Montag, 28. August 2023

Worst of des "Danke, Augsburg" Wochenendes.

 Ein ganz großer Dank an die Fuggerstädter. Die hätten auch einfach aufgeben und sich abschießen lassen können, so wie das alle anderen Gäste in der Allianz-Arena machen. Oder zumindest nicht auf den Ehrentreffer gehen können, was ja nun wirklich dreist war.

Stattdessen hat Dion Drena Beljo mit seinem auf den ersten Blick bedeutungslosen Tor verhindert, dass die Bayern die Tabellenführung übernehmen. Damit ist die Meisterschaft immer noch nicht entschieden. Und mit Union Berlin haben wir den 2. unterschiedlichen Tabellenführer der Saison. Damit wird es mindestens 3 davon geben. Das sind 2 mehr, als ich erwartet habe.

Oder anders ausgedrückt: Wurde Thomas Tuchel bereits entlassen? Der liegt schließlich immer noch hinter der direkten Konkurrenz... und das auch nur, weil man die defensiven Aussetzer nicht in den Griff bekommt. Das erste Finale hat er auch schon verloren. Das sind unendlich mehr Finalniederlagen, als Julian Nagelsmann hatte. Da sind doch die großen Ziele in Gefahr!!!

Andererseits... hat Borussia Dortmund jetzt schon den ersten völlig unnötigen Punktverlust der Saison eingefahren. Und die haben auch das erste Spiel wirklich glücklich gewonnen. Abgesehen von Donyell Malen sind die meilenweit entfernt davon, die Bayern herauszufordern. Und RB Leipzig ist schon bei 4 Gegentoren nach 2 Spielen. Klar, die können sich jederzeit in einen Rausch spielen, sie müssen aber nicht. Die werden mindestens eine Saison brauchen, um all die Stammspieler zu ersetzen.

Bleibt Bayer Leverkusen. Also ja, es wollen sich jetzt alle einreden, dass Vize-Kusen eine Bedrohung für die Bayern sein sollen. Wenn Bayer direkt hinter dir steht, ist deine Tabellenführung gesichert.

Oh und natürlich Union Berlin, die deren neues Konzept anscheinend daraus besteht, jedes Spiel 4:1 zu gewinnen. Falls sie in der nächsten Woche wieder schaffen, mache ich mir Sorgen.

Was die Unioner so abreißen, ist weiterhin der absolute Wahnsinn. Die haben still und heimlich 30 Millionen in ihren Kader investiert. Also sie haben bisher ein Transferminus von 30 Millionen. Wenn man alle Transferfenster ihrer Vereinsgeschichte zusammenrechnet. würde man nicht auf die - 30 Millionen kommen, die da jetzt im Kassenbuch stehen. Und das ohne irgendetwas Unvernünftiges zu machen.
Die spielen da echt die aktuelle Version vom guten, alten Anstoss 3, wo man jede Saison einfach besser wurde, wenn man die Spielmechanik verstanden hatte und es vollkommen egal war, dass dein Markt dieses Wachstum eigentlich nicht hergeben sollte. Da konnte man dann auch in Mainz ein 80.000ern Stadion bauen und Serienmeister werden, denn es gab halt einfach keine natürlichen Grenzen.

Und Robin Gosens ist auch der perfekte Union-Transfer. Also einfach nur, weil ich ihm wirklich zutrauen würde, dass er 20 Bälle in Folge erläuft und in den Strafraum flankt, ohne dass irgendein anderer Spieler zwischenzeitlich am Ball ist.
Der ist als Spieler eigentlich nicht talentiert genug, um wirklich in einem Champions League Finale aufzulaufen, trotzdem wurde er da dieses Jahr eingewechselt. Denn er ist halt ein Spieler, der seine Defizite mit überragendem Einsatz ausgleicht. Dasselbe gilt genaugenommen auch für Kevin Volland. Wenn man jetzt noch eiskalt bei Bonucci zuschlägt, weil der sich noch ein Jahr Champions League zutraut...

Das sind halt alles Spieler, die Union auch einfach besser machen werden, auch wenn sie nicht mehr gut genug sein sollten, um wirklich um die Meisterschaft mitzuspielen. Also als Stammspieler. Aber in Berlin werden sie trotzdem ihr Maximum abrufen.
Nur um das mal zu verdeutlichen: Im Januar 2022 haben sich alle gefragt, ob diese Mannschaft den Abgang von Max Kruse kompensieren kann, oder ob sie ohne ihren Starspieler einbrechen werden? Diesen Sommer hätte man den zurückholen sollen, aber er wäre halt nur noch gut genug für einen Bankplatz... also lässt man das.
Und das hat nur bedingt etwas mit dem hohen Alter von Kruse zu tun. Auch der 32-jährige Kruse wäre in Berlin nur noch ein Ergänzungsspieler. Auf dem Höhepunkt seines Schaffens hätte er vielleicht eine Chance, aber nur wenn Florian Kohfeldt der Trainer wäre.
Jetzt wird Kruse als kurioser Zwischenschritt in die Vereinsgeschichte eingehen. Und die Fans so: "Kannst du dich noch an die dunklen Jahre erinnern, als wir den als Hoffnungsträger holen musste?" "Gut, dass diese Zeit vorbei, aber nett, dass sie den noch einladen, bevor es gegen Real Madrid geht, von solchen Spielen hat der schließlich immer geträumt."

Freitag, 18. August 2023

Die einzige Bundesliga-Vorschau, die ihr...

 ... hier kriegen werdet.

Und was soll ich sagen: Ich war noch nie so raus. Also vor einer Bundesliga Saison. Ich verdeutliche meine Reaktion mal an der Caicedo wechselt zu Chelsea Schlagzeile, auch wenn die gar nichts mit der Bundesliga zu tun hat. Meine Reaktion darauf war: Klar, das Tor von der Linda war ein Gemälde und das auch noch gegen Deutschland, aber müssen die Preise wirklich so schnell und so drastisch eskalieren? Oh, warte, die Rede ist hier von irgendeinem Herren, den ich noch nie gesehen oder von dem ich noch nie gehört habe, der aber trotzdem 133 Millionen Euro kostet.

Ich habe mich halt in den letzten 4 Wochen ausschließlich mit dem relevanten Turnier des Sommers beschäftigt. Und das war auch extrem unterhaltsam. Jetzt kommt plötzlich der nahtlose Umschwung auf die Bundesliga. Für mich praktisch aus dem Nichts. Und so habe ich bisher nur das eine Video zum Abstiegskampf von Manu Thiele gesehen. Auch der hinkt hinterher, das baut mich ja auf. 

Dann habe ich mich durch die Kicker-Bilderserie zu den vielversprechendsten Talenten der einzelnen Mannschaften geklickt... und war verwundert, dass Youssufa Moukoko da nicht als Dortmunds vielversprechendstes Talent aufgeführt wurde, sondern Julien Duranville. Dann musste ich erstmal checken, ob ich einen Moukoko Wechsel verpasst habe. 

Oh und für den VfB Stuttgart wird der dritte Torhüter Dennis Semien aufgeführt, was zu einem wirklichen Problem werden sollte, schließlich lebt der VfB davon junge Talente zu finden und einzusetzen.

Aber ich will auch ganz ehrlich sein: Eine ernsthafte Saisonvorschau erscheint mir auch sinnlos, denn diese Saison dürfte extrem langweilig werden. Es gibt nur eine einzige Hoffnung auf einen spannenden Meisterschaftskampf: den Harry-Kane-Effekt, den wir ja schon im Supercup zu sehen bekamen. Falls es euch noch nicht aufgefallen ist: Kane hat in seiner gesamten Profikarriere noch nicht einen einzigen Titel gewonnen. Der spielte halt für Tottenham. Jetzt ist die Frage, ob das an dem Verein lag, oder an dem Spieler. Es könnte durchaus auch am Stürmer liegen, schließlich gewannen die Hotspurs 2007/08 den League Cup... und holten danach dann Kane.

