Samstag, 31. Dezember 2022

Die "Passives Abseits Jahrescharts 2022"

Weil ich mich nach wie vor weigere, einfach die Spotify Listen zu teilen. Was halt auch nicht geht, weil ich wirklich lieber Alben als einzelne Songs höre und ich mich auch wirklich nicht kurz fassen kann. Und ja, hauptsächlich gehe ich das musikalische Jahr für mich durch. Wie jedes Jahr. Stichtag ist wie immer der 13.12. Was nur bedeutet, dass ich die Platte spätestens dann gefunden haben muss.

Platz 18: Die Ärzte - Numus Cecidit: ein gutes Album? Definitiv nicht. Aber manchmal geht es mehr ums "Haben" als ums "Brauchen". Und wenn ich mir mehr als eine von diesem raren Vinyl gekauft hätte, hätte ich das Ticket refinanzieren können. Auf diesem Album werden jedenfalls Die Ärzte Songs im Ska und Rockabilly Gewand neu interpretiert. Man erkennt die Originale immer noch, stellt aber auch fest, dass die einfach besser sind. Aber dafür war es mal eine schöne Variante, um günstig an eine Die Ärzte Vinyl zu kommen, denn was die für die Reissues verlangen, ist wirklich nicht feierlich.

Platz 17: Edgar Wasser - WTF IRL: Bin ich zu kritisch mit dem besten schlechten Rapper, den wir haben? Also ja, auch nach 10 Jahren ist man sich immer noch nicht ganz sicher, ob er das bewusst macht, oder einfach nicht besser rappen kann. Auch wenn man definitiv zum "Er macht das schon bewusst" tendiert. Das größte Problem mit Edgar Wasser zeigt sich aber halt auch mit diesem Album: Er ist eigentlich nur ein genialer Feature Gast. Besser im Tandem mit Fatoni oder Juse Ju. Und ja, die Texte sind alle verdammt gut. Die Songs fühlen sich trotzdem mehr wie Skizzen an, die noch eine 2. oder dritte Strophe vertragen könnten. So ist der längste Song 2:34 lang. Und man knackt trotz 15 Songs nicht mal die 30 Minuten. Trotzdem hat er verdammt viele gute Ideen. Wie bei "Hotline" muss man oft 2 mal hinhören, um zu verstehen, was er eigentlich sagen wollte. Aber das ist definitiv Absicht.

Platz 16: Aekjubohra: Keine Passives Abseits Jahrescharts ohne Familienalbum. Also ja, ich besitze das Vinyl nur, weil ein anderer Cousin da mitspielt. Sonst wäre ich da nie drüber gestolpert. Und die Band ist so unbekannt, dass man nicht mal Youtube Videos verlinken kann. Und Spotify haben die auch nicht. Dann also Bandcamp. Offiziell machen die Jungs "Ackerpunk", wer also Bock auf harte Gitarren hat, ist hier richtig aufgehoben.

Platz 15: Kae Tempest - The Line Is A Curve: Kae Tempest macht anscheinend alles: Lyrik, Theater und Rap. Und das auch schon seit Ewigkeiten. Trotzdem hat Kae sich vor mir versteckt. Ein klarer Fall von "Zu viel Musik, zu wenig Zeit." The Line Is A Cuive ist das Album eines Menschen, der genau weiß, was sie mit der Sprache machen und wo sie hin will. Und nebenbei bringt mich das nonbinäre "they" in sprachliche Probleme. Aber genau darum geht es halt auch in dem Album. Ich bin lange noch nicht fertig mit dem Album und finde bei jedem Hören neue geile Stellen, aber als erstes hat mich More Pressure abgeholt.

Platz 14: Moorcheeba - The Blackest Blue: Bei denen hat sich genau genommen wenig getan, seit dem sie 2018 mit dem letzten Album auf Platz 13 gelandet sind. Was auch nicht weiter schlimm ist. Sky und Ross ziehen halt souverän ihr Ding durch. Sie haben nach wie vor ihren eigenen Sound und einen hohen Wiedererkennungswert. Der Unterschied zu 2018 ist, dass ich Oh Oh Yeah live sehen durfte.

Platz 13: Meskreem Mees - Julius: Um die Jahrescharts ad absurdum zu führen: Das Album ist genau genommen von 2021. Aber es kam immerhin erst im November raus, da kann man schon ein Weilchen brauchen, um es auch zu finden. Meskreem Mees beweist aber definitiv, dass guter Folk nicht von alten, weißen Amerikanern gemacht werden muss. Junge, in Addis Abeba geborene Belgierinnen können das auch. Das Album besteht im Wesentlichen aus Gitarre, Cello, Gesang und wahnsinnig guten Texten. Man braucht aber wirklich Zeit und Ruhe, um zu verstehen, was sie da alles textlich macht. Als Schlüsselstück verlinke ich hier "Where I'm from"

Platz 12: Umse - Séparée: Schön, dass so was mittlerweile geht. Also, dass man auch einfach jahrelang Deutschrap auf der Indieschiene machen kann und damit halbwegs erfolgreich seinen Lebenswandel gestalten kann. Umse ist mittlerweile 39, aber hat sich halt auch zu einem richtig guten Rapper entwickelt. Auf dem Album rappt er vielleicht ein bisschen zu viel darüber, dass es bei ihm jetzt läuft, aber das sei ihm gegönnt. 

Platz 11: Tuvaband - Growing Pains: Tuvaband besteht aus Tuva, einer norwegischen Sängerin und Simon Would, einem britischen Produzenten. Wie sich das für ordentliche Musiker gehört, trifft man sich in Berlin. Zusammen machen sie eher düstere Popmusik, wie sich das für Skandinavier halt gehört. Also außer man heißt Haedda Mae. Aber die macht nur EPs. Aber hier soll es ja auch um die Skandinavierin gehen, die auch skandinavisch klingt. Vielleicht ist Musik ja auch erst so düster, seit dem sie in einer kaputten Stadt lebt. Chancen stehen 50-50. Das Ergebnis der "Growing Pains" sind jedenfalls "Fully mature things".

Platz 10: Roger Rekkles - Melanin: Es ist schon faszinierend: Der Name ist mir seit 2001 ein Begriff, weil er als DJ von Raptile angefangen hat und halt auch immer im Main Concept Umfeld rum hing. Man lief sich halt immer wieder über den Weg. Aber erst 20 Jahre später habe ich dann wirklich auf ein Roger Rekkles Album gewartet. Allerdings hat dieses Album halt auch seine 20 Jahre gebraucht. Es klingt einerseits einfach sehr erwachsen. Anderseits packt er halt 20 Jahre Frust über Rassismus in dieses Werk. Wer damit ein Problem hat, sollte sich von diesem Album fern halten, denn es steckt praktisch in jedem Song. Was bei Rogers sonstiger Arbeit für wenig Überraschung sorgt. Bleibt zu hoffen, dass Roger irgendwann mal ein Album machen kann, in dem er über dieses Thema nicht mehr reden muss... Vielleicht, wenn er 80 ist. Das optimistischste Stück ist "Ich halt dich fest".

Platz 9: Muff Potter - Bei aller Liebe: Eigentlich soll man auf dem Reeperbahnfestival ja junge Bands kennenlernen. Muff Potter waren schon 2021 nicht mehr jung, schließlich haben die sich 2009 ertsmals aufgelöst, aber während der Pandemie muss man halt nehmen, was man kriegen kann. Und schon da blieb bei mir "Privat" als verdammt guter Song hängen. Als ich dann dieses Jahr auf einem Flughafen auf Die Ärzte gewartet habe, erkannte ich den auch sofort wieder, und habe mir dann direkt nach Release die mit "Tempelhof" signierte Vinyl gesichert. Die war dann mit mir in Trebbin, was der Platte noch mehr Charakter gibt. Das Album ist bei weitem nicht mehr so punkig, wie in den Jugendjahren, sondern verschiebt sich mehr in Richtung Hamburger Schule. Das würde ich als Laie zumindest behaupten, andere dürften mich dafür enterben. Der Nagel ist definitiv ein guter Texter, den man auch 2 Mal im Jahr live sehen kann.

Platz 8: Waving the Guns - Am Käfig rütteln: Manche Bands brauchen einfach länger, um wirklich gut zu werden. Oder es muss halt alles aussortiert werden, was einen zurückhält. Also ja, ich verstehe nicht ganz genau, warum "Fünf vor Fick", welches auch schon gut war, als "Milli Dance und U.N.O." veröffentlich wurde, man jetzt aber zu "Waving the Guns" zurückkehrt, obwohl mit Admiral Adonis und Doktor Damage 2 wesentliche Teile der Crew nicht mehr dabei sind. Dafür hat man jetzt DJ Joaf für die Cuts und das Liveprogramm ausgegraben, den ich noch von der Northside Tribe Vinyl kenne. Aber so richtig zur Band gehört er dann doch nicht. Es ist halt eigentlich ein Milli Dance Solo Album. Andererseits macht Waving the Guns halt doch genau das, was sie immer gemacht haben: antifaschistische Rapmusik. Und das mittlerweile auf wirklich gutem Niveau. Da reicht das Geld tatsächlich für einen Urlaub auf Gran Canaria.

Platz 7: Little Simz - Sometimes I might be introvert: Auch die hätte mir früher auffallen dürfen. Schließlich ist das hier schon ihr vorletztes Album, das aktuelle verdaue ich dann nächstes Jahr. Little Simz liefert den amtlichen Beweis, dass man gar nicht viel machen muss, um mich zu begeistern: Einfach nur gut zu rappen, reicht da völlig aus. Vernünftige Inhalte helfen ungemein. Beides liefert Little Simz souverän. Demonstrativ wird "I love you, I hate you" verlinkt.

Platz 6: Tocotronic - Nie wieder Krieg: Ach Tocotronic, was soll ich mit dir nur anstellen. Irgendwie schreibt ihr zwischendurch geniale Lieder, aber dann auch immer wieder einen Haufen Musik, mit dem mich nichts anfangen kann. Nirgends zeigt sich das so deutlich, wie auf diesem Album, welches mit "Nie wieder Krieg" und "Jugend ohne Gott gegen Faschismus" echte Höhepunkte des Musikjahres beinhaltet. Aber drumherum sind auch verdammt viele Songs wie "Sirius" von der Bonus Vinyl, die ich einfach nicht brauche. Es bleibt also alles wie immer.

Platz 5: Ätna - Push Life: Ich habe ja eine ganze Weile gebraucht, um die beiden zu mögen. Also das Debütalbum "Made by Desire" war einfach nicht so mein Ding. Aber dann haben sie das beste Konzert gespielt, welches ich während der Pandemie sehen durfte. Was natürlich auch nur bedeutet: das beste Konzert unter den beschissenen Umständen. Aber Ätna mit der NDR Bigband in der Elbphilharmonie war schon richtig fett. Also das drittbeste Elbphilharmonie, dass ich je sehen durfte. Ätna ist grob vereinfacht gesagt Die Antwoord in kreativ. Die Ähnlichkeiten dürften sich aber hauptsächlich in Inez Gesang wiederfinden. Denn Ätna macht halt eher verspielten Electro mit ganz vielen Effekten auf der Stimme. Ich verlinke demostrativ "Smile".

Platz 4: Neonschwarz - Morgengrauen: Beim ersten Hören dachte ich mir: Ist halt nen Neonschwarz Album. Also links-grün-versiffter Gutmenschen Hip Hop. Schön, dass es das gibt, aber es ist auch keine wirkliche Weiterentwicklung. Aber wahrscheinlich hat der Fakt, dass ich "Alles groß" 2-mal live sehen durfte, dass ich dieses Album weit nach oben geschoben habe. Was jetzt aber nicht bedeutet, dass ich auf ein Marie Currie Soloalbum warte. Neonschwarz ist als Band besser als ihre Einzelteile. Und nebenbei eine der wenigen Bands, bei der DJ Spion Y ein fester Bestandteil der Musik ist und nicht nur Live die Platten auflegt. Warum gibt es das eigentlich so selten? Also gerade, wo Blumentopf, die Beginner und Eins Zwo doch legendäre Crews waren oder sind. Trotzdem stellen sich die Rapper lieber als Egoisten da. Oh und ja, "Einzelfall" kommt mit Lina-Referenz. Und "In der Freiheit spielen nur noch Nena und der Wendler" dürfte eine der besten Pandemie-Zeilen sein, die niemand gebraucht hat.

