Mittwoch, 24. August 2022

Man muss sich mal die richtig schweren Aufgaben stellen!

 Challenge accepted. Also Meister werden ist ja leicht...  Also zumindest für die Bayern. Das kann ja nicht die Aufgabe sein. Man muss sich ja auch irgendwie fordern.

Ihr werdet ja auch alle darüber gestolpert sein, dass die Bayern gerade den besten Saisonstart aller Zeiten hingelegt haben. Und dann habt ihr eventuell auch die Bilderserie mit den anderen Topstarts durchgeklickt. Nun muss ich natürlich sofort ignorieren, dass 4 dieser 10 Mannschaften (inklusive der Bayern 1988) am Ende nicht Meister wurden. Aber das waren halt noch andere Zeiten. 

Wisst ihr, was wirklich schwierig ist? Nach so einem Start absteigen! Das hat halt nur Hansa hinbekommen. Aber diesen Abstieg muss man richtig einordnen:
1.) werfe ich einfach mal die These in den Raum, dass die Liga damals einfach besser war. Also diese These basiert darauf, dass es genau in dieser Phase durch die Wiedervereinigung eine krasse Infusion von gut ausgebildeten Spielern gab.
2.) Man spielte in einer 20er-Liga mit 4 Absteigern. Genau wegen der angesprochenen Wiedervereinigung.
3.) Es gab damals für einen Sieg nur 2 Punkte, Hansa bekam für seinen tollen Start also wesentlich weniger.

Auf die 3 Punkte Regel holten sie 41 Punkte! Damit qualifiziert man sich mittlerweile fast für Europa. Und selbst wenn man die Saison künstlich auf 34 Spieltage kürzt, kam Hansa immer noch auf 38 Punkte.

Mittlerweile ist die Lage halt eine andere, weil so viele Mannschaften gezielt auf einen Abstieg hinarbeiten und unbedingt in Liga 2 antreten wollen. Also anders kann man die Entwicklungen in Hannover, Hamburg, Werder und Schalke nicht beschreiben. Das ist quasi Konkurrenz, mit der man sich beschäftigen muss.

Und als gratis Kirsche auf der Abstiegssahnetorte kommt die Relegation. Hansa durfte damals nicht 4. Letzter werden, um den Abstieg zu verhindern... Die Bayern dürfen nicht mehr als 2 Mannschaften hinter sich lassen, wenn das was werden soll.

So, wie sich die meisten Bundesligisten anstellen, holt man ja selbst dann einige Punkte, wenn man das gar nicht will. Also Schalke kam auf 16, und die haben wirklich alles unternommen, um nicht zu punkten. Werder kam auf 31. Der HSV sammelte in seiner jahrelang vorbereiteten Abstiegssaison  ebenfalls 31 Punkte. Wenn man da halt noch die 9 Punkte draufpackt, die die Bayern halt schon haben... 

Damit steigt man realistisch gesehen einfach nicht ab. Dafür geben sich die Hertha und Simon Terodde gerade viel zu viel Mühe... Aber hey, ein spannendes und anspruchsvolles Ziel für die Bayern wäre es trotzdem. Die sind aber nicht so ambitioniert und holen sich lieber die leicht zu erreichenden Ziele... Langweilig.

Montag, 22. August 2022

Worst of des "Ist es echt schon wieder März?" Wochenendes

 Ist es gar nicht? Warum fühlt es sich dann so an, als wäre die Meisterschaft schon entschieden?

Dabei läuft doch eigentlich alles nach Plan. Also zumindest für Kapelle Petra, die Gladbach auf Platz 1 in ihrer Stecktabelle packen konnten. Oh und realistisch gesehen ist Union Berlin der Bayern-Verfolger Nummer 1. Was eigentlich erwartbar war, schließlich reden wir von dem Verein, der sich rein tabellarisch jedes Jahr verbessert. Da ist es nur überraschend, dass die so schnell zum Bayern-Jäger Nummer 1 wurden. Aber ja, die können ihr Meister-Merchandise für die Saison 2026 schon mal in den Druck geben...

Das eigentliche Problem ist natürlich, dass die eigentlichen Verfolger so gar kein Interesse an einem spannenden Meisterrennen haben. Borussia Dortmund ist angeblich der erste Verein, der in der 89. Minute 2:0 führt und trotzdem noch verliert... gegen einen Aufsteiger. Der mit Niclas Füllkrug und Marvin Duksch 2 "Marius Ebbers Angreifer" aufstellt. Aber sobald die auch nur einen dieser 2 Angreifer durch einen richtigen Stürmer ersetzen, ist Dortmund komplett überfordert.

