Sonntag, 30. Juli 2023

Worst of des "Das ist plötzlich doch eine richtige WM!" 2. Spieltages

Das war nicht die Form von "Equal Play", die wir alle sehen wollten... Jetzt ist es plötzlich doch wieder so weit, dass Deutschland eine überraschende Niederlage in der Vorrunde erklären muss. Und Martina Voss-Tecklenburg sagt, wenn sie nach einem möglichen Achtelfinale gegen Frankreich gefragt wird, dass man Südkorea halt auch erstmal schlagen muss. Das waren doch auch genau die Worte von Jogi Löw 2018...

Hier muss man mal eines festhalten: Das 0:1 kann passieren. Das ist ein abgeblockter Schuss. Und auch wenn die Expertinnen von "1 Meter Sicherheitsabstand" faseln: Linda Caicedo lässt da 2 Gegenspielerinnen auf engstem Raum aussteigen und streichelt den Ball in den Winkel. Das ist ein Gemälde von einem Tor. Wenn sie das im Schwarz-Weißen Trikot erzielt, wird es garantiert das Tor des Monats. So wird die Sportschau nicht die Eier haben und das Tor in die Auswahl nehmen.
Fairerweise würde ich Caicedo für die ausgelassene Großchance zum 2:0 zum Gomez der Woche küren, wenn sie für Deutschland auflaufen würde...

Aber das eigentliche Problem beginnt nach dem 1:0. Denn auch der Elfmeter zum 1:1 kam, so schön er auch heraus gespielt wurde, mehr oder weniger aus dem Nichts. Zwischen dem überraschenden Führungstreffer in der 52. und dem Spielzug zum Elfmeter in der 88. gab es keinen einzigen Schuss aufs Tor. Und auch keine wirklich heraus gespielte, klare Chance. Eine wirkliche Reaktion sieht anders aus. Da muss man einfach mehr erwarten.

Nebenbei hat man vorher viel darüber geredet, dass man die körperliche Spielweise annehmen wird, aber die einzige, die mit der Härte wirklich klar kam, war Lena Oberdorf...

Und dann lässt man in der 97. Minute Manuela Venagas nach einer Ecke völlig frei zum Kopfball kommen. Man hat die beste Kopfballspielerin der Welt. Und Lea Schüller... Und genügend weitere Spielerinnen im Strafraum. Das ist wieder diese mittlerweile "typisch deutsche" Verteidigung: Man hat halt diese kollektiven Aussetzer, die man sich bei so einem Turnier einfach nicht erlauben kann.

Also ja, die spielen jetzt wirklich wie die Männer. Nur ist das nichts Gutes.

Der Rest des Turniers is, dank einiger doch überraschender Siege von den Philippinen, Nigeria, Marokko und natürlich Kolumbien, um einiges spannender geworden. Dennoch gibt es, aufgrund der Turnierkonstellation einige, nennen wir es "interessante", Szenen. So hatte Lucy Bronze in der Schlussphase in der dänischen Hälfte den Ball am Fuß und wartete darauf, dass sie unter Druck gesetzt wird... mit der "Wir müssen hier nichts mehr tun, wir führen 1:0" Gelassenheit. Und die Däninnen haben sich das angeguckt und gedacht: Wir müssen hier nichts mehr tun, mit einem Sieg und einer knappen Niederlage können wir ganz entspannt ins letzte Gruppenspiel gehen. Wir regeln das dann gegen Haiti. Wenn wir gegen die 2 Tore erzielen, sind wir sicher weiter.

So weit werden die nicht gedacht haben, aber es gab definitiv ein "mit einer knappen Niederlage können wir gut leben" Ansatz. Und ich kann ihnen da auch keinen Vorwurf machen, denn die Logik ist ja grundsolide. Und so tragisch Haitis Niederlagen waren, weil sie kollektiv im "Gomez der Woche" Modus unterwegs sind: Am Ende haben die Dänen im Achtelfinale auch nichts verloren, wenn sie Haiti nicht schlagen. Jetzt werden sie sich natürlich über ein Unentschieden für die nächste Runde qualifizieren und dann hinterher Weltmeister werden...

Die wichtigste Frage ist aber: Sind die Amerikanerinnen "in trouble"? Also sind die am Ende nicht annähernd so tief besetzt, wie alle gedacht haben? ESPN hat die Frage in den Raum geworfen, ob man Julie Ertz nicht zurück auf ihre eigentliche Position ins Mittelfeld vorziehen muss. Und sie kommen zu dem Schluss, dass man das nicht kann, weil man einfach keine Verteidigerinnen hat, die die dann hinten entstehenden Lücke schließen kann. Das bedeutet auch nur: Die sind eine einzige Verletzung von einer defensiven Katastrophe entfernt. Nebenbei spielen die nur mit 2 gelernten Verteidigerinnen in der Viererkette.
Und vorne fragen sich alle, warum Trainer Vlatko Andonovski nicht wechseln wollte. Er selber wollte den guten Rhythmus, den man gefunden hatte, nicht unterbrechen. Ähm... ok. Also der Ausgleich fiel halt auch ein wenig aus dem Nichts. Und Alex Morgan war nicht wirklich ins Spiel involviert. Trinity Rodman wirkte auf viele eindeutig müde. So kam man zwar in den letzten 10 Minuten zu einigen Abschlussaktionen, aber die brachte Rodman halt konsequent nicht aufs Tor.

Nebenbei sagt Andonovski damit auch, dass er eine Megan Rapinoe nicht mehr zutraut, auf ein enges und umkämpftes Spiel als Einwechselspielerin einen positiven Einfluss zu nehmen. Und Alyssa Thompson traut er das anscheinend noch nicht zu. Bei einer souveränen Führung kann man die bringen, aber wenn das Spiel auf Messers Schneide steht, lässt man sie lieber draußen. Das war definitiv nicht die Botschaft, die er damit senden wollte...

Oh und zu guter Letzt ist es als Trainer auch irgendwie deine Aufgabe den Rhythmus aufzubrechen und neue Impulse zu setzen. Also eine Sarina Wiegmann würde das als etwas Positives betrachten. Die würde das durchaus vorhandene Potenzial auf der Bank eiskalt nutzen, um den Gegner vor neue Aufgaben zu stellen. Wenn Andonovski nicht nur nach Ausreden gesucht hat, sondern das wirklich seine Haltung ist, wird die Wiegmann den so was von ausmanövrieren..

Freitag, 28. Juli 2023

Die einzige Zweitliga-Vorschau, die ihr braucht

Weil sie euch nebenbei die Altersvorsorge sichert. Vertraut mir. Der Ausgang der Aufstiegsrennen steht schon fest. Also zumindest für einen der beiden zu vergebenden Plätze.

Denn der 1. FC St. Pauli wird aufsteigen und der HSV nicht. Letzteres ist dabei natürlich keine Sensation, aber beim ersteren bin ich mir extrem sicher. Warum? Nun ja, St. Pauli wird in den nächsten 10 Jahren in der Champions League spielen. Das steht jetzt schon fest. Setzt da 10 Euro drauf und wartet ab. Und dafür müssen sie halt erstmal aufsteigen.

Woher ich das weiß? Weil es in diesem Sommer eines dieser kosmologischen Ereignisse gab, die langfristig immer mit unerwarteten Champions League Teilnahmen endeten.