Platz 3: Fiva - So viel Meer: Ach ja, Fiva. Trotz all der neuen und jüngeren Konkurrenz bleibt Fiva für mich die beste Rapperin des Landes. Deswegen habe ich mir die Vinyl auch schon signieren lassen, bevor man sie offiziell bestellen konnte. Fivas Musik begleitet mich halt seit über 20 Jahren. Sie war eine derjenigen, die mich durch die "dunklen Jahre" um 2003 gebracht hat, als alles Aggro war und verdammt viele gute Rapper einfach geschwiegen haben. Mittlerweile ist die Szene ja so groß gewordenm dass das alles parallel nebeneinander existieren kann. Auch mit 44 Jahren hat sie auf der Bühne noch dasselbe Lächeln, dass sie 2006 schon aufgelegt hat. Fiva ist sprachlich einfach brillant. Und wenn ich das Album schon komplett entschlüsselt hätte, würde es vielleicht noch weiter oben stehen. Aber der Titeltrack ist absolut überragend. Und normalerweise brauche ich mehr als 20 Tage um Songs in dieser Kategorie einzuordnen. Also zur Einordnung: Ich habe 13 Jahre gebraucht, um Goldfisch in diese 5 Sterne Kategorie zu heben.

Platz 2: Mono und Nikitaman - Autonome Zone: Ich bin ein wenig verwirrt, dass dieses Album erst dieses Jahr rausgekommen ist. Verdammt viele Songs des Albums waren halt schon vorher im Umflauf. Zumindest wenn man ein richtiger Groupie ist. Und das bin ich definitiv, seit dem ich die beiden 2004 das erste Mal live gesehen haben. Das muss man an der Stelle dringend dazu erwähnen: Mono und Nikitaman muss man in einem kleinen Club live gesehen haben. Die haben auf der Bühne eine unfassbare und ansteckende Energie. Mit "Freier Fall" arbeiter Nick dann nach Jahren seine eigene Jugend auf. Man merkt dem Lied an, dass es 20 Jahre gedauert hat, bis er ihn so schreiben konnte. "Wenn man tanzt" traf mitten in der Pandemie, während man auf Konzerten und auch sonst einfach nicht tanzen durfte, mitten ins Herz. "Geboren um frei zu sein" schlägt den Bogen von unseren europäischen Umgang mit den Flüchtlingskrisen zu Adorno. Und das sind nur die Höhepunkte, auch der Rest ist wirklich großartig. Also zumindest, wenn man auf derartige Musik steht. Nikitaman ist nebenbei auch einfach ein überragender Texter, der immer wieder komplexe Sätze wie selbstverständlich auf den Takt bringt.

Platz 1: Beyoncé Knowles - Act I: Renaissance: Zur allgemeinen Überraschung... steht die Königin auf Platz 1. Wer hätte das gedacht. Wobei ich zugeben muss: Nach dem ersten Hören dachte ich: Ich vermisse die wütende Beyoncé. Aber spätestens, als ich im Booklet gelesen habe, dass dies Teil I von III sein soll, dachte ich mir: Das hat sie sich für den 2. Teil aufgespart, jetzt ist halt erstmal Zeit für eine Party. Meine persönliche Entstehungstheorie: Beyoncé hat in den letzten 2 Jahren festgestellt, dass die DJs in den Clubs immernoch "Crazy in Love" und "Single Ladies" auflegen und dass sie da mal dringend ein Update rausschicken muss: Ein Album, dass komplett auf den Dancefloor will. Das aber auch einfach auf einem anderen Level ist, als Single Ladies. Also es passiert auf "Break my Soul" musikalisch so unfassbar viel und es werden ständig neue Elemente eingeführt... weshalb die DJs doch lieber den sicheren alten Scheiß auflegen. Das ganze Album hat eine unfassbare Energie. Die erste Pause zum Luft holen gönnt es sich ganz kurz im Intro von "Church Girl" und das ist der 7. Song. Dazu kommt, dass das Album mit seinen nahtlosen Übergängen nebenbei auch so angelegt ist, dass man es eigentlich am Stück hören muss. Und nebenbei packt sie auch noch ein paar fiese Zeilen in die Tanzexzesse, wie das "May I suggest, you don't fuck with my Sis." Die einzige Schwachstelle könnte darin liegen, dass die Homage an ihren Göttergatten mit 2 Songs und 10 Minuten etwas zu lang geworden ist.
Lasst uns mal an der Stelle über das "Spaz out" reden. Also die Zeile, die sie ja leider geändert hat. Denn gerade Heated fasst die Energie des Albums am besten zusammen. Das Outro, in der die entsprechende, Zeile mit den behindertenfeindlichen Fluch drauf ist, klingt halt, als würde Beyoncé einfach in der Gesangskabine stehen und spontan freidrehen. Das klingt auch komplett improvisiert und am Ende hört man sie einfach nur dreckig Lachen. Man kann die Freude der Aufnahme förmlich raushören.
Hey, vielleicht bekommt sie ja sogar ihren Grammy für "Best Album", der ihr immernoch fehlt.

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Die Premiere League wird so bluten.

 Also ihre Stars, wenn sie in der entscheidenden Saisonphase auf dem Zahnfleisch gehen. Falls sie es nicht eh schon tun.

Aber ja, in England ging der Vereinsfußball natürlich als Erstes wieder los. Mit einem der Pokalwettbewerbe, bei dem erstmal nur all die Spieler, die im Viertelfinale oder früher ausgeschieden sind, auflaufen durften. Aber dann musste auch der Boxing Day gespielt werden, weil das halt Tradition ist. 

Das bedeutet auch nur: 2 Tage nach dem WM-Finale drehte sich das große Rad schon weiter. Also um das mal anders zu verdeutlichen: Noch bevor die offiziellen Feierlichkeiten in Argentinien abgebrochen wurden, spielt Leicester City schon wieder gegen die Milton Keynes Dons. Bevor der erste Argentinier wieder nüchtern war, war das Achtelfinale komplett durch.

Währenddessen hat die Bundesliga noch bis 20.01.2023 Pause. Das sind angemessene 30 Tage. Da kann man dann all die kleinen Wehwehchen wirklich auskurieren und im Urlaub... Ski fahren, wenn man das dann will. Ok, vielleicht sollte man einfach nur an einen Strand fliegen. Aber jeder, wie er mag.

Nun gönnt sich keiner eine derart lange Pause, wie die Bundesliga. Die gingen offensichtlich als einzige davon aus, dass ihre Nationalmannschaft bei dem Turnier weit kommt. Da kann man ja mal daneben liegen. Nebenbei fängt die Bundesliga direkt mit einer englischen Woche an. Ob das so sinnvoll ist, sei mal dahin gestellt. Es ist aber, wenn ich das richtig überblicke, die einzige englische Woche für die Vereine, die nur noch in einem Wettbewerb vertreten sind.

In England kommt halt erschwerend hinzu, dass das halt die beste und tiefste Liga der Welt ist. Das kann im Jahr 2022 ja keiner mehr infrage stellen. Wenn Kylian Mbappé feststellt, dass seine "Ich spiele einfach durch" Einstellung zu Problemen führt, dann tritt er in der einheimischen Liga halt ein wenig kürzer und wird trotzdem Meister. In England kann man sich diesen Luxus nicht leisten, weil jeder leichtsinnige Punktverlust den Titel kosten kann. Und weil die Konkurrenz auch einfach wesentlich stärker ist.

Es wird halt echt spannend, wenn es dann ins Viertelfinale der Champions League geht. Also in die Runde, bei der die Bundesliga zuguckt. Wahrscheinlich. Wobei man an der Stelle festhalten muss: mit ausgeruhten Beinen, einem Thomas Müller auf der Bank und Manuel Neuer im Tor hat man wahrscheinlich sogar eine Chance gegen müde Stars aus Paris. Nur ist eine dieser 3 Voraussetzungen ausgeschlossen und die andere zumindest fragwürdig. Und einen richtig guten Mittelstürmer hat man dann immer noch nicht. Dennoch könnte die Urlaubsverletzung von Neuer den Bayern richtig teuer zu stehen kommen. Denn der Rahmenterminkalender spricht schon für die Bayern.


Wobei ja an der Stelle die Frage aufkommt, ob die Stars erst bluten werden, oder ob sie nicht schon längst kaputt gespielt sind. Denn welcher Premiere League Star hatte denn wirklich eine gute WM? Hakim Ziyech muss da definitiv genannt werden. Das Problem daran: Der hat bei der WM mehr gespielt als in der Premiere League. Der war nach seinen 5 Liga-Einsätzen und insgesamt 270 Minuten Spielzeit mehr als ausgeruht. Hatte aber diese Minutenzahl bereits im Achtelfinale übertroffen. Julian Alvarez darf das Halbfinale seinen internationalen Durchbruch nennen, er ist bei Manchester City Julian Alvarez darf das Halbfinale seinen internationalen Durchbruch nennen, er ist bei Manchester City, aber auch nur Ergänzungsspieler oder Azubi. Im WM Finale spielten dann noch Alexis MacAllistar von Brighton Hove & Albion, den vorher niemand kannte. Und Christian Romero von Tottenham Hotspurs. Interessanterweise hat sich Romeros Körper seine Auszeit vor der WM genommen, sein letzter Einsatz im Vereinstrikot war am 19.10., danach hatte er eine nicht näher definierte "Oberschenkelverletzung". Dazu beide Torhüter, aber das ist ja auch die Position, die die Dauerbelastung am einfachsten wegstecken kann. 

Bei allem Respekt vor diesen Spielern: Das sind, abgesehen von Hugo Lloris, alles Leute, die nicht aus der obersten Kategorie kommen. Zumindest waren sie da vor der WM nicht angesiedelt. Der "teuerste" ist halt Romero mit einem für die Premerie League günstigen Marktwert von 55 Millionen.

Die ganz großen Namen wie, demonstrativ, Kevin de Bruyne waren bei der WM aber praktisch unsichtbar. Also wenn man jetzt rein nach den Marktwerten von Transfermarkt.de geht, war die Top 20 der Liga nach dem Viertelfinale im Urlaub. Spätestens. Mo Salah, Luiz Diaz und Erlin Haaland blieben ganz zu Hause, wofür sie aber natürlich nur bedingt was können. Kai Havertz, Kevin de Bruyne und Darwin Nunez scheiterten in der Vorrunde. Alle 3 hätten daran definitiv etwas ändern können, wenn sie besser gespielt hätten. Rodri scheiterte im Kollektiv an Marroko im Achtelfinale. 

Portugal hat mit Ruben Dias, Bernado Silva, Bruno Fernandes und Joao Cancelo 4 Spieler unter den Top 20. Und einen gewissen Cristiano Ronaldo, der jahrelang ganz oben auf dieser Liste stand oder gestanden hätte. Trotzdem waren sie auch nicht gut genug, um Marokko rauszukegeln. Der Rest teilt sich auf England und Brasilien auf, die jeweils im Elfmeter schießen scheiterten. England schaffte dies sogar ohne Verlängerung.

Das hätten eigentlich alles die Spieler sein sollen, die diese WM prägen. Außer eventuell Saka, schaffte dies aber keiner. Da könnte man schon ein strukturelles Problem sehen. Oder man redet von 19 bedauerlichen Einzelfällen.

Wirklich spannend sind ja die auf Transfermarkt.de nicht näher definierte "Oberschenkelverletzung" von Romero. Und die Adduktorenbeschwerden, die er vorher hatte. Wie viele dieser "mein Körper braucht halt mal eine Pause" Verletzung werden wir in der Rückrunde zur Kenntnis nehmen müssen? Wie viele der völlig überspielten Stars werden entweder verletzt auf der Tribüne sitzen, oder irgendwie fit gespritzt werden und deutlich unter ihrem Niveau spielen? Welchen Einfluss nimmt das auf die Champions League? Oder mache ich mir da viel zu viele Gedanken?

Ich würde spätestens im Halbfinale gegen alle englischen Teams wetten.

Freitag, 23. Dezember 2022

Ist Hitzfeld heimlich ein Agent der Schweizer?

 Das würde einiges erklären. Also zumindest eine Sache.

Denn während gerade in England der ultimative Cup der Versager mit allen Spielern, die bei der WM spätestens im Viertelfinale ausgeschieden sind, ausgetragen wird, geht in Deutschland ja eine Expertenmeinung durch die sozialen Medien: "Für mich ist Müller einer der wichtigsten Spieler im deutschen Fußball zurzeit."

