochen hätte... Dann hätte der Sponsor auf ein Mal darauf bestanden, dass der Spieler nach Hause geschickt wird...
Oder wenn er während des Turniers Richtung Reinhard Grindel geschossen hätte... um diesen vorzuwerfen, dass der sich nur in Özils Präsenz sonnt, wenn es ihm gerade passt und dass der politisch für alles Stand, was die aktuelle Generation an Nationalspielern überwinden wollte... Gerade das "Wenn wir Gewinnen, bin ich Deutscher, und wenn wir verlieren Immigrant" Gefühl können wir halt gar nicht nachvollziehen.

Und ja, aus Özils Sicht ist es nicht nachvollziehbar, dass dieselbe Aktion wie 2011 im Jahr 2018 auf ein Mal so große Wellen schlägt. Und einen Özil trifft es halt auch, wenn all die Ressentiments aus seiner Jugend wieder ausgegraben werden. Denn in einer Sache hat er definitiv Recht: Dieses einfach Foto hat viel zu große Wellen geschlagen. Und das liegt nicht daran, dass Özil dazu nicht äußern wollte, sondern eher daran, dass wir uns als Gemeinschaft zurück entwickelt haben: Im Jahr 2018 haben wir dank Horst und Alice wieder ein Klima, in dem man sich als Özil dafür rechtfertigen muss, dass man 2 Herkunftsländer hat. Und in dem man dafür angegriffen wird, dass man beiden Ländern Respekt zollen will. Da waren wir 2011 einfach weiter.

Das faszinierendste ist ja, dass der Kicker (ohne den letzten Teil gelesen zu haben... der der heftigste ist... vielleicht bringt sie das zum einlenken) jetzt einem Özil vorwirft keinerlei Selbstkritik zu zeigen... also zum einen reagiert man halt so, wenn man gefühlt von allen als Fußabtreter benutzt wird. Das löst halt eine gewisse Trotzreaktion aus... zum anderen: Wo bleibt denn die Selbstkritik vom Kicker? Das Eingeständnis, dass man sich selbst zu sehr auf dieses Foto versteift hat, welches eigentlich keinen Einfluss auf die Mannschaft haben sollte. Anstatt mal zu sagen: Ok, nach dem Foto mit dem deutschen Präsidenten und dem gemeinsamen Statement mit dem Deutschen Staatsoberhaupt kümmern wir uns wieder um Fußball...
Wenn der Kicker sich selber kritisch hinterfragen würde, könnte er an dem Punkt kommen, dass Özil recht hat... dass er, als bester Offensivspieler im Spiel gegen Südkorea, zumindest wenn man die sachlichen Parameter anwendet, eine 5 bekommen hat, weil er halt der Scheiß-Türke ist (und weil Mats Hummels seine Vorlage nicht genutzt hat...). Dass man es als ehemaliges Fachmagazin nicht geschafft hat die Emotionale Debatte auszublenden, wenn man die Leistungen auf dem Platz sachlich bewerten soll, könnte man einfach mal eingestehen. Dass man seinen Beitrag dazu geleistet hat... einer der Gründe ist, warum Özil sich so fühlt, wie er sich fühlt... Dass man sich an der Treibjagd munter (wenn auch nicht so drastisch wie die anderen) beteiligt hat... aber nein, Özil ist derjenige, der Selbstkritik zeigen muss... Natürlich. Der ist ja auch der einzige, der einen Fehler begangen hat...

Wie kann man eigentlich so dreist sein und von anderen Fordern, was man bei sich selbst verweigert?

Donnerstag, 19. Juli 2018

2 Grundprobleme hat diese WM nicht gelöst, Part II

Hätte ich das ankündigen sollen? Oder war das offensichtlich?

Also ja, abgesehen von dem ewigen Thema "Handspiel oder nicht?" haben sich während dieser WM alle mehr oder weniger über das Zeitspiel aufgeregt... auch ein seit Jahrzehnten präsentes Problem, dass aber langsam so penetrant wird, dass es nicht mehr wirklich zu ertragen ist. Und dafür gibt es auch ganz sachliche Gründe.

Der erste ist halt, dass Schiedsrichter viel zu spät durchgreifen. Ähnlich wie bei den taktischen Fouls, wo auch nur jedes 5. entsprechend geahndet wird... was dann immer wieder dazu führt, dass das Spiel genau dann unterbrochen wird, wenn es interessant werden könnte...

Aber selbst wenn jedes mal, wenn der auszuwechselnde Spieler erst die Anweisungen des Stadionsprechers braucht um zu merken, dass er jetzt vom Platz muss, eine Verwarnung ausgesprochen wird... wird dadurch das Problem nicht gelöst. Denn als in Führung liegende Mannschaft guckst du dir die Leute, die sich da eine Verwarnung abholen, genau an... Wenn dein Torwart bereits Gelb belastet ist oder ihm eine Sperre droht... tut ihn auf ein Mal das Schussbein so sehr weh, dass ein Innen- oder Außenverteidiger den Abstoß ausführen muss. Also genau derjenige aus der Viererkette, der sich die Verwarnung am ehesten Leisten kann ohne gesperrt zu werden.
An der Stelle sei mal wieder auf die "taktische Glanzleistung" der Frankfurter in der Relegation 2016 hinzuweisen... wo sich David Abraham erst die Verwarnung für das Verzögern eines Abstoßes abholte und dann den Abstoß doch durch den Torwart Lukas Hradecky ausführen ließ.

Und auf einer sachlichen Ebene kann ich das den Frankfurtern gar nicht vorwerfen. Genau so muss man die Regeln halt ausnutzen, wenn die Regeln das hergeben. Und nur weil, was hier auch keine Neuigkeit ist, Fußball ein derart schlecht gecoachter Sport ist, ist es wenigstens halbwegs erträglich... Aber um das ein Mal festzuhalten: Nach derzeitiger Regelauslegung könntest du dir 11 Gelbe Karten fürs Zeitspiel abholen ohne den Ball ein Mal ins Spiel zu bringen. Was natürlich absurd wäre, weil es nur zu 10 Minuten Nachspielzeit nach dem Ende der Aktion führen würde. Aber technisch gesehen würde es gehen... vielleicht sollte das mal jemand durchziehen, damit der Fifa auffällt, wie bescheiden die Regeln da sind.

Das Problem ist halt: Selbst wenn ein Spieler sich dafür Verwarnen lässt, funktioniert Zeitspiel immer. Es ist immer das richtige taktische Mittel um einen knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Die einzigen Vorwürfe, die man der Mannschaft machen kann, sind moralische. Und bei einem Millionengeschäft wie der Bundesliga oder der Champions League mit Moralischen Ansprüchen zu kommen, ist schon dreist: Als Trainer muss man alles ausnutzen, was einem zu Verfügung steht. Die zur Verfügung stehenden Mittel zu beschränken ist nicht deren selbst auferlegte Aufgabe. Das ist die Aufgabe der Fifa, und die muss halt die Regeln ändern, wenn will, dass sich das Spiel ändert.

Das allergrößte Problem ist halt, dass selbst von der Verwarnung nur die auf Zeit spielende Mannschaft profitiert. Es ist meines Wissens nach noch nie passiert, dass ein wegen Zeitspiels verwarnter Spieler ungeplant im nächsten Spiel gesperrt wurde. Es gab die Phase, wo Barcelona bewusst solche Karten in den Hinspielen gesammelt hat, weil man sich dachte "Das 4:0 aus dem Hinspiel kriegen wir auch ohne dich verteidigt, sitze mal seine Strafe ab, damit du unbelastet in die nächste Runde gehen kannst"... Darmstadts legendäre "Wir sitzen unsere 5. Gelbe gegen die Bayern ab" Aktion ist da auf einem ähnliche "Level". Und dass ein derartiger Spieler noch mit Gelb-Rot vom Platz fliegt, dürfte in der Geschichte des Fußballs noch nie passiert sein. Also nicht mal angesprochener Abraham, der erst für das Zeitspiel Gelb und dann für die Unsportlichkeit zwingend Gelb-Rot hätte sehen müssen, wurde damals vom Platz gestellt... Und ja, das Regelwerk hätte genau das hergegeben... Aber es ist halt genau dasselbe Regelwerk, welches vorsieht, dass Neymar für seine Schauspieleinlagen verwarnt wird... Schade, dass sich niemand für dieses Buch interessiert...

Aber das ist ja auch das Dilemma des Schiedsrichters: Wenn er den Spieler verwarnt, spielt er seiner Mannschaft auch nur in die Karten. Denn die Ordnungsgemäße Aufnahme der Verwarnung dauert ja auch wieder seine 10 Sekunden, die runter von der Uhr sind.

Wenn selbst von den "Strafen" nur die auf Zeit spielende Mannschaft profitiert... und diese viel zu spät ausgesprochen werden... dann wird auf ein Mal klar, dass der Fußball vor einem riesigen Problem steht...  Also zumindest sobald alle Beteiligten dies endgültig verstanden haben. Und dann dauert es nochmal 15 Jahre, bis die Regeln angepasst werden... wenn überhaupt.

Da könnte man natürlich jetzt schon ansetzen. Hier kommen also die nächsten Änderungsvorschläge, die wie alles andere sinnvolle natürlich definitiv ignoriert werden:
1.) Ein Spieler muss nicht dem 4. Referee die Hand geben, sondern hat das Feld auf dem direktesten Weg zu verlassen. Feiern lassen kann er sich dann, wenn er außen rum eine Ehrenrunde dreht... Faszinierender Weise geht dies ja, wenn ein Spieler Verletzungsbedingt schon neben dem Feld liegt. Und diese Regeländerung wäre so simple wie pragmatisch.