Also kurz zur logischen und konsequenten Erklärung: Am 29. Juli 2016 segnete die großartige Beyoncé in meiner Anwesenheit im Rahmen der Formation World Tour die Commerzbank Arena in Frankfurt. Mit dieser Tournee begab sie sich auf ein völlig neues Level. Ich bleibe dabei, dass es das beste Konzert sein wird, welches ich je gesehen habe, schließlich hat die sich ein Planschbecken auf die Bühne gestellt...
Eintracht Frankfurt war damals noch eine Graue Maus in der Bundesliga. Sie beendeten die Saison auf dem Relegationsplatz und waren froh, dass sie nicht in die 2. Liga mussten, auch wenn sie es verdient gehabt hätten. Wenn den Fans damals jemand gesagt hätte, dass sie 6 Jahre später plötzlich fast schon ein Stammgast im europäischen Geschäft sind... und sich über diesen Wettbewerb für die Königsklasse qualifizieren würde. Ihr hättet denjenigen für bekloppt erklärt und hättet einfach nur 6 Jahre ohne Abstiegskampf schon als Segen empfunden. Und ja, es gibt keine sachlichere Erklärung als einen göttlichen Segen.

Aber ich sehe das ja ein: Es kann gar nicht sein, dass es da einen Zusammenhang gibt. Und ich kann eure Skepsis verstehen, wenn es sich hier um einen Einzelfall handeln würde. Aber dann sah die Beyoncé mit ihrem Ehemann am 28. Juni 2018 im Rahmen der On The Run II Tour im Berliner Olympiastadion. Nicht ganz so überragend, aber sie musste halt auch Jay-Z durch die Show schleppen. Und immer noch verdammt gut.
Nun könnte man die jüngere Entwicklung der Hertha als absolutes Totschlagargument ansehen, dass dieses ganze Segnungsgelaber absoluter Blödsinn war. Habe ich ja auch gemacht, deswegen habe ich mich am Ende auch nach Hamburg ins Volksparkstadion getraut. Aber dann fiel mir auf: Wir haben ja gar nicht den Verein, sondern das Stadion gesegnet.
Und jetzt ratet mal, was die UEFA diesen Sommer beschlossen hat: richtig, dass man in der Alten Försterei keine Champions League spielen kann. Also mussten die sich ein größeres Stadion für ihre Heimspiele in der Königsklasse suchen. Zum Glück gibt es da eines, welches auch gerade unter der Woche nicht benutzt wird. Und so wird im Jahr 2023 plötzlich doch wieder Champions League in genau dem Stadion gespielt, in dem ich Beyoncé gesehen habe.
Union Berlin war 2018 noch ein unbedeutender Zweitligist. Die haben vielleicht daran geglaubt, dass ein Aufstieg möglich wäre, aber ein Einzug in die Champions League? NIEMALS! Ausgeschlossen. Das kann gar nicht passieren. Wenn, dann nur mit ganz dunkler Magie! Oder halt göttlicher Intervention...

An der Stelle sollte nochmal kurz darauf hingewiesen werden, dass in der "Damals hieß das noch O2 Arena" ein Final 4 im Basketball ausgetragen wurde, nachdem ich dort auf einem meiner ersten Beyoncé Konzerte war. Das ist quasi das Champions League Äquivalent für kleinere Arenen.

Am 21. Juni hieß es dann: Renaissance World Tournee im Volksparkstadion. Und ich war anwesend, auch wenn ich fast an der "UnabsteigBar" hängen geblieben wäre. Von hier gibt es also nur 2 Möglichkeiten: Entweder der 1. FC St. Pauli steigt überraschend auf und wird dann sensationell Vierter. Oder der Hamburger SV gewinnt erst den DFB-Pokal und dann die Europaleague. Und ja. das halte ich für wahrscheinlicher als einen Aufstieg des HSVs.

Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss im Hintergrund die Fäden ziehen, damit Beyoncé und ich uns zeitnah im Ostseestadion sehen.

Donnerstag, 27. Juli 2023

Um noch mehr Spaß mit dem Spielplan zu haben:

 Es ist wirklich faszinierend, wie viele "Neue Ansetzungen" es bei dieser WM so gibt. Also Duelle, die es im Frauenfußball noch nie gegeben hat. Am extremsten ist dies in der Gruppe H, denn alle 4 Teilnehmerinnen spielten noch nie gegeneinander. ALLE 4. Das ist die Deutsche Gruppe, falls ihr das nicht wusstet.

Ratet mal kurz, wann die Männer das letzte Mal gegen einen komplett unbekannten Gegner bei einer WM antreten durften. Nun ist das natürlich auch ein wenig unfair, weil die ja nur die nötigsten Spiele bei so einem Turnier bestreiten.

Dennoch lautet die Antwort: Ecuador 2006. Fun Fact: Direkt davor spielte man zum ersten Mal gegen Costa Rica... Es gab also fast dieselbe Konstellation. Alle Spiele zwischen Deutschland und Costa Rica endeten nebenbei mit einem 4:2 Sieg. Falls ihr einen Geheimtipp fürs Tippspiel im Jahr 2038 braucht. Seit dieser historischen Ansetzung gab es trotz des Versagens der Neuzeit gab es 24 WM-Spiele gegen "Exoten" wie Algerien, Australien, Japan und Südkorea. Dazu all die Klassiker. Und man durfte gegen neu gegründete Nationen wie Serbien antreten. Trotzdem schob man vor der WM 2010 noch schnell ein Testspiel gegen die ein.

Dabei ist die "Deutsche Gruppe" nur das absolute Extrem, aber so was gibt es in jeder Gruppe. Auch Vietnam spielt ausschließlich gegen neue Gegner. Die Philippinen spielten bisher nur gegen Neuseeland, die Schweiz nur gegen Norwegen. Die Schweizerinnen konnten noch nie ein Tor gegen ihre Gruppengegner erzielen. Irland - Nigeria ist ebenfalls neu. Sambia und Haiti betreten absolutes Neuland. Panama spielte noch nie gegen Frankreich und Brasilien, Südafrika noch nie gegen Argentinien und Italien.
(Und ja, falls das nicht offensichtlich ist, all diese Informationen kommen aus dem FFussball Magazin...)

Ich stelle hier mal ganz dreist die These in den Raum, dass es beim Männerfußball noch nie eine 4-er Gruppe aus ausschließlich neuen Ansetzungen gab. Weil es Vierergruppen ja auch erst seit 1950 gibt... Aber das ist nicht der einzige Grund, für diese Ausnahmekonstellation.

Denn 1.) ist Frauen-Fußball immer noch eine verdammt neue Idee. Also es fehlen halt 100 Jahre Geschichte. Kanada konnte gerade Olympia-Sieger werden, obwohl es im eigenen Land nicht mal eine Profiliga gibt. Panama absolvierte das erste offizielle Frauenländerspiel im Jahr 2002. Die Deutschen Herren kommen auf 1.001 Länderspiele, die Frauen kommen nur auf 516. Da fehlen halt so 80 Jahre, in denen man im Herrenbereich alle möglichen Ansetzungen durchgespielt hat.

Dazu kommt, dass der Frauenfußball gerade extrem schnell am Wachsen ist. Um mal das offensichtliche zu sagen. Und zwar nicht nur in den "großen Traditionsnationen", sondern auch bei den vermeintlich Kleinen, die wirklich als neue Mannschaften zum Pool hinzugefügt werden.

Noch viel interessanter ist aber, dass der Frauenfußball auch wirklich global am Wachsen ist. Und das wirkt sich halt auch auf das Teilnehmerfeld bei den Turnieren aus. Also ganz konkret: Die Top 10 der Fifa Weltrangliste vor dem Turnier in Katar bestand aus Brasilien, Argentinien und 8 Europäern. Mexiko ist der erste Eindringling aus Nord- und Mittelamerika in diesem elitären Kreis... als 13. der Weltrangliste. Polen und Serbien waren die einzigen europäischen Teilnehmer, die nicht in der Top 20 gelistet wurden. Senegal halt es als einzige afrikanische Nation geschafft, vor dem Turnier vor europäischen Nationen zu stehen. Auf der anderen Seite kommen die letzten 10 Nationen allesamt nicht aus Europa... Es ist halt schon viel Wahres an der "Eine WM ist wie eine EM mit Brasilien und Argentinien" Aussage: Wenn eine andere Nation ins Halbfinale einzieht, ist das immer eine große Überraschung.
Jetzt gucken wir uns mal den Frauenfußball an. Da sie die Amerikanerinnen auf Platz 1. Kanada ist auf Platz 7, Australien auf Platz 10. Nur 6 der 10 Nationen kommen aus Europa. Die Japanerinnen stehen als beste asiatische Mannschaft auf Platz 11. Oder gelten die Australierinnen hier auch als Asiaten? Gute Frage.  China liegt, der Vollständigkeit halber, auf Platz 14. Auf jeden Fall ist die Spitze weltweit verteilt, was bei den Herren einfach mal nicht der Fall ist.