Aber falls dieser Spieler nicht komplett verflucht ist, wird die Kombination aus einem ausgeruhten Mittelfeld und eines vernünftigen Mittelstürmers zu einer souveränen Meisterschaft mit 10+X Punkten Vorsprung führen. Wir können uns da auf geballte Dominanz einstellen. Und man muss nochmal festhalten, dass dies die erste wirkliche Pause für die Bayern-Stars seit Pandemiebeginn war. Die haben die krasseste Dauerbelastung aller Zeiten hinter sich, aber darüber will halt niemand reden. Wenn Musiala, Kimmich und Goretzka also wieder ihre dominante Form aus dem Sommer 2021 finden, sollte das niemanden überraschen. 

Dazu kommt der zu krasse Aderlass der direkten "Konkurrenz": Dortmund musste Raphael Guerreiro zu den Bayern ziehen lassen und hat Jude Bellingham an Real Madrid verkauft. Dafür gaben die Bayern ihnen dann Marcel Sabitzer, aber das wird halt eher der nächste Sebastian Rode Transfer, als eine wirkliche Bedrohung für den Rekordmeister. Felix Nmecha gehört halt auch eher ins "Muss sich noch entwickeln, um wirklich den Unterschied im Meisterschaftsrennen auszumachen" Regal.

RB Leipzig verliert mit Josko Gvardiol, Dominik Szoboslai, Christopher Nkunku und Konrad Laimer 4 Leistungsträger auf einen Schlag. Sie holen wie immer junge Talente als Ersatz, werden damit aber auch noch 1 Jahr brauchen, um wirklich anzugreifen.
Also um mal zu verdeutlichen, wie schlimm die Lage ist: Laut Transfermarkt.de ist Bayer Leverkusens Kader mehr wert als der von RB

Und ja, diese 3 Mannschaften werden am Ende die Champions League erreichen. Vielleicht kann Union Berlin weiter überraschen oder Eintracht Frankfurt zumindest den Eindruck erwecken, dass es für sie schwer wird. Aber zumindest Dortmund und RB sind quasi gesetzt. Denn wir haben still und heimlich halt eine weitere adelige Klasse erschaffen, die zwar die Könige aus München nicht herausfordern können, aber so weit vom Rest entfernt sind, dass gleichzeitig von diesem nicht herausgefordert werden.
Oder anders ausgedrückt: Seit dem von RB Aufstieg 2016 gab es nur eine einzige Saison, in der nicht alle 3 unter den besten Vieren landete: 2017/18 wurden die Dosenkicker nur Sechster. Dortmund landete zuletzt 2014/15 nicht in den Champions League Rängen.
Also nur um mal zu verdeutlichen, dass die Liga nicht nur wegen des berechenbaren Meisterschaftsrennens langweilig ist. Im Wesentlichen prügeln sich in der Bundesliga 5 oder 6 Vereine darum, dass sie auf den heißbegehrten 4. Champions League Platz rutschen. Dieses Jahr sollte halt Leverkusen wieder dran sein. 

Die einzige wirkliche Wildcard ist Union Berlin, da die sich halt in jeder Saison verbessern. Also bekannterweise gibt es seit 2004 nur eine einzige Saison, in denen es ihnen nicht gelungen ist, das Vorjahresergebnis zumindest zu bestätigen. Man würde jetzt gerne behaupten, dass die ja irgendwann an ihre Grenzen stoßen werden... aber ehrlich, ich dachte, diese Grenze wäre mit Platz 11 erreicht. Jetzt ist man zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte die ganz klare Nummer 1 in Berlin. 

Dahinter gibt es dann ein Mittelfeld, in dem alle hoffen, dass sie oben und nicht unten reinrutschen. Irgendwo habe ich gelesen, dass Borussia Mönchengladbach in den Abstiegskampf geraten könnte, weil sie Jonas Hofmann abgegeben haben. Und den nur teilweise einsatzbereiten Kapitän Lars Stindl. Das sich der schleichende Niedergang fortsetzen wird.
Und an sich gut aufgestellte Stuttgarter müssen plötzlich ihren Kapitän abgeben. Wie werden sie darauf reagieren?

Aber da frage ich mal: Habt ihr euch das potenzielle Ende der Tabelle mal angesehen? Also Heidenheim und Darmstadt sind gerade aufgestiegen, weil der Hamburger SV halt einfach zu dumm ist. Der VfL Bochum hat es irgendwie geschafft, 2 Jahre in Folge die Klasse zu halten. Wir reden hier von der Wiederholung eines Wunders. Werder Bremen läutet gerade wieder eine dieser geplanten Abstiegssaisons ein. Aber hey, vielleicht fällt ja dieses Jahr allen auf, dass Marvin Duksch eigentlich der bessere ihrer beiden Stürmer ist. Der FC Augsburg steckt halt jedes Jahr unten mit drin, rettet sich aber irgendwie. Köln muss ohne große finanzielle Entschädigung Jonas Hector, Ellyes Skhiri, Kingsley Schindler und Ondrej Duda ersetzen. Und ja, Schindler und Duda waren nur bedingt Leistungsträger. Trotzdem bekam Köln halt nur für Duda überhaupt eine Ablöse. Und das ist ein Verein, der erstmal Geld generieren muss, um Verstärkungen zu verpflichten.
Jetzt müssen sie im Wesentlichen darauf hoffen, dass Steffen Baumgarts Magie nicht aufgebraucht ist. Das ist immer noch eine gute Wette, aber es wird spannend werden, wie das Umfeld reagiert, wenn sie zumindest zwischenzeitlich unten reinrutschen.

Wie will man mir jetzt erzählen, dass Gladbach in den Abstiegskampf rutschen kann, wenn die Konkurrenz so viel schwächer ist. Das ist halt das nächste Problem: Jedes Jahr, in dem man denkt, "Der Keller war noch nie so schwach aufgestellt, wie dieses Jahr", kommen die nächsten Überraschungsaufsteiger, während Schalke wieder absteigt. 

Und das ist keine Kritik an der hervorragenden Arbeit, die in Heidenheim und Darmstadt seit Jahren geleistet wird. Aber es ist halt auch einfach ein Fakt, dass die Bundesliga verdammt viel Potenzial verliert, wenn Vereine wie Hamburg, Schalke, Hertha, Hannover und Düsseldorf mit ihren tollen Stadien und treuen Fans in der 2. Liga rumgurken. Also um das mal zu verdeutlichen: Der Kader der Hertha soll mehr wert sein, als der von Heidenheim, Darmstadt und Bochum. Hamburg toppt noch Darmstadt und Heidenheim.
Die Bundesliga hat halt einfach einiges an Wirtschaftskraft verloren, weil sich diese Vereine so unfassbar dumm angestellt haben. Und das wird sich am Ende auch auf die Qualität der Liga auswirken.

Aber wie soll ich jetzt vorhersagen, welcher dieser Vereine am Ende absteigt? Das entscheidet sich doch erst im März oder April, wenn wir wissen, wie sich die definitiv anstehenden Trainerentlassungen auf die Leistungen der Mannschaften auswirken? Oder wenn wir einschätzen können, welcher Wintertransfer zum großen Rettungsanker wird. Welche Mannschaft nach einem starken Start doch irgendwann einbricht? (Spoiler, es wird Werder Bremen sein.) Wird Heidenheim das neue Fürth oder das neue Augsburg? Das alles kann einfach niemand vorhersagen.

Und klar, wir werden trotzdem weiterhin Bundesliga gucken, weil das halt der ultimative König des deutschen Sports ist. Aber genaugenommen gibt es bis Mitte März wenig wirklich Interessantes, was in dieser Liga passieren wird: Die ersten 3 werden einsam ihre Bahnen ziehen. Der Rest bringt sich in Position für Platz 4 bis 7 und unten gurken 5 bis 6 Mannschaften ihn ihrem eigenen Abstiegssumpf rum.

