Freitag, 16. Dezember 2022

Marokko war die europäischste Mannschaft, die Afrika je gestellt hat.

 Ich bin nebenbei ein wenig im Paradise Delay, weil das mit dem Konzerte statt Katar ein wenig übertrieben habe. Also eigentlich sollte das hier schon vor dem 2. Halbfinale rauskommen. Aber egal. 

Das Marokko ins Halbfinale eingezogen ist, werden ja sogar die boykottieren Fraktion mitbekommen haben. Ein historisches Ereignis. Was aber niemanden auffällt: Diese Mannschaft kommt genau genommen gar nicht aus Afrika. Also 14 der Spieler wurden in Europa geboren, weil Marokko halt eine ehemalige französische und spanische Kolonie ist. 

Gehen wir die Liste der Leistungsträger mal durch: Torhürer Bono wurde in Montreal geboren. Der hätte also auch für Kanada spielen können. Roman Saiss kommt aus Bourg-de-Péage, Achraf Hakimi aus Madrid. Noussair Mazraoui aus Leiderdorp. Damit wurde aus der Viererkette lediglich Nayef Aguerd in seinem Heimatland geboren

Im Mittelfeld geht es genauso weiter: Amrabat kommt Huizen, Ziyech aus Dronten, Boufal aus Paris und Amallah aus Hautrage. Lediglich Azzedine Ounah wurde in Casablanca geboren. Damit gab es in der Startformation nur 3 einheimische Spieler, weil wir Europäer unsere Stürmer eben nicht teilen. Und ihr dachtet, Katar würde sich seine Nationalmannschaft zusammenkaufen.

Was natürlich so nicht richtig ist, denn die Nationalmannschaft Marokkos ist deswegen so ein bunter Haufen, weil die afrikanische Geschichte und die Kolonialzeit kompliziert sind.

Aber als quasi Fortsetzung des "War das Brasiliens letzte Chance den Titel zu holen" Beitrages ist das wirklich spannend. Denn all diese Spieler wurden nicht nur ein Europa geboren, sie wurden auch dort ausgebildet. Lediglich Bono hat seine Fußballkarriere bei Wydad AC begonnen. Der Rest kommt aus den Akademien in den Niederlanden, Belgien, Frankreich oder Spanien. Sie haben damit alle die taktische Ausbildung und Disziplin, die den Brasilianern laut meiner These fehlen werden.

Und das hat sich ja auch auf dem Platz gezeigt. Bis zum 0:1 der Franzosen war man sich nicht ganz sicher, ob da nicht doch eine von José Mourinho trainierte Mannschaft auf dem Platz stand. Die verbarrikadierten sich vor dem eigenen Strafraum und schoben perfekt die Räume zu, sodass Spanien und Portugal lange zu gar keinen Chancen kamen. Erst als die Marokkaner müde wurden, ergaben sich doch die Räume. Und als die Taktik im Halbfinale umgestellt wurde, ergaben sich die Räume gleich.

Aber dann bewiesen sie nebenbei, wie sich das für eine Mourinho Mannschaft gehört, dass sie durchaus einen gepflegten Ball nach vorne spielen können. Die haben nicht konsequent verteidigt, weil sie nichts anderes können, sondern weil sie genau so spielen wollten. Sie haben halt verstanden, dass man nur so in ein Halbfinale einziehen kann.

Damit will ich die historische Leistung gar nicht kleinreden. Ich will nur verdeutlichen, wie viel Einfluss so eine Ausbildung im europäischen System haben kann. Denn selbst wenn man die individuell schwächeren Spieler als Spanien, Portugal und Brasilien hat, kann man diese bezwingen (oder weiter als sie kommen), wenn man taktisch diszipliniert spielt und etwas Glück hat. Aber das kann halt nur funktionieren, wenn der Nationaltrainer auf die entsprechenden Grundlagen zurückgreifen kann.

Genaugenommen passiert das alles ja auch schon seit Jahren. Also alle Mannschaften aus den Maghreb Staaten wurden immer von in Frankreich ausgebildeten Spielern, die aber für die herausragend besetzte A Nationalmannschaft nicht gut genug sind. Deswegen habe ich ja auch scherzhaft gesagt, dass am letzten Vorrundenspieltag Frankreich II gegen Frankreich III gespielt hat, weil die einen auf ihre erste Formation verzichteten und die Tuniesier halt zu großen Teilen aus diesem Land kommen. Marokko treibt dieses Prinzip halt nur noch auf die Spitze.

Aber ja, das alles könnte bedeuten, dass die Maghreb Staaten in 20 Jahren an Brasilien in der Weltrangliste vorbeiziehen. Klingt noch wie eine absurde These, aber bedenkt, dass die Ausbildung immer besser wird. Gerade die Franzosen sind ja gerade wirklich in der Lage 3 starke Kader zu stellen, wenn alle fit wären und sich alle für Frankreich entschieden hätten.

Man sollte aber auch bedenken, dass dieser Einzug ins Halbfinale nicht bedeutet, dass der afrikanische Fußball entscheidende Entwicklungsschritte nach vorne gemacht hat. Denn all die anderen Nationen, die nicht auf diese Ausbildung zurückgreifen konnten, hatten dieselben Probleme, die sie immer hatten.

Nebenbei profitieren von diesem Austausch ja offensichtlich auch die Franzosen. Da muss man nur mal kurz erwähnen, dass Zinedine Zidane algerische Wurzeln hat.

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