Das führt aber in der logischen Konsequenz dazu, dass die CONCACAF ein Land mehr schicken darf oder muss. Dass Südostasien mit 5, und nicht nur mit 2, Nationen vertreten sind. Und damit werden die Wege auf ein Mal wesentlich weiter, was halt auch nicht unterschätzt werden darf.
Also das eine und auf Ewigkeiten einzige Testspiel gegen Vietnam am 24.06. war ja einer absoluten Ausnahmesituation geschuldet: Die Asiatinnen bereiteten sich gezielt in einem langfristigen Vorbereitungscamp in Europa auf die WM vor und die deutsche Mannschaft suchte nach einem Testspielgegner aus dem asiatischen Raum, damit sie sich auf Südkorea einstellen können. Diese Konstellation wird nie wieder eintreten. Selbes gilt praktisch für Sambia. Und ja, dank dieser beiden Spiele bestreitet Deutschland gerade 5 Spiele in Folge gegen neue Gegner. Aber solche Gegner stehen halt wirklich nur in Ausnahmefällen

Aber nach der WM wird man wieder in den gewohnten Trott aus Quali und Testspielen gegen die USA zurückfallen... und der Teilnahme am Algarve Cup, der aber auch eher eine geschlossene Gesellschaft ist. Also hier ist mal eine drastische Statistik: Zwischen dem WM-Achtelfinale am 22.06.2019 gegen Nigeria und dem Testspiel gegen Sambia am 24.06.2023 hat Deutschland kein einziges Spiel gegen eine afrikanische Nation bestritten. Das waren 4 Jahre... und wer das nur auf die Pandemie schiebt: In dem Zeitraum spielte man gegen die USA und Australien...

Das ist halt die letzte Wahrheit: So bunt verteilt die Weltrangliste auch ist, es gibt doch noch einige dunkele Flecken, die nur ganz langsam erschlossen werden. Deswegen wird Nigeria als beste afrikanische Mannschaft auf Platz 40 geführt. Und Nigeria ist die einzige Mannschaft, die tatsächlich mithalten kann. Der Rest sind Nationen, die nur und ausschließlich bei der WM auf dem Radar auftauchen und danach wieder komplett verschwinden werden, weil die "großen Nationen" auch einfach wenig Sinn darin sehen, gegen diese Nationen Testspiele zu absolvieren. Man muss an der Stelle auch erwähnen, dass die Geschichten um den Trainer aus Sambia echt mit einer Triggerwarnung kommen sollten. Was man von dort hört, ist auch richtig finster. Und gerade weil Sambia hinterher wieder für 4 Jahre von der Bildfläche verschwindet, wird der Typ damit auch durchkommen.
Genau deswegen ist es auch so wichtig, dass Marokko als erste muslimische Nation an einer Frauen-WM teilnimmt. Also das ist zumindest ein deutliches Zeichen, dass sich auch in diesen Regionen etwas tut, aber der Weg ist noch echt weit.

Das ist ja auch einer der Gründe, warum ich doch weiterhin von der "Frauenfußball-WM" und nicht einfach von der "WM 2023" rede: Es gibt halt zu viele Narrative, die nur funktionieren, weil wir hier über Frauen-Fußball reden. Und ja, da wird in den nächsten Wochen noch ein bisschen was auf uns zukommen. Oh und ich muss die ganzen homophoben Hackfressen wie Wladimir Putin oder Tamim bin Hamad Al Thani nicht die ganze Zeit im Bild sehen, was das Turnier auch einfach wesentlich angenehmer macht.

Das ist nebenbei etwas wirklich Angenehmes. Also ja, hin und wieder werden auf einzelne Fans mit kreativen Kopfbedeckungen eingeblendet... Aber es wird nie auf irgendwelche Politiker, Promis oder sonstige Problemkinder auf der Tribüne gezoomt. Ich musste Gianni Infantino noch nicht ein Mal sehen. Ich weiß nicht mal, ob der überhaupt schon vor Ort ist. Während der Übertragung liegt der Fokus einzig und allein auf dem Sportlichen und die Wahrheit ausschließlich auf dem Platz.

Mittwoch, 26. Juli 2023

Warum die Männer nie in Australien spielen werden

 Denn mit Frauen kann man's ja machen. Die sind halt flexibel.

Aber ja, Australien ist auch eine dieser Nationen, die die WM 2022 nicht austragen durften, weil das unbedingt nach Katar vergeben werden musste. Die hatten sogar bekannt gegeben, dass sie sich erneut bewerben, wenn die WM entzogen und neu vergeben wird. Als hätten die dann eine Chance gehabt. Und jetzt machen sie einen auf Marokko und bewerben sich so lange, bis sie das Turnier kriegen. Kurzer Spoiler: Es wird eher als Co-Host nach Marokko gehen.

Dafür gibt es einen banalen, aber nachvollziehbaren Grund: Die Anstoßzeiten sind halt katastrophal, das machen wir nicht mehr. Natürlich könnt ihr jetzt mit "Aber Südkorea und Japan im Jahr 2002!!!" Da wurde das Finale doch auch um 13 Uhr angepfiffen und wir haben es überlebt. Da mussten die Kinder auch zur Schule, als Deutschland gespielt hat. Fun Fact, mein ehemaliger Bandkollege und Klassenkamerad hat mir hinterher erzählt, dass ein Lehrer während der Klausur die Zwischenergebnisse während einer Klausur auf die Tafel geschrieben hat... Ich kann das nicht bestätigen, ich habe die Spiele morgens um 3 in den USA gesehen.

Aber die bittere Wahrheit ist auch: Die Weltmeisterschaft damals hat ihre Notwendigkeit getan und den Markt erschlossen. Mittlerweile können, auch wegen der WM damals, all die großen Vereine im Sommer ihre eigenen Touren durch den Fernen Osten planen und dadurch Umsätze generieren. Und trotzdem jammern sie weiterhin, wenn sie ihre Stars zur Nationalmannschaft abstellen müssen, anstatt dankbar zu sein, dass diese ihnen diese Märkte eröffnet haben. Aber das ist halt die Ignoranz der Vereinsmannschaften, die tatsächlich glauben, dass sie sich die erdrückende Position im Weltsport ganz alleine aufgebaut haben. Das wird man aus einem Rummenigge auch nicht mehr rausbekommen. Das ist ein alter, weißer Mann, dessen Überzeugungen sind fest verankert, auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen.

Wenn man heutzutage noch einen neuen Markt mit der WM erschließen will, müsste man die auf dem Mars stattfinden lassen. Oder vielleicht noch in China, aber dann macht man das direkt in China und nicht in Australien. Sein wir kurz ehrlich: Wenn China mit der WM Bewerbung für 2030 Ernst macht, können alle anderen ihre Bemühungen einstellen... dann wird die WM dahin gehen.