Mittwoch, 16. August 2023

Worst of des WM Halbfinales

 Jürgen Klinsmann wird irgendwo mit dem Kopf schütteln. Und Klinsmann kann ja als Trainer nicht viel, aber wie man bei einem Heimturnier das Spiel angehen muss, hat er verstanden.

Es war wirklich schade, wie passiv die Australierinnen gerade ihr Halbfinale angegangen sind. Wie wenig Druck auf die Engländerinnen ausgeübt wurde. Wenn man eine Wand hinter sich weiß, dann muss man doch auch aktiv das Spiel gestalten, damit diese Wand dann die Gegnerinnen beeindrucken und beeinflussen kann. Wenn man aber die englischen Verteidigerinnen den Ball quer schieben lässt, wird es halt auch unmöglich, diese Stimmung zu erzeugen, die diese abgezockte Mannschaft dann nervös macht. Das war einfach zu wenig. Da muss man einfach mutiger auftreten.

Die Engländerinnen sind halt die abgezockteste Mannschaft des Turniers. Die legen sich die Gegnerinnen in aller Ruhe zurecht und schlagen dann zu. Und dann spielen die das souverän runter. Um es optimistisch anzugucken. Um bei den Vereinsvergleichen zu bleiben: Das ist halt der FC Chelsea in diesem Turnier.

Und Sarina Wiegman ist der José Mourinho. Also die mit Abstand beste Trainerin der Welt. Die steht vor ihrem 4. Finale in Folge. Dabei ist es ja nicht so, dass sie sich in das gemachte Bett der Amerikanerinnen gelegt hat, sondern sie hat mit ihren Nationen jeweils ein neues Niveau erreicht. Weder die Niederlande, noch England haben vorher ein Finale bei einem großen Turnier der Frauen erreicht. Sie hat einen Titel mit dem seit 1966 verfluchten England geholt. Mehr kann man eigentlich nicht erreichen.
Und sie hat ja auch als Trainerin einen extremen Einfluss auf die Spiele. Also bei der EM hat sie die beste Torschützin konsequent eingewechselt. Und das Siegtor im Finale war ebenfalls ein Koproduktion von Jokern.
Jetzt musste sie ihre beste Spielerin dank einer dummen Sperre ersetzen und musste eine Spielidee entwickeln, um in einem ausverkauften feindlich gesinnten Stadion den Gastgeberinnen den Zahn zu ziehen. Auch das hat sie drauf.

Trotzdem wird sie kein Mann auf dem Schirm haben. Also um doch mal auf strukturelle Benachteiligungen zu sprechen: Mittelmäßig erfolgreiche Trainer wie Andries Jonkers und Hervé Renard werden die spannendsten Jobs in der Frauenwelt angeboten. Also gerade Renard durfte halt wirklich eine der Favoritinnen übernehmen, weil er vorher.. ähm... Entwicklungshilfe in Afrika geleistet hat. Der hat nie nachgewiesen, dass er Starspieler von einem System überzeugen kann. Oder dass er während eines langen Turniers die nötigen Anpassungen vornehmen kann, denn für ihn war ja immer nach der Vorrunde Schluss.

Das wäre, als würde irgend so ein gescheiterter Durchschnittstrainer plötzlich die deutsche Nationalmannschaft übernehmen... also Jogi Löw. Oder Markus Kauczinsnki. Also nichts gegen Kauczinski, der ist ein hervorragender Zweitligatrainer, aber niemand wird glauben, dass der für den wichtigsten Trainerposten des Landes geeignet ist. Aber mit den Frauen kann man es ja machen. Dafür reicht's.

Und an der Stelle muss man nochmal festhalten: Wenn Gareth Southgate die Eier und die Kompetenz einer Wiegman hätte, wäre England jetzt amtierender Europameister. Trotzdem ist es unvorstellbar, dass diese Frau überhaupt irgendeinen "Trainer-Job" angeboten bekommt. Denn dass eine Dame den Herren erklärt, wie Fußball funktioniert und wie sie zu spielen haben, ist halt unvorstellbar. Also zumindest auf dem gehobenen Niveau. Das ist auch eine dieser Mauern, die in eine Richtung nie durchbrochen werden wird, denn gescheiterte Herren können immer noch eine Frauenmannschaft übernehmen.

Das wäre ja auch kein Problem, wenn nicht so viele inkompetente Herren bei Welt- und Europameisterschaften auf den verschiedenen Bänken sitzen würden. Und ob man Wiegman wirklich den Job als "englischer Nationaltrainer" anbieten muss, sei mal dahin gestellt. Aber dass niemand überhaupt darüber nachdenkt, dass sie eine geeignete Kandidatin sein könnte, ist doch bezeichnend.

Im zweiten Halbfinale können wir auch bei den bekannten Vereinsvergleichen bleiben. Denn die Spanierinnen haben wir ja schon zum Arsenal des Turniers gekürt. Dann sind die Schwedinnen in aller Konsequenz Tottenham: Immer vorne dabei, aber am Ende holen sie nie den Titel. Also seit 1984. Die erste Ausgabe der Europameisterschaft konnten die Skandinavierinnen gewinnen. Seit dem sind sie immer vorne dabei. 8-mal mindestens im Halbfinale bei der EM. 5 Halbfinale bei 9 Weltmeisterschaften. 2-mal Olympia-Silber. Aber halt keinen Titel hinterher wie Tottenham.

Und Arsenal gegen Tottenham ging halt aus, wie Arsenal gegen Tottenham ausgehen sollte: mit einem bemühten, aber glücklosen Tottenham. Wobei das Spiel schon ein faszinierender Abnutzungskampf war. Beide Mannschaften bearbeiteten sich auf taktisch-technisch gehobenem Niveau, aber so richtige Chancen gab es erst, als die Spielerinnen müde wurden. 

Was Claudia Naumann zu der Frage brachte, warum eine Salma nicht schon früher mitwirken durfte? Ähm... Weil es für die verdammt wichtig war, dass ihre Kolleginnen die Gegner müde gespielt haben? Also Salma hat das Turnier ja als Stammspielerin begonnen. Die stand bis einschließlich des Achtelfinales immer in der Startelf und kam auf 0 Tore und 0 Vorlagen, obwohl die Spanierinnen 13 Tore erzielt haben. Da fragt sich selbst ein Thomas Müller nach 2014, wie man so ineffizient sein kann.
Die beiden Spiele, in denen sie von der Bank kam, hat sie dann entscheidende Tore erzielt. Trainer Jorge Vida hat also genau die Rolle für sie gefunden, in der sie am besten funktioniert und ihrer Mannschaft helfen kann.

Jetzt wird das Finale halt der ultimative Kampf der Systeme: Hier das verspielte Spanien, dort das eiskalte England.

Sonntag, 13. August 2023

Best of des WM Viertelfinales

 That was pretty good.

Also das war jetzt genau der Punkt des Turniers, wo gleichstarke Gegnerinnen aufeinander treffen. Und die Spiele waren alle verdammt eng. 

Die Schwedinnen waren die einzigen, die zwischenzeitlich eine 2-Tore-Führung hatten. Und die brauchten 3 Aluminiumtreffer in 10 Minuten, um diesen Vorsprung zu halten. Also um mal zu verdeutlichen, wie eng diese Spiele waren: Der Schuss von Kiko Seike sprang an die Latte, dann an den Rücken von Zecira Musovic, von dort an den Pfosten und dann nicht ins Tor... sondern er kullert durch den 5 Meter Raum an 5 Schwedinnen vorbei, die sich nicht trauten den Ball irgendwie zu berühren, weil man ihn ja ins Tor stolpern könnte. Offiziell gilt das als "Parade" der Torhüterin...