Das kann man so halt nur sagen, wenn man für die Schweiz agitiert und deren Nationalmannschaft möglichst weit kommen soll. Anders ist das nicht zu erklären.

Hitzlfeld kommt natürlich sofort mit dem "Mentalität" Klassiker. Was er aber dabei vollkommen ignoriert: Thomas Müller war bei den letzten 3 Turnieren, als alle hinterher über die mangelnde Einstellung gejammert haben, Stammspieler. Er war 2018 schlechter als Mesut Özil. Özil ist im Defensivverhalten wenigstens hinterhergegangen und legt Matts Hummels den perfekten Ball zum Führungstreffer gegen Südkorea auf den Kopf. Dafür, dass Hummels den drüber köpft, kann Özil einfach nichts. Oh und direkt vorher legt er Timo Werner einen auf.
2021 war Müller schlechter als Toni Kroos, aber der wurde als "Querpasstoni" zum Sündenbock auserkoren. Und 2022 war er einfach nur der schlechteste deutsche Spieler auf dem Platz. Abgesehen vom Anlaufen war er komplett nutzlos.

Kein anderer Feldspieler hat so viel mit den 3 Scheiß-Turnieren zu tun, wie Müller. Anscheinend bekommt er diese Mentalität mit dem Adler auf der Brust nicht auf den Platz. 

Aber Hitzfeld sagt danach noch 2 sinnvollere Sätze: "Aber er darf nicht Mittelstürmer spielen, ganz vorne ist nicht seine Position. Am stärksten ist Thomas, wenn er einen Mann vor sich hat." Genau das ist doch aber Teil des Problems. Also wenn Müller Mittelstürmer spielen könnte, wäre der definitiv gesetzt. Aber auf der Position, die er einnehmen soll, ist er weit weg davon, der beste Deutsche zu sein. Meilenweit. 

Also lasst uns das mal konkret machen: Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kai Havertz sind in der Rolle hinter der Spitze allesamt besser als Müller. İlkay Gündoğan ist es auch. Obwohl da ja auch noch unklar ist, ob der weitermachen will. Da agitiert nur niemand dafür, der muss das mit sich selber ausmachen. Aber jede Kaderliste sollte mit den ersten 3 Namen anfangen. Dazu noch Youssoufa Moukoko. Die wirklich entscheidende Frage ist: Schafft Hansi Flick es, dass diese 4 Spieler sich bis zur EM finden und dort dann wissen, wie der andere auf dem Platz tickt. Er muss herausfinden, wie man die 4 am effektivsten zusammenwürfelt. Wer von denen muss in die Spitze, wer auf die Außen und wie rotiert man im Spiel. Jedes Testspiel sollte genau dafür genutzt werden. Jede Theoriedebatte sollte genau darum gehen. Und wenn man überhaupt nach Alternativen sucht, dann heißen die Gnabry und Sané. Die beiden sehe ich aber spätestens 2024 eine Stufe unter den 4 Megatalenten. Und ja, bei all dem Geheule über den fehlenden Mittelstürmer ignoriert man vollkommen, dass man 4 absolute Diamanten zur Verfügung hat, die definitiv genügend Potenzial haben, um Weltmeister zu werden.

Niclas Füllkrug oder Lukas Nmecha kann man natürlich als Joker mitnehmen. Und auch das kann man die 1 1/2 Jahre mal planen und durchspielen. Aber Priorität eins sollten diese 4 Spieler sein. Wenn die dann mal ein Spiel schlecht sind, verbannt man sie nicht direkt auf die Bank, wie es mit Havertz gerade permanent passiert. Ernsthaft, der hat halt so gar keine Lobby, weil er ins Ausland gegangen ist und sich dort durchgesetzt hat.

Wenn man das nebenbei genau so kommunizieren würde, dürfte Flick die eine oder andere holprige Leistung sogar verziehen werden. Schließlich ist Havertz mit 23 Jahren der Veteran dieser Offensivabteilung. Anderseits... hat Havertz jetzt schon mehr EM Tore erzielt, als Müller in seiner gesamten Karriere.

Gerade wegen der Jugend kann man doch für Müller argumentieren. Ich bin ja kein reiner Hater. Aber wenn von Anfang an klar ist, dass Müller als Mentor und Führungsspieler in der Kabine mitkommt. Als der eine im Kader, der noch weiß, wie es ist, wenn man ein gutes Turnier spielt. Als jemand, der aber auch gegenlenken kann, wenn die alten Verhaltensweisen, die zu 3 verkackten Turnieren in Folge geführt haben, wieder durchbrechen. Aber vorher muss allen klar sein, dass er die EM auf der Bank beginnen wird. Und da wahrscheinlich auch die meiste Zeit sitzen wird.

Wenn Müller mittlerweile so weit ist, diese Rolle anzunehmen, was er bisher immer verweigert hat, dann kann er Deutschland helfen. Wenn irgendjemanden auffällt, dass Musiala, Gnabry, Sané und Kingsley Coman jetzt schon besser sind als er, dann kann er diese Rolle auch 1 1/2 Jahre lang einstudieren. Denn ganz sachlich muss sich Müller erstmal voll darauf konzentrieren, dass er seinen Stammplatz beim Rekordmeister nicht verliert.

Aber es gibt ja durchaus auch Geschichten von Veteranen, die diese Rolle angenommen haben. Oliver Kahn im Jahr 2006 ist das offensichtlichste Beispiel: Da hat niemand erwartet, dass er als Nummer 2 zur WM fahren würde, aber er hat es nicht nur gemacht, sondern die Rolle auch zu 100 % angenommen. Und dadurch das Bild von ihm deutlich zum besseren gewandelt. Dani Alves hat sich gerade in dieser Rolle bei den Brasilianern ausprobiert. So was kann man, gerade bei der Aufstockung der Kader, durchaus mal machen. Das ist auch sinnvoll. Aber nur, wenn alle vorher wissen, wie der Plan lautet.

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Was wird die Task Force am Ende rausfinden?

 Das ist doch die wichtigste Frage:


Woran hat es gelegen?

Und klar, die offensichtlichen Antworten wie "Wir haben halt keinen guten Trainer" und "Uns fehlt der Mittelstürmer" liegen auf dem Tisch. Also zumindest eine der beiden, die andere wird ja noch ignoriert. Aber dafür braucht man ja keine Task Force, das kriegt ja jeder Blogger raus.

Vor allem hatten wir schon immer richtig schlechte Trainer und waren trotzdem erfolgreich. Und nur mit dem fehlenden Mittelstürmer kann man ja kein Vorrundenaus erklären. Man muss sich also wirklich fragen, was 2014 noch anders war.

Die Antworten sind einfach, aber unbequem. Erstens: Damals gab es noch Raportagen. Von 2006 bis 2014 kommentierte der Blumentopf wortgewannt und gekonnt die Deutschen Spiele. In Reimform. Am Ende oft kurz nach dem Abpfiff. 2016 war man noch halbwegs erfolgreich, aber spielte auch nicht wirklich überzeugend. Alles nach dem logischen Motto: Wenn hinterher keiner darüber rappt, muss ich mir auch keine Mühe geben. Vor allem löste sich diese großartige Band 2016 komplett auf. Seit dem geht halt nix mehr. Also auf Nationalmannschaftsebene zumindest Roger hat noch ein geiles Album gemacht. Der logische erste Schritt ist also: Die Task Force muss Blumentopf aus dem Ruhestand zurückholen. Man kann ja für die EM den Zustand "Nur die Band, keine Raportagen" verwenden, und wenn das auch nicht reicht, müssen die halt zurück zur Sportschau.

Noch viel wichtiger fürs ganze Land ist aber folgender Fakt: Als wir 2014 Weltmeister wurden, hatten wir noch keine Nazis im Bundestag. Die AfD scheiterte 2013 gerade so mit 4,7 % der Stimmen. Ok, das funktioniert so richtig nur, wenn man ignoriert, dass es auch in der CDU/CSU Nazis wie Erika Steinbach gab. Aber so ein richtig großes Sammelbecken für Nazis im Bundestag gab es halt noch nicht. Mittlerweile hat man ja den Vorteil, dass die CDU Nazis zur AfD übergetreten sind, man könnte also richtig ausmisten. Aber in der Partei geht es ja immer weiter nach rechts. Also so weit, dass es sogar dem Verfassungsschutz auffällt. Oder sind die immer noch nicht rechts genug, um vom Verfassungsschutz ignoriert zu werden? Dieser Zustand ist bestimmt nicht mehr weit weg, man muss sich also schnell drum kümmern.

Schritt 2 lautet also: Die AfD aus dem Bundestag kicken. Wenn das passiert und der Topf zurückkehrt, werden wir 2026 Weltmeister. Garantiert. Und ich würde mich definitiv darüber freuen. Also Kalle und Rudi: Fangt an mit der Arbeit, ihr habt viel zu tun.

Dienstag, 20. Dezember 2022

Warum war dies das beste WM Finale aller Zeiten

 Also dass es das war, steht ja allgemein fest. Und ja, es ist extrem zynisch, dass die korrupteste WM aller Zeiten das beste Finale bekommt. Aber das könnt ihr ja überall sonst lesen. Ich versuche ja einen Blickwinkel aufzumachen, der zumindest mir nicht so über den Weg läuft.

Die meisten konzentrieren sich ja rein auf das Lionel Messi vs Kylian Mbappé Narrativ. Und dass 2 wunderschöne Tore heraus gespielt wurden. Das ist auch nicht gänzlich verkehrt. Dass 2 absolute Weltstars in einem Finale so abliefern, ist außergewöhnlich. Aber das ist nur die oberflächliche Betrachtung.

Fangen wir mal mit Mbappé an. Aber vernünftig. Es wird ja immer behauptet, dass der noch nicht auf einer Stufe mit Messi oder Cristiano Ronaldo ist, obwohl er sich im Verein so benimmt, als wäre er dies schon. Aber die nüchterne Wahrheit lautet: Zumindest in der Nationalmannschaft hat er sie schon überholt. Und die Champions League Titel werden schon noch kommen.

Denn Mbappé ist einer von 3 Spielern, die in 2 Endspielen getroffen haben. Die anderen sind Paul Breitner (ja, in Deutschland regelt das ein Verteidiger) und Pele. Er steht bei quasi uneinholbaren 4 Finaltoren. Und er wird heute erst 24. Was uns wirklich Angst machen sollte: Mbappé könnte noch 2 weitere WM-Finale erreichen.

Nebenbei ist er insgesamt bei 12 WM Toren nach 2 Turnieren. Oder anders ausgedrückt: Miroslav Klose kann sich innerlich schon mal von seinem Rekord verabschieden. Mbappé dürfte diesen Rekord von 16 Toren pulverisieren, selbst wenn Frankreich 2 mal unglücklich im Viertelfinale ausscheidet. Und hey, vielleicht hat er sogar noch Bock auf ein 5. WM Turnier mit 35 Jahren.

Er ist nebenbei auch der 2. Spieler, der in einem WM-Finale einen Hattrick erzielt. Der letzte war Geoff Hurst im Jahr 1966. Damit hat er auch einen weiteren Rekord, auf den er wahrscheinlich verzichten könnte: Er ist der einzige Spieler, der im WM Finale einen Hattrick erzielt und das Spiel danach verliert. Und das wird er auch ewig bleiben.

Also um damit mal das nächste Level an Perspektive zu geben: Der letzte Spieler, der in einem K.O. Spiel 3 Tore erzielte und trotzdem verlor, war Igor Belanov. Wenn euch der Name nichts sagt, liegt das daran, dass es 1986 war. Da war noch die UdSSR und nicht der Russe das personifizierte Böse. Ein weitere Spieler, der trotz Dreierpack (es war damals sogar ein Viererpack) nicht gewann, war Ernst Willimowski. Das war 1938. Das war der Adolf noch nicht das personifizierte Böse. Dies ist der historische Kontext, in dem wir uns bewegen. Dazwischen "schaffte" es noch Josef Hügi 1954. Abgesehen von Belanov kommen diese Spiele aber aus der fußballerischen Steinzeit.