Erschwerend hinzu kommt, dass Australien verdammt groß ist... und Neuseeland weiter weg, als man denkt. Zwischen Perth an der Westküste und Auckland im Osten liegen auch nochmal 4 Stunden Zeitverschiebung. Und um die ganze Sache noch lustiger zu machen, hat das Hindmarsh Stadium in Adelaide seine eigene +9 1/2 Zeitzone. Immerhin spielt niemand in der +8 3/4 Zeitzone, die es auf dem Kontinent auch gibt. Oder auf den +12 3/4 Chatham Island, auch wenn die theoretisch zu Neuseeland gehören. Die Zeitzonen "da unten" sind echt seltsam.

Jetzt versucht die Fifa jedenfalls das Bestmögliche aus diesen Zeitverschiebungen zu machen... und die Spiele so anzusetzen, dass sie für die entsprechenden Märkte halbwegs konsumierbar sind. Und was kommt dabei raus? 15 unterschiedliche Antoßzeiten nach MESZ:
2:00, 3:00, 4:30, 6:30, 7:00, 7:30, 9:00, 9:30, 10:00, 10:30, 11:30, 12:00, 13:00, 14:00,  14:30. Wo ist eigentlich die Pro 15:30 Fraktion, wenn man sie mal braucht? Fun Fact: Vor Ort gibt es "nur" 13 unterschiedliche Anstoßzeiten.

Um das mal zu verdeutlichen: Bei der Herren-WM gab es 5 Anstoßzeiten. Da ging es jeden Tag um 11 Uhr los und dann gab es im 3-Stunden-Rhythmus das nächste Spiel. Einzig am letzten Spieltag mit den Parallelspielen ging es erst 16 Uhr los.

Die 8 Achtelfinale 2022 wurden jeweils zur selben Zeit angepfiffen: 16 und 20 Uhr. Die 8 Achtelfinale dieses Jahr haben 8 unterschiedliche Anstoßzeiten. Von Morgens um 4 bis Mittags um 13 Uhr ist da alles dabei. Auf ein Mal wird die gestern erwähnte eine gute Seite im Kicker Sonderheft verdammt wichtig, weil man halt jedes Mal nachgucken muss, wann eigentlich gespielt wird.

Auch sind die Pausen zwischen den Spielen extrem unterschiedlich. Die längste Pause sind 6 1/2 Stunden zwischen dem designierten Abpfiff Argentinien - Südafrika und dem Anpfiff England - Dänemark am Freitag. Wie oft sollen die denn da ins Deutsche Lager schalten, damit sie die Zeit rumkriegen? An anderen Tagen liegen zwischen den Spielen gerade mal 30 Minuten, was extrem eng werden kann, wenn 10 Minuten Nachspielzeit dazukommen... Pro Halbzeit.

Aber hinter diesem Chaos steckt tatsächlich ein extrem durchdachtes System von der Fifa. Dafür haben sie wirklich Respekt verdient. Die Amerikanerinnen spielen zum Beispiel sehr konstant um 3 Uhr Morgens. Oder um 4. Was bei - 6 Stunden nach New York auch nur bedeutet, die dürfen in den USA zur Primetime ran. Auch im designierten Viertelfinale spielen die um 17 - 21 Uhr Ortszeit. Absolut perfekt. Nur das letzte Gruppenspiel muss dann halt zeitgleich mit der Konkurrenz angepfiffen werden und findet deswegen Nachts um 3 statt. Aber da sollte es ja um nichts mehr gehen. Hoffentlich ruiniert die Niederlande dieses Konzept nicht.

Die Deutschen spielen dagegen zwischen 10:30 und 13 Uhr. 13 Uhr steht aber nur auf dem Plan, wenn sie die Gruppenphase verkacken und "nur" Zweiter werden. Was man bei der Frauenmannschaft halt so als "verkacken" bezeichnet.

Ein wirklich spannendes Detail ist hierbei nebenbei das Viertelfinale 4. Denn nach mathematischer Logik müsste dieses Spiel "Sieger AF 6 - Sieger AF 8" lauten. Aber die Fifa denkt sich: Fuck it, wenn wir heimlich das Viertelfinale 3 mit dem Viertelfinale 4 tauschen, dann findet das designierte Deutschland - England Spiel um 12:30 MESZ statt... und das wird schon niemand bemerken. Doch, ich habe es bemerkt und ich finde es großartig. Denn die Fifa hat bei diesem Turnier das sture "Wir setzen erst die Partien an und losen dann aus" Dogma komplett aufgegeben, damit jede Nation das bestmögliche Turnier erleben kann. Und ja, es ist ein deutlicher Trend zu erkennen, dass Kanada, die USA und Kolumbien die Nachtschichten übernehmen. Und die Gegner (also auch die europäischen) müssen sich halt nach den bekannteren Mannschaften ausrichten. Die eine Ausnahme ist da Brasilien und Argentinien, die konsequent zu beschissenen Zeiten in der Heimat antreten müssen. Aber Brasilien hat mit -13 Stunden zu Sydney auch einfach die schlechteste Voraussetzung. Und Argentinien hat auch deswegen das einzige "2 Uhr Spiel" zugewiesen bekommen. Das einzige Rätsel bleibt da, warum Brasilien - Panama um 13 und nicht um 2 Uhr angesetzt wurde. Das ist so ziemlich das einzige Spiel, was um 7 beziehungsweise 5 Uhr Ortszeit angepfiffen wird.
Aber ja, die Barsilianerinnen sind in der seltsamen Position, dass es für sie wahrscheinlich das Beste ist, wenn die Spiele in Rio de Janeiro ganz früh laufen, damit die Fußballfans erst gucken und dann zur Arbeit können.

Das ist nebenbei das größte Versagen der Fifa: Wenn die Deutschland um 5 angesetzt hätten, hätten wir Deutschen endlich mal wieder einen richtig schönen Autokorso durch die Innenstädte veranstalten können. Also wie jeden Morgen, nur mit Deutschlandfahnen...

Was nebenbei auch nicht erklärbar ist: Warum hat Kanada gerade um 14 Uhr gegen Irland gespielt, wenn deren erstes Spiel doch um 4:30 stattgefunden hat? Und der Nachtslot auch frei gewesen wäre? Aber vielleicht wusste die Fifa schon, dass die Kanadier die ersten 3 Halbzeiten bestreiken würden und es da dann eben nichts zu sehen gibt.

Der große Nachteil daran ist halt, dass die Spiele auch mal um 12 Uhr Ortszeit angepfiffen werden. 
Aber jetzt findet mal einen Bundesligaprofi, der um 12 schon seine Topleistung abrufen könnte? Da steht der gemeine Bundesligaprofi doch gerade erst auf. Also ja, es könnte sich auf die Leistungen auswirken, dass man so ungewöhnlich früh Höchstleistungen bringen muss, weil der Körper halt einfach einen anderen Rhythmus gewohnt ist. Und Gewöhnung ist hier etwas ganz Entscheidendes, bevor jetzt jemand jammert, dass er ja jeden Morgen um 7 zur Arbeit muss: Wenn man daran gewöhnt ist, ist das kein Problem. Aber ein Körper stellt sich halt auf eine gewisse Erwartungshaltung ein, wenn die gebrochen wird, gibt es Probleme.

Aber um den Bogen zu schlagen: Auch wenn ich durchaus erwarte, dass die Fifa auch bei der nächsten WM in Nordamerika die Anstoßzeit wieder so flexibel verteilen wird, bezweifle ich halt doch, dass sie ihr absolutes Flaggschiff jemals nach Australien vergeben werden, weil es halt für die wichtigsten Märkte einfach nur beschissen ist. Und am Ende entscheiden halt doch wir Europäer, wann und wo gespielt wird.

Dienstag, 25. Juli 2023

Um die unepische Triologie an Sonderheftkritk zu vollenden

 Gibt es jetzt ein: Na also, es geht doch. Auch wenn es das nur noch ärgerlicher macht, dass ich dem Kicker beim Geld gegeben habe.