Spanien gegen die Niederlande war vor allem deswegen beeindruckend, weil beide Mannschaften definitiv nicht ins Elfmeterschießen wollten. Lineth Beerensteyn vergibt die Riesenchance zur Führung, als sie relativ frei im Strafraum zum Abschluss kommt. Davon konnte man aber nicht mal die Wiederholung zeigen, weil die 19-jährige Salma im direkten Gegenzug mit einem überragenden Abschluss die Führung erzielt. Damit hat sie sich auch endgültig in diesem Turnier angemeldet, denn der Name fehlte bewusst bei meinem All Youngstar Team, weil sie halt bisher trotz genügend Spielzeit auf keine einzige Torbeteiligung kommt.
Salma wurde nebenbei vor der 2-maligen Weltfußballerin Alexia Putellas eingewechselt, was auch einfach mal ein Statement des Trainers ist. Und klar, Alexia kommt von einer schlimmen Knieverletzung und ist nicht bei 100 %, trotzdem hätte sich ein Vlatko Andonosvksi nie getraut.

Dieses spannende Ende ließ seinem das Drama um Stefanie van der Gragt fast vergessen. Die verursachte in ihrem offiziell letzten Spiel mit einem kompletten Blackout einen völlig unnötigen Elfmeter. Also eines dieser Handspiele, bei denen man hinterher nicht mal protestiert, weil es so dumm war. Und dann geht sie in der Schlussphase in die Spitze und erzielt in der 91. Minute mit einem strammen und platzierte, Lauren James-esquen Abschluss den Ausgleich. Nur um dann in der Pause der Verlängerung ausgewechselt zu werden.

Nur um dieses Detail auch nochmal festhalten: Das Spiel dauerte Ewigkeiten. Es war das vielleicht längste offizielle Fußballspiel aller Zeiten, weil es 16 Minuten Nachspielzeit nach 90 Minuten gab... und dann nochmal 4 Minuten für die beiden Verlängerungen. Das sind dann 140 Minuten. Und trotzdem nutzte Andries Jonkers die offizielle Pause, um zu wechseln und das Spiel zu beeinflussen... anstatt einfach nur zu wechseln, um das Spiel zu unterbrechen und allen eine weitere Pause zu gönnen.
Und beide Trainer gingen mit dieser Haltung in die Verlängerung. So was geht. Das sollte jemand einem Gareth Southgate verraten.

Die Spanierinnen sind nebenbei im absoluten Arsenal-Modus unterwegs. Also wenn man mit Arsène Wengers Team aufgewachsen ist, muss man die lieben. Das fing schon in der Gruppenphase gegen Japan an. Dort hatte man 77 % Ballbesitz und spielte 894 zu 265 Pässe. Mit einer Passquote von 87 %. Die Japanerinnen waren nur auf 60 %. Die schossen auch "nur" 5-mal aufs Tor... aber gewannen 4:0. Bei so einer Überlegenheit so abgeschossen zu werden, Arsène Wenger wäre stolz auf euch.

Im Achtelfinale war man von Anfang an drückend überlegen. Die Schweizerinnen kamen in der Anfangsphase nicht mal aus der eigenen Hälfte... trotzdem stand es zwischenzeitlich 1:1, weil man sich ein absurdes Eigentor einschenkte, um sich selbst das Leben möglichst schwer zu machen.

Jetzt war man gegen die Niederlande wieder brutal überlegen, spielte aber den Ball im 5 Meter Raum lieber auf die im Abseits stehende Kollegin ab, anstatt selber das Tor zu erzielen. Und bewegte sich kollektiv im Gomez der Woche Modus. Ohne den absurden Elfmeter wären die nie in Führung gegangen. Den Elfmeter schießt man natürlich für den Nervenkitzel an den Innenpfosten.
Dann läuft man in der 86. Minute plötzlich in einen Konter... bei eigener Führung steht man hinten in Unterzahl. Wie schafft man so was? Und natürlich spielt man in der 91. Minute auf Abseits, obwohl der Wenger doch abschaffen wollte, dass man in solchen Momenten überhaupt auf Abseits spielen kann.

Kolumbien ging als Außenseiter gegen England überraschend in Führung, weil Torhüterin Mary Earps kurzzeitig ihre beste David Seaman Imitation präsentiert. Alessia Russo gleicht aus, weil Catalina Perez als neu Bremerin ihr Version von der Tim Wiese Rolle auf den Rasen bringt. Und am Ende erzielen überlegene Engländerinnen doch noch das 2:1 und ziehen relativ souverän ins Halbfinale ein.

Australien - Frankreich schaffte es irgendwie Torlos ins Elfmeterschießen zu gehen. Was im Wesentlichen an den richtig guten Torhüterinnen lag... und daran, dass Mary Fowler das leere Tor nicht traf. Hervé Renard toppte alle bescheuerten Trainer, in dem er in der 123. Minute nicht nur Eve Perisset als angeblich sichere Schützin bringt, sondern mit Solene Durand auch noch eine frische Torhüterin. Der letzte Move wäre als Geniestreich in die Geschichte eingegangen, weil 2 Elfmeter halten konnte und ihr bei einem dritten der Pfosten half. Nur scheiterte die extra fürs Elfmeterschießen eingewechselte Perisset zur allgemeinen Überraschung des Trainers an Mackenzie Arnold... die diese Parade postwendend mit einem Pfostentreffer feierte.

Weil das nicht genug Drama war, musste der Elfmeter von Kenza Dali nach einer weiteren Parade wiederholt werden, weil Arnold die Linie zu früh verlassen hat. Die Regeln für die Torhüter*innen sind halt mittlerweile so brutal und sollen ja noch schlimmer werden. Aber Arnold hielt einfach die erneute Ausführung ebenfalls. Nur damit Clare Hunt die nächste Gelegenheit auf die Entscheidung liegen ließ.

Am Ende waren es 21 Elfmeter und ein Pfostenschuss der 19-jährigen Vicki Becho, die das Spiel entschieden. Becho schoss de facto den souveränsten Elfmeter von allen, die Torhüterin hätte da nicht mal eine Chance gehabt, wäre sie in die richtige Ecke gesprungen... Aber sie zielte halt 5 cm zu weit nach links. So brutal kann der Fußball sein.

Mittwoch, 9. August 2023

Die große "Next Gen Tech" Demo

 Also falls jemand eine passende Überschrift für die gerade laufende WM braucht: Hier wird im übertragenden Sinne der Übergang von Xbox One zu XBox S getestet. Und klar, es gibt noch einige Xbox One Spiele, die mithalten können, aber im Wesentlichen wird jedem klar, was für ein großes Versprechen die nächste Generation mitbringt.

Ernsthaft, ich kann mich an kein Turnier erinnern, in dem man die gesamte Elf des Turniers mit U23 Spielerinnen zusammenstellen könnte. Amanda Ilestedt als Innenverteidigerin mit 3 Turniertoren im Alter von 30 Jahren das verhindern wird... Und Rebecca Spencer mit ihrem einem kassierten Gegentor. Aber vielleicht hält Daphne van Domselaar ja noch 3 Elfmeter im Finale und zieht an der Jamaikanerin vorbei. Die bestätigt ihre starken Leistungen von der EM, wo sie noch als Ersatz für die verletzte Stammkeeperin einspringen musste, souverän.

In der Innenverteidigung nominieren wir als erstes Oluwatoson Demehin. Eigentlich gingen alle davon aus, dass die 40-jährige Onome Ebi auflaufen würde, aber der Trainer entschied sich für eine Spielerin, die deren Tochter sein könnte... und brachte Ebi nur in den Schlussphasen, wenn es darum ging, das Ergebnis zu halten.