Um das mal zu verdeutlichen kommt hier jetzt eine kurze Auflistung aller Spiele, in denen eine Mannschaft trotz 3 erzielter Treffer nicht gewinnen konnte:

Senegal - Uruguay 3:3 im Jahr 2002.
UdSSR - Belgien 3:4 n.V. 86.
Deutschland - Frankreich 3:3 n.V. 82.
Italien - Deutschland 4:3 n.V. 70.
Portugal - Nordkora 5:3 66.
UdSSR - Kolumbien 4:4 62.
Frankreich - Deutschland 6:3.
Paraguay - Jugoslawien 3:3
Frankreich - Paraguay 7:3 jeweils 58.
Österreich - Schweiz 7:5
Ungarn - Deutschland 8:3 jeweils 54.
Kuba - Rumänien 3:3
Brasilien - Polen 6:5 n.V. jeweils am 5.6.1938.
Argentinien - Mexiko 6:3 30.

Wenn ich nichts übersehen habe, war es das. Da fällt einem sofort auf: Je moderner der Fußball wird, um so seltener wird ein derart absurder Spielverlauf. Mittlerweile muss man 20 Jahre darauf warten. Und 1958 muss ein völlig verrücktes Turnier gewesen sein. Und im Großen und Ganzen sind das 14 von 962 WM Spielen. Ja, ich fahre gerade Bahn. Aber das heißt, es passiert alle 64 Spiele ein Mal. Mit fallender Tendenz.

Vor allem fällt auf: Obwohl dies bereits 2 Mal in einem Halbfinale passierte, weil Deutschland unter anderem extrem gut darin war ein müdes 1:1 nach 90 Minuten in ein begeisterndes 3:3 nach 110 Minuten zu verwandeln. Aber so ein Finale gab es halt noch nie.

Denn Finale sind halt meistens doch eher müde oder einseitige Angelegenheiten. Der Druck ist so hoch, dass kaum jemand wirklich ins Risiko gehen will. Und ein Rückstand ist meistens so demoralisierend, dass man nicht zurückkommen kann. Also zumindest nicht von einem 2-Tore-Rückstand. Das letzte Mal schaffte dies Deutschland. Natürlich, die Mentalitätsmonster. Das war aber 1958. Frankreich holte diesen Rückstand als dramatischen Bonus in den letzten 10 Minuten auf. Ich mache mir jetzt nicht die Mühe und finde heraus, wie oft ein 2:0 Vorsprung in den letzten 10 Minuten verspielt wurde. Vor allem, weil Argentinien ja im Halbfinale dasselbe Prinzip durchgezogen hat.

Aber selbst das ist rein statistisch noch nicht alles, denn es gab ja eine Verlängerung. Und normalerweise hoffen beide Mannschaften dann nur, dass kein Scheiß passiert und man irgendwie das Elfmeterschießen erreicht. Bloß keine Fehler machen. Und wer das erste Tor schießt, gewinnt. Glaubt ihr mir nicht? Nun ja: Dies war das erste WM-Finale, in dem beide Mannschaften in der Verlängerung getroffen haben. Dieses "Du steckst den Nackenschlag weg und kommst zurück" hat es einfach noch nie gegeben.

Aber auch das war ja nicht das letzte Highlight. Denn beide Mannschaften versuchten ja alles, um die Lotterie zu vermeiden. Wie selten sehen wir so was? Also ganz konkret hatten die eingewechselten Randal Kolo Muani und Laurato Martinez in der 123. Minute den Siegtreffer auf dem Fuß oder Kopf. Beide Mannschaften hätten in allerletzter Minute den Siegtreffer erzielen können oder müssen. Normalerweise wird nach 121 Minuten abgepfiffen, deswegen behaupte ich jetzt, dass auch das noch nie so passiert ist. Und danach hatte Mbappé eine weitere, nicht ganz so klare Abschlusssituation, die der eigentlich nur fürs Elfmeterschießen eingewechselte Paolo Dybala endgültig klären konnte.

Und ja, der einzige Wermutstropfen ist, dass beide Trainer am Ende noch Spieler für die Lotterie eingewechselt haben. Gerade Lionel Scaloni hätte Dybala früher in die ursprünglich von Angel di Maria ausgefüllte Rolle bringen können, denn die Schwachstelle der Franzosen waren ja die Außenverteidiger. Zumindest so lange, bis Scaloni mit Marcos Acuna den zweiten Linksverteidiger einwechselte. Bei 2:0 Führung ist das nachvollziehbar, aber wenn man diesen Vorsprung verspielt hat, könnte man doch zu dem System zurückkehren, welches einen nach vorne gebracht hat.

Aber beide Trainer haben in der Summe 13 ihrer insgesamt 15 Wechsel genutzt, um auf das Spielgeschehen Einfluss zu nehmen. 15 Wechsel sind ganz nebenbei ein weiterer WM-Rekord. Nur so nebenbei. Am Ende bleibt: Wir werden nie wieder ein derart herausragendes Finale sehen.

Montag, 19. Dezember 2022

Wir brauchen eine TASK FORCE!

 Back by unpopular demand. Und ich dachte, nachdem Oliver Bierhoff weg ist, lassen wir diesen Blödsinn mit den Anglizismen.

Und ja, dass wir gestern das beste WM-Finale aller Zeiten gesehen oder verpasst haben, könnt ihr überall lesen. Auch wenn ich zugeben muss: Dass beide Mannschaften in der 123. Minute den Siegtreffer erzielen müssen, war schon grandios. Aber egal, zurück zur Task Force:

Denn die Lage ist so schlimm, dass wir dringend mal was ändern müssen. Das ist auch durchaus vernünftig: Wenn man keinen Stein auf dem anderen lassen will, kann Input von Außen nicht schaden. Matthias Sammer überhaupt zu vergraulen, war vielleicht der entscheidende Fehler von Jogi Löw. Oder dass der DFB Löw ein Umfeld aus persönlich Vertrauten aufbauen ließ und alle kritischen Meinungen vom Hof gejagt worden sind. 

Aber dieses Komitee hat halt ein entscheidendes Problem: Es besteht nur aus Alten Weißen Männern. Oliver Mintzlaff ist der einzige U50er. Dafür werden Karl-Heinz Rummenigge und Rudi Völler wieder ausgegraben. Das sind Leute, die in den letzten Jahren quasi nur emotionalen Blödsinn gelabert haben. Einer der beiden hat aktiv daran gearbeitet, dass die WM in Katar stattfinden konnte. Und die sollen jetzt die neuen, fortschrittlichen Ideen in den DFB bringen? Hatte Ottmar Hitzfeld keine Zeit?

Dazu kommt noch Hans Joachin Watzke, der, laut Wikipedia, damals den Slogan "Die Mannschaft" forcierte. Ich dachte, wir wollen weg davon...

Nur um das mal kurz festzuhalten: Die werden am Ende herausfinden, dass wir zu wenig Mittelstürmer haben. Das wird ihnen der CIA verraten.  Die finden alles raus. Aber wisst ihr, wer dafür hauptsächlich verantwortlich sein könnte? Vielleicht die beiden besten Deutschen Vereine, die auch die besten Jugendspieler ausbilden sollten? Watzkes Vorschlag lautet dann doch: Scoutet doch einfach Erling Haaland und kauft den. Also kauft den so früh, dass wir den einbürgern können. Ist doch nicht so schwierig.

Die sollen jetzt auf nationaler Ebene das Problem lösen, dass sie im Verein seit Jahrzehnten nicht gelöst haben. Oder dass sie gar nicht erst angegangen sind, denn der letzte deutsche Mittelstürmer dieser Vereine war Sandro Wagner. Und als Stammspieler war es Mario Gomez. Das war in der Saison 12/13. Bei Dortmund hatte in derselben Saison Julian Schieber in 35 Startelfeinsätze, ich schätze mal, den muss man dann zählen. Auch wenn er hauptsächlich auf den Außen gespielt hat. Seitdem haben die nebenbei Marvin Ducksch und Steffen Tigges vom Hof gejagt, weil die halt einfach nicht gut genug darin sind, Mittelstürmer auszubilden. Bayern hat Joshua Zirkzee aus dem Fokus der Medien genommen. Ernsthaft: Wo spielt der eigentlich gerade, sollte der nicht der nächste große Stürmer werden?

Das Problem haben sie nicht alleine, aber sie stehen symbolisch dafür. Und sie hätten genügend Mittel gehabt, das auf Vereinsebene zu lösen. Aber sie haben halt lieber einen Eric-Maxim Choupo Moting oder einen Adrian Ramos als Ergänzungsstürmer zu verpflichten, anstatt diesen Stürmer selber auszubilden. Das sind doch genau die Experten, die wir jetzt brauchen.

Dabei gäbe es doch durchaus jüngere und fähige Köpfe. Also wir haben doch die 2014er-Weltmeistergeneration, die mittlerweile fast vollständig im Ruhestand sind. Also außer Thomas Müller und Manuel Neuer. Gut, Mesut Özil wird nicht ans Telefon gehen. Aber Per Mertesacker ist der neue Chef der Arsenal-Akademie. Also der hat in den letzten 5 Jahren genau das gemacht, was wir jetzt dringend brauchen: Das System vor Ort umgekrempelt und erneuert. Philipp Lahm hat uns doch die EM in 2 Jahren besorgt, da dürfte es ihm auch am Herzen liegen, dass die Nationalmannschaft da auch ein bisschen mehr reißt. Und der sieht immer noch aus, wie ein Grundschüler, das ist doch genau der Mann für frischen Wind. Bastian Schweinsteiger wirkt auf einmal auch halbwegs kompetent, wenn Esther Sedlaczek dem das Mikro hinhält. Obwohl das eher darauf hindeuten dürfte, wie gut die Sedlaczek ist.

Mindestens einen von denen muss man bei so einer Task Force ins Boot holen. Stattdessen kommt Rudi Völler. Der hat nebenbei mit seinem Verkacken als Bundestrainer und dem Vorrundenaus bei der EM 2004 die letzte Task Force ausgelöst. Also der weiß immerhin, was man machen muss, damit so was passiert. Und er war auch schon Teil der 2000er Task Force. Er hat also wie Rummenigge auch Erfahrung mit dem, was so ein Ding so macht.

Nebenbei wollte ich mal erwähnen, dass wir gerade die rare Situation haben, dass ein herausragender deutscher Trainer arbeitslos ist: Thomas Tuchel wäre zu haben. Ein jüngerer und mutigerer Arbeitskreis würde sich vielleicht mal mit der Idee beschäftigen, einen Trainer, der jahrelang gute Arbeit geleistet hat, zu holen. Der auch einfach mal ein Upgrade zu Hansi Flick darstellen würde. Der aber halt keinerlei DFB Vergangenheit hat. So eine Verpflichtung als Cheftrainer hat es beim DFB noch nie gegeben. Aber mit diesen Leuten wird sich das auch nicht ändern. Und nach einer suboptimalen Heim-EM hat Tuchel dann schon wieder anderswo einen Vertrag unterschrieben. Dafür müsste man aber progressive Leute holen. Also mehr als Mintzlaff.

Sonntag, 18. Dezember 2022

Ein paar Gedanken zum Spiel um Platz 3

 Also grundlegend und losgelöst von dieser WM. Und inspiriert von HITC Seven.

Dieses Spiel wird ja gerne als sinnlos und überflüssig bezeichnet. In einem eh schon extrem vollen Rahmenterminkalender quält man die Stars mit einem weiteren belanglosen Spiel. Dabei müssen die doch frisch sein für das nächste Spiel gegen Sheriff Tirasol! Oder noch viel wichtiger: Die müssen doch schon im Flugzeug zur Promotour Saisonvorbereitung! Zumindest normalerweise, wenn die WM im Sommer stattfindet.

Aber hier ist mal wieder das Grundproblem: Die Haltung trifft im Wesentlichen nur auf die 8 größten Nationen zu. Also Frankreich, Argentinien, Spanien, Deutschland, Brasilien, England, Italien (wenn sie sich denn qualifizieren) und die Niederlande. Also die 8 Nationen, die im Wesentlichen seit 1966 untereinander auswürfeln, wer ins Finale einzieht. Und England ist die einzige Deppennation, die dies nur ein Mal geschafft hat. Was für Versager. Aber hey, die behalten sicherheitshalber Garteh Southgate, damit es auch auf gar keinen Fall besser wird.