Nebenbei... wollte ich da nochmal einen Matts Hummels Rant nachlegen. Denn der hat sich während der Vorbereitung lautstark darüber aufgeregt, dass die ganzen Jungstars im Training wie die Vollidioten in die Zweikämpfe gehen. Wenn ihr wissen wollt, warum Dortmund nie wieder Meister werden wird, guckt euch diesen Trainingsausschnitt an.
Also 1. sollte Matts Hummels selber gerade in jedem Training kratzen und beißen, denn Dortmund hat in diesem Transfersommer ja ein eindeutiges "Eigentlich sollst du kein Stammspieler mehr sein" Statement abgegeben. Dazu hat Hummels einen auslaufenden Vertrag.
2.: Es ist ja noch nicht mal ein schlimmer Tritt. Also als ich das gelesen habe, hab ich mit irgendeiner extremen Grätsche gerechnet. Aber sich so aufzuregen, weil dir jemand auf den großen Zeh tritt.

Aber genau das sind halt die Führungsspieler in Dortmund: Ein Haufen alter Säcke, die nicht (mehr) gut genug für die ganz großen Aufgaben sind und die es sich in dieser Mannschaft sehr bequem gemacht haben. Nun kann Hummels natürlich behaupten, dass er ja beim Stand von 2:0 ausgewechselt wurde. Das ist aber auch nichts, womit man sich als Führungsspieler rühmen sollte. Und dadurch wird die Richtung, die die Führungsspieler in Dortmund vorgeben, nicht richtiger.

Bei RB Leipzig wundert es mich gerade, dass da anscheinend Jogi Löw den Trainerposten übernommen hat, ohne dass das mitgeteilt wurde. Also die Art und Weise, wie die ihre Spiele verlieren, erinnert mich stark an Deutschland bei der WM 2018: Viel Ballbesitz, uninspiriert beim Spiel in die Spitze und dann lässt man sich immer wieder auskontern. Und klar, das ist ein strukturelles Problem, welches man lösen kann. Aber für eine spannende Meisterschaft hätte man das im Sommer erledigen müssen. 

Und dann ist da noch der Tabellenletzte aus Leverkusen. Was halt wirklich absurd ist: Die kommen bei 51 Torschüssen auf 1 Treffer. Sie haben nebenbei Rafa Gikiewiczs Stammplatz gesichert. Und dieses Wochenende schoss Patrick Schick seinen "Sturmpartner" Sardar Azmoun an. Oder wie der Kicker das sogar beschreibt: Azmoun klärt für Hoffenheim. Und auf ein Mal sitzt Gerardo Seoane auf einem heißen Stuhl. Obwohl er wenig dafür kann, dass die Starstürmer sich so komplett unfähig anstellen. Wer hätte gedacht, dass die Lucas Alario so vermissen werden?

Aber wo sonst im Großen und Ganzen alles wie immer läuft... muss sich ja auch im kleinen nichts ändern. Von daher: Täglich grüßt der VAR.
Nebenbei finde ich es faszinierend, dass die Bayern-Fans es sich jetzt so hindrehen, dass Sadio Mané ach so sympathisch ist, weil er sein eigenes Handspiel zugegeben hat... Also nein, er ist nicht zum Schiedsrichter gegangen, er hat das seinen eigenen Mitspielern signalisiert. Trotzdem wartete er auf die Analyse des VARs, weil man ja nie wissen kann, was dabei rauskommt. Beim Stand von 0:3 für die Bayern. So ein sympathischer Mensch. 

Also nur um das mal ganz sachlich zu bewerten: Mané war sich vollkommen bewusst, dass er den Ball mit der Hand gespielt hat und dass das Tor eigentlich nicht zählen kann. Sympathisch wäre es gewesen, wenn er das sofort dem Schiri signalisiert und uns allen die minutenlange Überprüfung erspart. Ganz großer Sportsgeist wäre es gewesen, wenn er das bei einem Rückstand macht. Darauf zu spekulieren, dass der VAR das nicht aufklärt und der Treffer trotzdem gilt, ist mehr so ein Lewandowksi-Move.