Neben ihr spielt die einzige Amerikanerin, die nicht enttäuschte: Naomi Girma gab die souveräne Abwehrchefin. Wenn die nicht viele Bälle abgelaufen hätte, wäre das alles noch viel schlimmer ausgegangen.

Abgerundet wird die potenzielle Dreierkette mit Tabita Joseph aus Haiti. Oder mit Nesryne El Chad, die die wackelige Defensive Marokkos für 180 Minuten in ein Bollwerk verwandelte. Falls wir es uns überhaupt leisten können, mit einer Viererkette zu spielen.

Linksaußen streiten sich Kathrine Kühl und Esme Brugts. Der Zuschlag geht nicht nur wegen der 2 Tore gegen Vietnam von Brugts an die Niederlande, sondern vor allem, weil sie davor Trinity Rodman neutralisierte. Oder wir bringen Jun Endo, schließlich kann man die Japanerinnen nicht ganz außen vor lassen.

Im Defensiven Mittelfeld ist Kyra Cooney-Cross die beste Spielerin, über die laut ESPN niemand redet. Die Expertinnen können sich das Team jetzt schon nicht mehr ohne sie vorstellen und die ist erst 21. Oh und auch wenn sie in der Vorrunde ausgeschieden ist: Lena Oberdorf ist immer noch viel zu gut für ihr Alter. Oder ich nominiere Teresa Abelleira, die das viertbeste Softscore Rating des Turniers hat

Rechts steht Aoba Fujino als 19-Jährige bei den bisher überragenden Japanerinnen in 3 von 4 Spielen in der Startelf und kommt auf 1 Tor und 2 Vorlagen.

Jetzt müsste ich eigentlich noch Platz für Emma Snerle und Kika finden. Kika hat mit ihren 20 Jahren schon 30 Länderspiele auf dem Buckel und wurde 4 Mal Meister in Portugal. Casey Parks ist die jüngste WM Spielerin aller Zeiten und stand gegen Deutschland in der Startelf. Ary Borges war die eine gute Brasilianerin und ist auch erst 23. Die ist die einzige auf dieser Liste, die nicht in diesem Jahrtausend geboren wurde. Aber der Platz im zentralen offensiven Mittelfeld muss halt an Lauren James gehen, die vor ihrem Platzverweis auf dem besten Weg zur Topscorerin war. Die designierte beste Spielerin dieses Turniers.

Den Sturm basteln wir uns aus Sophia Smith, die es schaffte 2 Turniertore zu erzielen und trotzdem zu enttäuschen, Mary Fowler, die die Führung gegen Dänemark mit einem überragenden Pass einleitete und Linda Caicedo, deren Tor gegen Deutschland jeder gesehen haben sollte. 

Wenn man jetzt bedenkt, wer alles noch nicht mal erwähnt wurde, weil wir hier jetzt "nur" die 20 besten erwähnt haben. Und das sind ja auch keine klassischen Talente oder Ergänzungsspielerinnen. Das sind in vielen Fällen die Schlüsselspielerinnen. Mit diesem Kader würde man um den Titel mitspielen. Und wenn man die spielen sieht, können die einfach einige Dinge, die man im Frauenfußball so noch nicht gesehen hat. Also ganz konkret kann man das an den Torabschlüssen von Lauren James festmachen: So scharf, so platziert, so gelassen, das ist halt ein neues Level.

Ich mache das mal praktisch an einem Namen fest, der noch nicht gefallen ist: Jule Brand. Die ist mit 1,77 m größer als das Kopfballungeheuer Alex Popp, aber genauso wendig und trickreich wie die 13 cm kleinere Lina Magull. Die hat also alle Voraussetzungen, um zur kompletten Symbiose von beiden zu werden. 

Nun ist das an sich nichts Ungewöhnliches. Also auch bei den Herren gibt es immer wieder das Upgrade zur letzten Playstation Generation. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal einem Lionel Messi beim Spielen zusehen durfte und sofort dachte: Was der macht, ist nicht normal. Aber er wird das jetzt 15 Jahre lang machen. Zuletzt hatte ich das Gefühl bei Kylian Mbappé. Der Unterschied ist halt, dass einem diese Weiterentwicklung nicht mehr im Sommer wahrnimmt, sondern vorher in der Champions League.
Da fällt einem dann auf, wie die Damen in den Vereinsmannschaften immer noch weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen. Das macht die Turniere spannender, weil man halt die Namen und Möglichkeiten nicht schon vorher erkannt hat, aber verdeutlicht halt auch, wofür die Damen die ganze Zeit kämpfen: Dass ihnen halt nicht nur alle 2 Jahre zugeguckt wird.

Diese Fortschritte sind aber auch rein logisch zu erklären, denn man sieht halt die extremen Fortschritte im Scouting und in der "Frühentwicklung". Also eine Casey Phair spielt halt in der "Player Development Academy" in New Jersey und trotzdem haben die Südkoreanischen Verantwortlichen sie auf dem Schirm und nominieren sie für die WM. Vor 4 Jahren hätten selbst die eigenen Scouts diesen Namen nicht gekannt.

An 2 weiteren Namen, die noch nicht mal gefallen sind, kann man die Frühausbildung schön verdeutlichen: Alyssa und Gisele Thompson. Gisele müsst ihr auch wirklich noch nicht gehört haben, ich mache mir selber gerade Sorgen, was Google daraus macht, dass ich gerade die 2. 16-Jährige innerhalb von 5 Minuten gegoogled habe. Aber die beiden haben jetzt schon einen großen Deal mit Nike abgeschlossen. Während eine Megan Rapinoe gegen diese Ungewissheit, ob das mit dem Profi werden überhaupt was werden kann, ankämpfen musste, haben diese beiden schon jetzt die Absicherung, dass sie voll auf die Karte Fußball setzen können.

All diese jungen Spielerinnen führen aber auch zu einem ganz eigenen Narrativ. Denn es steht ja jetzt schon quasi fest, dass die Mannschaft die Trophäe in die Höhe stemmt, die die perfekte Symbiose aus den alten Koryphäen und den aufstrebenden Talenten schafft. Der den jungen Spielerinnen einerseits ein stabiles Umfeld zur Verfügung stellt, sie andererseits auch von der Leine lässt.

Wer aber im Zweifelsfall nicht auf die Jugend setzt, scheidet halt auch aus. Brasilien hat das halt nicht geschafft, als man im letzten Spiel alles auf Marta setzte. Die USA brachten lieber Rapinoe als Thompson und sind auch schon im Urlaub.

Oder... Schweden wird eiskalt Weltmeister und stellt die ganze These auf den Kopf. Die Schwedinnen kommen als einzige Mannschaft im Turnier nur mit einer Spielerin, die in diesem Jahrtausend geboren wurde: Hanna Bennison. Und die bringen sie nur als Einwechselspielerin.

Dienstag, 8. August 2023

Worst of des "fast normalen" Achtelfinales

 Die Achtelfinale sind irgendwie die seltsamste Runde in so einem Turnier. Theoretisch trennt sich ja vorher die Spreu vom Weizen. Praktisch passiert dies aber erste in dieser Runde. Also klar, die ganz großen Enttäuschungen wurden in der Vorrunde ausgesiebt. Und die eine oder andere Überraschung nimmt an dieser Runde teil. Aber in 7 von 8 Spielen in dieser Runde setzt sich dann doch wieder der Favorit durch. Dieses Mal ist es wahrscheinlich sogar 8 von 8, denn Kolumbien war ja der Favorit gegen Jamaika. Und Schweden gegen die USA war das Duell Weltranglistendritte gegen die Ersten. Da kann man schlecht von einer Überraschung reden, gerade weil die Schwedinnen haben die USA schon bei Olympia rausgeworfen haben.