2.)Führt Kollektivstrafen ein. Klar, der DFB hat diese gerade erst für seine Fans abgeschafft. Was aber nicht bedeuten muss, dass sie auf dem Platz sinnlos sein müssen.
Anstatt einzelne Spieler fürs Zeitspiel zu verwarnen, kann man doch die gesamte Mannschaft verwarnen. Und dann mit steigenden Strafen belegen. Um das kurz an einem praktischen Beispiel deutlich zu machen: In der NBA gibt es so genannte "Delay of Game" Warnungen. Und das ist eine Sportart mit Nettospielzeit. Trotzdem darf man da ALS MANNSCHAFT ein Mal das Spiel verzögern. Beim 2. Mal gibt es dann einen Freiwurf für den Gegner. Man schenkt also seinem Gegner aktiv Punkte, wenn man das Spiel immer wieder verzögert.
Klar, in einer Sportart, in der beide Mannschaften regelmäßig über 100 Punkte in einem Spiel erzielen, hat das eine andere Bedeutung als im Fußball, wo ein Tor oftmals reicht. Trotzdem hat die Vorstellung etwas spannendes: Deine erste Auswechslung dauert länger als 10 Sekunden von dem Moment der Anzeige der Nummern bis der Spieler auf direkten Weg den Platz verlassen hat? 1. Warnung für die Verzögernde Mannschaft. Der Torwart lässt sich beim Abstoß ebenfalls mehr als 10 Sekunden Zeit, nachdem der Ball liegt? 2. Verwarnung, die zu einer entsprechenden Strafe führt. Sagen wir einen Eckball.
Sobald der Ball freigegeben wurde, was man sich als Schiedsrichter dann einfach angewöhnt, hat man 10 Sekunden Zeit den Ball auch zu spielen. Was meint ihr, wie schnell die dann das Spiel fortsetzen, wenn der Gegner im Zweifelsfall eine gute Torgelegenheit bekommt. Optional kann man ja mit jeder weiteren Verwarnung das Strafmaß steigern, bis es dann beim 5. Mal Elfmeter gibt.

3.) Macht aus dem derzeitigen "Zeitspiel" kein "Vergehen", sondern ein "Foulspiel"... welches mit direktem Freistoß geahndet wird. Wenn ein Torwart dann die "Spiel endlich den Ball" Ansage des Schiedsrichters ignoriert, gibt es halt Elfmeter für den Gegner. Allein schon die Drohkulisse einen Elfmeter abzugeben wird jegliches Zeitspiel der Torhüter konsequent unterbinden. Und auch einen direkten Freistoß tief in der eigenen Hälfte wird niemand abgeben wollen. Einzig wenn man in der Gegnerischen Hälfte unterwegs ist, wird die Idee auf Zeit zu spielen dann überhaupt relevant. Da fragt man sich dann als Schwede im Achtelfinale, ob man den Freistoß ausführen sollte, oder doch einfach die Verwarnung in Kauf nimmt und den Ball abgibt.
Ganz ehrlich... dass Zeitspiel nicht in irgendeiner Form zum direkten Ballverlust führt, ist ein riesiges Rätsel für mich. Die Mannschaft, die sich dieses Mittels bedient, hat offensichtlich keinerlei Interesse an Ballbesitz. Oder an Fußballspielen im Allgemeinen. Da muss man doch als Fifa eine Möglichkeit finden, ihnen das Spielgerät, welches sie nicht nutzen wollen, abzunehmen.
Es muss ja nicht direkt einen Elfmeter dafür geben. Von mir aus gebt ihnen einen Freistoß am Anstoßpunkt. Um einen wirklich vernünftigen 4. Vorschlag zu machen. Aber nehmt der Mannschaft, die sich aktiv weigert am Spiel teilzunehmen, den verdammten Ball weg... Das ist das mindeste, was die Opfer des Zeitspiels verdient hätten.

Aber hey, das wird ausgehen wie immer: Da jetzt alle mal hingesehen haben (und wirklich Livespiele und nicht nur Zusammenfassungen gesehen haben), regt man sich kurz auf, kommt mit der Moralkeule, dass sich das nicht gehört, aber niemand macht mal wirklich konstruktive Vorschläge, wie man das Regelwerk ändern könnte. Bis wir in 2 Jahren vor denselben Problemen stehen.

Mittwoch, 18. Juli 2018

2 Grundprobleme hat auch diese WM nicht gelöst

Obwohl sie als Großes und Ganzes echt gut war. Vor allem natürlich, dass sie bewiesen hat, dass nicht der Videoassistent, sondern die Arroganz des DFBs bei der Umsetzung das Problem war... und hinterher denkt man sich: Warum wurde das nicht in der 2. Liga getestet? Und warum hat man sich dabei so dumm angestellt, wobei es doch so einfach gewesen wäre... Wenn man die Regeln vorher ordentlich festgelegt und sich dann dran gehalten hätte...

Das faszinierendste war ja: Das "Es gibt einen unberechtigten Freistoß-Pfiff der zu einem Tor führt, müssen wir den jetzt zurück nehmen" Phänomen ist ja wirklich aufgetreten. Im Finale... wie oft habe ich darauf hingewiesen, dass es Bullshit ist, bei einem Foulspiel in der Torentstehung (wie in der Bundesliga oftmals getan, siehe Pokal-Finale) den Videobeweis anzuwenden, aber bei einer Fehlentscheidung, die zu einem Standard-Tor führt, nicht?
Aber bei der WM war klar geklärt: Nur bei der direkten Torerzielung und nicht bei einem Zweikampf vorher wird eingegriffen. So wurde es bei Diego Costas Tor gegen Portugal durchgezogen. Und so wurde es auch im Finale angewendet. Deswegen wurde über den falschen Freistoßpfiff auch quasi gar nicht diskutiert: Solche Fehlentscheidungen passieren halt mal...

Oh und man eine Lösung für das "eine Falsche Abseitsentscheidung ist schwer zurückzunehmen" Problem gelöst, in dem die Schiedsrichter im Zweifelsfall später die Fahne gehoben haben. Da muss man sich zwar dran gewöhnen, aber der Ansatz ist der einzig mögliche...

Nebenbei hat die WM mit dem Mythos aufgeräumt, dass der Videobeweis die Emotionen auf dem Spielfeld töten würde. Denn seit ganz ehrlich: Ihr wisst alle genau wo ihr am 27.06.2018 um 17:51 gewesen seid und wer neben euch saß... wahrscheinlich genau so gut wie ihr euch daran erinnert, wo ihr am 13.07.2014 um 23:24 gewesen seid. Ok, ich muss ja zugeben, dass es bei mir einfach ist, weil ich an exakt demselben Ort saß... aber Details.
Ganz Deutschland starrte wie gebannt auf eine Leinwand und wartete auf die Entscheidung des Schiedsrichters: Wir der Traum des späten Glückstores weiterleben oder das Ausscheiden endgültig besiegelt? Und da es sich um einen der großen Titelfavoriten hielt, hing man nicht nur in Deutschland zitternd vor den Geräten...
Ich habe mir das Vergnügen gegönnt, nicht so sehr auf die Fernsehbilder zu achten (Dass es ein Tor geben muss, war mir eigentlich in Originalgeschwindigkeit klar), sondern auf die Reaktionen der Zuschauer in der Bar meines Vertrauens. Das Knistern war förmlich greifbar. Das Fluchen hinterher auch nicht leiser als sonst, wenn Deutschland ausscheidet. Die Emotionen waren also voll in Takt, nur ein wenig anders, als man es gewohnt war...


Aber kommen wir zum ersten der 2 Grundprobleme, die auch der Videobeweis nicht lösen kann: Was ist eigentlich ein Handspiel. In Kroatien werden sie in 100 Jahren noch behaupten, dass der Videobeweis beim Elfmeter unangebracht war, weil es keine klare Fehlentscheidung war. In Frankreich werden sie dagegen ein eindeutiges Handspiel gesehen haben, das definitiv geahndet werden muss. Und das lustige daran ist: Beide haben recht.
Das Problem ist halt: Es war definitiv ein Handspiel. Und es kann keiner abschätzen, ob ohne das Handspiel der Verteidiger hinter dem Kroaten überrascht den Ball reinstochert... oder ob er ihn verpasst und der Französische Angreifer das 2:1 macht.
Das Handspiel mit vergrößerter Körperfläche unterbindet auf jeden Fall ein größeres Chaos im Strafraum. Was immer etwas gutes für die Verteidigende Mannschaft ist.
Auf der anderen Seite kommt der Ball aus einer derart kurzen Distanz... Wie soll der Verteidiger da reagieren. Da kann ihm doch keiner Absicht unterstellen...

Das ist halt das grundlegende Dilemma des Fußballs: Man kann, wenn man die Vereinsbrille absetzt, immer wieder die beiden aus der Vereinssicht argumentierenden Teilnehmer verstehen.