Also nachdem ich mit dem Sonderheft des führenden ehemaligen Fachmagazins so unzufrieden war, habe ich mich mal umgeschaut, was es sonst so gibt... und das "Sonderheft" von FFussball gefunden. Was aber auch direkt zum größten Problem führt. Denn während das Kicker-Sonderheft überall ausliegt und einfach aufgegriffen werden kann, wird diese eigentlich "nur" ganz normale Ausgabe für Juli/August 2023 nur von ausgewählten Läden vertrieben. Ich musste also entweder Versand bezahlen oder rausfinden, welches der eine Laden in meiner Stadt ist, der die Ausgabe rumliegen hat. Und dann stellt man fest, dass es in ganz Sachsen ungefähr 6 Anlaufstellen gibt... zum Glück war meine um die Ecke.

Aber ganz ehrlich: Wenn ihr irgendwelches Geld in die Frauen-WM steckt, dann holt euch dieses Magazin. Es ist das Heft, welches ihr nebenbei auf dem Couchtisch liegen haben werdet, während die Spiele auf dem Bildschirm flackern. Denn dieses Heft hat all das gemacht, was ich mir vom Kicker erwünscht hätte:

3 Seiten zu jeder Mannschaft. Einzelbilder zu jeder Spielerin. Eine grundlegende taktische Ausrichtung und jeweils 20 Zeilen zu einer einzelnen ausgewählten Spielerin. Für jede Mannschaft! Auch für Vietnam, deren Startaufstellung halt eher wie die Übung für eine Rhythmusgruppe klingt.

Ernsthaft, ich übertreibe da nicht. Lest die Startaufstellung schnell hintereinander: "Thi Kim Thanh Tran - Thi Thu Thao Tran, Thi Thu Thuong Luong, Thi Diem My Le, Thi Thu Tran, Thi Loan Hoang - Thi Hai Linh Tran, Thi Bich Thuy Nguyen, Thi Thao Thai, Thi Tuyet Dung Nguyen - Nhu Huynh" 

Eine von denen spielt in Europa. Es ist die einzige ohne Thi im Namen... Und ja, wir reden hier über eine Mannschaft, die die WM wahrscheinlich mit 0 Punkten und 0:9 Toren beenden wird. Trotzdem haben die einen sich die Mühe gemacht und ordentlich recherchiert... während die anderen stolz darauf waren, dass sie ein Mannschaftsfoto gefunden haben. Fun Fact: Das so hart recherchierte Foto ist die Startaufstellung vom Testspiel gegen Deutschland. Also das bestätigt mir die FFussball Redaktion, die dasselbe Foto verwenden, aber erklären bei den Mannschaftsfotos jeweils erklären, wo sie es herhaben.

Und ja, diese Selbstbeweihräucherung vom Jakob triggert mich nach wie vor dermaßen. Ich hätte mir wahrscheinlich diese ganzen Rants gespart, wenn er nicht diese absolute ignorante Arroganz ins Vorwort gepackt hätte. Die "besonders aufwändige Kleinarbeit" bestand also in diesem Fall aus einem "War beim Testspiel der eigenen Nationalmannschaft anwesend." 

Aber während der Kicker nur ein kleines, an sich schon in der Redaktion arbeitendes Team hatte, konnte die Konkurrenz richtige Expert*innen aus den entsprechenden Ländern zurückgreifen. Also um das mal zu verdeutlichen: Fürs Kicker Sonderheft durften Susanne Müller und Annika Fröhlich jeweils einen Beitrag zur Teamvorstellung einreichen. Und Frau Müller durfte das Quartier vorstellen. Im FFussball-Magazin schreiben Karen Ariza Carranza, Juliet Bawuah, Fatih Oluchi Meremegbunam und Atumke Kwaleh Nangewei 4 Frauen aus Kolumbien, Ghana, Nigeria und Kamerun... Und noch weitere Experten, die sich wirklich mit dem Frauenfußball beschäftigt haben. Frank Hellman zum Beispiel, der alleine für diese WM schon eine beeindruckende Liste an Artikeln online hat.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der Kicker eigentlich die wesentlich größeren finanziellen Möglichkeiten haben sollte, um solche Leute für ein Sonderheft anzuheuern. Aber es wäre wahrscheinlich zu viel Recherchearbeit gefordert gewesen, um diese Leute zu finden.

Was auch superfaszinierend ist: Die behandeln die Deutsche Mannschaft nicht anders, als die anderen 31 Teilnehmer. Eher im Gegenteil, aber dazu gleich. Es gibt auch für die nur die 3 Seiten, denn die Redaktion wird sich auch gedacht haben: Über die wissen unsere Leser*innen ja schon Bescheid, wenn sie sich für Frauenfußball interessieren. Dadurch erschafft man sich den Platz für die anderen Nationen, über die halt teilweise niemand etwas weiß. 

Und ja, es ist ein sehr gutes Zeichen, dass es inzwischen auch schwer ist, neue Geschichten zu den bekannten Gesichtern auszugraben. Vor allem, weil die Geschichten ja am Ende, aufgrund des geringen Platzes, doch eher oberflächlich bleiben müssen. Aber am Ende ist es auch ein mutiger Schritt, die gesamte WM als Verkaufsargument zu nehmen und nicht nur auf die sichere Bank "Deutsche Mannschaft vorstellen" zu setzen. Denn das Magazin mit den 5 Deutschen Damen auf dem Cover würde sich auch dann besser verkaufen, wenn beide Ausgaben direkt nebeneinander liegen. Und der gemeine Patriot guckt sich das halt an und denkt sich "Viel zu wenig SCHLAND!!!" Der hat aber anscheinend auch nicht die Aufmerksamkeitsspanne um zu bemerken, dass er all die Geschichten schon kannte...
Das ist ja das frustrierende am "Der Markt regelt das!" Denn auf diesem Markt wird halt das objektiv schlechtere Produkt gewünscht und verkauft. Während der Qualitätsjournalismus am Hungertuch nagt. Das Kicker-Sonderheft wird halt in der 50.000er Auflage gedruckt, vom FFußball gibt es nur 10.000 Exemplare...

Nach diesem Lobgesang müssen aber auch einige Fehler angesprochen werden. Also dass laut FFussball Lea Schüller im Sturm gesetzt ist und Alex Popp "für die Defensive" eingeplant ist, ist schon ein grober Patzer. Also ja, Popp ist physisch eine derartige Ausnahmeerscheinung, dass sie quasi überall gehobenes Niveau repräsentiert, aber sie ist derzeit wieder eher als Stürmerin unterwegs. Ins Mittelfeld wechselt sie nur, wenn Schüller als Joker kommt. Das hat mich dann allgemein ein wenig zweifeln lassen, aber zumindest so weit ich das verfolgen konnte, haben die anderen vorgestellten Stars auch in den jeweiligen Rollen gespielt. Oh und das Einzelporträt von Mary Fowler fehlt einfach, obwohl sie im Fließtext für Australien erwähnt wird. Dass einzelne Spielerinnen am Ende doch nicht nominiert werden, ist ja relativ normal, aber dass man eine der designierten Stars vergisst... Ist ein bisschen, als würde man den Unterschied zwischen Dänemark und Norwegen nicht erkennen...

In der Summe braucht man, wenn man sich das richtige Sonderheft gekauft hat, nur noch eine einzige Seite von dem Kicker-Exemplar: Seite 82. Dort werden alle Anstoßzeiten aufgelistet, und warum das wichtig ist, erkläre ich euch morgen.

Montag, 24. Juli 2023

Worst of des ersten Spieltages

 Der ist ja quasi durch. Es fehlt nur noch Kolumbien - Südkorea. Da hat man ja beinah alles gesehen.

Und ganz ehrlich: Das Turnier leidet halt gerade extrem unter der traditionellen Anfangsphase so eines Turniers. Oder anders ausgedrückt: Es ist ganz schön zäh. Was sich auch an einem ganz einfachen Fakt festmachen lässt: Lediglich in einem Spiel haben beide Mannschaften ein Tor erzielt. Damit konnte ein Rückstand auch nur ein Mal zu einem Sieg umgedreht werden.