Die 3 Mannschaften aus Afrika sind jedenfalls kollektiv ausgeschieden. Die Schweiz war so chancenlos, dass die Spanierinnen das Eigentor von Bernadetta Orsi nachstellen konnten und trotzdem einen ungefährdeten Sieg einfuhren. Das ist total unfair, weil es Orsi das Alleinstellungsmerkmal nimmt.

Lauren James gönnte sich als designierte Spielerin des Turniers ihren Wayne Rooney oder David Beckham Moment und flog wegen einer völlig unmotivierten Tätlichkeit vom Platz. England musste auch deswegen ins Elfmeterschießen... aber am Ende kam England trotzdem weiter.

Kolumbien gegen Jamaika sah genau so aus, wie ein Spiel zweier Mannschaften, die sich darauf spezialisieren den Gegner zu stören, halt aussieht. Aber Catalina Usme hatte diesen einen technisch perfekten Moment, der ihr das Alleinstellungsmerkmal als "Rebecca Spencer Bezwingerin" gibt und das reichte halt.

Marokko verfiel zurück in ihre Form aus dem Deutschland-Spiel und war komplett chancenlos. Australien wechselte Samantha Kerr als "Human Victory Cigar" ein... ich meinte, verdeutlichte dem Rest der Welt, dass man diesen Joker noch in der Hinterhand hat und trotzdem im Viertelfinale ist. Auch wenn ganz Australien kollektiv die Luft angehalten hat, als Kerr kurz zu Boden ging und sich an die Wade fasste.

Und jetzt haben wir halt genau die Viertelfinalspiele, die nach der "Auslosung" erwartbar waren. Die einzige "Überraschung" war halt, dass die US-Ladys nicht den Gang hochschalten konnten und die Inkompetenz ihres Trainers nicht ausgleichen konnten.

Also um das nochmal direkt festzuhalten: Die letzte Amtshandlung von Vlatko Andonovski war ein Doppelwechsel in der 118. Minute. Gareth Southgate Modus aktiviert. Und natürlich verschießt die eingewechselte Kelley O'Hara... als siebte Schützin. Warte was? Andonovski hat seinen Wechsel bis zum allerletzten Moment aufgespart, um jemanden einzuwechseln, die dann noch nicht mal als Schützin vorgesehen war? Die nach der Torhüterin Alyssa Naeher antrat?
Oh und natürlich brachte er Megan Rapinoe, anstatt Alyssa Thompson einzuwechseln. Alter vor Talent, oder so. Rapinoe bewies zum dritten Mal, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ein Spiel auf diesem Niveau positiv zu beeinflussen. Also ja, DIE hätte man fürs Elfmeterschießen bringen können, weil sie ja noch nie verschossen hat.

Natürlich schießt sie dann mit ihrer letzten Aktion am Tor vorbei, um ihr beschissenes Turnier abzurunden. Was natürlich auch zu völlig idiotischen Reaktionen im Netz führte: "Weniger Aktivismus, mehr Fußball?"  Also gerade an der Stelle ist das ein logischer Fehlschuss vom Elfmeterpunkt: Die Amerikanerinnen brauchen offensichtlich mehr Aktivismus, um auf dem Platz zu funktionieren. Als sie gegen ihren eigenen Verband klagten und um gleiche Bezahlung kämpften, waren sie unschlagbar. Als Rapinoe ihre persönliche Fehde gegen Donald Trump führte, war sie die beste Spielerin der Welt. Jetzt mit einem fairen Gehaltscheck in der Tasche und Joe Biden im Oval Office geht plötzlich gar nichts mehr. Jetzt wissen wir, was dabei rauskommt, wenn die sich nur auf den Sport konzentrieren... Nichts.

Faszinierender Weise hat Torhüterin Zecira Musovic, so gut sie während der 120 Minuten war, keinen einzigen Elfmeter gehalten. Die Amerikanerinnen versuchten den wichtigsten Spieler des letzten Gruppenspieles angemessen zu würdigen... und zielten damit konsequent Richtung rechter Pfosten. Sophia Smith und Rapinoe wollten es zu schön machen und zielten aufs Lattenkreuz. Aber O'Hara's Ball küsste die Stelle, die die Amerikanerinnen im dritten Gruppenspiel gerettet hat. Sobald das erledigt war, wollten die Amerikanerinnen richtig antreten...

Und das hätte ja auch fast funktioniert, schließlich hielt Alyssa Naeher den Elfmeter von Hurtig mit einer Hand... und sprang sofort auf, um zu verhindern, dass der Drall den Ball hinter die Linie bringt. Wenn sie die USA so im Turnier hält, ist das die Parade des Jahres. Absurderweise guckt selbst Schiedsrichterin Stephanie Frappart verwirrt, obwohl die Torlinientechnologie ihr ja sofort das Signal auf die Uhr geben muss. Selbst die ist sich unsicher, ob sie die Amis jetzt aus dem Turnier hauen kann... bis ihr bewusst wurde, dass sie keine andere Wahl haben wird, weil dieses Bild hinterher um die Welt gehen wird. Und da sieht man halt, dass der Ball ungefähr einen Millimeter über der Linie ist.

Freitag, 4. August 2023

Die "Wir haben den Urlaub schon gebucht" Elf

 Was macht man nicht alles, im Sinne der Gleichberechtigung. Also wo der Postillion mich über den Gender-Häme-Gap informiert hat, ist es natürlich richtig und wichtig, dass auch die Frauen die erste offizielle "Wir haben den Urlaub schon gebucht"-Elf bekommen.

Hier werden nun die Spielerinnen nominiert, deren Leistungen sich am ehesten dadurch erklären lassen, dass sie den Rest des Augusts lieber im sonnigen Nimbin als im verregneten Sydney verbringen. Nimbin soll ja auch sehr schön sein... obwohl es dort den ersten medizinisch nachgewiesenen Haschisch-Toten gab.

Young-Geul Yoon

Mengwen Li - Benadetta Orsi - Vanessa Gilles - Ruthny Mathurin

Rose Lavelle -Sara Däbritz - Lina Magull

Marta - Christine Sinclair - Megan Rapinoe

Einzelkritik:

Young-Geul Yoon - Südkorea: Kurz bevor sie den harmlosen Schuss von Linda Caicedo zum 2:0 durchwinkte, erwähnte der Kommentator, dass sie unbedingt nach England will. Da dachte ich dann sofort: dafür imitiert sie dann auch direkt einen englischen Nationaltorwart. Genial. Das eigentlich wichtige: Das war der einzige wirklich krasse Patzer einer Torhüterin bei dieser WM. Da sieht man auch, was sich im Frauenfußball alles so tut. Dummerweise reicht dann auch ein Patzer, obwohl sie später im Turnier gegen Popp großartig parierte und Deutschlands aus mitbesiegelte...

Mengwen Li - China: Ok, ich muss zugeben, dass es super schwierig ist, Verteidigerinnen zu nominieren. Oder allgemein Defensivspielerinnen. Es gibt halt immer noch keine Kicker-Noten, an denen man sich orientieren kann. Also außer, wenn Deutschland spielt. Jetzt kann ich die Sofascore Seite nehmen und einfach die am schlechtesten bewerteten Spielerinnen nehmen, aber das erscheint auch ein wenig unfair. Vor allem war Mengwen Li laut dieser Statistik eine der besten Chinesinnen. Am Ende gewinnt der Pragmatismus: Ich muss eine chinesische Verteidigerin für das 1:6 Debakel gegen England nominieren und ich entscheide mich für die Dame, die bei Paris St. Germain unter Vertrag steht.

Benadetta Orsi - Italien: Was natürlich nicht bedeutet, dass sie am schlechtesten bewertete Spielerin hier nicht trotzdem auftaucht. Aber nur, weil ich sie wegen des katastrophalen Eigentores zum 1:1 gegen Südafrika eh auf dem Schirm hatte. So kann man eine Wende im Spiel auch einleiten. Realistisch gesehen wird das die einzige Szene dieser Frau sein, die wir jemals gesehen haben werden... aber immerhin haben wir sie gesehen.

