Mittwoch, 18. Juli 2018

2 Grundprobleme hat auch diese WM nicht gelöst

Obwohl sie als Großes und Ganzes echt gut war. Vor allem natürlich, dass sie bewiesen hat, dass nicht der Videoassistent, sondern die Arroganz des DFBs bei der Umsetzung das Problem war... und hinterher denkt man sich: Warum wurde das nicht in der 2. Liga getestet? Und warum hat man sich dabei so dumm angestellt, wobei es doch so einfach gewesen wäre... Wenn man die Regeln vorher ordentlich festgelegt und sich dann dran gehalten hätte...

Das faszinierendste war ja: Das "Es gibt einen unberechtigten Freistoß-Pfiff der zu einem Tor führt, müssen wir den jetzt zurück nehmen" Phänomen ist ja wirklich aufgetreten. Im Finale... wie oft habe ich darauf hingewiesen, dass es Bullshit ist, bei einem Foulspiel in der Torentstehung (wie in der Bundesliga oftmals getan, siehe Pokal-Finale) den Videobeweis anzuwenden, aber bei einer Fehlentscheidung, die zu einem Standard-Tor führt, nicht?
Aber bei der WM war klar geklärt: Nur bei der direkten Torerzielung und nicht bei einem Zweikampf vorher wird eingegriffen. So wurde es bei Diego Costas Tor gegen Portugal durchgezogen. Und so wurde es auch im Finale angewendet. Deswegen wurde über den falschen Freistoßpfiff auch quasi gar nicht diskutiert: Solche Fehlentscheidungen passieren halt mal...

Oh und man eine Lösung für das "eine Falsche Abseitsentscheidung ist schwer zurückzunehmen" Problem gelöst, in dem die Schiedsrichter im Zweifelsfall später die Fahne gehoben haben. Da muss man sich zwar dran gewöhnen, aber der Ansatz ist der einzig mögliche...

Nebenbei hat die WM mit dem Mythos aufgeräumt, dass der Videobeweis die Emotionen auf dem Spielfeld töten würde. Denn seit ganz ehrlich: Ihr wisst alle genau wo ihr am 27.06.2018 um 17:51 gewesen seid und wer neben euch saß... wahrscheinlich genau so gut wie ihr euch daran erinnert, wo ihr am 13.07.2014 um 23:24 gewesen seid. Ok, ich muss ja zugeben, dass es bei mir einfach ist, weil ich an exakt demselben Ort saß... aber Details.
Ganz Deutschland starrte wie gebannt auf eine Leinwand und wartete auf die Entscheidung des Schiedsrichters: Wir der Traum des späten Glückstores weiterleben oder das Ausscheiden endgültig besiegelt? Und da es sich um einen der großen Titelfavoriten hielt, hing man nicht nur in Deutschland zitternd vor den Geräten...
Ich habe mir das Vergnügen gegönnt, nicht so sehr auf die Fernsehbilder zu achten (Dass es ein Tor geben muss, war mir eigentlich in Originalgeschwindigkeit klar), sondern auf die Reaktionen der Zuschauer in der Bar meines Vertrauens. Das Knistern war förmlich greifbar. Das Fluchen hinterher auch nicht leiser als sonst, wenn Deutschland ausscheidet. Die Emotionen waren also voll in Takt, nur ein wenig anders, als man es gewohnt war...


Aber kommen wir zum ersten der 2 Grundprobleme, die auch der Videobeweis nicht lösen kann: Was ist eigentlich ein Handspiel. In Kroatien werden sie in 100 Jahren noch behaupten, dass der Videobeweis beim Elfmeter unangebracht war, weil es keine klare Fehlentscheidung war. In Frankreich werden sie dagegen ein eindeutiges Handspiel gesehen haben, das definitiv geahndet werden muss. Und das lustige daran ist: Beide haben recht.
Das Problem ist halt: Es war definitiv ein Handspiel. Und es kann keiner abschätzen, ob ohne das Handspiel der Verteidiger hinter dem Kroaten überrascht den Ball reinstochert... oder ob er ihn verpasst und der Französische Angreifer das 2:1 macht.
Das Handspiel mit vergrößerter Körperfläche unterbindet auf jeden Fall ein größeres Chaos im Strafraum. Was immer etwas gutes für die Verteidigende Mannschaft ist.
Auf der anderen Seite kommt der Ball aus einer derart kurzen Distanz... Wie soll der Verteidiger da reagieren. Da kann ihm doch keiner Absicht unterstellen...