Und klar, dass es dich als Deutschland nicht (oder nur im Ausnahmefall Heim-WM) interessiert, wenn deine Mannschaft mit ihren 5 Weltmeister- und 3 Europameistertiteln um die Bronzemedaille mitspielt, ist das nachvollziehbar. Die Deutschen Legenden gewinnen halt den Titel. Und nebenbei mindestens ein Mal die Champions League. Aber es ist halt auch keine europäische Nation so erfolgsverwöhnt, wie die Deutschen, die es nicht mal interessiert, dass sie die meisten Spiele um Platz 3 gewonnen haben.

Aber das faszinierende am Spiel um Platz 3 ist ja: Während das Finale, abgesehen von Kroatiens Ausreißer vor 4 Jahren, eine geschlossene Gesellschaft ist, gibt es im Spiel um Platz 3 verdammt viele Überraschungen. Denn ins Halbfinale zieht meistens mindestens ein Außenseiter ein. Einen Klassiker wie Brasilien gegen die Niederlande sieht man da selten. Und klar, dass Brasilien nach der 7:1 Demütigung nochmal antreten musste und dementsprechend unmotiviert 0:3 verliert, war schon Kacke für die. Aber muss man sich wirklich immer nach den Großen richten?

Wenn man mal bedenkt, dass Polen, Schweden, Bulgarien, Kroatien (also schon 98 das erste Mal), Südkorea, die Türkei, Uruguay (welches halt lange nicht mehr den Status der 30er Jahre hat) und Marokko an diesem Spiel teilnimmt, bekommt man schon eine andere Perspektive. Denn in diesen Nationen wird man zur Legende, wenn man an diesem Spiel teilnimmt. Denn es ist für viele ist es halt doch der Höhepunkt der Nationalmannschafskarriere. Hinterher kann man sich dann die Bronzemedaille einrahmen, was für alle diese Nationen immer noch eine herausragende Belohnung darstellt. Und da die taktischen Fesseln da meistens nicht mehr so eng angesetzt werden, gibt es meistens ein unterhaltsames Spiel.

Gerade für Marokko war es halt auch die letzte Gelegenheit, mit 44.000 Fans zu feiern und sich auch für ihre großartige Leistung feiern zu lassen. Das werden die wenigsten von denen so schnell wieder erleben. Gönnt denen das einfach.
Wenn man dann nebenbei sieht, wie ein Luka Modric in diesem Spiel erst 90 Minuten auf dem Platz steht und danach dann zufrieden grinst, obwohl der eigentlich zu viele Champions League Finale gesehen hat und ihn das alles gar nicht mehr interessieren muss, wird es schwierig den Sinn dieses Spieles zu hinterfragen.
Aber das ist dann vielleicht auch der entscheidende Unterschied: Ein Modric hat mit 37 Jahren immer noch Bock drauf, was mit seiner Nationalmannschaft zu reißen. Der verlängert jetzt seine Karriere, weil er ja theoretisch noch die Nations League gewinnen kann. Währenddessen sitzt ein wesentlich jüngerer Toni Kroos zu Hause und nimmt Podcasts mit seinem Bruder auf. Diese absolute Geilheit auf Spiele im Nationalmannschaftstrikot fehlt bei den Deutschen anscheinend gerade.

Aber gerade die Nations League ist ein interessanter Vergleich. Denn auch die interessiert ja alle, außer die großen 8. Die schieben da Dienst nach Vorschrift und sehen den Wettbewerb eher als Testspiele. Das eigentliche Ziel lautet der Klassenerhalt, damit man auch im nächsten Zyklus gute Testspiele zugewiesen bekommt. Und davon, dass diese Testspiele ein wenig ernsthafter angegangen wird, profitieren alle. Also außer die Engländer, die halt abgestiegen sind. Hab ich schon erwähnt, dass die Southgate behalten wollen?

Aber diese großen 8 können halt am Ende den Titel und in den meisten Fällen die Champions League unter sich ausmachen. Und ja, in den letzten 30 Jahren gingen 29 Titel an Mannschaften aus diesen 6 Länder, die am Ende auch das WM-Finale erreichen können. Aber man muss sich ja nicht immer nach diesen Großen richten. Also nicht bei jedem Spiel und bei jedem Turnier.

Dass die Nations League genau deswegen eine gute Idee ist, weil die kleinen Nationen sich untereinander in Pflichtspielen messen können, habe ich hier bereits ausführlich erklärt. Dieselben Ausführungen gibt es hier zur Europa Conference League. Man muss das Spiel um Platz 3 einfach mit genau denselben Augen sehen, dann ergibt das schon Sinn. 

Aber da sind wir wieder bei dem Grundproblem: Was mich als Fußballfan oder gar Fußballnation nicht interessiert, muss sinnlos sein und gehört abgeschafft.

Freitag, 16. Dezember 2022

Marokko war die europäischste Mannschaft, die Afrika je gestellt hat.

 Ich bin nebenbei ein wenig im Paradise Delay, weil das mit dem Konzerte statt Katar ein wenig übertrieben habe. Also eigentlich sollte das hier schon vor dem 2. Halbfinale rauskommen. Aber egal. 

Das Marokko ins Halbfinale eingezogen ist, werden ja sogar die boykottieren Fraktion mitbekommen haben. Ein historisches Ereignis. Was aber niemanden auffällt: Diese Mannschaft kommt genau genommen gar nicht aus Afrika. Also 14 der Spieler wurden in Europa geboren, weil Marokko halt eine ehemalige französische und spanische Kolonie ist. 

Gehen wir die Liste der Leistungsträger mal durch: Torhürer Bono wurde in Montreal geboren. Der hätte also auch für Kanada spielen können. Roman Saiss kommt aus Bourg-de-Péage, Achraf Hakimi aus Madrid. Noussair Mazraoui aus Leiderdorp. Damit wurde aus der Viererkette lediglich Nayef Aguerd in seinem Heimatland geboren

Im Mittelfeld geht es genauso weiter: Amrabat kommt Huizen, Ziyech aus Dronten, Boufal aus Paris und Amallah aus Hautrage. Lediglich Azzedine Ounah wurde in Casablanca geboren. Damit gab es in der Startformation nur 3 einheimische Spieler, weil wir Europäer unsere Stürmer eben nicht teilen. Und ihr dachtet, Katar würde sich seine Nationalmannschaft zusammenkaufen.

Was natürlich so nicht richtig ist, denn die Nationalmannschaft Marokkos ist deswegen so ein bunter Haufen, weil die afrikanische Geschichte und die Kolonialzeit kompliziert sind.

Aber als quasi Fortsetzung des "War das Brasiliens letzte Chance den Titel zu holen" Beitrages ist das wirklich spannend. Denn all diese Spieler wurden nicht nur ein Europa geboren, sie wurden auch dort ausgebildet. Lediglich Bono hat seine Fußballkarriere bei Wydad AC begonnen. Der Rest kommt aus den Akademien in den Niederlanden, Belgien, Frankreich oder Spanien. Sie haben damit alle die taktische Ausbildung und Disziplin, die den Brasilianern laut meiner These fehlen werden.

Und das hat sich ja auch auf dem Platz gezeigt. Bis zum 0:1 der Franzosen war man sich nicht ganz sicher, ob da nicht doch eine von José Mourinho trainierte Mannschaft auf dem Platz stand. Die verbarrikadierten sich vor dem eigenen Strafraum und schoben perfekt die Räume zu, sodass Spanien und Portugal lange zu gar keinen Chancen kamen. Erst als die Marokkaner müde wurden, ergaben sich doch die Räume. Und als die Taktik im Halbfinale umgestellt wurde, ergaben sich die Räume gleich.

Aber dann bewiesen sie nebenbei, wie sich das für eine Mourinho Mannschaft gehört, dass sie durchaus einen gepflegten Ball nach vorne spielen können. Die haben nicht konsequent verteidigt, weil sie nichts anderes können, sondern weil sie genau so spielen wollten. Sie haben halt verstanden, dass man nur so in ein Halbfinale einziehen kann.

Damit will ich die historische Leistung gar nicht kleinreden. Ich will nur verdeutlichen, wie viel Einfluss so eine Ausbildung im europäischen System haben kann. Denn selbst wenn man die individuell schwächeren Spieler als Spanien, Portugal und Brasilien hat, kann man diese bezwingen (oder weiter als sie kommen), wenn man taktisch diszipliniert spielt und etwas Glück hat. Aber das kann halt nur funktionieren, wenn der Nationaltrainer auf die entsprechenden Grundlagen zurückgreifen kann.

Genaugenommen passiert das alles ja auch schon seit Jahren. Also alle Mannschaften aus den Maghreb Staaten wurden immer von in Frankreich ausgebildeten Spielern, die aber für die herausragend besetzte A Nationalmannschaft nicht gut genug sind. Deswegen habe ich ja auch scherzhaft gesagt, dass am letzten Vorrundenspieltag Frankreich II gegen Frankreich III gespielt hat, weil die einen auf ihre erste Formation verzichteten und die Tuniesier halt zu großen Teilen aus diesem Land kommen. Marokko treibt dieses Prinzip halt nur noch auf die Spitze.

Aber ja, das alles könnte bedeuten, dass die Maghreb Staaten in 20 Jahren an Brasilien in der Weltrangliste vorbeiziehen. Klingt noch wie eine absurde These, aber bedenkt, dass die Ausbildung immer besser wird. Gerade die Franzosen sind ja gerade wirklich in der Lage 3 starke Kader zu stellen, wenn alle fit wären und sich alle für Frankreich entschieden hätten.

Man sollte aber auch bedenken, dass dieser Einzug ins Halbfinale nicht bedeutet, dass der afrikanische Fußball entscheidende Entwicklungsschritte nach vorne gemacht hat. Denn all die anderen Nationen, die nicht auf diese Ausbildung zurückgreifen konnten, hatten dieselben Probleme, die sie immer hatten.

Nebenbei profitieren von diesem Austausch ja offensichtlich auch die Franzosen. Da muss man nur mal kurz erwähnen, dass Zinedine Zidane algerische Wurzeln hat.

Montag, 12. Dezember 2022

War das Brasiliens letzte Chance den Titel zu holen?

 Und wo wir schon dabei sind: Wird es Argentiniens letzte Chance sein? Und Marokkos, also Afrikas einzige?

Klingt übertrieben? Vielleicht, den Afrikanern gebe ich zukünftig noch Chancen. Lasst mich das erklären:

Es gibt ja zwei durchaus entscheidende Faktoren, die einen WM Titel eigentlich entscheiden. Der erste ist die taktische Disziplin. Klar, es gibt immer diese Mannschaften, die buchstäblich bis ins Viertelfinale tanzen. Das werden, wie wir auch gerade wieder gesehen, meistens die Brasilianer sein. Aber diese Mannschaft trifft dann immer früher oder später auf eine Mannschaft, die humorlos und konsequent verteidigt. Kroatien als Bösewicht halt. Oder als nicht-Bösewicht, weil das ja eine sympathische, kleine, europäische Nation ist. 

2018 war es Belgien, die mit 43 % und 3:9 Toren eiskalt gewannen. Das 2014er-Spiel will ich nicht wirklich verlinken, das passt halt nicht in mein Konzept. 2010 waren die Niederländer dran. Also die Bert van Marwijk, Mark van Bommel, Nigel Jong Holländer. 2006 verlor man 0:1 gegen Frankreich. Das sind dann schon 20 Jahre seit dem letzten Titel und jedes Mal scheiterte man, sobald man auf eine große europäische Nation trifft. Für Ghana, Mexiko (2-mal), Kolumbien und Südkorea reicht es noch, für mehr halt nicht. Aber seit 2002 hat man halt keine europäische Mannschaft in einem K.O. Spiel besiegen können. Wenn man Weltmeister werden will, muss man so eine Mannschaft irgendwann mal schlagen. Jetzt ist man aber bei, um es auf Englisch auszudrücken, 20 years of hurt. Wo die Briten natürlich sagen: nur 20? Eure Sorgen möchte ich haben. Bei uns sind es 26 Jahre, seit dem wir das erste Mal darüber gesungen haben, wie wir immer verkacken. Hey, England, wenn es auch aufbaut: Wir Deutschen haben dafür keinen annähernd so geilen Turniersong... Nicht nur wir, niemand hat den.

Aber zurück zu den Brasilianern: Wenn man immer wieder auf dieselbe Art und Weise scheitert, ist das irgendwann ein strukturelles Problem. Und das andere Problem ist: Die Brasilianer sind selber hinten nur selten annähernd so gut besetzt. Die werden immer Angreifer haben, aber werden sie auch die dringend benötigten Verteidiger ausbilden? Klar, dieses Mal kamen sie mit Thiago Silva, Marquinhos uns Casemiro. Aber 2 von denen sind auf der falschen Seite der 30. Silva ist dichter an der 40 als an der 30. Ob die jemals wieder eine derartige Defensive stellen werden?