Aber das eigentliche Problem ist ja nicht das Handspiel an und für sich. Wenn Ivan Perisic den Ball außerhalb des Strafraums so abblockt, wird über ein Handspiel nicht diskutiert werden. Also mir fällt spontan eine einzige Situation ein, in der dies passierte: in der Relegation Karlsruhe - Hamburg. Aber ich sag das mal so: Das ist Relegation, da hat man als Karlsruhe immer recht, wenn man sich aufregt...
Bei einem sind sich doch sicher alle einig: Ein Elfmeter für ein derart unglückliches Handspiel ist eine extrem harte Strafe. Das würde sogar ein Franzose gegenüber einem Kroaten zugeben. Und genau das ist das ganz große Problem.
Den Lösungsvorschlag werden die paar Hanseln, die diesen Blog seit längerem verfolgen, auch schon kennen. Man kann halt nicht immer das Rad neu erfinden. Aber in dem Fall wäre es extrem einfach, jegliche Diskussion ums Handspiel im Strafraum zumindest zu entspannen: Wenn es eine eindeutige, aktive Bewegung zum Ball gibt (siehe Luiz Suarez 2010 gegen Ghana) gibt es Elfmeter. Das wird niemand wirklich ernsthaft in Frage stellen wollen. Aber wenn die Hand nicht aktiv zum Ball geht, gibt es einfach indirekten Freistoß. Also ungefähr so, als würde der Torhüter einen Rückpass aufnehmen. Oder ein Verteidiger mit dem Fuß auf Kopfhöhe zum Ball gehen, das Gesicht des Gegners allerdings nicht treffen.
Dann kriegt man als Franzose genau das Getümmel vorm Strafraum, welches durchs Handspiel unterbunden wurde. Und als Kroate bekommt man eine faire Chance aus dem Getümmel glücklich hervor zugehen.
Indirekte Freistöße im Strafraum sind sowieso ein viel zu selten genutztes Mittel. Man sollte als Fifa immer Regeln einführen, die derartiges fördern. Weil es einerseits einen absurden Unterhaltungswert hat... endlich mal eine Szene, die sich deutlich vom sonstigen Ballgeschiebe abhebt... Und weil sie andererseits zeigt, welche Trainer seine Mannschaften wirklich gut vorbereitet. Denn die schlechten Trainer werden ihre Mannschaften den Ball blind in die 10 Mann Mauer hämmern lassen und hoffen, dass der durchrutscht... Die guten Trainer werden sich überlegen, wie man aus dieser Situation eine bessere Abschlussgelegenheit für seine Angreifer kreiert. Was zu mehr kreativen Standartsituationen führen sollte... ich sage bewusst sollte, weil es halt so wenige gute Trainer gibt...

Und wenn jetzt einer mit dem "Dann fangen die Stürmer ja an bewusst die Verteidiger anzuschießen" kommt... glaubt ihr, das machen die jetzt nicht? Wie oft wird den pro Spiel ein Verteidiger im Strafraum angeschossen und es gehen sofort die Reklamationen los?

Dadurch, dass die Regeln einheitlich und eindeutig werden, löst man das ganz große Dilemma für den Schiedsrichter: Die ewige Frage "Reicht das für einen Strafstoß"... die nebenbei eigentlich völlig absurd ist. Denn das Regelwerk macht, abgesehen vom Torwart, keinen Unterschied ob etwas im oder außerhalb des Strafraums passiert. Theoretisch muss man jeden Zweikampf, jedes Halten, jede Kleinigkeit, die man im Mittelkreis abpfeift, auch im Strafraum ahnden... das macht aber natürlich keiner...
Zumindest beim Handspiel könnte man es den Schiedsrichtern erleichtern, in dem man ihnen die Möglichkeit gibt das offensichtliche Vergehen (der Sport heißt nicht ohne Grund "Fußball", das Foul steckt an der Stelle buchstäblich im Namen) in einem angemessenen Rahmen zu bestrafen...

Aber das werden wir nicht mehr erleben... Schade eigentlich. Es wäre so einfach...

Montag, 16. Juli 2018

Der Weltmeister der Herzen ist...

Dänemark. Ganz klar: Dänemark. Warum? Nun ja, sie waren die einzige Mannschaft, die gegen Frankreich und Kroatien spielte und beide Duelle nicht verloren hat. Damit sind sie eindeutig die beste Mannschaft des Turniers.

Ganz ehrlich... ich kann den ganzen "Weltmeister der Herzen" Hype, der zumindest durch meine Sozialen Medien geht, nicht nachvollziehen... Warum soll mir diese Mannschaft, die die meisten Gelben Karten gesammelt hat, sympathisch sein? Und an der Stelle muss nochmal zwingend erwähnt werden: Lucas und Kanté sahen für ihre ersten taktischen Fouls direkt Gelb... Dass die Kroaten einen schnellen Gegenangriff von Mbappé noch tief in der französischen Hälfte unterbanden, ohne dafür Gelb zu sehen, ging dagegen komplett unter... Bei den einen gab's für das unterbinden von Angriffsgelegenheiten sofort Gelb, bei den anderen nicht... ich erwähn's ja nur, bevor alle über den falschen Freistoßpfiff heulen...

Oder diese Nation, die zuletzt 1998 ein K.O. Spiel nach 90 Minuten gewonnen hat... oh... ja... natürlich sind die sympathisch, die haben damals Deutschland geschlagen... hätte ich fast vergessen... Ich wusste nur nicht, dass der "Wer Deutschland schlägt, ist mir auf ewig sympathisch" Ansatz fürs ganze Land gilt...

Oder diese Nation, die gegen die schon erwähnten Dänen und Russland ein Elfmeterschießen benötigten um das Weiterkommen zu sichern... Und dann beeindruckender Weise im Halbfinale die Mannschaft war, die nach der 60 Minute noch Benzin im Tank hatte... Die zulegen konnte, während England abgebaut hat...
Man stelle sich vor, die Russen hätten das gemacht... Also die Engländer trotz zusätzlicher Verlängerung am Ende in Grund und Boden gerannt... da hätten alle sofort einen Dopingverdacht gerochen... aber bei den Kroaten... also ehrlich... das würden die doch nie...
Dass immer genau vor den Russland-Spielen ein großer Bericht übers Doping in unsere Wohnzimmer gesendet wurde, aber der Sport sonst immer sauber war, war ein sehr subtiles Mittel der Beweisführung, wer denn hier die Bösen sind...

Oder die Nation, die auf dem Weg ins Finale auf eine einzige "gute Nation" traf. Mit Argentinien warf man einen Titelfavoriten raus. Bezeichnender Weise auch in ihrem einzigen wirklich guten Spiel des Turniers... An sonsten gab es Mannschaften als Gegner, die mit dem Erreichen eines Achtelfinales zufrieden gewesen wären... und ja, auch England fällt in diese Kategorie: Die hatten starke Standards... und das war's.

Ich meine ganz ehrlich... stellt euch mal vor eine andere, traditionellere Nation hätte sich so durchs Turnier gemogelt... und immer wieder mit geschickten taktischen Fouls den Spielfluss unterbrochen, ohne dass jemals ein Spieler gesperrt wird... Und hätte dann trotzdem immer wieder unfassbar viel Glück gebraucht... anders ausgedrückt: Stellt euch vor, wir würden über Deutschland aus dem Jahr 2002 reden... Nur mit Michael Ballack im Finale... Da würde niemand behaupten, dass die irgendwie sympathisch waren... das ist einem selbst als Deutscher irgendwie bewusst...

Aber weil die Kroaten so schön klein sind... setzen wir da andere Maßstäbe an...

Und versteht mich nicht falsch: Ich habe allerhöchsten Respekt vor der Leistung der Kroaten. Die haben es nicht nur geschafft, eine herausragende Generation an Fußballern auszubilden... sie haben es auch geschafft aus dieser Mannschaft eine Einheit zu bilden... also abgesehen von dem einen, den sie Heim geschickt haben... aber Details.
Dass die Starspieler und Champions League Sieger Luka Modric und Ivan Rakitic sich so ins Kollektiv dieser Mannschaft eingebracht haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Dass sie ihre Fähigkeiten genutzt haben um andere (schlechtere) Spieler ins Laufen zu kriegen... und ja, die Kroaten hatten nur diese 2 Weltklasse Leute. Dazu Mandzukic, Brozovic und Perisic, denen man internationale Klasse attestieren kann... Der Rest waren eher Mitläufer.
Und es ist ja nicht so, dass diese Generation der Kroaten nicht vorher oft genug gescheitert wäre... Eher im Gegenteil: Bevor Zlatko Dalic das Team übernahm, war man auf dem Besten Weg in der Qualifikation zu scheitern... Mit diesem Trainer ging es dann plötzlich erstaunlich weit. Da kann man mal sehen, was ein wirklich guter Trainer für Auswirkungen haben kann... Nicht, dass wir das zeitnah erfahren werden, wir verlassen uns weiterhin auf das Talent in der Truppe... reicht ja meistens auch...

Aber überlegt einfach mal, wie viele Starspieler bei dieser WM entweder mit der Gesamtsituation überforder waren wie Sadio Mané... oder eher die Diva raushingen ließen wie Robert Lewandowski... oder eine Mischung aus beidem wie Mohamed Salah und Lionel Messi... Oder die sich gesagt haben: 94 gute Minuten müssen reichen, ich muss ja noch nen Umzug planen wie Cristiano Ronaldo... Es gab erstaunlich viele Starspieler, die ihre persönlichen Interessen in den Vordergrund gestellt haben... die haben dann weder ihre Leistung gebracht noch ihre Mitspieler besser gemacht.
Die beiden Kroaten haben da wirklich herausragendes geleistet... aber auch verdammt viel Glück gehabt.
Und sie waren als Kollektiv verdammt weit davon entfernt wirklich ansehnlichen Fußball zu spielen. Genau so wie die Franzosen. Auch Didier Deschamps hat es geschafft, seine Individualisten hervorragend ins Kollektiv einzuordnen, ohne ihnen ihre Stärken zu nehmen... und all die Stars haben da mitgezogen... Man könnte behaupten, diese WM war eine reine Kollektivstrafe für den neutralen Zuschauer.
Vor beiden Mannschaften habe ich höchsten Respekt. Aber unter dem Titel "Weltmeister der Herzen" verstehe ich was anderes...