Das ist halt das grundlegende Dilemma des Fußballs: Man kann, wenn man die Vereinsbrille absetzt, immer wieder die beiden aus der Vereinssicht argumentierenden Teilnehmer verstehen.

Aber das eigentliche Problem ist ja nicht das Handspiel an und für sich. Wenn Ivan Perisic den Ball außerhalb des Strafraums so abblockt, wird über ein Handspiel nicht diskutiert werden. Also mir fällt spontan eine einzige Situation ein, in der dies passierte: in der Relegation Karlsruhe - Hamburg. Aber ich sag das mal so: Das ist Relegation, da hat man als Karlsruhe immer recht, wenn man sich aufregt...
Bei einem sind sich doch sicher alle einig: Ein Elfmeter für ein derart unglückliches Handspiel ist eine extrem harte Strafe. Das würde sogar ein Franzose gegenüber einem Kroaten zugeben. Und genau das ist das ganz große Problem.
Den Lösungsvorschlag werden die paar Hanseln, die diesen Blog seit längerem verfolgen, auch schon kennen. Man kann halt nicht immer das Rad neu erfinden. Aber in dem Fall wäre es extrem einfach, jegliche Diskussion ums Handspiel im Strafraum zumindest zu entspannen: Wenn es eine eindeutige, aktive Bewegung zum Ball gibt (siehe Luiz Suarez 2010 gegen Ghana) gibt es Elfmeter. Das wird niemand wirklich ernsthaft in Frage stellen wollen. Aber wenn die Hand nicht aktiv zum Ball geht, gibt es einfach indirekten Freistoß. Also ungefähr so, als würde der Torhüter einen Rückpass aufnehmen. Oder ein Verteidiger mit dem Fuß auf Kopfhöhe zum Ball gehen, das Gesicht des Gegners allerdings nicht treffen.
Dann kriegt man als Franzose genau das Getümmel vorm Strafraum, welches durchs Handspiel unterbunden wurde. Und als Kroate bekommt man eine faire Chance aus dem Getümmel glücklich hervor zugehen.
Indirekte Freistöße im Strafraum sind sowieso ein viel zu selten genutztes Mittel. Man sollte als Fifa immer Regeln einführen, die derartiges fördern. Weil es einerseits einen absurden Unterhaltungswert hat... endlich mal eine Szene, die sich deutlich vom sonstigen Ballgeschiebe abhebt... Und weil sie andererseits zeigt, welche Trainer seine Mannschaften wirklich gut vorbereitet. Denn die schlechten Trainer werden ihre Mannschaften den Ball blind in die 10 Mann Mauer hämmern lassen und hoffen, dass der durchrutscht... Die guten Trainer werden sich überlegen, wie man aus dieser Situation eine bessere Abschlussgelegenheit für seine Angreifer kreiert. Was zu mehr kreativen Standartsituationen führen sollte... ich sage bewusst sollte, weil es halt so wenige gute Trainer gibt...

Und wenn jetzt einer mit dem "Dann fangen die Stürmer ja an bewusst die Verteidiger anzuschießen" kommt... glaubt ihr, das machen die jetzt nicht? Wie oft wird den pro Spiel ein Verteidiger im Strafraum angeschossen und es gehen sofort die Reklamationen los?

Dadurch, dass die Regeln einheitlich und eindeutig werden, löst man das ganz große Dilemma für den Schiedsrichter: Die ewige Frage "Reicht das für einen Strafstoß"... die nebenbei eigentlich völlig absurd ist. Denn das Regelwerk macht, abgesehen vom Torwart, keinen Unterschied ob etwas im oder außerhalb des Strafraums passiert. Theoretisch muss man jeden Zweikampf, jedes Halten, jede Kleinigkeit, die man im Mittelkreis abpfeift, auch im Strafraum ahnden... das macht aber natürlich keiner...
Zumindest beim Handspiel könnte man es den Schiedsrichtern erleichtern, in dem man ihnen die Möglichkeit gibt das offensichtliche Vergehen (der Sport heißt nicht ohne Grund "Fußball", das Foul steckt an der Stelle buchstäblich im Namen) in einem angemessenen Rahmen zu bestrafen...

Aber das werden wir nicht mehr erleben... Schade eigentlich. Es wäre so einfach...

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