Aber gut, da hat der VAR ja wenigstens richtig entschieden. Wie man als Schiedsrichter den Kölner Ausgleich stehen lassen kann, bleibt das eigentliche Rätsel. Also da hat man die Möglichkeit sich das nochmal anzugucken. Und man sieht eindeutig, dass der im Abseits stehende Spieler das Sichtfeld des Torhüters und damit auch das Spielgeschehen beeinflusst. Falls sich noch jemand fragt, warum der VAR scheitern muss. Vor allem, weil bei solchen Szenen definitiv schon anders entschieden worden ist. Und genau das sollte der VAR doch verhindern: Dass identische Szenen unterschiedlich bewertet werden. Zumindest, wenn es um einfache Entscheidungen wie das Abseits geht.
Klar, als Kölner Fan behauptet man, dass Kevin Trapp doch eh nie an den Ball gekommen wäre. Aber zumindest wäre er engagierter in die Ecke gesprungen, wenn er den Ball früher sieht.

Nebenbei dauerte es 5 Minuten, bis die hinterher nach Meinung der Experten falsche Entscheidung bestätigt wurde. 5 MINUTEN! So viel Zeit haben nicht mal die Engländerinnen bei ihrem lächerlich lange verzögerten Eckball von der Uhr genommen. Also nicht mal annähernd. Und das ist ja das eigentliche Problem: Kaum jemand (also außer die Frankfurt Fans natürlich, die gleich und sofort die glasklare Abseitsstellung gesehen haben) hätte sich beschwerte, wenn diese Entscheidung ohne VAR so gefallen wäre. Wenn das Schiedsrichtergespann die halt auch sehr knappe Abseitsentscheidung übersieht. Oder wenn sie das Abseits sieht, aber nicht erkennt, inwieweit das Blickfeld des Torhüters beeinflusst wurde. Aber wenn solche Fehlentscheidungen trotz der technischen Möglichkeiten nicht korrigiert werden. Oder genauer genommen nur manchmal korrigiert werden. Und das noch nach 5 Jahren mit diesem Experiment. 

Wobei man an der Stelle auch nochmal festhalten muss, dass das kein VAR, sondern ein Qualitätsproblem ist. Also dass deutsche Schiedsrichter viel zu oft vor dem Bildschirm stehen und dann als Einzige keine Fehlentscheidung sehen. Nun muss man Martin Petersen zugutehalten, dass er noch ein sehr junger Schiedsrichter ist. Und dass er laut Kicker Bewertung gerade seine erste 5 erhalten hat. Und ja, so sehr ich mich über die Beurteilung von Schiedsrichterebene auf internationaler Ebene aufrege... wenn es um Spiele zwischen 2 deutschen Mannschaften geht, vertraue ich dem Kicker noch. Da haben die halt keine Nationalisten-Brille auf. Aber auch Petersen sollte sich jetzt selber mal fragen, warum er an der Stelle so entschieden hat und was ihn davon abgehalten hat, diesen Fehler zu korrigieren.

Und wenn es wirklich ein "bedauerlicher Einzelfall" wäre, dass man die Entscheidung nach VAR Eingriff nicht nachvollziehen kann. Aber es passiert halt alle 14 Tage. Aber dass man eigentlich über die strukturellen Probleme im Schiedsrichterwesen reden müsste, ist ja auch keine neue Forderung....

Freitag, 19. August 2022

Barca ist tot! Lang lebe Barca!

 Also ja, auf den ersten Blick ist das ja schon sehr enttäuschend. Im ersten Moment hatte ich ja schon die Hoffnung, dass mit Joan Laporta das alte Barca zurückkehrt. Der Verein, der 6 Weltmeister und Lionel Messi ausgebildet hat. Die ihre eigene Jugendabteilung nur gezielt und punktuell verstärken mussten, weil sie halt keine Außenverteidiger und keine Mittelstürmer ausbilden.

Das war ja auch der Verein, der allen nicht Real Madrid Fans sympathisch war. Der unter Pep Guardiola auch für einen einzigartigen, attraktiven und faszinierenden Fußball stand. Aber dieser Verein ist halt tot. Auch Laporta bringt ihn nicht zurück.