Und das ist irgendwie auch das eigentliche Problem: Genau der fehlt dieses Jahr extrem. Diese Mannschaft, wo man hinterher als neutraler Fußballer sagen kann: Boah, die haben geilen Fußball gespielt, die hätten mehr verdient gehabt. Die haben mich mit erfrischenden Angriffsfußball überzeugt... es war halt die WM des eiskalten Pragmatismus...
Am Ende standen die beiden Mannschaften, die diesen Pragmatismus perfektioniert hatten, verdient im Finale. Und die pragmatischere der beiden gewann den Titel.

Mittwoch, 11. Juli 2018

Um die ganze Sache ad absurdum zu führen

Und nur dafür ist diese WM ja da:

Wir erleben heute Abend das Duell zweier grundlegend unterschiedlicher Mannschaften. Also einfach nur, was eine ganz einfache Statistik anbelangt.

Die eine der beiden Teilnehmer hat sich bisher vorbildlich verhalten. Sie hat in 5 Spielen ganze 5 Gelbe Karten gesammelt. Um diese Zahl zu relaivieren: 15 Mannschaften kommen in weniger Spielen auf mehr...

Auf der anderen Seite der Fair Play Wertung... Haben wir das Team mit den meisten Gelben Karten des Turniers... nämlich 12...

Jetzt ratet mal, wer mit einem Vorteil für sein Vorbildliches Verhalten ins Halbfinale geht? Natürlich niemand, das wäre ja... unfair? Also das wollen wir ja nicht...

Vielleicht hilft ja der Kicker-Ticker aus der 38. Minute vom Spiel Russland - Kroatien um zu verdeutlichen, was ich meine: Nächste Gelbe, wieder nach taktischem Foul. Strinic hatte bei Samedov einen Textiltest vorgenommen.
Yapp... abgesehen von dem Torjubel von Domagoj Vida bekam Kroatien im Viertelfinale 3 Gelbe Karten, weil sie gute Angriffsgelegenheiten der Gegner durch taktische Foulspiele oder ein Handspiel in Strafraumnähe unterbanden... Zwischenzeitlich im Minutentakt.

Und jetzt können sie sich nachher wieder 4 taktische Fouls leisten und dafür Verwarnungen sammeln... denn wen interessiert's? Und ja, wenn Lovren oder Strinic nachher wieder einen schnellen Gegenangriff mit einem taktische Foul unterbinden... oder sich in der Schlussphase dreistes Zeitspiel erlauben... dann wird die hier oft angesprochene "Michael Ballack Regel" endgültig ins Lächerliche gezogen. Denn er so was 2 Spiele hintereinander macht, der gehört verdammt nochmal gesperrt. Das ist doch Alternativlos...

Und ja, die Engländer haben es bisher echt im Vergleich zu den Kroaten vermieden solche Aktionen zu bringen. Die haben sich lieber noch nen unmotiviertes Gegentor in der Schlussminute gefangen als den Gegner im Mittelfeld umzulegen. Obwohl sie ein emotional herausforderndes Spiel gegen die Kolumbiern in den Knochen haben... Ganz ehrlich... dafür muss man denen doch irgendwie belohnen...
Und sei es nur, dass sich die 4er-Kette der Kroaten am Ende, falls sie denn führen, kein Zeitspiel erlauben kann... das wäre doch das mindeste...

Damit liefere ich auch meine letzte Prognose für dieses Spiel: Die Kroaten werden das Turnier mit 16 Gelben Karten beenden, ohne dass auch nur ein einzelner Spieler von denen jemals gesperrt wird. Was ein unfassbar hoher Wert ist... Also allein schon dass man nach 5 Spielen bei 12 angekommen ist, ohne dass es einen Spieler mit einer Sperre erwischt hat, ist schon extrem unwahrscheinlich. Aber jetzt ist ja ausgeschlossen, dass es einen von ihnen erwischen wird.

Vor allem ist es so extrem random. Also... Thomas Meunier kriegt im ersten Spiel gegen Panama eine laut Kicker-Ticker "harte" Gelbe Karte. Und gegen Brasilien 4 Spiele später die nächste... weswegen er im Halbfinale gesperrt fehlte... 3/4 der Kroatischen Verteidigung darf sich dagegen 2 taktische Fouls, die auch noch als solche geahndet werden, in Folge leisten und gegebenenfalls im Finale antreten... Und das soll jetzt fairer sein?

Die Lösung... wäre wie immer Flexibel sein: Streicht nicht alle Gelben Karten vor den Halbfinalen... streicht einzelne Gelbe Karten nach sagen wir 3 Spielen. Über die genau Zahl müssen sich echte Experten streiten. Aber wer 3 Spieltage ohne weitere Verwarnung auskommt, sollte dann keine Sperre im Halbfinale befürchten... Denn natürlich sollte im Finale niemand gesperrt werden, weil er am ersten Spieltag random von dem unfähigen und inzwischen nach Hause geschickten Schiedsrichter eines Referee-Entwicklungslandes (nennen wir es Deutschland) verwarnt worden ist... Wer dagegen ständig das Mittel des Taktischen Fouls in der K.O. Phase nutzt, dem sollten auch langfristige Folgen drohen.
An sonsten sorgen wir nur dafür, dass jeder schnelle Angriff immer eiskalt unterbunden wird. Immer und immer wieder... Weil das ja genau der Fußball ist, den wir alle sehen wollen: Wann immer jemand aufs Gas drückt, hat direkt daneben jemand die Bremse parat...

Ballack selber... hat damals absurder Weise in 6 Spielen 3 Gelbe Karten gesehen... trotzdem haben wir es uns irgendwie einreden lassen, dass es total unfair wäre, jemanden zu sperren, der in jedem 2. Spiel verwarnt wurde... Sind wir eigentlich bescheuert? Ich frag das mal so direkt.

Montag, 9. Juli 2018

Neymar vs Berg

Oder: Die Michael Ballack Regel re-revisited...

Aber alles zu seiner Zeit, wir kommen da noch hin.

Es gibt ja die eine Sache, bei der sich alle einig sind: Die Schauspieleinheiten und das Zeitspiel auf dem Rasen ist kaum noch zu ertragen... Da weist der Schiedsrichter den Spieler darauf hin, dass der Stadionsprecher gerade seine Auswechslung durchgesagt hat und der Spieler tut dann so, als hätte er das erst in diesem Moment erfahren. Und ja, der Auszuwechselnde ist immer der einzige, der es nicht mitbekommt... Der wird sich wahrscheinlich fragen, worüber die Spieler um ihn herum gerade tuscheln... Die Antwort: Wie sie das Spiel taktisch ohne dich beenden, jetzt beweg dich du Vollpfosten.

Und ja, Zeitspiel war immer ein Problem im Fußball. Das wird man aus den Spielern auch nicht mehr rausbekommen... es sei denn, man ahndet es konsequent und vernünftig: Wenn du als Schiri überzeugt bist, dass der Junge nur so tut, als hätte er das als einziger nicht mitbekommen... dann gib ihm Gelb... Und wenn er sich dann genüsslich die Schienbeinschoner auszieht, zeigst du ihm Gelb-Rot. An solchen Stellen muss man halt einfach viel schneller mit Verwarnungen reagieren, wenn man das wirklich ändern will...

Dasselbe gilt ja grundlegend bei den Schauspieleinlagen. Hier hatte man ja eigentlich gehofft, dass der Videobeweis zumindest im Strafraum zu einem Umdenken führt. Denn ein unmotiviertes Fallen sollte jetzt ja nicht mehr belohnt werden...
Dass dieser Videobeweis da aber noch nicht so funktioniert, wie erhofft, kann man am Besten an 3 Szenen festmachen:
Zunächst haben wir den Zweikampf zweier ehemaliger HSV-Stars: Marcus Berg wird von Antonio Rüdiger auf die Reise Richtung Manuel Neuer geschickt. Jerome Boateng geht mit vollem Risiko in den Zweikampf und trifft definitiv nicht den Ball. Berg... sucht allerdings trotzdem den Abschluss und scheitert am Leistungsprinzipsaussetzer. Und kriegt deswegen den Elfmeter nicht.
Diese Szene wird aber bei all den Schauspielleistungen immer außen vor gelassen. Dabei symbolisiert sie das Grundproblem: Wer nicht schreit und theatralisch fällt, kriegt halt auch keinen Elfmeter. Obwohl der definitiv berechtigt wäre und der Videobeweis eingreifen müsste... Also ja, es gibt die Vollidioten, die durch die Deutschland-Brille schauen und sagen: Wieso, der kam doch zum Abschluss, dann ist es doch kein Foul... dass sind aber dieselbe Idioten, die vor dem 1:0 von Mexiko ein Foul an Khedria gesehen haben... Solche Meinungen kann man ignorieren...

Auf der anderen Seite... haben wir den Oscar-Gewinner Neymar. Der gegen Costa Rica ebenfalls in eine gute Abschlussposition kommt, aber anstatt den Torschuss zu suchen eine Schwalbe produziert... und dafür zumindest in erster Instanz einen Elfmeter bekommt. Immerhin nur in erste Instanz. Als Fakhreddine Ben Youssef für Tunesien gegen England einen lächerlichen Kontakt übertrieben verkauft (und sich direkt hinterher offensichtlich darüber freut, dass es funktioniert hat), bleibt der Elfmeter bestehen...