Vanessa Gilles - Kanada: Ich hätte hier auch ihre Kollegin Kadeisha Buchanan nominieren können, die beiden nehmen sich wenig. Vielleicht wäre es sogar fairer gewesen, die alten Veteraninnen von Olympique Lyon und Chelsea WFC der jungen Italienerin vorzuziehen. Die andere der beiden sitzt definitiv auf der Ersatzbank. Beide müssen als Innenverteidigerin halt das 0:4 gegen Australien verantworten. Und damit auch das Vorrundenaus der Olympiasiegerinnen.

Ruthny Mathurin - Haiti: Eigentlich wollte ich ja keine Spielerinnen der "kleinen Nationen" nominieren. Aber wenn jemand trotz Überzahl in der Schlussphase einen Elfmeter verursacht und damit das Ausscheiden seiner Mannschaft besiegelt, kommt man halt nicht dran vorbei. 

Rose Lavelle - USA: Lavelle war ja quasi die personifizierte Hoffnung vor dem 3. Gruppenspiel, dass bei den Amerikanerinnen vielleicht doch alles gut wird. Mit ihrer Hereinnahme gegen die Niederlande ging schon ein Ruck durch die Mannschaft. Im dritten Spiel sollte sie endlich wieder fit genug für die Startelf sein... und dann holt sie sich direkt ihre 2. Gelbe Karte im 2. Spiel ab. Da hat jemand anscheinend keinen Bock auf ein schwieriges Achtelfinale.

Sara Däbritz und Lina Magull - Deutschland: Das Ganze ist ganz einfach erklärt: Dass Deutschland nur die eine Waffe in der Offensive hatte, lag im Wesentlichen daran, dass diese beiden Spielerinnen nie ins Turnier gefunden haben. Magull war nach dem Kolumbien-Spiel so weit raus, dass sie nicht mal als Einwechselspielerin gebracht wurde. Laut FoxSports kommen die beiden zusammen auf eine "kreierte Chance"... Trotz des 6:0 gegen Marokko. Das waren am Ende die beiden Positionen, in denen Deutschland nicht gut genug war. Der "Rest" sind dann Folgefehler. Also dass Bühl und Brand auf den Außen so isoliert waren, hängt halt auch mit den beiden zusammen.

Marta - Brasilien: Marta im letzten Spiel in die Startformation zu stellen, war eher ein Verzweiflungsakt. Und vor allem wahrscheinlich strategisch falsch, sie nach der Pause als belebendes Element zu bringen, damit sie noch Luft hat, wenn die anderen müde werden, wäre der Ansatz gewesen. In der ersten Halbzeit konnte sie noch die Mitläuferin geben, in der 2. tauchte sie dann komplett ab. Aber hey, immerhin fiel sie nicht negativ auf...

Christine Sinclair - Kanada: Sinclair eröffnete ihre persönliche WM mit einem verschossenen Elfmeter gegen Nigeria. Im zweiten Spiel kam sie zur Pause und war damit bei den einzigen starken 20 Minuten der Kanadierinnen zumindest anwesend. Im letzten Spiel wurde sie dann beim Stand von 0:2 zur Pause ausgewechselt. Da gab es nicht mal einen Verabschiedung-Applaus.

Megan Rapinoe - USA: Ja, Rapinoe ist noch dabei. Wie auch Lavelle. Aber bei keiner Spielerin ist die Diskrepanz zwischen Außenwirkung und spielerischer Leistung so extrem. Also als sie gegen Portugal eingewechselt wurde, ging ein richtiger Ruck durchs Stadion. Die ersten Fehlpässe wurden aus Prinzip frenetisch bejubelt. Das ließ dann aber doch deutlich nach, als man merkte, dass sie derzeit einfach nicht in der Lage ist, einen positiven Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Ob das an tieferliegenden Problemen bei den Amis liegt oder sie halt einfach zu alt ist, werden wir in den nächsten Tagen erfahren. Wahrscheinlich hat sie am Ende den Zeitpunkt zum Rücktritt aus der Nationalmannschaft verpasst. Aber wer will das der wohl wichtigsten Fußballerin der letzten 10 bis 15 Jahre ins Gesicht sagen? Die ist halt so groß, dass sie alleine entscheidet, wann Schluss ist.

Ersatzspielerinnen.
Kadeisha Buchanan haben wir schon erwähnt. Klara Bühl und Jule Brand sollen auch nicht ganz ungeschoren davon kommen, von beiden hätte man mehr erwarten müssen. Aber die wichtigste Personalie auf der Bank ist:
Ada Hegerberg ist ebenfalls interessant: Also mit ihr verliert Norwegen gegen Neuseeland, ohne sie gewinnen sie 6:0 gegen Panama. Und Hegerberg war jahrelang die beste Spielerin der Welt. Da ist es kein gutes Zeichen, wenn deine Nationalmannschaft ohne dich besser spielt, als mit dir.

Donnerstag, 3. August 2023

Worst of des "Der Plan war so gut, doch er geht daneben" dritten Spieltages.

Da gibt sich die Fifa so viel Mühe beim Spiele planen und dann spielen die Damen so bescheiden... 

Oder anders ausgedrückt: Wir haben's schon wieder gemacht. Wegen anhaltender Erfolglosigkeit verlängert. Im Sinne der Gleichberechtigung muss jetzt auch an Martina Voss-Tecklenburg festgehalten werden. Oder die verpflichten einfach Jogi Löw, das wäre auch eine Idee.

Nach dem dritten Fußballspiel sieht die Deutsche Nationalmannschaft plötzlich aus, wie ein Entwicklungsland: Eine herausragende Spielerin und dazu viel eventuell talentiertes Beiwerk. Denn wenn man ganz ehrlich ist, hatten die eine einzige wirkliche Waffe: das Kopfballspiel von Alexandra Popp. Marokko wurde so in der ersten Halbzeit gebrochen. Der Ausgleich gegen Südkorea wurde so erzielt. Und bis in die Nachspielzeit hinein waren die einzigen klaren Torchancen in der 2. Halbzeit Kopfbälle von Popp.

Und dann... brachte Colin Bell den "Hardcounter": Der wechselte Eun-Sun Park ein. Eine 36-jährige Stürmerin, die nach 7 Jahren ihr Comeback in der Nationalmannschaft feiern durfte... weil sie die einzige groß gewachsene Spielerin der Nation ist. Und hier ist das absurde: Das reichte vollkommen aus, um Deutschland komplett den Zahn zu ziehen. Vor der Einwechslung gab es Kopfballchancen im Minutentakt, hinterher gab es plötzlich nur noch einen Abschluss. Also bis Sydney Lohmann zu 2 Fernschüssen ansetzte. In der 102. Minute. 

Kreativität und spielerische Lösungen... gab es ja schon gegen Kolumbien nur in einer Ausnahmesituation. Schnelle Ballstafetten? Liegen uns nicht so. Dabei ist das Potenzial ja wirklich vorhanden. Also, das hat das erste Gruppenspiel gezeigt, obwohl man dort auch eher nach Flanken und Standards erfolgreich war. Genau genommen hat sich Deutschland in 3 Spielen nur ein Mal überzeugend durch die Mitte kombiniert. Den Rest regelte man über die physische Überlegenheit im Strafraum.
Absurderweise ist Deutschland mit einem Torverhältnis von +5 ausgeschieden... während Marokko mit -4 weitergekommen ist. Ich behaupte einfach mal, dass beides historisch ist. 

Oh und defensiv schafft man es halt auch einfach nicht die 0 zu halten. Das kann man sich halt einfach nicht leisten, wenn man vorne nur einen einzigen Lösungsansatz hat.