Gleichzeitig erzählen einem dann alle, dass es auch im Frauenfußball keine kleinen mehr gibt... aber einer realistischen Überprüfung hält diese Aussage einfach nicht stand. Denn die Mannschaften ab Rang 17 der Weltrangliste haben insgesamt 2 Tore erzielt und 5 Punkte geholt. Dafür gab es 11 Niederlagen und 29 Gegentore. Also Jamaika holte ein überraschendes Unentschieden gegen die Französinnen, bei denen sich Diani für den Titel "Gomez der Woche bewerben wollte. Kanada patzte gegen Nigeria und verdeutlichten, dass ihre Fixpunkte einfach zu alt sein könnten. Neuseeland schlug zum Auftakt Dänemark Norwegen, die halt nachweisen mussten, dass sie nur die besseren Einzelspielerinnen haben. Das war's aber auch mit Überraschungen. Und klar. Kolumbien oder Südkorea wird diese Bilanz aufbessern, da sie auf Platz 25 und 17 der Weltrangliste stehen und gegeneinander spielen...  

Der Spielplan ist aber auch ein wenig unglücklich, schließlich gab es mit Dänemark - China nur ein Spiel von 2 "guten Mannschaften" (also die innerhalb der Top 16 liegen). Am nächsten Spieltag sieht das mit USA - Niederlande und Frankreich - Brasilien schon viel besser aus. Wie das Turnier wirklich aussieht, sollte man erst beurteilen, wenn solche Spiele ausgetragen wurden.

Wenn es jetzt willkürlich wirkt, das Feld nach Rang 16 zu teilen: Das ist halt genau die Hälfte des Teilnehmerfeldes. Und da ist ein deutliches Leistungsgefälle. Man merkt das halt auch, weil die "schwächere Hälfte" auch vollkommen mit einem Unentschieden oder einer knappen Niederlage zufrieden wären. Deswegen traute sich Irland erst in der Schlussphase wirklich nach vorne zu spielen... und die Reaktion der Australier war weit weg von souverän. Wenn Irland sich 15 Minuten früher mehr zutraut, schießen die den Ausgleich.

Oder die angesprochenen Jamaikanerinnen: Die fingen als eine der wenigen Außenseiter mutig an und pressten sogar am gegnerischen Strafraum. Aber je länger das Spiel dauert, umso weiter zogen sie sich zurück. Und umso länger lag die Kapitänin Kadija Shaw am Boden... so als wollte sie die Aussage von Sophia Kleinherne widerlegen: Es gibt doch weibliche Neymars, die minutenlang am Boden liegen bleiben. Aber wenn ein Unentschieden gegen einen angeblichen Titelfavoriten der größte Erfolg der Verbandsgeschichte darstellt, reizt auch Frau halt alle Möglichkeiten aus.

Das war schon beim EM Finale so, das ist auch jetzt in der Vorrunde so. Wobei ich da nochmal einschieben muss, dass es echt traurig ist, wie einige jetzt das gesamte Turnier auf die letzten 10 Minuten Zeitspiel reduzieren und behaupten, dass das ja von den Engländerinnen furchtbar war. Dass die mutig und offensiv gewechselt haben, deswegen aus logischer Konsequenz das Führungstor erzielt und sich damit die Möglichkeit des Zeitspiels erarbeitet haben, wird komplett ignoriert. Genau sie, wie es ignoriert wird, dass unsere Damen bei eigener Führung genau so agiert und wir es gefeiert hätten. Einschub Ende.

Dazu kommt erschwerend, dass viele der großen Favoritinnen noch nicht so richtig ins Laufen gekommen sind. Also außer die Deutschen, die tatsächlich nachgewiesen haben, dass eine Nationalmannschaft aus diesem Land richtig gut in ein Turnier starten kann. Dabei haben die Experten im Öffentlich Rechtlichen vorher schon darüber diskutiert, wie das ist, wenn man aufgrund eines starken Turniers mit großen Erwartungen in so ein Turnier startet. Kann das vielleicht sogar lähmen? Also bei den Männern kann man diese Frage ja gar nicht mehr stellen.

Im Wesentlichen bedeutete dies aber, dass es verdammt viele verdammt ähnliche Spielverläufe gab: Die Favoritinnen quälen sich gegen diszipliniert verteidigende Mannschaften zu einem knappen, in der Schlussphase errungenen, Sieg. Also 3 Spiele wurden erst nach der 87. Minute entschieden, aufregend waren diese Spiele aber trotzdem nicht.

Nun muss man dazu sagen, dass das völlig normal ist. Der erste Spieltag einer WM sorgt selten für legendäre Spiele und großartige Begeisterung auf dem Platz. Am Ende geht es immer nur darum, dass man selber nicht der Favorit ist, der sich blamiert... außer man ist halt Deutschland. So richtig beginnt so ein Turnier halt frühestens mit dem 2. Spieltag, wenn die Nationen dann auch mehr unter Zugzwang stehen und nicht einfach nur das 0:0 verteidigen können.
Und als praktisches Beispiel, wie irrelevant der erste Spieltag ist: Wenn nicht gerade alle darauf hinweisen würden, dass Hervé Renard, der jetzt die Französinnen trainiert, Lionel Messi zum Auftakt mit Saudi-Arabien geschlagen hat, würde sich niemand an irgendwelche Ergebnisse der ersten Tage im Winter erinnern. Weil wir Deutschen ja schon wieder verdrängt haben, dass Thomas Müller da Scheiße gespielt hat.

Alles in allem ist es also ein ganz normales Fußballturnier. Also abgesehen davon, dass Mary Fowler mit Handschuhen aufgelaufen ist, weil die tatsächlich im Winter spielen müssen. Das wäre für die männlichen Kicker viel zu hart. Obwohl es noch ganz andere Gründe gibt, warum Männer niemals eine WM in Down Under austragen werden, aber dazu komme ich später...

Mittwoch, 19. Juli 2023

Je mehr Mann sich mit der Materie beschäftigt

 Um so schlimmer wird es. Also ich hatte ja kurz das Gefühl, dass ich vielleicht ein wenig zu kritisch mit dem Kicker-Sonderheft umgegangen bin. Vielleicht habe ich auch einfach zu hohe Erwartungen. Am Ende lohnt sich der Aufwand, den ich gerne gesehen hätte, einfach nicht... und es ist halt auch ein Geschäft.

Aber dann stolperte ich über diesen Artikel auf The Ringer: "The Future of U.S. Women's Soccer is here." The Ringer ist natürlich ein amerikanisches Onlineportal, aber dafür spezialisieren sie sich nicht auf Fußball, sondern hat den Fokus eigentlich auf anderen Sportarten. Man könnte also schon erwarten, dass der Kicker auf einem ähnlichen Niveau agiert, auch wenn sie natürlich wesentlich weniger Platz haben. Aber in diesem Artikel lerne ich dann, dass alles, was zum US-Team gedruckt wurde, schlicht falsch ist.

Also hier ist eine interessante Statistik für einen amtierenden Weltmeister: 14 Spielerinnen im Kader haben noch nie eine WM gespielt. Nur 9 Spielerinnen haben schon Erfahrungen in diesem Turnier. Demnach müssten zwangsweise immer mindestens 2 junge Spielerinnen in der Startformation stehen. Wenn man bedenkt, dass Megan Rapinoe eher als Joker eingeplant wird, ist man direkt bei 3.

Die jüngste Spielerin, die im Sonderheft erwähnt wird, ist Rose Lavelle mit zarten 28. Die kann dem Tod gelassen ins Auge sehen... die wird jedenfalls älter als Kurt Cobain. Und ist schon Weltmeisterin. Über die ganzen jungen und interessanten Spielerinnen erfährt man nichts.