Und wenn man sich diese 3 Szenen am Stück anguckt... kann man den Spielern auf ein Mal keinen Vorwurf mehr machen, dass sie sich theatralisch fallen lassen. Es ist offensichtlich der richtige Spielzug. Und das hätte der Videoschiedsrichter zumindest im Fall Berg zwingend ändern müssen: Wenn wir es in die Köpfe der Spieler bekommen, dass die Strafstöße wegen der Foulspiele und nicht wegen des dramatischen Umfallens gegeben werden. Wenn die Stürmer irgendwann begreifen, dass sie ihrer Mannschaft nicht schaden, wenn sie den Abschluss suchen, sondern die fälligen Elfmeter auch dann bekommen, wenn sie sich sportlich vorbildlich verhalten... DANN wird die sich dieses Problem zumindest im Strafraum bessern. Denn dann kann man als Stürmer den Abschluss und das Foul gleichzeitig suchen... Derzeit muss er sich quasi immer für eines entscheiden... und man kann dann dem Stürmer schlecht vorwerfen, dass er sich fürs Elfmeter schinden entscheidet...

Und die andere wichtige Instanz... fordert halt keiner. Also es gab in den letzten Tagen haufenweise Beschwerden über Neymars Verhalten auf den Platz. Keine Seite im Kicker, in der es im weitesten Sinne um Brasilien geht, kommt ohne einen Seitenhieb auf dessen Hang zum Schauspiel aus... und alle jammern, dass der ja so ein schlechtes Vorbild für die Kinder ist... Als nächstes wird gefordert, dass Trainer Tite den erziehen muss... Ein Mensch, der zum absoluten Erfolg verdammt ist, wenn er wieder in die Heimat einreisen will, soll seinem besten Spieler Verhaltensweisen austreiben, von denen seine Mannschaft nur profitiert? Spinnt ihr eigentlich?

Es gibt die Leute, die das Neymar austreiben könnten. Und es gäbe eine sehr einfache Forderung, die man diesen Leuten an die Hand geben könnte: Verwarnt die Schauspieler einfach für ihre Unsportlichkeiten. Als Schiedsrichter kann man das... ja man müsste es sogar...
Nehmen wir halt den Elfmeter, den Neymar mit einer Schwalbe provozieren will: Praktisch gesehen muss Björn Kuipers ihn dafür, nachdem er das via Videobeweis erkannt hat, auch Gelb geben.
Dazu hätte Kuipers ihm viel früher als in der 81. Minute dafür verwarnen müssen, dass er jeden Pfiff und jeden Zweikampf kommentierte... Kuipers hat mit dieser Verwarnung viel zu lange gewartet...

Aber das faszinierende: Die Gelbe Karte hat ja zumindest in Ansätzen gewirkt. Im 3. Gruppenspiel wurde dem Jungen anscheinend vorher vermittelt, dass er gesperrt werden wird, wenn er sich wieder so aufführt wie gegen Costa Rica. Und dann hielt er sich zurück...

Bis zur jetzt schon legendären 71. Minute gegen Mexiko... wo er wieder mit einer übertrieben Schauspieleinlage ein Strafe für den Gegner provozieren wollte. Und auch hier gibt es für den Schiedsrichter genau 2 Möglichkeiten: Entweder er nimmt Neymar das Drama ab, geht zum Videobeweis und zeigt demjenigen, der den Superstar so übelst böse getreten hat, Rot... Was offensichtlich nicht der Fall war.
Oder ich gehe als Schiedsrichter davon aus, dass uns Neymar gerade kollektiv verarscht und gebe ihn für die Unsportlichkeit Gelb... Und da er schon im Aus liegt, kann es danach direkt mit Einwurf weitergehen.
Wenn man dann noch die relativ harmlose Schwalbe in der 91. Minute gegen Belgien hinzuzieht... hätte Neymar während diese WM 4 Gelbe Karten für sein unsportliches Verhalten bekommen können oder müssen...
Oder anders ausgedrückt: 2 mal gesperrt zuschauen. Und das wäre genau der Moment, wo er dann vielleicht was merkt. Wo dann auch der Trainer auf ihn einwirkt und ihm sagt: "Du schadest uns und dir mit deinem Verhalten." Und wo es vielleicht mal "Klick" macht... Also es ist die einzige Möglichkeit, wie es jemals bei dem "Klick" machen könnte...

Aber fragt euch mal selber, wie viele Analysten und Experten Verwarnungen für Neymar gefordert haben... in wie vielen Spielberichten ein "hätte dafür verwarnt werden müssen" auftaucht... Natürlich lest ihr das nicht. Weil das keiner fordert. Wir wollen zwar einerseits, dass der Fußball nicht durch so einen Scheiß geprägt wird... wir haben aber andererseits so viel Angst davor, dass unsere Superstars gesperrt fehlen, dass wir ihnen diese Extravaganzen immer wieder durchgehen lassen. Und da sind wir dann wieder bei der legendären "Michael Ballack Regel":  Wir arrangieren uns eher damit, dass taktische Fouls und Zeitspiel die Halbfinal-Spiele kaputt machen, weil keinem eine Sperre droht, als uns mit dem Gedanken, dass ein Superstar ein Finale gesperrt verpassen könnte, zu beschäftigen... obwohl diese Regel praktisch dazu führt, dass die Halbfinale wesentlich schlechter aussehen werden... weil man theoretisch 8 taktische Fouls begehen kann, ohne dass irgendjemanden eine Sperre droht... Und ja, auch dieses Mal wird immer irgendjemand die Bremse ziehen, wenn Tempo ins Spiel kommt...

Und genau so sieht es bei den Schauspieleinlagen aus. Es wäre für die Fifa vor dem Turnier überhaupt kein Problem gewesen, ein Dossier für die Schiedsrichter und die Öffentlichkeit auszugeben, in dem darauf hingewiesen wird, dass Schauspieleinlagen konsequent mit Gelb geahndet werden sollen. (Wie man es beim Fordern des Videobeweises getan hat... wäre natürlich schön gewesen, wenn das auch ein Schiedsrichter angewendet hätte, aber theoretisch soll es dafür Gelb geben...) Sowohl die großen von Neymar, als auch die kleinen von Gabriel Jesus, der im Viertelfinale ebenfalls ein mal um fiel, als hätte ihm jemand das Bein gebrochen... und dann aber, weil man ja zurück lag, sofort wieder aufspringt, als er merkte, er kriegt den Pfiff nicht... Auch dieser Stürmer wollte ein Foul und eine Strafe für den Gegner provozieren.

Ob das bei all den Versteckten Fouls, die ein Sergio Ramos austeilt, wirklich das wichtigste ist, sei mal dahin gestellt. Aber wenn man sich darüber aufregt, muss man auch einfach die logischen Konsequenzen fordern... und damit leben, dass ein Neymar dann 2 Mal pro Turnier gesperrt fehlt. Oder ihr lasst es. Dazwischen gibt es wenig Spielraum.
Da aber keiner will, das Neymar (oder Spieler von seiner Klasse) gesperrt auf der Tribüne sitzen, werden wir auch in Zukunft deren divenhaftes Verhalten ertragen müssen.

Samstag, 7. Juli 2018

Unsere Analysten arbeiten zu Ergebnisorientiert

Oder zu "Narrativ-getrieben"... eines von beidem, ich bin mir noch nicht ganz sicher...

Aber es ist echt faszinierend: Im Wesentlichen gucken unsere Experten immer aufs Ergebnis und sagen dann: Der Mann hat alles richtig gemacht.

Und dann kommt ein anderer Trainer, trifft dieselben Entscheidungen, kassiert aber kurz vor Schluss den Ausgleich... und hat deswegen seiner Mannschaft die falschen Signale gesendet... warte was?

Um das ganze konkret zu machen: Garteh Southgate hat im Achtelfinale genau so agiert wie Roberto Martinez gestern im Viertelfinale. Aber der eine hat halt das Glück, dass die Brasilianer ihre Chancen auslassen und es deswegen nicht zur Verlängerung kommt.
Sein eigener Beitrag war dazu... minimal. Zur Halbzeit hieß es noch: Das kommt den Belgiern entgegen, die haben eine der besten Kontermannschaften des Turniers und jetzt werden sich die Räume bieten, die sie brauchen... und dann fahren die in der gesamten 2. Halbzeit keinen wirklich gefährlichen Konter...
Und der Trainer reagiert darauf bis zur 83. Minute gar nicht... und bringt dann 2 Defensivleute um den Vorsprung über die Zeit zu retten... Natürlich hat das funktioniert, aber eine gut aufgestellte Mannschaft reagiert trotzdem anders.
Und wenn die Brasilianer den durchaus möglichen Ausgleich machen, fragen alle, warum Dries Merten 90 Minuten auf der Bank blieb... hätte man den nicht nach 60 oder 70 Minuten für Nacer Chadli einwechseln müssen? Aber bei unseren Experten gilt die Regel: Wer gewinnt hat alles richtig gemacht. Ich würde mich freuen, wenn wir das mal überwinden könnten...

Faszinierender Weise haben die Engländer ja ihre Lektion gelernt... und sind erst aufs 2:0 gegangen, bevor sie in den Verwaltungsmodus geschaltet haben. Da sieht man die Fortschritte, die Mannschaft und Trainer gemacht haben..