Aber das 2. Problem ist ja noch viel schlimmer: Denn der andere entscheidende Faktor der WM ist ja die Tiefe im Kader. Also früher hat es halt gereicht, 15 richtig gute Spiele zu haben, um Weltmeister zu werden. Dann füllt man den Kader mit Talenten und Bankdrückern auf und lässt diese richtig guten Spieler zocken. Mittlerweile ist die Bank während eines Turniers wesentlich wichtiger. 

Noch viel wichtiger: Man muss mittlerweile leider davon ausgehen, dass dir wichtige Leistungsträger wegbrechen, weil der internationale Rahmenspielplan für Superstars halt so extrem brutal ist. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass die Lazarett-Mannschaft locker Weltmeister werden könnte. Allein den Franzosen fehlen mittlerweile Kimpembe, Hernandez, Pogba, Kanté, Benzema und Nkunku. Das wäre eine Grundlage für eine richtig geile Elf. Also wenn Paul Pogba gerade Bock hat, was er im Nationalmannschaftstrikot immer hatte. Und wenn es menschlich mit Benzema funktioniert, der ja anscheinend das exakte Gegenteil ist: Im Verein ein großartiger Mannschaftsspieler, im Nationalmannschaftstrikot eine Diva.
Brasilien fehlten dagegen nur Arthur Melo und Coutinho. Letzterer spielt mittlerweile bei Aston Villa, weil es für ihn auf allerhöchstem Niveau nicht reicht.

In dem Sinne war diese WM eigentlich ein perfekter Sturm für die Brasilianer: Sie waren fast komplett fit und kamen sogar relativ gut durch das Turnier. Die Konkurrenz war völlig überspielt und musste haufenweise Ausfälle kompensieren. Trotzdem reichte es wieder nicht, um auch nur eine europäische Mannschaft zu schlagen.


Hier kommt jetzt die eigentlich spannende These: Sie haben ein strukturelles Problem in der Ausbildung. Und man hat praktisch keine Chance, dieses Problem zu lösen. Denn die Europäer haben halt seit 2002 nochmal entscheidende Fortschritte in der Jugendausbildung gemacht. Zum Beispiel mit der Einführung der UEFA Youth League in der Saison 2013/14. Man qualifiziert sich mittlerweile nicht mehr nur für die Champions League, man sorgt auch dafür, dass seine Jugendabteilung Spiele auf höchstem Niveau bekommt. Und halt nicht nur für die Bayern und Barca, sondern auch für Zagreb, Glasgow, Donezk, Kopenhagen und Pilsen. Die Meister der kleineren Ligen halt. Die fast schon logische Konsequenz: Josko Gvardiol gibt den unfassbar souveränen Innenverteidiger. Der verteidigt mit 20 schon technisch und taktisch unfassbar sauber. Der wurde aber auch in Zagreb auf höchstem Niveau gefordert und gefördert.

Die Brasilianer kommen dagegen vielleicht mit 18 erste nach Europa. Also Marqhuinhos kam in diesem Alter. Danilo kam erst mit 21. Eder Militao mit 20. Aber selbst wenn sie in diesem jungen Alter nach Europa gehen, so haben sie doch schon einen Nachteil mit der gleichaltrigen Konkurrenz.

Die europäischen Talente werden halt immer besser ausgebildet. Sie werden immer früher gefordert und logischerweise auch immer früher Stammspieler. Und so kann Spanien dann auf Pedri und Gavi im zentralen Mittelfeld setzen. Der eine ist 18 und der andere 20. Und bei allen Problemen der Spanier: Das taktische Verhalten im Zentrum war nicht das Problem.

Nur um da ganz konkret den Fortschritt zu belegen: Früher hat man solche Talente durchaus auch spielen lassen, aber nicht im Zentralen Mittelfeld. Ich nenne mal demonstrativ Bastian Schweinsteiger als Beispiel für eine ganz normale Fußballbiografie der Jahrtausendwende: In jungen Jahren Flügelflitzer, obwohl er dafür eigentlich immer zu langsam war, erarbeitete er sich über die Jahre die taktische Disziplin und den nötigen Respekt, um als Führungsspieler in die Mitte zu ziehen. Heutzutage würde man ihn, wie man bei Jamal Musiala sieht, direkt ins Zentrum stellen.

Das sieht man ja absurderweise am deutlichsten an Neymar. Das bisschen, was ich von Brasilien gesehen hat, hat mich gerade bei ihm echt überrascht: Der spielt mittlerweile im zentralen Mittelfeld. Und seine Aktionen waren technisch perfekt, aber auch schnörkellos. Keine ziellosen Übersteiger, sondern ein schneller Harken und dann der Antritt. Gefolgt von einem Doppelpass oder zwei. Und dann lässt er sich im Strafraum nicht fallen, sondern sucht den Abschluss. Oder anders ausgedrückt: Er macht jetzt das, was Lionel Messi seit über 10 Jahren macht. Nur musste Neymar dafür erst 30 werden. Den Ruf als schauspielernde Diva wird er auch nie wieder loswerden.

Dass er diesen Entwicklungsschritt genommen hat, ist großartig. Aber vielleicht hat er ihn einfach ein wenig zu spät genommen und Weltmeister zu werden. Oder die jungen Spieler um ihn herum haben ein wenig zu lange gebraucht, um ihn auch zu nehmen. Und dieses Problem wird Brasilien in der Breite immer haben.

Denn sie haben ja auch keine Chance eine vergleichbare Institution wie die Youth League zu installieren. Der Weg nach Europa ist gerade für Teenager richtig weit. Also werden sie in der taktischen Jugendausbildung immer weiter zurückfallen. Damit wird es immer schwerer, den Titel zu holen.

Sonntag, 11. Dezember 2022

Zum Glück sind das die Guten

 Und ja, ich gebe es zu, ich habe die Viertelfinale gesehen. Und könnte direkt zu einem Bela Rethy Rant ausholen, der tatsächlich an dem Tag, nachdem in der 100. Minute der regulären Spielzeit der Ausgleich erzielt wurde, behauptet hat, dass das mit den episch langen Nachspielzeiten ja nachgelassen hat. Wieso darf jemand, der offensichtlich keinen Fußball guckt, diese Spiele kommentieren.

Aber hey, nachdem mein Vater sich über die Eröffnungsfeier aufgeregt hat, bei der Bela einfach mal dreist ignoriert hat, dass auch die Eröffnungsfeier in Deutschland 36 Minuten dauerte, habe ich nur gesagt "Wer dem zuhört, ist selber Schuld". Aber was interessiert mich mein Gelaber von gestern? Die Feier in Deutschland 2006 hat Rethy sogar persönlich kommentiert. Nur um mal festzuhalten, wie senil der Mann ist. Aber das ist ein bisschen wie beim aktuellen Korruptionsskandal in der EU: Wenn wir Europäer Geld für Reden im Parlament bezahlen (oder halt unsere Kultur bei einer Eröffnungsfeier präsentieren), dann ist das fair und transparent. Wenn die Katarer das machen, ist es ein Verbrechen. Nur um festzuhalten, dass es politische bleibt, wenn ich über die WM berichte.

Nebenbei ist Rethy der einzige, der die Hilfe von echten Experten anscheinend verweigert. Also bei vielen anderen sitzt mittlerweile ein Ex-Profi wie Sandro Wagner, Hanno Balitsch oder Thomas Broich, die so alle doch noch zu ihrer WM kommen. Gerade bei Wagner wollte Jogi Löw das doch unbedingt verhindern. Aber sowohl deren Perspektive, als auch die Interaktion mit den Kommentatoren, heben die Berichtserstattung auf ein neues, angenehmeres Niveau. Da macht ein Rethy natürlich nicht mit.

 

Aber genug der Albernheiten, hin zu den wichtigen Dingen: National Profiling. 

Es gibt ja gerade keine Nation, deren jüngere WM Geschichte so faszinierend ist, wie die der Kroaten. Die haben sich darauf spezialisiert, sich in die Verlängerung oder ins Elfmeterschießen zu retten. Spezialisiert ist dabei noch eine Untertreibung, perfektioniert ist korrekter. Denn abgesehen von dem Finale vor 4 1/2 Jahren endete jedes K.O. Spiel seit 2018 in der Verlängerung. JEDES FUCKING SPIEL. Bei der Weltmeisterschaft 2018 schlug man so Dänemark, Gastgeber Russland und England. Bei der Europameisterschaft verlor man tatsächlich das Achtelfinale gegen Spanien. Und jetzt ging es schon wieder gegen Japan und Brasilien ins Elfmeterschießen.

Und das wirklich bekloppte ist: Die konnten in der Verlängerung gegen Brasilien trotz der zusätzlichen Belastung noch das rettende Tor fürs Elfmeterschießen erzielen. Klar, das war ihr einziger Torschuss, aber sie hatten halt trotzdem schon 115 Minuten kompaktes Verteidigen in den Beinen. Und das harte Spiel gegen die Japaner, während die Brasilianer sich durchs Achtelfinale tanzten. Dass man mit der Vorgeschichte noch zurückkommt, ist absoluter Wahnsinn.

Aber das wird halt nicht hinterfragt. Also nicht, wenn man zu den Guten gehört. Ist es nicht schön, zu den Guten zu gehören? Also nur für Kontext, weil ich das "damals" auch schon so erwähnt haben: Die Russen mussten sich 2018 aus unseren Medien permanent Dopingvorwürfe machen lassen. So viel wie die kann man nur laufen, wenn man nachhilft... oder Joshua Kimmich heißt, als richtiger Deutscher geht das auch so. Aber die Kroaten galten schon 2018 als überaus sympathisch, weil sie destruktiven Antifußball gespielt haben.

Um es diplomatisch auszudrücken: Die Kroaten sind zu fit. Das ist nicht mehr normal. Deren Fitnesstrainer sollte mal ein Buch veröffentlichen, welches dann automatisch DER TRAININGSSTANDART für die Moderne wird.

Wenn ihr mal nachvollziehen wollt, wie das eigentlich laufen sollte, dann guckt euch mal das Spiel von Marokko an. Oder lasst es, denn auch die spielen eher Antifußball. Aber die kämpfen halt auch aufopferungsvoll. Ernsthaft, ein Finale Marokko gegen Kroatien wäre absolut faszinierend, denn da spielen dann 2 Mannschaften furchtbaren Fußball, der hauptsächlich aufs Zerstören ausgelegt ist, aber der Kommentator wird uns erklären, wie unfassbar sympathisch das ist.

Jedenfalls musste Noussair Mazraoui bereits nach der Schlacht gegen Spanien die Segel streichen. "Probleme mit dem Hüftbeuger" ist die Transfermarkt.de Diagnose. Rückkehr unbekannt. Das sind halt Verschleißerscheinungen. Kapitän und Fels in der Brandung Romain Saiss musste in der 57. Minute ausgewechselt werden, weil er einfach nicht mehr konnte. Hakim Ziyech gab in der 82. Minute auf. Marokko ging buchstäblich auf dem Zahnfleisch. Wenn Portugal eine der durchaus vorhandenen Chancen zum Ausgleich genutzt hätten, wären die komplett eingebrochen. Das ergibt ja auch Sinn, die haben ja auch diese schwere Verlängerung in den Beinen.

Nun kann man natürlich behaupten, dass das halt Afrikaner sind und wir Europäer sind halt fitter. Also nur, weil wir besser austrainiert sind. Das fällt ein wenig in sich zusammen, wenn Mazraoui und Ziyech bei Bayern und Chelsea spielen. Klar, beides sind keine Stammspieler, aber das sollte doch eher ein gutes Argument für ihre Verfassung sein. Denn beide sind an die europäischen Fitnessstandarts gewöhnt, aber sie sind nicht annähernd so überspielt wie ein Luca Modric.

Also nur um das mal festzuhalten: Luca Modric hat in dieser Saison schon 1259 Minuten in den Vereinsknochen. Er ist 37 Jahre alt. In seiner Zweitidentität besetzt er nebenbei einen Posten im Europäischen Parlament. Lustigerweise gibt er, als eigentlich zentraler Mittelfeldspieler da die Rechtsaußen. Aber in dem Kasperletheater muss man halt seine Rolle übernehmen.