Und dann kommt natürlich gleich wieder das "Es gibt keine kleinen mehr" Märchen. Während Japan mit 11:0 Toren durch die Vorrunde marschiert ist. Während Norwegen die Phillipinen mit 6:0 abgeschossen hat. England die Chinesinnen mit 1:6 abgefertigt hat. Panama in den 2 Spielen gegen "die Großen" 10 Gegentore kassiert hat.

Am deutlichsten wird dies beim Vietnam. Da dachte man sich nach dem sie zum Auftakt "nur" 0:3 gegen das an sich beste Team der Welt verloren haben, dass die Abstände zwischen den Mannschaften wesentlich kleiner geworden sind. Schließlich haben die ja auch gegen Deutschland nur knapp verloren. Dann schenkt die Niederlande denen 5 Tore in einer Halbzeit ein und lässt das Spiel am Ende als gnädiges 0:7 auslaufen... Es gab immer noch verdammt viele, verdammt einseitige Spiele.

Und die USA braucht plötzlich ihr verdammt viel Glück bei einem Pfostentreffer der Gegnerinnen in der Schlussphase auf. Wenn das Ding reingeht, scheiden auch die Amis in der Vorrunde aus. Genauso wie Brasilien. Das faszinierendste war ja, dass Marta bei der letzten Pressekonferenz mehr geweint hat, als hinterher auf dem Platz. Die wird schon da gemerkt haben, dass es auch bei dieser WM nicht für den großen Wurf reichen wird, selbst wenn man die Vorrunde irgendwie überstehen sollte.

Die eigentliche Wahrheit lautet: Mit Deutschland, Brasilien, den USA und den ebenfalls ausgeschiedenen Kanadierinnen haben 4 große Nationen absolut enttäuschende Leistungen angeboten. Wenn die jeweils das anbieten, was man erwarten kann, dann haben wir noch einige deutliche Siege mehr in der Gruppenphase. Und zumindest Deutschland und Brasilien haben ja bewiesen, dass sie noch in der Lage sind, Panama und Marokko aus dem Stadion zu schießen.

Faszinierender Weise waren die Deutschen bisher besser als die Amerikanerinnen. Wahrscheinlich waren sie sogar besser, als die Schweiz, die bisher wenig Überzeugendes angeboten hat, aber trotz alledem Gruppensieger wurde. Mit 5 Punkten und 2 erzielten Toren...
Also jetzt mal die offensichtlichen Statistiken: Folgenden Achtelfinalistinnen erzielten 8 oder weniger Tore in der Vorrunde: die Schweiz, Norwegen, Australien, Nigeria, Spanien, England, Dänemark, die USA, Frankreich, Jamaika, Südafrika, Kolumbien und Marokko. Das sind 12 von 16.
Und 3 oder mehr Gegentore kassierten auch: Australien, Spanien, Frankreich, Südafrika und Marokko. 4 von 16 Mannschaften waren also vorne und hinten schlechter als die Deutschen. Es ist also nicht mal so, dass die Verteidigung absurd schwach war. Sie war nur im wichtigsten Moment in der Nachspielzeit gegen Kolumbien komplett abwesend. Also wenn man in diesem einen Moment nicht kollektiv pennt, kommt man am Ende als Gruppenerste weiter.

Aber, und auch das ist wichtig: Dieser Aussetzer war kein Einzelfall, sondern hat sich schon in der Vorbereitung angekündigt. Also das Ausscheiden ist statistisch völlig absurd, aber trotzdem verdient und konsequent, weil man am Ende nur ein einziges gutes Spiel hatte. Andere hatten aber halt nicht mal das und sind trotzdem weiter gekommen.
Das ist halt auch die absurde Dynamik eines Turniers: Es kommen nicht zwingend die 16 besten Mannschaften ins Achtelfinale.

Wo ich schon die Amerikanerinnen angesprochen habe: America. America has a problem. Man fragt sich da echt, was die in den letzten Monaten und Wochen so gemacht haben. Also vor allem, weil eine Nation, die bisher immer physisch überlegen war, auf ein Mal in der Schlussphase auf dem Zahnfleisch geht. Auch die jungen Stars wirken in den Schlussphasen richtig müde, das darf dir einfach nicht passieren. Dazu wirkt es auch so, als würden die zum ersten Mal zusammenspielen. Als Megan Rapinoe eingewechselt wurde, kam kurz Stimmung auf, aber alles, was die dann ins Spiel brachte, waren katastrophale oder hochriskante Fehlpässe. Wir reden hier von einer Passquote von 32 % und 18 Ballverlusten als Einwechselspielerin. Da merkt man auf ein Mal, warum die nur auf der Bank sitzt. Alex Morgan muss auf ein Mal doch wieder über die gesamte Spielzeit ran, was definitiv nicht so geplant war.
Und während man das Zusammenspiel und die Feinabstimmung noch verbessern kann, wird man an der Fitness wenig ändern können.

Aber bis ungefähr 13 Uhr habe ich hier halt meinen "Was der Vlatko Andonovski da abliefert, ist schon auf Jogi Löw Niveau." Beitrag gefeilt. Also man muss sich echt richtig viel Mühe geben, damit eine so gute Mannschaft so schlecht spielt. Aber Voss-Tecklenburg so: Hold my beer. 

Man muss auch da festhalten, dass da einiges in der Vorbereitung schiefgelaufen sein muss. Aber wenn man vorher genauer hingeschaut hätte, ist das auch gar nicht soo überraschend: Das letzte wirklich überzeugende Ergebnis ist halt vom Januar... Und da ging es auch "nur" gegen Neuseeland, einer Mannschaft, die halt auch nach der Vorrunde ausscheidet. 2022 gab es historische 3 Niederlagen in Folge, bevor man dann doch das 2. Spiel gegen Deutschland gewinnen konnte. Der letzte Sieg gegen eine Nation, die jetzt auch im Achtelfinale steht, wurde im September errungen. Die Leistungskurve zeigt genau genommen seit Monaten deutlich nach unten. Es gingen nur halt alle davon aus, dass sich die Probleme zur WM schon irgendwie lösen werden. Das klingt halt wirklich nach Jogi Löw oder Hansi Flicks Logik.

Dadurch, und das soll auch nicht untergehen, bekommen die vermeintlich Kleinen natürlich mehr Platz um zu strahlen. Also wir haben jetzt ein Achtelfinale Kolumbien gegen Jamaika... und auch wenn die Jamaikanerinnen brutalen Anti-Fußball spielen. Also die haben sich mit einem einzigen erzielten Treffer für die K.O. Phase qualifiziert. Die beherrschen es aber hervorragend, den Spielfluss zu unterbrechen und Zeit zu schinden. Da die aber als "kleine Nation" gelten, ist das kein Problem, sondern gilt als sympathisch. 

Und nur damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich habe höchsten Respekt davor, dass die ihr Potenzial komplett und kompromisslos ausschöpfen und damit Erfolg haben. Und einer dieser beiden Nationen wird ins Viertelfinale einziehen, was dem Sport in den jeweiligen Ländern einen riesigen Schub geben wird. Jamaikas Mannschaft musste sich bisher über die Spenden von Bob Marleys Enkelin finanzieren. Das Programm wurde zwischenzeitlich komplett eingestellt und die Mannschaft war von der Weltrangliste verschwunden. Also nicht nur Hundertirgendwaster, sondern komplett weg. Zwischen 2015 und 2018 wurden einfach keine Länderspiele ausgetragen. Jetzt kommen die ganzen Beschwerden der Damen auch tatsächlich im eigenen Land an

Oh und entgegen meiner nach dem ersten Spieltag sehr pessimistischen Prognose sind 4 von 5 Mannschaften aus Afrika in die nächste Runde eingezogen. Auch das wird einen positiven Effekt für die Damen auf diesem Kontinent haben. Auch wenn man in jedes Spiel als klarer Außenseiter geht und damit wahrscheinlich bald Endstation sein wird.