Um das mal an einem weiteren, praktisch grausamen, Beispiel festmachen: Dem meiner Meinung nach bisher am besten gecoachten Spiel der WM: Russland - Spanien. Beide Trainer hatten einen klaren, mehrstufigen Matchplan, den sie umgesetzt sehen wollten. Beide ließen deswegen erst Mal ihre Helden auf der Bank. Und ja, ich gehe davon aus, dass sich Stanislav Cherchesow bewusst für den 1,96m Brocken Artyom Dzubala entschieden hat... weil das halt auch der Typ Stürmer ist, an dem du dir als Verteidiger weh tust, wenn du in einen Zweikampf gehst... und dann hat er nach einer Stunde die fähigeren Fußballer mit Cherychev und Smolov um doch noch einen Konter zu fahren, in dem sie die Abnutzungserscheinungen bei Sergio Ramos und Pique ausnutzen. Das hat natürlich am Ende nicht mehr geklappt, aber der Plan war trotzdem klar erkennbar.
Genau so wie Fernando Hierros Plan Andres Iniesta nach einer Stunde zu bringen und dann gegen einen Müde werdenden Gegner zielstrebiger in den Strafraum zu spielen. Hat auch nicht funktioniert, was aber nicht heißt, dass der Plan schlecht war... er wird nur hinterher als "schlecht" bewertet, weil man die vorhandenen Chancen nicht genutzt hat.

Aber so sollte ein gut gecoachtes Fußballspiel aussehen. Und als Experte sollte man dann nicht überrascht sein, wenn ein alter Sack wie Iniesta auf der Bank startet, sondern so einen Plan erkennen und erklären. Das könnte dem gemeinen Zuschauer dabei helfen das Spiel besser zu verstehen...

Völlig absurd wird das ganze natürlich bei Jogi Löw. Der muss sich auf ein Mal von allen Seiten vorwerfen lassen, dass er an Manuel Neuer festgehalten hat und damit jegliches Leistungschprinzschip ausgesetzt hat. Was in seiner Mannschaft schlecht angekommen sein soll...
Dabei dürfte selbst ein Marc Andre ter Stegen in ehrlichen Momenten sagen, dass es richtig war auf den herausragenden Torhüter unserer Generation zu setzen. Wir reden halt von Manuel Neuer...
Vor allem aber ist der "Leischtungschprinzschip" Witz so alt wie dieser Blog. Den bringe ich seit Jahren. Denn es gab den einen Spieler, für den Jogi Löw dieses Prinzip immer außer Kraft gesetzt hat. Und ja, es gibt keinen sachlichen Grund, warum ein durchschnittlicher Bundesligaspieler wie Lukas Podolski 6 große Turniere gespielt hat. Aber da Löw ja immer ins Halbfinale kommt, hat da kaum jemand drauf hingewiesen (außer natürlich meine Wenigkeit)... Obwohl er sachlich gesehen damals dieselben Fehler gemacht hat wie jetzt...
Auch all die Bilder, die Löw jetzt vorgeworfen werden... wären als ein "Da strahlt er Souveränität und Sicherheit aus" interpretiert worden, wenn Mats Hummels den Ball ins Tor köpft. Jetzt muss er, der ja immer auch auf Bilder bedacht war, sich das plötzlich vorwerfen lassen.

Jogi Löw hat denselben Mist gebaut wie immer. Es ist dieses Mal nur aufgefallen, wie viel Mist das war. Und ja, als Experte sollte man in der Lage sein das auch anzusprechen, wenn es zufällig gut geht...

Ein weiteres spannendes Beispiel ist ja (und jetzt sind wir beim "narrativ-getrieben") die Erdogan-Affäre: Wie sich jetzt alle darauf versteifen, dass Mesut Özil und Ilkay Gündogan wegen dieses Fotos so scheiße gespielt haben... dass man das ganze auch ganz unpolitisch erklären kann, wenn man sich einfach nur die Vorleistungen auf dem Platz anguckt...

Also Mesut Özil hat sich halt in den letzten 2 Jahren von einem Fixpunkt der Offensive eines Champions League Teilnehmers zum Fixpunkt der Offensive eines Europa League Teilnehmers "weiter" entwickelt. Der ist halt nicht mehr derselbe Spieler, der er vor 2 oder 4 Jahren war... für den Arsenal London 47 Millionen Euro Ablöse an Real Madrid überwiesen hat. Der kommt halt mittlerweile nur noch auf 18 und 13 Scorerpunkte, während er vorher gerne mal 19 Vorlagen in einer Saison gesammelt hat. Und natürlich ist Özil nicht alleine dafür verantwortlich, dass Arsenal international nur noch zweitklassig spielt. Aber er ist definitiv ein prägender Teil dieser Mannschaft und damit dieser Entwicklung.
Dass ein Özil, der einfach nicht mehr so gut ist wie vor 4 Jahren, dann auch nicht mehr so gut spielt... erscheint erstaunlich logisch...

Und Ilkay Gündogan? Hat halt seine erste Saison als Stammspieler in der Premiere League gespielt. Also ohne Winterpause fast 50 Spiele auf Vereinsebene abgeliefert. 2.800 Minuten für Manchester City... Hier ist eine spannende Erkenntnis: Die meisten Spieler sind, wenn sie dies das erste Mal durchmachen, am Ende auch einfach durch. Es ist ja nicht so, das Gündogan der erste Premiere League Profi ist, der danach dann ein enttäuschendes Turnier spielt. Genau genommen war das Jahrelang eher die Regel als die Ausnahme... und ja, dass jetzt die Premiere League Spieler die WM prägen ist die eigentliche große Überraschung... Vielleicht haben die Vereine da auch einfach was in der Belastungssteuerung gelernt. Aber führt jetzt so weit. Das wichtige ist: Man kann Gündogan Leistung auch erklären, ohne ein politisches Drama herbeizureden.
Und dann kann man auch Löws Arbeit wieder sachlich kritisieren und ihn fragen, warum er es dieses Mal (im Gegensatz zu sonst immer) nicht geschafft hat, seine Mannschaft frisch und fit zukriegen... Da wird die Kritik spannend.

Das wirklich Problem an all dem relativ leeren Mediengebrüll über "den Zusammenbruch" ist ja: Die eigentliche Ursache spricht kaum jemand an: Es fehlt Deutschland an guten und sicheren 6ern. Wir haben es nicht geschafft, Bastian Schweinsteiger zu ersetzen. Es fehlt der Sicherheitsspieler, der einfach nur für Stabilität sorgt. Weil Gündogan überspielt war und Sebastian Rudy als einzige ernste Alternative verletzt ausschied.
Und das ganz große strukturelle Problem dabei ist: Es gibt auch kaum Alternativen. Also man muss halt hoffen, dass Julian Weigl wieder mit Dortmund in die Spur kommt. Oder (und auch da wird es wieder spannend, denn da kann man jetzt wieder sachlich über Löw reden) dass der Nationaltrainer seine Ablehnung gegen die Bender-Zwillinge überwindet...
Faszinierender Weise... hat der Kicker darauf hingewiesen, dass es für Brasilien ein Problem ist, wenn Casemiro gesperrt fehlt... also genau der Spieler, der bei Real Madrid die Drecksarbeit für Toni Kroos macht und für die nötige Stabilität sorgt... Dass wir Deutschen so einen Spieler auch dringend brauchen... und dass weder Kroos noch Khedira (so gut die beiden sein können) dieser Spielertyp sind...
Aber es würde ja niemand auf die Idee kommen, Löw dafür zu kritisieren, dass er nur einen Stabilitäts-Sechser in seinem Kader hatte. Und dass dieser 6er bei den Bayern nur Ergänzungsspieler ist... was aber auch nur darauf hinweist, wie schlecht wir diesen Spielertyp ausbilden... Aber das fällt halt einerseits niemand auf... und es passt anderseits nicht ins emotionale Geschrei, welches wir "tiefgehene Aufarbeitung" nennen...

Donnerstag, 5. Juli 2018

Randomness vs Predictions

Wie mir in den letzten Tagen mehr als ein Mal aufgefallen ist, besteht Fußball überraschend häufig aus Aneinanderreihung von Zufälligkeiten. Die sich bei einer WM, also einer K.O. Phase bestehend aus einem Spiel, nochmal potenzieren sollten. Wenn die eine dumme Aktion deines Spielers zum 0:1 führst, hast du relativ wenig Zeit diesen Fehler noch zu korrigieren. Also je nach Zeitpunkt 90 Minuten bis 35 Sekunden... Du kannst das ganze Spiel überlegen gestalten und wegen einer dummen Aktion trotzdem ausscheiden... Das ist eine Konstellation, die zu jeder Menge Sensationen führen sollte.
Trotzdem ist gerade die Fifa Weltmeisterschaft der Wettbewerb, in dem Außenseiter die schlechtesten Siegchancen haben. Hier sei nochmal auf die 7 unterschiedlichen Weltmeister verwiesen... und dem Fakt, dass sich (auch wenn das Revisionist History sein könnte) immer einer der 4 Turnierfavoriten durchsetzt. Also vor 4 Jahren gab es einfach keinen Weg mehr, den einen Titel für Deutschland zu verhindern... nicht mal Jogi Löw schaffte dies, obwohl er es echt versucht hat... Der große Favorit wurde Weltmeister...
2010 gingen alle vorher davon aus, dass niemand die spanische Passmaschine aufhalten kann... und auch wenn es knapper war als erwartet... und Andres Iniesta eines seiner 13 (In Worten DREIZEHN, bei 133 Spielen...) Tore im Nationalmannschaftstrikot erzielte, hat es am Ende doch funktioniert.
Faszinierender Weise konnten sich beide Weltmeister auf das Pass- und Positionsspiel, welches der von Pep Guardiola trainiert Vereinsblock in die Mannschaft einbrachte, verlassen. Das mag wie eine absurde Statistik aussehen, ergibt aber verdammt viel Sinn, wenn man bedenkt, dass Deutschland 5 Bayern-Profis und Spanien 6 Barca-Profis in der Startelf stehen hatte...