Aber eine offene Frage steht ja doch gerade im Raum: Ist das, was Laporta gerade macht, wirklich Wahnsinn? Also das ist ja die Meinung, die man sonst überall hört. Barca verkauft seine Zukunft, damit die Gegenwart besser wird. Das hat Borussia Dortmund auch schonmal gemacht und da ging es richtig schief. Barca ist der einzige Verein der Welt, der kein Geld hat und trotzdem alle Spieler kauft. Ihr habt die Sätze garantiert auch alle irgendwo gelesen. Aber stimmt das?

Also zunächst mal empfehle ich euch, wie immer, erst mal das HITC Seven Video zu dem Thema. Da wird dann wirklich mal aus einer halbwegs neutralen Sicht auf diesen Transfersommer und dieses "Wie geht das" geguckt. Mit der Randnotiz, dass Betis Sevilla über eine ähnliche Finanzspritze nachdenken muss. 

Da muss man auch mal direkt mit einer Falschaussage aufräumen: Dortmund ist nicht der einzige deutsche Verein, der zukünftige Fernsehgelder veräußert hat. Also Michael Kölmel bekam zwischenzeitlich 13,75 % der TV-Einnahmen von... natürlich... Union Berlin. Diese Zahl wurde mittlerweile prozentual verringert, aber wahrscheinlich bekommt Kölmel praktisch mehr Geld, weil die 13 % ja noch für Zweitligaverträge ausgerechnet wurde. Aber wenn Union mit solchen Finanzspritzen den Aufstieg am Reißbrett plant, ist das Kult. Wenn Barca das macht, ist es Wahnsinn...

Und an der Stelle muss man eine Sache festhalten: Barca hat lediglich die nationalen TV-Rechte verscherbelt. Es geht immer nur um das Geld, welches in La Liga erwirtschaftet wird. Sie machen das ganz praktisch, damit sie weiterhin an die großen Geldtöpfe der Champions League kommen, was sie zwingend müssen. Und solange sie in 8 der nächsten 10 Jahre ins Viertelfinale plus X kommen, ist das auch ein gutes Geschäft.

Natürlich könnte Barca jetzt ein paar Jahre zum Konsolidieren einlegen und einen wirklichen Neuaufbau um die Talente Pedri und Ansu Fati wagen. Sie würden sich mit diesem Kader wahrscheinlich auch noch für die Champions League qualifizieren. Aber die internationale Saison würde halt ungefähr so verlaufen, wie die Letzte: Man droht in der Gruppenphase auszuscheiden. Und spätestens im Achtelfinale wäre definitiv Schluss. Man würde sich also zielgerichtet in die, wie ich es zu nennen pflege, Arsenal-Falle bewegen. Einem Verein, der jahrelang zur europäischen Spitze gehörte, bis er dann irgendwann nur noch gut genug war, um am Achtelfinale teilzunehmen. Das funktionierte 7 Jahre am Stück... bis man plötzlich nicht mal mehr an der Champions League teilnahm, weil andere, die mehr investierten, an einem vorbeigezogen sind. Und jetzt stehen sie vor der unlösbaren Aufgabe, dass sie irgendwie zurück in die internationale Spitze kommen wollen, in der es aber verdammt eng ist. Gerade für englische Vereine, die haben halt 6 Kandidaten für 4 Champions League Plätze.

Das ist ja die grundlegende Perversion des Fußballs: Wir haben 10 Vereine, die ins Champions League Viertelfinale einziehen müssen, damit ihre Bilanz nicht völlig aus den Fugen gerät. Diese Vereine müssen alle weiter hochrüsten, weil sie sonst nie wieder auf dieses Niveau kommen. Und gleichzeitig drohen "von unten" neureiche Klubs mit moralisch fragwürdigen Investoren nachzurücken. 

Damit kommt Laporta halt zu dem Schluss: Die einzige Chance Barca zu retten, ist halt diese Risikoinvestition. Denn das ist der einzige Weg, wie man weiterhin zu den Top 10 gehört. Da rauszufallen kann man sich halt auf keinen Fall leisten, dann geht man eh zugrunde. Da kommen halt die 1,3 Milliarden Euro Schulden, die er geerbt hat. Noch sind die Investoren gewillt, kurzfristige Schulden in langfristige Darlehen umzuwandeln, aber wenn Barca sich aus dem Kreis der Riesen verabschiedet, dürften die ungeduldig werden. 