Und jetzt springt der bei der WM 120 Minuten lang über den Rasen? Und klar, im Achtelfinale musste er nach 99 Minuten (106, wenn man die Nachspielzeit einberechnet) runter. Aber gegen Brasilien hielt er dann bis zum Elfmeterschießen durch. Da ging es dann besser, obwohl es eigentlich schlechter laufen sollte.

Nun will ich damit explizit nicht behaupten, dass Modric mehr dopt als Ziyech. Oder als ein x-beliebiger Russe. Meine ganz persönliche Meinung ist, dass gerade in der Vorbereitungen und beim Muskelaufbau garantiert nachgeholfen wird, aber dass das alle machen. Und auch in der Regeneration wird alles ausgereizt werden. Wir haben halt nur kollektiv beschlossen, dass wir das ignorieren. Ich weise nur darauf hin, dass Modric's fantastische Leistungen anders kommentiert werden würden, wenn er die als 37-jähriger Russe abliefern würde.

Oder, um es mal wirklich extrem zu machen, man stelle sich vor Katars Nationalmannschaft hätte sich gerade so in 2 Elfmeterschießen in Folge gerettet. Geht einfach mal für euch dieses Szenario durch und fragt euch, wie über diese unmenschliche Leistung berichtet werden würde. Aber bereitet euch schon mal moralisch darauf vor, dass es im Halbfinale dann heißt: "Der wird halt nicht müde". Ist halt so.

Freitag, 9. Dezember 2022

Kurzer Blick auf die Viertelfinale

 Und dann stellt man fest: Spanien und Japan sind ja auch schon raus. Also falls sich irgendjemand einreden wollte, dass man ja in einer richtig guten Gruppe mit der Überraschungsmannschaft und dem Titelfavoriten ausgeschieden ist.

Damit ist die "deutsche" Gruppe die einzige, die im Viertelfinale einfach nicht vertreten ist. Man ist also nicht nur ausgeschieden, man ist an der nach den Leistungen schlechtesten Gruppe ausgeschieden. Nun ist das natürlich nicht so einfach zu pauschalisieren, schließlich hat es auch etwas mit "Losglück" zu tun, dann Spanien die absolute Übermannschaft aus Marokko als Gegner bekam. Oh, warte, das haben die sich quasi selber ausgesucht. 

Aber hier ist die wirkliche statistische Absurdität: Das ist gar keine Ausnahme. 2021 spielte man in einer "Todesgruppe" mit Portugal, Frankreich und Ungarn. Und stand ja auch nach 80 Minuten auf Platz 4 lag, weil Puskas Erben in Führung lagen. Und von dieser ja ach so starken Gruppe qualifizierte sich niemand fürs Viertelfinale. Deutschland schied immerhin gegen den späteren Finalisten England aus. Portugal schied gegen die doch gar nicht so goldene und nie ein Finale erreichende Generation aus Belgien aus. Und Frankreich verspielte eine sichere Führung gegen die Schweiz.

Aber selbst bei der Uraufführung dieses Klassikers der Neuzeit... Scheiterte Mexiko wie eigentlich immer im Achtelfinale. Still und heimlich sind die Mexikaner doch froh, dass sie diesen Fluch dieses Jahr besiegt haben, indem sie schon in der Vorrunde ausgeschieden sind. Schweden kam tatsächlich als einziger Gruppengegner der Deutschen ins Viertelfinale, war da aber gegen England chancenlos.

Das ist natürlich alles völlig willkürlich und ziemlich nichts sagend. Aber es relativiert die Leistungen der Deutschen halt weiter: Man ist bei den letzten 3 Turnieren nur auf eine wirklich erfolgreiche Mannschaft getroffen, die im weiteren Turnierverlauf auch etwas gerissen hat. Gegen diese Mannschaft hatte man praktisch nur eine Chance und die hatte Thomas Müller der im Nationalmannschaftstrikot seit Jahren aus Prinzip nicht mehr aufs Tor schießt. All die anderen Gegner, an denen man hauptsächlich gescheitert ist, waren auch einfach nicht wirklich gut. 

Diese Perspektive muss man auch nochmal bemühen, um das ach so tolle Spiel gegen Spanien richtig einzuordnen. Wo alle sich einreden wollten, dass man gegen die Spanier ja richtig gut mitgehalten hat. Die hat man ja richtig unter Druck gesetzt. Man hatte am Ende deutlich mehr und die besseren Abschlüsse. Toll, all das kann Marokko, natürlich mit einer anderen Spielanlage, auch von sich behaupten. 

Und klar, Deutschland war in allen 3 Gruppenspielen die bessere Mannschaft. Dass die sich da nicht durchsetzen, ist schon ein wenig unglücklich. Obwohl man hier festhalten muss: Wenn Können im Wesentlichen die Wiederholung von Glück ist, dann ist das permanente Wiederholen von Pech halt Unfähigkeit. 

Das wirkliche Problem ist aber: Selbst wenn man sich gegen diese im Großen und Ganzen auch enttäuschenden Gegner durchgesetzt hätte, wäre das kein Freifahrtschein für den Rest des Turniers gewesen. Das soll auch nur verdeutlichen, wie weit weg von der "Weltspitze" man gerade ist.

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Warum von Gareth Southgate lernen

 Wenn man denselben Fehler doch auch begehen kann? Es ist viel sinnvoller, diese Schmerzen und Verzweiflung selber auf der Bank zu erfahren! Das muss man als Trainer doch mal durchgemacht haben!

Das ungefähr muss sich Luis Enrique gedacht haben, als er Spanien ganz souverän ins Elfmeterschießen gecoacht hat. 

Klar, es hat nicht nur der extra eingewechselte Pablo Sarabia verschossen, sondern alle anderen auch. Und Badr Banoun, womit die letzten 4 (VIER!) Spieler, die nur fürs Elfmeterschießen eingewechselt wurden, allesamt verschossen haben. Also falls der mittlerweile eingeführte Experte das nächste Mal gefragt wird, ob er diesen Wechsel mag, kann er mit dieser Statistik prahlen. Und man kann allen Trainern einfach mal mitteilen, dass sie das lassen sollten. Am besten in dem man diejenigen, die so was machen, einfach entlässt.

Die Lage für Marokko war halt eine ganz andere. Die sind halt der krasse Außenseiter und da ist es legitim, wenn man sich irgendwie ins Elfmeterschießen retten will. Das macht mal halt am besten, in dem man so viel wie möglich an der Uhr dreht und den Spielfluss unterbricht. Aber als haushoher Favorit? Und man hatte mit eben Sarabia ja noch einen Stürmer, den man bringen konnte.

Dazu kam ja, dass das offensichtliche Problem gerade nach der Einwechslung von Nico Williams die Besetzung im Strafraum war. Denn wenn der sich auf den Außen im 1 gegen 1 durchsetzen konnte, hatte er einen einzigen Zielspieler im Sechzehner. So machte man es den Tunesiern relativ leicht, die entscheidenden Situationen zu verteidigen. Am Ende hatte Spanien sogar Glück, denn die besseren Chancen in der Verlängerung hatten die Nordafrikaner. Aber letztendlich fehlte Luis Enrique der Mut um einen Mittelfeldspieler für einen weiteren Angreifer zu opfern. 

Nebenbei haben Japan und Kroatien anscheinend nachgewiesen, dass andere Trainer dies verstanden haben. Dort wurden die letzten Auswechslungen in der letzten Pause vorgenommen. Kroatien wechselte sogar doppelt... nur damit Marko Livaja ebenfalls verschießt. 

Also klar, die eingewechselten Spieler hatten nur bedingt einen positiven Einfluss auf das Geschehen. Wenigstens haben die Trainer dort alles versucht, um ein Elfmeterschießen zu verhindern. Das wäre alles nicht so traurig, hätte man bei den letzten beiden Turnieren nicht genau sehen können, wie das am Ende ausgeht. Also bei der einen Europameisterschaft negativ, bei der anderen positiv.

Aber um das zu begreifen, hätte man ja ernsthaft die Europameisterschaft der Frauen sehen und sich dann fragen müssen "Was kann ich für mich aus diesem Turnier lernen?" Das kann man doch von keinem Mann erwarten. Guckt mal, am Ende habe ich doch noch einen richtigen politischen Ansatz gefunden, der diesen Beitrag rechtfertigt...

Dienstag, 6. Dezember 2022

Zurück zum alten Konzept

 Auch wenn das Konzept Scheiße war. Frei nach Aaliyah: If at first you don't succed, try again. Und das ist genau genommen wirklich schade.

Es geht ganz offensichtlich um den VfB Stuttgart und seine Rolle Rückwärts. Der VfB war ja auf dem Weg zu einem der interessantesten Projekte in Europa zu werden. Und das Konzept war dabei eigentlich ganz einfach: Wir installieren einen der besten Talentscouts Europas als wichtigsten Entscheider. Wir erschaffen uns so eine neue Ära. Und wie wichtig so ein Manager für so eine Ära sein könnte, habe ich hier vor Jahren mal erörtert. Auf was für einem an sich guten Weg Stuttgart war, wurde hier ausgeführt.

Jetzt... weiß keiner so ganz genau, warum Sven Mislintat weg ist. Also ja, der VfB wollte mit ihm verlängern, wollte aber auch seinen Handlungsspielraum als alleiniger Macher einschränken. Da hat er dann halt abgesagt, was vielleicht auch das eigentliche Verhandlungsziel des VfBs war.

Aber die eigentlichen Probleme beim VfB liegen doch so viel tiefer. Das fängt halt mit dem Fakt an, dass Thomas Hitzlsperger jetzt bei der ARD auf der Couch sitzt und nicht im Vorstand des VfBs. Niemand hat bis heute so wirklich verstanden, was eigentlich das Problem zwischen ihn und Claus Vogt war. Nur dass es dann eskaliert ist und Hitzlsperger den Machtkampf am Ende verloren hat. Und damit war auch eine der Persönlichkeiten, die Mislintat geholt haben, plötzlich weg.

Stattdessen wurden Vereinslegenden geholt, um Mislintat zu beraten. Also eine dieser "Vereinslegenden" ist Philipp Lahm, der 2 Jahre für den VfB spielte und eigentlich eine Bayern-Legende ist. Aber das waren schon 2 schöne Azubi-Jahre damals. Der gesammelte Arbeitsnachweis von Lahm, Gentner und Khedira lautet nebenbei: Der eine hat sich um die erfolgreiche EM-Bewerbung gekümmert. Und das war's. 

Man kehrt halt zurück zum "Alte, verdiente Spieler wissen schon, wie es im Fußball läuft." Das war in den 90ern das ultimative Erfolgskonzept. Aber mittlerweile gibt es halt Manager-Ausbildungen.
Mislintat war halt das komplette Gegenteil: Er hat nie hochklassig gespielt, sondern stattdessen Sportwissenschaften studiert. Er hat sich bei Borussia Dortmund über Jahrzehnte hochgearbeitet, weil er immer wieder wunderbare Diamanten gefunden hat. Danach hat er Auslandserfahrung bei Arsenal London gesammelt, bevor er nach 13 Jahren im relativen Hintergrund endlich eine Führungsrolle übernehmen sollte.

Und diese Rolle funktionierte ja zunächst auch richtig gut: Er fand mehrere sehr spannende Talente und sicherte den Aufstieg und den Klassenerhalt. Aber leider kam dann der nächste Schritt, dass man nichts mehr mit dem Abstieg zu tun hat und zumindest im sicheren Mittelfeld ankommt, nicht schnell genug. So musste man Mislintats Arbeit hinterfragen und ihm diese "tollen Experten" beiseite stellen.

Natürlich hat er auch seine Fehler gemacht. Dass er so lange gebraucht hat, um zu merken, dass Michael Wimmer noch nicht in der Lage ist eine Bundesligamannschaft zu führen. Was kein Vorwurf gegen Wimmer sein soll, weil das NOCH da entscheidend ist: Wenn der jetzt bei seinen nächsten wahrscheinlich nicht in der Bundesliga stattfindenden Station erfolgreich aussieht, kann er durchaus in diese Rolle wachsen. 

Aber nach einigen mutigen Entscheidungen bei den Trainern, also ganz praktisch das Finden und Festhalten an Pellegrino Materazzo, entscheidet sich der neue Expertenrat für... die konservativste aller möglichen Entscheidungen: Bruno Labbadia. Was in der Isolation betrachtet vielleicht gar nicht verkehrt ist.

