Donnerstag, 2. Juni 2022

Was mich an dem Kroos Interview ja echt stört

 Also gut, ich hab es dann wirklich gemacht. Ich hab mir dieses ominöse Interview wirklich mal angeguckt. Auch wenn ich sonst gar nicht zum Champions League Finale kam. Aber bei dem Shitstorm, den er da ausgelöst hat, muss es ja extrem sein, was er da gemacht. Schließlich springen dem Nils Kaben jetzt alle beiseite. Vom Sportbuzzer bis Sport1.

Lasst uns mal eines kurz klären: Reagiert Toni Kroos dünnhäutig und genervt? Bestimmt. Aber wir reden halt von einem Fußballer, dessen Leistungen in Deutschland nicht annähernd angemessen gewürdigt wird, weil er den Bayern halt den Rücken zugekehrt hat. Das macht man halt nicht. Und dann ist man halt auch der Hauptschuldige, wenn Thomas Müller den Ball am Tor vorbeischießt. 

Nur um das mal festzuhalten: Wir reden hier nicht nur von einem der erfolgreichsten Fußballer der deutschen Geschichte. Wir reden von einem der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten. Kurze Frage: Wie viele Fußballer haben mehr Champions League Titel gewonnen, als Kroos? Die Antwort lautet: Paco Gento. Das war's. Und da hieß das Ding noch "Pokal der Landesmeister"...

Dazu kommt halt dieser ominöse Weltmeistertitel. Wir reden also von einem Spieler, der erfolgreicher ist, als Lionel Messi. Wenn er all diese Erfolge mit den Bayern errungen hätte, würde ihm niemand eine annähernd kritische Frage stellen. Als Beweis bringe ich nochmal den Müller an, den man seit Jahren zumindest im Nationalteam kritisch hinterfragen könnte... Trotzdem reden wir uns ein, dass wir Müller im Winter brauchen, es aber gut ist, dass der "Querpass Toni" endlich weg ist... obwohl Kroos derjenige ist, der im Champions League Finale auf dem Platz stand. Zum 6. Mal in seiner Karriere... 

Aber zum Interview an sich: Als ich die Berichtserstattung über die Berichtserstattung gesehen habe, dachte ich mir: Das muss ja richtig eskaliert sein... Stattdessen hat Kroos schon über eine Minute "geredet", seinen Soll also mehr als erfüllt. Dann hatte er keinen Bock auf kritische Fragen. Das kann man nach einem Triumph durchaus so handhaben. Und anhand der jahrelangen Vorgeschichte kann ich es nachvollziehen. Vor allem ist es auch einfach keine große Nummer.

Da ist absolut nichts passiert, worüber man sich jetzt groß echauffieren muss. Wo man seinem Kollegen beiseite springen und ihn verteidigen muss. Kaben hat, wie alle Journalisten, nach dem Spiel eine dumme Frage gestellt. 90 % dieser Fragen sind dumm. Er hatte das Pech, dass er diese Frage einer Persönlichkeit gestellt hat, die es sich leisten kann, auf die Etiketten zu scheißen. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass sich relativ viele Fußballer dieses "Du hattest 90 Minuten Zeit dir eine gute Frage auszudenken und dann kommst du mit so einem Scheiß" auch gerne mal sagen würden. Sie trauen es sich halt nur nicht. 

Das ist nebenbei keine Kritik an der Arbeit der Journalisten. Sie haben die eigentlich unangenehme Aufgabe aus nach 90 Minuten abgekämpften und emotional aufgeladenen Athleten halbwegs brauchbare Antworten herauszukitzeln... dabei können sie gar nicht so sehr ins Detail gehen, dass es wirklich spannende Interviews geben kann, weil sie auch nur 90 Sekunden Zeit haben. Und in dieser Routine sind dann die Sportler und die Schreiberlinge gefangen. Deswegen hört man immer dieselben Floskeln.

Was mich aber wirklich zu diesem Beitrag bewegt: Warum kriegt Kroos diesen Shitstorm von der Medienseite ab? Warum muss Kroos sich dafür rechtfertigen? Warum wird Kaben von der Bild interviewt? Warum gibt es überhaupt den Versuch einer Versöhnung? Wenn wir doch an ganz anderer Stelle einen viel schlimmeren Vorfall hatten, bei dem alle peinlich berührt weggucken?

Denn eigentlich hätten sich alle so auf den Uli Hoeneß stürzen müssen, als er einem Journalisten mit Hausverbot gedroht hat, weil dieser zu viele kritische Fragen stellt. Aber den FC Bayern zu kritisieren, geht halt nicht, das könnte ja Folgen haben. Da stürzt man sich lieber auf den Spieler, der wahrscheinlich eh nie wieder für eine deutsche Mannschaft spielen wird. Da muss man keine Konsequenzen befürchten.

Und verglichen mit dem Hausverbot, welches dem Bild Reporter angedroht wurde, ist dieses nach 1:30 abgebrochene Interview eine lächerliche Kleinigkeit. Aber mit Kroos kann man's ja machen, der war schon immer eine Projektionsfläche für unangebrachte Kritik.

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