Dazu kommt, dass Barca halt noch diese Strahlkraft hat, dass Spieler da unbedingt hinwollen. Also der eine oder andere Neuzugang hat ja auf Geld verzichtet, damit er für diesen Mythos spielen darf. Pedri hat seinen Vertrag verlängert. Aber dieser Mythos wird nicht ewig halten. Wenn Pedri dann irgendwann feststellt, dass es bei Barca halt nur noch ums Erreichen des Achtelfinales geht, zieht er halt doch unter Tränen weiter.

Man hat sich also in eine Falle manövriert, in der weiter investieren die einzige Möglichkeit ist. Also zumindest bis irgendwann die ganze Bubble platzt. Wenn einem das verstanden hat, wird einem bewusst, dass Laporta überraschend vernünftig handelt. Also so weit man im Rahmen des europäischen Spitzenfußballs vernünftig handeln kann.

Donnerstag, 18. August 2022

Da ist man mal eine Woche komplett Offline

 Und kauft sich dann tatsächlich mal den Kicker, nur um herauszufinden, dass Hansa mit 0:4 verloren hat, weil Kolke sich unbedingt für das Kacktor des Monats beworben hat... Und ja, so als Random Information: Erst am Montag nach 8 km Radfahren herauszufinden, wie die Bundesligaergebnisse waren, weil man wirklich gar kein Internet hat, ist sehr erholsam.

Anyhow. Der Kicker hat mich dann wirklich verwirrt. Also zunächst schreiben sie einen wunderschönen Artikel darüber, wie toll es doch ist, dass Anthony Modeste endlich Champions League spielen darf. Mit 34 wird er die Gelegenheit nicht mehr allzu oft bekommen. Und ja, der Anlass (also Sébastien Hallers Krebsdiagnose) ist wirklich ein tragischer, aber Modeste hat sich das mit seiner herausragenden Arbeit und der Weiterentwicklung im hohen Alter halt auch wirklich verdient.

Und dann lese ich in den Leserbriefen, dass Modeste die Woche vorher vom Kicker als geldgeiler Egoist beschimpft worden ist. Das ist doch mal investigativer Journalismus. Also ernsthaft, das hat ihnen bestimmt der CIA verraten, die kriegen ja alles raus.

Ganz ehrlich: Dass Anthony Modeste ein "geldgeiler Egoist" ist, wissen wir doch alle seit dem Sommer 2018. Also als Modeste sich in der Blüte seiner Jahre einfach von jeglichem Leistungsdenken und dem Streben nach höherem verabschiedet hat und das Millionengehalt aus China akzeptierte. Davon haben die Kölner, die in der Summe 34 Millionen für den Angreifer bekamen, ja auch gut profitiert. Aber seit dem steht doch fest, dass Modeste hauptsächlich auf seinen Kontostand achtet und alles andere eher sekundär ist.

Jetzt kann man ja eigentlich einen Fortschritt sehen. Also immerhin hat er dieses Mal die Angebote aus den Golfstaaten laut eigenen Aussagen abgelehnt. Er wechselt wirklich hauptsächlich, weil er ein Mal auf dem allerhöchstem Niveau auflaufen will. Diese ominöse Hymne einmal hören will. Und klar, er wird dabei auch gut verdienen, aber das ist definitiv nicht der primäre Antrieb seines Handelns.

Nm zu verdeutlichen, wie sich die "Zeiten" in der Berichtserstattung geändert haben, krame ich mal ganz tief in meinem Gedächtnis. Also damals, als Mathias Schober, seines Zeichens unumstrittener Stammtorhüter in der Bundesliga und auf dem Weg zur Legende bei Hansa, unbedingt zu Schalke auf der Bank sitzen wollte, hat niemand geschrien, dass das ja nur wegen des Geldes passiert. Sondern, weil Schober die Champions League wenigstens mal von der Bank aus erleben wollte. Und weil er zu seinem Jugendverein zurückkehren wollte, die er mal zum Meister der Herzen gekürt hat. Ok, er hat damals als Leihspieler für den Hamburger SV gespielt, aber ja, genau der Mann hat damals den Rückpass mit der Hand aufgenommen hat, der zu Andersons Freistoßtor führte wollte hinterher unbedingt zurück nach Gelsenkirchen. Geschichten aus den ominösen "damals", als noch nicht im März feststand, dass die Schale nach München gehen wird.

Jedenfalls hat Schober, mit dem "zurück zum Ausbildungsverein, dafür aber auf die Bank" Sternchen dieselbe Entscheidung getroffen, wie Modeste. Aber einem wird das dann vorgeworfen. Das zeigt auch einfach, wie sich die Berichterstattung und Wertung verändert hat.