Labbadia hat ja seinen durchaus ramponierten Ruf in Wolfsburg halbwegs repariert, weil... er dieses Mal selber gegangen ist, bevor er entlassen werden konnte. Und er wird zumindest kurzfristig die Probleme der Stuttgarter lösen und die Mannschaft zum Klassenerhalt führen. Da bin ich absolut überzeugt von, das hat er bisher immer hinbekommen. Aber seine durchschnittliche Amtszeit dauert halt auch genau 1,35 Jahre. Denn das ist halt auch nur ein Trainer, der dir kurzfristig deine Probleme löst und keiner, der dir langfristige Lösungen anbietet. Das ist, wenn es gerade halt um den Klassenerhalt geht, auch nicht verkehrt. Aber man hatte es unter Mislintat gerade geschafft, aus diesem ewig währenden Kreislauf auszubrechen und tatsächlich auch in der Trainerfrage perspektivische Antworten zu suchen.

Jetzt kann man sich darauf einstellen, dass man im Winter 2024 wieder einen Trainer suchen wird. Man ist zurück in dem Modus, der einem die letzte Labbadia Verpflichtung gebracht hat. Und der war ja immerhin der erfolgreichste Trainer in den Jahren zwischen Armin Veh und Materazzo. Aber halt auch nicht wirklich gut

Nebenbei fällt mir da dann auf, wie albern das legendäre Peter Neururer Meme ist, der ja angeblich bei jeder freien Stelle sofort mit dem Porsche vorfährt. Genau jetzt vor der DFB Zentrale... In der Realität fährt diese Luxuskarosserie schon vor, aber es steigt halt Labbadia aus...

Samstag, 3. Dezember 2022

Die "Wir haben den Urlaub schon gebucht" Mannschaft

 Oder die Reha. Ich wollte das ja eigentlich nicht, weil ich mich mit dem sportlichen Teil gar nicht so wirklich befasse. Wenn man kaum was gesehen hat, ist es schwierig eine Elf von Versagern zusammenzustellen. Aber dann kam mir eine Frage in den Sinn:

Kann ich eine Vorrundenaus Elf nur aus Bayern Profis zusammenstellen? 

Für Neuer, Kimmich, Gnabry, Goretzka, Sané, Müller, Musiala, Hernandez (auch wenn der wirklich nichts dafür kann), Pavard (der anscheinend auch nicht mehr auf den Platz zurückkehren wird), Davies und Choupo-Moting ist das Turnier bereits beendet. Das ist eine beeindruckende Liste.

Weiter dabei sind dafür Jopip Stanisic, der aber noch auf seinen ersten Einsatz wartet. Also echt mehr dabei als mitten drin ist. Und Mathijs de Light, der aber wie Pavard nach dem ersten Spiel seinen Platz räumen musste. Dayot Upamecano gehört dagegen tatsächlich zu den im 2. Spiel geschonten Stammspielern. Kingsley Coman ist so unersetzlich, dass er selbst in dem bedeutungslosen Spiel auflaufen musste. Und Noussair Mazraoui vom Überraschungsgruppensieger Marokko. Die dafür dann jetzt gegen Spanien antreten dürfen. Der kann "uns" jetzt also rächen.

Das Absurde daran ist ja, dass man vorher behaupten konnte, mit Manchester City auf Augenhöhe zu sein. Beide Mannschaften haben halt 16 Spieler abgestellt. Nur Barca hat mehr. Aber der feine Unterschied ist, dass 9 Bayern Spieler bereits ausgeschieden sind. Bei City haben dies "nur" İlkay Gündoğan und Kevin de Bruyne "geschafft". Bei Barca sind es immerhin 3: Ronald Araujo, Marc Andre ter Stegen und Andreas Christensen

Für die Bundesliga ist das jetzt natürlich doppelt schlecht. Einerseits wird einem bewusst gemacht, dass die Bayern Stars gar nicht so überragend sind. Andererseits haben diese Bayern-Stars jetzt viel Urlaub und können relativ früh in die Vorbereitung einsteigen. Als hätten die nicht schon genug Vorsprung...

Freitag, 2. Dezember 2022

Wir müssen über den Querpass-Toni reden.

Nebenbei... war ich gestern bei der wunderbaren Catt, die ungelogen auf die Bühne ging, als der Kicker-Ticker die 86. Minute angezeigt hat. Mehr Konzerte statt Katar geht gar nicht... Aber zum eigentlichen.

 Klar, Toni Kroos ist jetzt nicht das Erste, woran man denkt. Aber es ist halt schon so, dass man daran die grundlegenden Probleme festmachen kann. Wir sollten vielleicht mal darüber nachdenken, ob wir unsere Legionäre endlich mal ordentlich wertschätzen. Und damit meine ich wirklich das "wir", weil ich da auch über Journalisten und Experten reden. 

Es wurde jetzt halt, wie Joshua Kimmich richtig anmerkt, das dritte Turnier in Folge in den Sand gesetzt. Und ganz realistisch gibt es bei diesen 3 Turnieren 2 Konstanten: Manuel Neuer und natürlich Thomas Müller. Die standen halt in jedem Spiel dieser Desaster auf dem Platz. Und wir haben uns alle eingeredet, dass die ja Weltklasse sein müssen, weil... ähm... die mit den Bayern die sonst eher durchschnittliche Bundesliga dominieren? Ja, genau.

International haben sie aber nur im Pandemiejahr etwas gerissen. Also als sie gegen 2 französische Mannschaften antreten durften, die jeweils seit Monaten kein Pflichtspiel absolvieren konnten. Und ein Barca im Selbstzerstörungsmodus. Man hatte einen extremen Wettbewerbsvorteil, weil die Bundesliga halt der Vorreiter in der Wiederaufnahme des Leistungssports war. Aber ganz sachlich gesehen muss dieser Titel mit einem Sternchen versehen werden.

Ansonsten verliefen die internationalen Vergleiche mit den ganz Großen eher enttäuschend. Also ja, es reicht immer noch, um Barca zu dominieren, aber was gibt den Bayern denn wirklich Hoffnung, dass man sich in diesem Frühjahr gegen Paris weiterkommen? Was macht diese Mannschaft jetzt besser als letzte Saison?

Gleichzeitig hätten wir zumindest in der Offensive alternativen. Bei Neuer ist es ein bisschen komplizierter, weil Marc Andre ter Stegens Leistungsnachweis auf der internationalen Bühne auch nicht besser ist. Aber vor der EM 2021 war İlkay Gündoğan im zentralen Mittelfeld besser als Müller. 2022 war Kai Havertz besser als Angreifer. Immerhin haben wir mittlerweile eine dieser beiden Wahrheiten begriffen. 

Aber anstatt darüber zu reden, wie wir um diese beiden eine Offensive aufbauen und da konstant und bei jeder Gelegenheit hinarbeiten... fragen wir uns, ob Niclas Füllkrug vielleicht die bessere Alternative ist. Weil der in der Bundesliga einen Lauf hat!!! 

Hey, hier mal ein kurzes Update aus dieser Realität: Havertz ist Stammspieler bei Chelsea London. Einer Spitzenmannschaft der Premiere League. Gündoğan kann bei Manchester City dasselbe von sich behaupten. Die beiden standen sich in einem Champions League Finale gegenüber und Havertz hat dieses Spiel entschieden. Der hat also nachgewiesen, dass er es auf allerhöchstem Niveau kann.

Und was machen wir mit diesen beiden? Nun ja, wir wechseln den einen in der 69. Minute aus und den anderen in der 70. Minute ein. Während der Nations League ist das 2 Mal passiert. Wirklich gemeinsam stand man vor der WM nur gegen England auf dem Platz. Und 65. Minuten lang gegen den Oman. Und das war es. Das waren die gesamten Minuten, die die beiden besten Spieler dieser Mannschaft zum Einspielen bekommen haben. Effektiver kann man die rare Zeit doch gar nicht nutzen. Und dann wundern wir uns, dass die beiden gegen Japan keine Synergie entwickeln. 

Nachdem der Havertz dann ein mal ein schlechtes Länderspiel gemacht hat, vergraben wir ihn direkt für 178 Minuten (ohne Nachspielzeit) auf der Bank. Nur damit er das letzte Spiel dann doch noch dreht.

Aber das grundlegende Problem ist ja, dass wir alle ignorieren, wie gut Havertz ist. Dass wir lieber auf einen "eingespielten Bayern Block" setzen, auch wenn Havertz in einer Mannschaft spielt, in der Müller mittlerweile nicht mal mittrainieren dürfte. 

Das würde komplett anders aussehen, wäre Havertz zu den Bayern gegangen. Auch wenn er dann wahrscheinlich wegen der chronischen Unterforderung im Alltag ein schlechterer Fußballer wäre. Havertz hat genau das gemacht, was wir von unseren Stars immer fordern: Er ist den mutigen Schritt in die beste Liga der Welt gegangen und hat sich da (im Gegensatz zu einem Timo Werner) auch komplett durchgesetzt. Aber dass er dies geschafft hat, ignorieren wir einfach.

Und das ist ja, deswegen die Toni Kroos Referenz in der Überschrift, keine neue Entwicklung, sondern unser ganz normale Umgang mit den Legionären. Denn das, was ein Kroos bei Real Madrid geschafft hat, wurde hier auch nie wirklich anerkennt. Genau so erging es natürlich Mesut Özil. Das Ganze wurde hier schonmal von mir angerissen.

Es wurde jetzt das dritte Turnier in Folge vergeigt, weil die besten Spieler der Mannschaft für einen überalterten und im Nationalmannschaftstrikot seit 8 Jahren nur enttäuschenden Müller weichen mussten. Genau darauf lässt es sich am Ende herunterbrechen. Und so "wichtig" Müller als erster Verteidiger war: Am Ende hat man effektiv zu 10. angegriffen. Man kann es sich halt nicht leisten, mit einem derartigen Nullfaktor im Angriff zu spielen.

An der Stelle ist aber wieder das eigentliche Grundproblem, dass Sportjournalisten am Ende Verkäufer und keine Berichterstatter sind. Und sie verkaufen uns ihre eigene Relevanz. Deswegen können sie vorher nicht darauf hinweisen, dass Müller genaugenommen "nur" in der Bundesliga gut ist. Denn dann könnte man ja zu dem Schluss kommen, dass die Bundesliga gar nicht soo gut ist. Und damit würde man sich dann eingestehen, dass die eigene Arbeit gar nicht soo relevant ist. Da hält man lieber die Illusion aufrecht, dass Müller das schon richten wird, weil der ja so gut ist.

Und wenn Müller vielleicht doch auf die Bank muss, dann nur für Niclas Füllkrug, einen anderen Bundesligaspieler, der international noch gar keine Leistungsnachweise in der Vita hat. Den auf die Bank zu setzen, um einen Premiere League Profi zu bringen... auf diese Idee kommt keiner.

Ich habe in den Vorberichten vorgestern echt den Satz gehört, dass Müller ja nur ein Mal treffen muss, dann wird der Knoten schon platzen. Dass wir bei Turnieren seit dem Halbfinale 2014 darauf warten, dass dieser Knoten platzt. Also seit 17 Spielen. SIEBZEHN. Oder um es anders auszurücken: Müller stand seit dem 1:0 gegen Brasilien bei Turnieren 1473 Minuten (ohne Nachspielzeit) auf dem Platz, ohne ein Tor zu erzielen. Und ja, natürlich ist es ein wenig unfair die Minuten vom 7:1 und die 120 Minuten vom WM Finale mit einzurechnen, denn da war er ja noch ohne Zweifel Weltklasse und wichtig. Aber auch ohne diese beiden Spiele wären es immer noch deutlich über 1000 Minuten. Und nur der Vollständigkeit halber: Er kommt in dieser Zeit auf 2 Torvorlagen. Es durfte noch nie jemand über einen so langen Zeitraum einen derartigen Scheißdreck im Nationalmannschaftstrikot spielen... und er wird dafür noch nicht mal kritisiert.

An derselben Stelle wurde nebenbei gefragt, ob das Ausscheiden vor 4 Jahren vielleicht doch gut war, weil man daraus ja lernen konnte und Costa Rica nicht auf die leichte Schulter nimmt. Das waren die Dinge, die diskutiert worden sind. Nicht die Frage, warum Müllers Bilanz in den Turnieren so grausam ist.