Nehmen wir mal demonstrativ Trinity Rodman. Die ist zum einen die Tochter einer Basketball-Ikone. Zum anderen wird sie in dem Artikel als die weibliche Version von Kylian Mbappé vorgestellt. Das mag übertrieben sein und nur durch die nationale Brille, die halt alle Journalisten aufhaben, so scheinen. Andererseits saß sie neben Mbappé, weil sie mit 20 schon zur "Ballon d'Or" Gala eingeladen wurde... Und sie gilt definitiv als eine der aufstrebenden Stars der Szene. Oder anders ausgedrückt: Das ist genau die Art Spielerin, die so ein Sonderheft vorstellen sollte.

Damit verpasst der Kicker die Chance, sowohl den weiblichen Messi, als auch den weiblichen Mbappé vorzustellen. Und da sind wir noch nicht mal bei Sophia Smith, die angeblich noch besser sein soll, als Rodman. Damit verfestigt sich halt die Erkenntnis, dass ich mir andere Quellen suchen muss, wenn ich was zur Frauen-WM erfahren will.

Aber hey, ich habe jetzt immerhin meine Grundlage... weil ich mich jetzt während des Turniers fragen kann, wo der Kicker alles falsch lag und wen die alles übersehen haben. Das ist doch schon mal was.

Montag, 17. Juli 2023

Das neue Kicker Sonderheft exisitiert...

 Und das ist erstmal auch gut so. Schließlich ist es das erste Sonderheft über eine Weltmeisterschaft, die in einem ungeraden Jahr ausgetragen wird...

Weil die WM halt von Frauen gespielt wird. Aber grundlegend macht der Kicker genau das, was ich mir schon bei der EM gewünscht hätte: Sie bringen ein kompaktes Magazin raus, welches einen auf die WM und seine Geschichten vorbereitet.

Schließlich haben schon die letzten beiden Turniere der Damen mir verdeutlicht, dass die richtig viel Spaß machen können, wenn man sich auf die Geschichten der Heldinnen einlässt. Natürlich ist es nicht der höchstklassigste Fußball, aber den gibt bei den Männern ja auch nicht zu sehen. Der Titel wird ewig an die Champions League gehen. Wem es nur um die Qualität auf dem Platz geht, der guckt genau diesen Wettbewerb und wirft dafür alle moralischen Bedenken über Bord.

Dieses Sonderheft ist doch genau die erhöhte Sichtbarkeit, die die Frauen sich immer erwünscht haben. Über die dann auch die Umsätze steigen, womit sich dann auch die Gehälter anpassen und Frau irgendwann davon leben kann, dass man Fußball spielt.

Nur hat der Kicker es mit der Gleichberechtigung etwas übertrieben... denn für den halbwegs gut informierten Fußballfan gibt es in dem Heft wenig Neues zu erfahren. Also ich gebe ja auch offen zu, dass ich den Frauenfußball eher so mit einem halben Auge verfolge. Ich habe in die Champions League hin und wieder reingeschaltet, weil es die gratis auf YouTube und mit englischem Kommentar gab. Und ich habe immer grob die Schlagzeilen auf den Onlineportalen verfolgt.

Hier sind jetzt die neuen Dinge, die ich gelernt habe:
1.) Frauen können genauso schöne, nichtssagende Interviews geben, wie ihre männlichen Kollegen.
2.) Ein schöner Artikel über die Gastgeberländer. 2 Seiten.. Die sich schon direkt mit dem drohenden TV-Blackout geteilt werden müssen.
3.) Es gibt detaillierte Regeln für das Öffnen und Schließen von Stadiondächern, obwohl es nur ein Stadion mit Dach gibt, welches eh immer geschlossen ist. Die wichtigen Dinge halt.
4.) Jeweils eine Seite zu den Gruppengegnern der Deutschen, von denen ich wirklich überhaupt nichts wusste. Schön! Gerne mehr davon.
5.) Inka Grings trainiert jetzt die Schweiz, und weil die eine Deutsche ist, wird sie deswegen ausführlich interviewt.

Und... das war's.

Hier sind dann die Dinge, die ich schon wusste, aber die trotzdem ins Heft mussten.
1.) Wer alles für Deutschland spielt und wie sympathisch die alle sind. Klar, das muss in so ein Heft, aber wenn man die letzten Turniere gesehen hat, kennt man die Namen. Aber anscheinend gibt es keine Shootingstars, die neu ins Aufgebot gerückt sind und die man vorstellen könnte.
2.) Die Amerikanerinnen sind alt, aber immer noch hungrig und haben das größte Potenzial.
3.) Die Engländerinnen wurden gerade Europameister. No Shit, Sherlock.
4.) In Spanien und Frankreich gab es Revolten gegen Verband und Trainerin. In Frankreich gewannen die Spielerinnen und die haben deswegen jetzt einen neuen Trainer, dafür kamen alle Spielerinnen zurück. In Spanien sind deswegen einige nicht mehr dabei.
5.) Die Schwedinnen sind im Frauenfußball verdammt gut, weshalb sie zum erweiterten Favoritinnenkreis gehören.
6.) Christine Sinclair ist noch älter, als beim letzten Mal, spielt aber immer noch für Kanada. Ok, technisch gesehen ist es eine neue Information, dass die immer noch spielt... Aber es ist halt auch kein neuer Name.
7.) Es gab mal heftige Beziehungsprobleme zwischen Martina Voss-Tecklenburg und Inka Grings, die die Nationalmannschaftskarriere der einen beendete. Und wenn man selbst den Klatschpresse-Scheiß schon kennt...

In der Summe sind es echt wenig neue Informationen. Dafür feiert sich der Kicker aber im Vorwort, dass "die Mannschaftsfotos aus den sogenannten kleinen Nationen mit den dazugehörigen Namen in besonders aufwändiger Kleinarbeit beschafft" wurden. Ähm... das ist das absolute Minimum.

Wisst ihr, was ich mir wirklich gewünscht hätte: Dass bei den "Teams" die Mannschaften doppelt so viel Platz bekommen und eine erwartbare Aufstellung und 16 Zeilen zu einer Spielerin, die ich im Fokus haben sollte. Damit ich einen kurzen Überblick dafür bekomme, was die Traumtorschützen aus dem Olympische Halbfinale Mary Fowler seit dem so gemacht hat. Wie es in Dänemark um Pernille Harder steht, die ihre erste WM spielt. Um 2 Beispiele zu nennen, die mir spontan einfallen. Und genau solche Individuen, die deren Geschichten man dann verfolgen kann, machen die Vorrunden solcher Turniere dann interessant. Der Unterschied zwischen den Männern und Frauen ist halt auch, dass man in den geraden Jahren bei jeder Gurkentruppe vorher schon einen Spieler aus den europäischen Ligen kennt. 

Aber das hätte aber mehr als 14 Seiten gebraucht, dann hätte man mehr als 4,90 € verlangen müssen, was dann doch keiner zahlen will. Oder es wäre halt wirklicher Aufwand für eine Redaktion gewesen, die schon stolz darauf ist, überhaupt Mannschaftsfotos gefunden zu haben.