Nebenbei wurde im Kicker anscheinend auch Filip Kostic kritisiert, weil er anscheinend lieber zu Verhandlungen nach Turin gereist ist, anstatt einen völlig irrelevanten Titel, für den sich keine Sau interessiert und der nur den Rahmenterminkalender voll macht, zu jagen. Also ja, es geht Fußballern um Titel, aber eben nicht um den belanglosen Supercup.

Zurück zu Modeste: Das ist doch eigentlich eine Situation, von der alle profitieren. Also nicht nur Modeste. Dortmund bekommt mit ihm seine kurzfristige Lösung, die aber auch keine Ansprüche stellen wird, wenn (dreimal aufs Holz klopfen) Haller gesund zurückkehrt.

Köln muss nicht mehr auf die naive Hoffnung setzen, dass Modeste Wahnsinnssaison wiederholt. Und sein wir kurz ehrlich: Dass der dieses Niveau hält und nochmal 20 Tore erzielt, war zumindest in Köln eher unwahrscheinlich. Dazu bekommt man eine (für einen so alten Spieler) stattliche Ablöse und mit Steffen Tigges einen jüngeren Angreifer, an dem Steffen Baumgart seine Magie wirken darf.

Und ja, man kann sich praktisch darauf verlassen, dass Baumgart Tigges besser machen wird. Man ist halt in der glücklichen Position, dass man einen dieser Trainer in seinem Verein hat, der einem das praktisch garantiert. Aber auch für die Kölner ist es besser, wenn Baumgart diese Magie bei einem jüngeren, entwicklungsfähigen Spieler anwendet, anstatt sie zu verschwenden, um einen alternden Star vielleicht noch ein weiteres Jahr auf angemessenem Niveau zu halten.

Denn eines steht doch definitiv fest: Spätestens 2024 wird Tigges einen besseren Bundesligastürmer abgeben, als Modeste, der dann halt im wohlverdienten Ruhestand sein wird. 

Natürlich bleibt Modestes Wechselwunsch dann immer noch "egoistisch". Aber ist das wirklich ein Problem, wenn alle beteiligten Partein von diesem egoistischen Wunsch profitieren dürften?

Sonntag, 7. August 2022

Das superfrühe, super kompakte, aber alles entscheide Worst of

 Da ich ab nachher 10 Tage im Urlaub bin... muss ich gleich reagieren. Und nach dem ersten Bundesligaspieltag gibt es ja eigentlich nur eine einzige Frage:

Sollten wir Bundesligafans uns nicht doch ein Montagsspiel andrehen lassen? Eine einzige Ausnahme machen, damit der Bundesligaauftakt Live für alle erst am Montag ausgestrahlt wird? Und danach spielen dann alle wieder wie immer von Freitag bis Sonntag.

Das Warum? ist natürlich leicht erklärt: So hat man dann wenigstens mal kurzfristig einen anderen Tabellenführer und hält die Illusion, dass jemand anders Meister werden könnte, für länger als 45 Minuten aufrecht. Das ist doch auch wichtig.

Obwohl... so wie sich die restlichen Bundesligisten sonst präsentieren, wenn es um die Chance geht, die Tabellenführung zu übernehmen oder diese zu verteidigen... enden dann einfach alle Spiele 0:0. Also außer Union - Hertha. Da geht es um höhere Prinzipien, das Spiel würde Hertha sogar dann verlieren, wenn es für Union um die Tabellenführung geht. Was glaubt ihr, warum das am ersten und nicht am letzten Spieltag ausgetragen wird?

Und wo wir schon dabei sind, hätten die doch auch den Supercup auf nächsten Mittwoch verlegen können. Denn die Kombination aus beiden Machtdemonstrationen hinterlässt ja den Eindruck, dass wir uns in aller Ruhe auf den Abstiegskampf konzentrieren können, weil vorne eh nichts passieren wird...

Für mich bleibt ja nur eine spannende Frage offen: Wie wird Thomas Müller den Abgang von Robert Lewandowski verkraften? Denn dieser Wechsel wird, gerade bei den anderen Zugängen, die Meisterschaft nicht entscheiden. Aber er wird die Statik des Spiels verändern. Und diese Statik bestand halt aus: Müller spielt um einen Leuchtturm herum. Meine persönliche Hoffnung war ja, dass Müller ohne klaren Mittelstürmer in seine 2018er-Form zurückfällt... was immernoch möglich ist, schließlich hat die 2018er-Version auch bei ein paar Schützenfesten, bevorzugt gegen den Hamburger SV, seine Scorerpunkte gesammelt. Aber selbst wenn Müller wieder abfällt, sind die restlichen Bayern halt zu gut für einen spannenden Titelkampf.