Davor kam die größte Überraschung der Neuzeit: Italien wurde Weltmeister 2006. Damit haben wenige gerechnet, weil Italien eigentlich mitten in einem Manipulationsskandal steckte... Der im Zwangsabstieg des Rekordmeisters endete... Aber wenn Italien als größte Überraschung ankündigen muss... eine Fußballnation mit epischer Tradition und einer Mannschaft mit hervorragender Organisation... Dann weiß man, dass es eigentlich keine Überraschungen gibt...

2002 war Brasilien um das geniale Offensivtrio Rivaldo, Ronaldinho und Ronaldo dran. Und klar, die WM verlief (ähnlich wie diese bisher) völlig bekloppt... Trotzdem gewann am Ende die beste Mannschaft gegen Deutschland in einem Standartfinale...
4 Jahre zuvor scheiterten die noch an Zidanes Frankreich. Das war halt die WM dieses Superstars.

Und darauf bin ich ja beim Quick Recap noch gar nicht eingegangen: Nicht nur die Titelträger waren immer die üblichen Verdächtigen... auch die Finalgegner... die WM 2002 war eigentlich völlig absurd. Ein extremes Favoritensterben... auch weil Spanien gegen den Gastgeber verpfiffen wurde... Trotzdem gab es am Ende eines der Standartfinale Deutschland - Brasilien...
Das ist ja das nächste faszinierende: Nicht nur die 7 Titelträger sind eine extrem geringe Anzahl... Aber wenn man sich jetzt fragt, wer denn alles in einem WM Finale stand... kommen zu den 7 Titelträgern nur Ungarn 1938 und 50, Schweden 1958, die Tschechoslowakai 1934 und 62 und die Niederlande 74, 78 und 2010 dazu... das sind 11 unterschiedliche Finalteilnehmer...

Wenn man dann völlig random 1970 als Stichtag ansetzt (Warum den? Na um England auszugrenzen, ist doch logisch)... Gab es im wesentlichen nur noch Brasilien, Italien, Deutschland, Holland, Argentinien, Frankreich und Spanien als Finalteilnehmer... Dass sind 7 unterschiedliche Finalteilnehmer bei 12 Turnieren... über einen Zeitraum von 48 Jahren... In diesen 12 Turnieren hieß das Finale 3 Mal Argentinien - Deutschland... oder anders herum... Details...

Diese Serie, so viel steht jetzt schon fest, wird durchbrochen werden... weil nur noch Brasilien und Frankreich in der Verlosung sind... und die würden im Halbfinale aufeinander treffen... Aber rein statistisch wissen wir jetzt schon, dass das Finale aus England gegen Frankreich oder Brasilien heißt. Das ist historisch die einzige Möglichkeit, die übrig bleibt... Und Spoiler an der Stelle: Raheem Sterling wird am Ende mit seinem 3. Länderspiel-Tor das Ding entscheiden. Einfach nur, weil es am passendsten ist: Der Spieler, der ständig dafür kritisiert wird, dass er nicht trifft, macht die Nation, die ständig enttäuscht zum Titelträger...

Denn natürlich gibt es bei einer WM immer wieder Sensationen und Außenseiter, die weiter kommen als erwartet... vor 4 Jahren stand Costa Rica im Viertelfinale... In Südafrika war Ghana ein Elfmeterschießen vom ersten Halbfinale für eine afrikanische Mannschaft entfernt. 2006 war die Ukraine im Viertelfinale... und niemand (Besonders keine Schweizer, die das Elfmeterschießen mit 0:3 verloren) kann im Nachhinein erklären warum... 2002 schmiss Südkorea erst Italien und dann Spanien raus um ins Halbfinale zu kommen... und Senegal gegen die Türkei hieß ein weiteres Viertelfinale... 1998 legte Dänemark gegen Brasilien einen Klassiker der Fußballgeschichte auf den Rasen... um doch knapp auszuscheiden...

Es gibt sie, die "Cinderella Storys", wie man sie im NCAA Basketball Turnier kennt. In jedem Turnier. Aber sie enden immer im Viertel oder Halbfinale.
Der Turniermodus fördert diese Geschichten ja auch ein Stück weit. Denn 3 Spiele sind verdammt wenig um festzustellen, wer wirklich die beste Mannschaft einer Gruppe ist. Trotzdem darf diese so genannte beste Mannschaft dann gegen die theoretisch schwächere aus der anderen Gruppe antreten. Und so kommt dann ein Achtelfinale Schweden - Schweiz zustande... Ein Spiel, welches garantiert einen Überraschungsviertelfinalisten produzieren muss...
Wenn man bedenkt, dass die Schweden vorher Holland, Deutschland und Mexiko hinter sich gelassen haben... waren die Schweizer bisher echt das leichteste "Los"... Und mit England sinkt das Gegnerniveau ja nur noch weiter...

Dass diese Geschichten noch nie ins Finale geführt haben... während es alle 12 Jahre einen absolut zufälligen Europameister gibt, was jegliche Theorie sofort über den Haufen wirft... ist halt das, was den Sport so faszinierend macht: Man kann ihn einfach nicht erklären.
Denn einerseits ist das Spiel unvorhersehbar, andererseits kann man das Endergebnis eines Turniers bisher (Ich arbeite ja hart am Vorführeffekt) immer sehr gut vorhersagen. Zumindest das Teilnehmerfeld von 32 Mannschaften auf 4 bis 5 Titelfavoriten runter kürzen, die sich dann immer durchsetzen. Diese Kombination ergibt einfach keinen Sinn. Aber das macht den Sport ja so schön.

Mittwoch, 4. Juli 2018

Man kann sich ja auf gar nichts mehr verlassen...

Was ist hier nur los?
Wo soll das alles hinführen?
Das ist nicht mehr meine WM!
Früher war alles besser!

Ernsthaft... wenn ihr vor der WM 10 Euro auf die Kombiwette "Deutschland scheidet in der Vorrunde aus" und "England gewinnt ein Elfmeterschießen" gesetzt hättet... was meint ihr, wie viele Monatsmieten die euch ausgezahlt hätten...

Allein schon dass die ARD jetzt zwischen den Spielen völlig überraschend ein Quizduell ausstrahlen mussten... um die Frage "Wie füllen wir denn jetzt das Programm, wo wir nicht mehr nach Watutinki schalten können?" endgültig zu beantworten... Halt einfach nicht mit Fußball...

Die wirklich faszinierende Erkenntnis dieser WM ist ja: Fußball ist so extrem zufällig. Und ja, das hatten wir gestern auch schon... aber die Schlussphase Kolumbien - England setzte da nochmal einen drauf...
Zunächst lief alles nach "Plan"... weil Harry Kane mal wieder einen Elfmeter zugesprochen bekam. Ein Kane ist von den meisten Verteidigern im Strafraum halt kaum zu halten. Deswegen bekommt England auch so viele Elfmeter zugesprochen... dass sie die auch dringend brauchen um Tore zu erzielen ist ein anderes Problem, aber solange es nicht gegen absolute Spitzenverteidiger geht, ist die "Wir schlagen den Ball hoch auf Kane, der wird dann schon umgerissen" Taktik eine extrem gute...

Aber in der 93. Minute drehte das Spiel dann komplett random völlig durch. Zunächst ließ Matheus Uribe einen Verzweiflungsschuss aus aus 35 Metern los. Solche Aktionen enden in 99% der Fälle entweder auf der Tribüne oder mittig und relativ ungefährlich in den Armen des Torwarts... Was ja auch logisch erscheint... man geht halt volles Risiko und dass sich dann genau alles inklusive Wind und Sonnenstand so perfekt zusammenfügt, dass der Ball im Winkel einschlägt, ist schon relativ unwahrscheinlich...
Was natürlich nur heißt, dass genau das passiert... Was auch sonst. Der Ball schlägt im Winkel ein, es gibt ein Traumtor und Kolumbien rettet sich in die Verlängerung... Nur reichte das "diesem Spiel" noch nicht als absurder Plottwist... es gönnte sich noch Jordan Pickford... Den ersten englischen Nationaltorwart seit Gordon Banks, der seine Mannschaft mit einer überragenden Parade die Führung sicherte und somit die Viertelfinal-Teilnahme buchte... Ein Englischer Torwart als später Held des Abends... wie absurd... eigentlich bestand dessen Hauptaufgabe doch aus "Einen Kullerball durchwinken"...
Aber auch das reichte diesem Spiel ja noch nicht... Es gönnte sich noch eine letzte Verzweiflungsecke. Einer dieser Momente, wo der Torwart David Ospina im gegnerischen Strafraum rumturnt... Ich habe nebenbei bis heute nicht verstanden, warum man 2 Feldspieler zur Absicherung hinten lässt, aber den Torwart vorschickt... aber das ist ein anderes Thema...
Jetzt passierte das eigentlich Erwartbare: Yerry Mina springt hoch und köpft den Ball ins Tor... zum Dritten Mal bei dieser WM. Man hat sich daran gewöhnt... Obwohl auch das im großen Bild völlig absurd ist: Da gibt es eine Offensive um James und Falcao... und deren bester Torjäger ist dieser Innenverteidiger, der im Auftaktspiel noch auf der Bank saß... Vereinfacht gesagt rutschte der nur wegen des Platzverweises am ersten Spieltag in die Startelf... und jetzt hat er 3 WM Tore...
Aber auch das Wie ist ja nochmal hervorzuheben: Yerry Mina köpfte den Ball ja nicht direkt ins Tor. Das wäre zu einfach. Er platzierte ihn genau so, dass der englische Verteidiger Kirean Trippier den Ball an die eigene Unterkante der Latte köpft... Und ja, wenn Trippier 180 und nicht 178 groß wäre, kratzt er den von der Linie...
Da fällt einem auf, wie verdammt eng es im Fußball zugehen kann. 4 Random Events hintereinander führen dazu, dass man plötzlich in die Verlängerung geht. Keines dieser "Events" war vor der WM so erwartbar oder planbar...
Dass England dann noch nach 6 fehlgeschlagenen Versuchen ein Elfmeterschießen gewinnt... Also darauf konnte sich Gareth "the fastest way out of Wembley" Southgate natürlich seit Jahren vorbereiten. Und natürlich hat Southgate auch recht, wenn er behauptet, es sei keine Lotterie... sondern die Frage, ob man etwas unter Druck und extremer körperlich-geistiger Erschöpfung  ausführen kann. Fakt ist aber auch, dass die Engländer daran 28 Jahre lang immer wieder gescheitert sind...
Und nach dem Fehlschuss von Jordan Henderson wieder auf einem guten Weg waren zu scheitern...