Das größte Verbrechen bleibt aber, dass Marta nicht mit einem Satz erwähnt wird. Falls ihr eine Auffrischung braucht: Marta ist das weibliche Pendant zu Lionel Messi: Sie hat so ziemlich alles gewonnen, was man gewinnen kann. Von den olympischen Spielen bis zur Champions League. Und zahllose Meisterschaften auf verschiedenen Kontinenten. Das einzige, was ihr noch fehlt, ist die Weltmeisterschaft. Weshalb der großartige SB-Nation Youtube Kanal ihr als erste Frau ein Video in der "Untitled" Serie widmete. Und als erste Fußballer*in. Harry Kane könnte da demnächst dazu kommen. Dabei ignorierten die komplett, dass die noch eine WM spielen wollte.
Nun verkörpert sie aber nicht mehr wirklich die Weltklasse früherer Tage... und muss ohne langzeitige Weggefährtinnen wie Cristiane oder Formiga auskommen. Deswegen zählt Brasilien auch nicht wirklich zum elitären Favoritinnen-Kreis. Aber es wird halt Martas letzter großer Tanz werden. Ihre höchstwahrscheinlich letzte Vorstellung auf der ganz großen Bühne des Frauenfußballs.

Das klingt doch alles verdammt nach der letzten WM von Lionel Messi. Und wenn Brasilien die Turnierfavoriten Frankreich, die ja gerne implodieren, schlagen sollte und dann ein überzeugendes Achtelfinale gegen Südkorea, Marokko oder Kolumbien hinlegen, wird sich die gesamte Geschichte des Turniers um einen möglichen Titel von Marta drehen. Oder sie wirft als Gruppenzweite Deutschland im Achtelfinale raus, woran im Kicker natürlich niemand denken will.

Also um das mal kurz zu verdeutlichen: Das wahrscheinlichste Achtelfinale ist ein Aufeinandertreffen der deutschen Sympathieträgerinnen mit einer lebenden Legende. Und im Kicker Sonderheft steht zu dieser Frau kein einziger Satz. Das ist schon ein kritisches Versagen. Und die Brasilianerinnen sind ja nicht schlecht, sie landeten nur im Lostopf 2 (und damit in einer Gruppe mit Frankreich), weil Australien und Neuseeland, die laut Weltrangliste weiter hinten stehen, als Gruppenkopf gesetzt sein mussten.

Faszinierender Weise frage ich mich an der Stelle genau das, was ich mich nach dem Lesen so eines Sonderheftes irgendwann immer gefragt habe: Für wen wird das eigentlich gedruckt. Also eigentlich sollte das ja eher an den eingefleischteren Fan gehen. Den Kicker-Leser, der eh schon zumindest einen groben Überblick über das Spiel hat, der aber gerne mehr wissen würde. Dieser Leser bekommt dann aber im Wesentlichen nur eine wunderbare Übersicht über die nominierten Spieler mit grundlegenden Statistiken. Dazu gab es bei den Herren zumindest die grundlegende taktische Ausrichtung der Mannschaft... und haufenweise recycelte Artikel, deren Inhalt er eigentlich schon irgendwo anders aufgegriffen haben sollte. 

Wie eingangs erwähnt ist es wunderschön, dass die Frauen-WM jetzt dieselbe journalistische Aufmerksamkeit bekommt, wie die Herren-WM. Es bleibt aber halt traurig, dass das journalistische Niveau bei beiden nicht besonders hoch ist.

Mittwoch, 5. Juli 2023

War Wenger nicht mal einer von den Guten?

 Das ist offensichtlich lange her. Also als er Berater bei der Fifa wurde, hatte man ja zumindest kurz die Hoffnung, dass da jemand mit wirklicher Expertise mitmischt und vernünftige Regeländerungen einbringt. Ihm hätte ich zugetraut, dass er eine praktische Lösung für die ganzen Handelfmeter findet.

Und vielleicht wäre er sogar in der Lage, den Funktionären Contra zu geben. Aber das Gegenteil ist der Fall, der Mann ist voll auf Fifa Linie. Was genau genommen wenig überrascht, denn wenn es anders wäre, hätten die ihn nie angestellt.

Aber wenigstens sinnvolle Regeländerungen wird er doch einbringen. Ähm nein, stattdessen arbeitet er jetzt aktiv daran, denn attraktiven Fußball zu zerstören. Wenn ich das nicht mehr trainieren darf, dürft ihr das auch nicht mehr sehen! Oder so.

Die Regeländerung, die Arsene Wenger vorgeschlagen hat, klingt auf den ersten Blick harmlos: Man steht dann nur noch im Abseits, wenn alle Körperteile, mit denen man regulär ein Tor erzielen kann, dichter am gegnerischen Tor sind, als der vorletzte Verteidiger. Das soll dann die ganzen Diskussionen eindämmen und für ein attraktiveres Spiel sorgen.

Also um das zu verdeutlichen: Wenn der durchstartende noch seine Achillesferse auf Höhe des eine Abseitsfalle stellenden Verteidigers hat, kann er dann alleine aufs Tor zurennen. Kling doch geil. 50 % mehr Tore verspricht sich die Fifa.

Das Problem daran ist aber: Ein Kylian Mbappé ist schon kaum zu verteidigen, wenn er nur auf der gleichen Höhe starten darf. Wenn man den ganz praktisch einen halben Meter Vorsprung gibt, hat man gar keine Chance mehr.
Und da sagt Wenger dann: Das ist doch gut so, wir wollen ja mehr Tore. Die bittere Realität wird aber anders aussehen. Denn wenn man nicht mehr auf Abseits spielen kann, weil es praktische unmöglich ist, dann wird man einfach keine Abseitsfallen mehr stellen. Dann wird der klassische Kreisklassen-Libero sein Comeback in der höchsten Liga geben. Dann werden sich Mannschaften zwangsweise am eigenen 16er verbarrikadieren, weil das die einzige Chance ist, schnelle Stürmer zu verteidigen. Und das soll dann attraktiver sein?

Oder verkürzt ausgedrückt: mehr Mourinho, weniger Guardiola. Bei allem Respekt vor dem Trainer Mourinho: Das kann doch nicht gewollt sein. 

Und ja, funktionierende Abseitsfallen sind die Grundlagen für jedes Pressingsystem. Denn man muss das Spielfeld extrem klein halten, um mit 11 Leuten effektiv am gegnerischen Strafraum zu pressen. Und der einfachste Weg, diesen Druck auszuhebeln, sind dann lange Bälle. Und da sind wir dann wieder bei dem Punkt, dass der Angreifer auf einmal einen entscheidenden Vorsprung geschenkt bekommt. Das Risiko in einen langen Ball zu laufen, wird so viel größer, dass sie die Chance des Pressings für viele Mannschaften nicht mehr lohnen wird.

Und die Umschaltmomente werden so viel gefährlicher, dass eher vorsichtige Trainer ihre Mannschaft gar nicht mehr rausrücken lassen, wenn sie selber einen Konter starten können. Das ist dann einfach viel zu gefährlich. Und die meisten Trainer sind eher vorsichtig.

Diese Idee soll jetzt ja in Europa getestet werden. Ich hielt das ja für eine dieser Sommerloch-Nachrichten, aber sie kommt anscheinend wirklich. Hoffentlich übertreibe ich da mit meinem Pessimismus, aber es wird den Fußball nicht so verändern, wie Wenger sich das erträumt.

Aber das ist wahrscheinlich auch wieder der Punkt, an dem Wenger schon als Trainer hauptsächlich ans Angreifen gedacht hat und sich relativ wenige Gedanken darüber machte, wie man da als Verteidigung reagieren wird. Das war ja auch schon als Trainer sein fataler blinder Punkt. Deswegen hat er gegen Mourinho auch nur 2 von 19 Spielen gewonnen: Der Portugiese hat sich vorher angeguckt, wie Arsenal angreift und beschlossen: Ok, das mache ich kaputt. Und dann hat er die humorlos gegen eine Wand laufen lassen und die Punkte eingefahren

Und jetzt denkt er beim Regeln erstellen halt auch ausschließlich daran, welche Möglichkeiten dies den Angreifern eröffnen wird, und bedenkt in keiner Sekunde, wie sich die verteidigenden Mannschaften darauf anpassen werden. Also um mal kurz zu erörtern, dass Wenger nicht unbedingt unfassbar dumm, sondern nur unfassbar naiv ist...