Montag, 1. August 2022

Worst of des "Und dann entscheidet am Ende die Bank" Finales

 Das ist ja das faszinierende am Fußball: erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Da nimmt gerade Alex Popp die Rolle als Gesicht voll an, nur um dann kurz vor dem Finale verletzt auszufallen. Dann ist Popp trotzdem häufiger im Bild als Beth Mead, die definitiv ihr schlechtestes EM Spiel ablieferte... Das 1:0 fällt in genau dem Moment, in dem Mead draußen behandelt wird. Und das 2:1 schießt dann diejenige, die nur auf dem Platz steht, weil der Star doch verletzt rausmusste. So ein Skript muss man erstmal schreiben.

Und als übersehenes Bonusfeature hält Lina Magull zwar beim Ausgleich ihren müde Fuß nach starkem Laufweg in den Ball... aber eigentlich fällt das Tor, weil Lohmann und Waßmuth sich sauber durch kombinieren. Oder anders ausgedrückt: Dieses Spiel sollte als Lehrbuchbeispiel genutzt werden, um Trainern (bevorzugt für, natürlich Gareth Southgate) beizubringen, wie sie das Spiel durch das Einwechseln frischer Offensivkräfte beeinflussen können. Sonst war ich ja immer dagegen, mehr Auswechslungen zu erleben, weil zu viele Vollpfosten diese nur als Möglichkeit zum Zeitspiel nutzen. Aber wenn alle Trainer immer so wechseln würden...

Natürlich wurde das Turnier am Ende auch durch ein Kacktor des Monats entschieden. Und ja, wenn Arnd Zeigler Eier hat, nominiert er dieses Ding. Das ist auch gar nichts Böswilliges, denn auch wenn die Deutschen so einen Ball über die Linie gestochert hätten, wäre es ein Kacktor gewesen und es sollte nominiert werden. Und das 1:0 der Engländerinnen wird ja auch selbstverständlich für das Tor des Monats nominiert, weil es so schön war... Aber auch wenn es nur mit kurzer Ankündigung kam, so hat Chloe Kelly dann doch angekündigt, dass die Engländerinnen das Spiel dann doch vor dem Elfmeterschießen entscheiden wollen und dafür nochmal die komplette Unterstützung des Stadions brauchen.

An der anderen Stelle merkt man halt dann auch, wie so ein Kader an seine Grenzen kommt. Also reine Mathematik: Ein EM Kader besteht, weil Frauen härter als Männer sind, nur aus 23 Spielerinnen. Oder gab es einen anderen Grund, warum die Frauen keine Coronaausnahmen bekommen haben, die letztes Jahr noch völlig normal waren? Was Martina Voss-Tecklenburg nebenbei vorher angesprochen hat. Von den 23 Kaderplätzen gehen 2 an die "Nur im Notfall benutzen" Ersatztorhüter. Was nebenbei ziemlich absurd ist. Also es hat noch nie jemand seinen dritten Torwart wirklich eingesetzt, trotzdem wird man gezwungen ihn zu nominieren. Also bei Deutschland 1996 war die Lage so schlimm, dass die Oliver Reck ein Feldspielertrikot bereitgelegt haben. Und Nordkorea wurde dafür bestraft, dass man heimlich einen weiteren Angreifer nominierte, anstatt einen Spieler, den man eh nicht braucht. Und sein wir mal ganz ehrlich: Wenn die Trainer frei wählen dürften, würden sie nie einen dritten Torwart mitnehmen.

Jetzt darf man in einem Spiel mit Verlängerung mittlerweile 6 Mal wechseln, hat aber realistisch gesehen 8 Optionen zur Auswahl. Also es ist ja alles andere als "normal", dass man ohne Verletzungen und Sperren durch das Turnier kommt. Im Fall von Deutschland hatte man also 8 Spielerinnen, von denen man 6 einwechseln konnte. Da guckt man dann buchstäblich auf das Ende seiner Bank und fragt sich: Wer sitzt da eigentlich noch? Und ja, das "was wäre wenn?" beim Ausfall von Popp und Bühl ist gar nicht so sehr das "Was hätten die in der Startelf gerissen?" Sondern viel mehr ein: Was wäre passiert, wenn auch Deutschland von der Bank so viele frische Offensivkräfte wie die Schüller bringen könnte? Und wie gesagt: Die Hoffnung bleibt, dass mehr Trainer dieses taktische Mittel als genau das erkennen.