Dass ist ja das richtig absurde: Fußball ist eine Aneinanderreihung von Zufälligkeiten. Von extrem knappen Situationen, die jeweils in jede Richtung ausgehen können. Trotzdem gibt es nur 7 unterschiedliche Weltmeister... und 11 unterschiedliche Finalteilnehmer... Was diesen Sport endgültig unerklärbar macht: Das einzelne Spiel ist extrem unberechenbar, das Gesamtergebnis ist dagegen dann doch genau genommen vorhersehbar...
Und ja, zum ersten Mal seit 1966 wird eine Mannschaft in die Finalphalanx von Brasilien, Italien, Holland, Deutschland, Argentinien, Frankreich und Spanien eindringen. Weil die einzigen beiden, die davon noch dabei sind, im Halbfinale aufeinandertreffen...
Ich sag das mal so: Das Mysterium beschreiben wir morgen etwas ausführlicher...

Dienstag, 3. Juli 2018

Manchmal zweifle ich ja am Gesunden Menschenverstand der Experten

Also ganz selten... höchstens alle 2 Tage...

Fangen wir mit dem Wesentlichen an: Der Ballbesitzfußball ist tot! Mal wieder...
Ganz ehrlich, wie oft wollen die den noch beerdigen... irgendwann muss auch mal gut sein... und ja, ein gewisser Jose Mourinho hat die Frage "Wie gewinne ich ohne den Ball Fußballspiele" bereits vor Jahren gelöst. Und sich dabei im Wesentlichen auch nur auf die alte Catenaccio Taktik eiskalt umgesetzt... was sich vor Mourinho halt lange keiner getraut hat...
Die Idee den Gegner den Ball zu überlassen und sich am eigenen Strafraum einzugraben ist so alt wie der Fußball selbst. Und es wurde immer mal besser und mal schlechter umgesetzt.
Was bei dieser WM gestorben ist, ist folgendes: Die Idee, dass man kleinere Nationen souverän schlagen kann, ohne dass man das Tempo anzieht. Man muss schon nen Gang oder 2 hoch schalten...

Das faszinierendste waren da die Spanier. Die fingen in Minute 77 erstmals damit an, Bälle gezielt in den Strafraum zu spielen. Teilweise hoch von außen. (Soviel zum "Es gab keinen Plan B"...) Dummerweise haben sie sicherheitshalber ihren Zielspieler, der solche Bälle verwerten könnte, vorher ausgewechselt.
Aber das Problem am spanischen System war nicht der Ballbesitz. Das Problem war, dass man glaubte den Gegner müde spielen zu können ohne selbst das Tempo anzuziehen.
Und sobald sie das Tempo dann angezogen, die Bälle in die Spitze gespielt haben und mit Tempo hinterhergezogen sind, gab es auch Probleme für die Russen. Deswegen endete das Spiel ja mit 8:2 Chancen für Spanien. Wenn man damit in der 35. Minute anfängt, gewinnt man das Ding souverän. Wenn man es konsequent durchzieht sogar mit 3:0...

Damit lässt sich das scheitern der Großen eher erklären. Abgesehen davon, dass Fußball ein kaum zu erklärender Sport ist. Also dass Deutschland aus 72 Torschüssen lediglich 2 Tore erzielt, ist logisch nicht nachvollziehbar. Dass Spanien seine vorhandenen Chancen gegen die Russen nicht über die Linie drückt ist auch sachlich nicht zu erklären. Und die hatten ja durchaus die Möglichkeiten das Spiel vorm Elfmeterschießen zu entscheiden. Weil sie das nicht geschafft haben, ist deren System jetzt überholt? Also weil der eine Ball in die falsche Richtung springt ist alles andere falsch?
Dass die Belgier, als sie dann das Kommando übernommen haben, plötzlich 2 Gegentore gegen Japan kassieren... weil individuell wahrscheinlich schlechtere Spieler die Bälle, die Julian Brandt an den Pfosten gejagt hat, an den Innenpfosten legen... kann man auch nicht vorhersagen... Und das kann man hinterher auch kaum analysieren... Und die Belgier dürften ja in der Phase, in der sie die 3 Tore gemacht haben, auch auf 80% Ballbesitz gekommen sein... Die hatten dann aber halt das Glück, dass sie durch ein Kacktor zurück ins Spiel gekommen sind. Dieses Kacktor hat den Deutschen und Spaniern halt gefehlt...
Und ja, das 1:2 war ein reines Zufallsprodukt. Und die Belgier machten vorher mit ihrer "Mesut Özil verbreitet mehr Optimismus" Körpersprache weit weg davon zurück zu kommen. Trotzdem stehen die jetzt im Viertelfinale und wir vor dem Achtelfinale Schweden - Schweiz... was dann der Moment ist, in dem einen bewusst wird, dass Deutschland wirklich ausgeschieden ist...

Fakt ist halt auch: Den Ball stabil in seinen eigenen Reihen halten und sich den Gegner über einige Querpässe zurechtzulegen ist die effektivste Variante im Modernen Fußball zu verteidigen. Denn dann muss der Gegner mehr laufen als man selbst und man läuft praktisch nicht in die Gefahr eines Konters... aber das wird ja bei allen Spanien-Analysen immer vergessen: Die haben nie Angriffsfußball gespielt, sondern immer mit dem Ball in den eigenen Reihen das Tor verteidigt. Deswegen sind sie mit 8 Toren 2010 Weltmeister geworden. Ich behaupte mal ganz dreist, dass kein anderer Weltmeister weniger als 12 erzielt hat.
Und souverän verteidigt haben sie die meiste Zeit. Ihnen hat halt im Achtelfinale das nötige Glück im Abschluss (oder die Cleverness im eigenen Strafraum) gefehlt um das Ding mit einem Tor Vorsprung zu gewinnen...


Break...


Die andere Sache, bei der es mir an Gesunden Menschenverstand mangelt... ist ja die Bewertung der Schiedsrichterleistung von Nestor Pitana. Dass der Kicker echt behauptet, es wäre "Korrekt Strafstoß und Gelb zu geben, weil der Zweikampf klar dem Ball galt (116.)." Ich glaube, da hat jemand den Sinn der Regeländerung nicht verstanden...
Also ich sag das mal so: Luiz Suarez Aktion damals im Halbfinale gegen Ghana 2010 galt auch klar dem Ball. Genau so wie das Handspiel von Carlos Sanchez, welches der Kicker richtig mit Elfmeter und Rot bewertete... Und jetzt soll Mathias Jörgensen weiterspielen dürfen? Obwohl er einen Gegner foult, der den Torwart bereits umspielt hat und nur noch ins leere Tor einschieben muss? Ernsthaft? Gucken die Kicker-Redakteure denn so gar keinen Fußball?
Man muss sachlich festhalten: An der Stelle ist es keine klare Torchance mehr, die man verhindert... sondern ein quasi sicheres Tor. Das würde der Jörgensen auch so sehen, der hätte sich nie über Rot beschwert... Und der würde in 10 von 10 Fällen in der Konstellation wieder so hinlangen. Selbst wenn es Elfmeter und Rot gibt, ist das in der 116. Minute eines WM Spieles immer noch der bessere Ausgang...
Sich jetzt hinzustellen und zu behaupten, dass da ja ein Ball im Spiel war... Wie gesagt: Das war es bei Suarez damals auch. Und es würde niemand, auch nach den neuen Regeln, auf die Idee kommen Suarez dafür nicht vom Platz zu stellen.
Da nur Gelb zu zeigen ist ein ganz klare, glücklicher Weise folgenlose (da Jörgensen eh Gelb gesperrt wäre, träfe dies sogar im Falle eines Weiterkommens zu... die 4 Minuten hätte Dänemark auch 10 10. verteidigt...) Fehlentscheidung.

Was einem jetzt aber nicht zu einer Überreaktion bringen sollte. Die Regel ist weiterhin besser als die Alte. Sie gibt dem Schiedsrichter den Spielraum genau da, wo es angemessen ist, Rot zu zeigen, zwingt ihn aber nicht dazu, wenn kein sicheres Tor verhindert wird. Warum das Leuten, die sich den ganzen Tag mit Fußball beschäftigen, nicht auffällt, ist das eigentliche Rätsel...
Also um das mal praktisch zu beleuchten: In der Szene zwischen Boateng - Neuer und Berg (die wird nochmal relevant) wäre Elfmeter und Gelb richtig gewesen, weil Neuer den Abschluss von Berg offensichtlich abwehrt. Das war nur eine große Torchance, und die kriegen die Schweden dann zurück, weil sie nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden konnte.
Bei der Szene im Kroatien Spiel gibt es kein realistisches Szenario, wie irgendein Däne fair dieses Tor verhindert. Dementsprechend muss man das Foul anders bewerten.