Das Paradebeispiel dabei ist und bleibt ja das Jobsharing von White und Russo. Die eine wurde im Durchschnitt in der 58. Minute für die andere ausgewechselt und es ging immer ein Ruck durch die englische Mannschaft. Aber sonst legt ja kaum jemand seine Taktik auf solche Wechsel aus, auch wenn Mann ja durchaus einen Kader hätte, der das hergibt. 

Ansonsten müssen wir, weil es halt doch ein richtiges Fußballspiel war, doch mal über den VAR und die Leistung der Schiedsrichterin reden. Also ich finde es faszinierend, dass die eine 5 bekommt, weil sie den Handelfmeter nicht gegeben hat. Mein wirkliches Problem mit ihrer Leistung ist eher, dass sie das Spiel nicht mit 11 gegen 11 beenden kann, wenn sie ihre Linie aus der "Anfangsphase" durchzieht. Denn sie gibt 2 Engländerinnen sehr früh und sehr zügig Gelb. Und bei der Linie muss man dann auch über Rot für Russo reden, da reicht ihr aber eine Gelbe und sie pfeift eher großzügig. Und ich bin mir auch relativ sicher, dass Stanway ein weiteres taktisches Foul begeht...

Aber ihr dann aus dem Elfmeter einen Strick zu drehen? Also nur für Kontext: Der deutschsprachige Live-Kommentator entscheidet sich beim Sichten des Live-Feeds gegen einen Elfmeter... obwohl der durch die deutsche Brille guckt. Und dann findet die deutsche Redaktion nach 15 Minuten suchen kurz vor der Pause die eine Einstellung, in der man dann doch ein strafbares Handspiel sieht, und alle schreien jetzt "Warum werden immer wir Deutschen bestraft." Und schiebt das auf die Schiedsrichterin, obwohl sie doch nichts dafür kann, dass ihr niemand dieses Bild geliefert hat. Wir sind hier halt auch nicht bei Arsenal, wo so lange auf den Videobeweis geguckt wird, bis die Entscheidung gegen dich ausfällt... Aber im Wesentlichen sagt ihr: Wir hätten das Spiel 15 Minuten lang unterbrechen müssen, bis wir wirklich alle Einstellungen gründlich gesichtet wurden. Wenn dann aber eine VAR Überprüfung länger als 90 Sekunden dauert, jammert ihr auch, dass das alles viel zu lange dauert,

Und nur um das mal zu verdeutlichen: Ja, man kann da Elfmeter geben. Aber wenn einer deutschen Verteidigerin so ein Ball aus so kurzer Distanz an den Arm springt, seht ihr da alle nichts Verbotenes. Das ist wie beim 1:1 der Engländerinnen gegen Spanien, wenn ihr euch nochmal ein "neutrales" Beispiel angucken wollt.
Und klar, der Kicker sieht da sofort ein Handspiel. Aber der Kicker hat gerade bei Deutschlandspielen halt mit sachlichem Journalismus so viel gemeinsam, wie sonst nur die Bild. Das muss bei solchen Szenen immer bedacht werden. Ich garantiere euch, dass der Kicker da im deutschen Strafraum saubere Verteidigungsarbeit gesehen hätte. Wir reden hier schließlich über dieselben "Experten", die ein herausragendes Tackling sehen, wenn Mats Hummels einen klaren Elfmeter verursacht...
Ich sage auch ganz offen: Wenn die Einstellung, die kurz vor der Pause gezeigt wurde, gleich auftaucht, gehe ich da auch mit, dass die Entscheidung überstimmt werden muss. Die eigentliche Frage ist: Warum sehen wir die erst mit 10 Minuten Verzögerung? Und können wir der Person auf dem Platz einen Vorwurf machen, dass sie diese Einstellung nicht sehen konnte? Klar, können wir, die Entscheidung ging schließlich gegen Deutschland. Ach wie schön, es war dann doch ein richtiges Fußballturnier... Mehr kann man doch gar nicht verlangen.