Donnerstag, 30. April 2020

Re-Worst of: Euro 96

Wie habe ich es gesehen? Das war quasi das erste richtige Turnier. Wo man vorher schon wusste, was eine Europameisterschaft ist und wer daran teilnimmt. Wo man seinen Urlaubsplan daran ausgerichtet hat und sich die K.O. Phase bei Oma angeguckt hat, anstatt ans Meer zu fahren. Und wo wir Omas spannende Frage, warum die Engländer in Sträflingskleidung antraten, nicht beantworten konnte. Ernsthaft, was haben die sich damals bei den Auswärtstrikots gedacht? Außer: Hoffentlich brauchen wir die nicht.
Aber ich habe mich sofort in die Engländer verliebt. Was mir halt jetzt gerade wieder bewusst wurde, weil meine Gesichtsmaske aus einem Englandschal besteht, den ich mir 97 oder 98 auf Sprachreise in England gekauft haben muss. So viel zur Theorie diese Beiträge Covid-19-frei zu halten...
Die Stimmung, die von den Stadien in die Wohnzimmer über schwappte, war etwas vollkommen neues.  Die Intensität, mit der die Mannschaft spielte... Paul Gascoigne war ein einzigartiger Offensiver Mittelfeldspieler, der sich über Einsatz und Kampf definierte, aber trotzdem geniale Momente hatte. Dies wurde nie so deutlich, wie in diesem Turnier. Außerdem stand er für eine "Wenn ich mit einem Pass 2 Mann ausnehmen kann, mit einem Dribbling nur einen, spiele ich den Ball ab" Philosophie... was für mein 11 Jähriges Gehirn ein absoluter Mindfuck war... Denn alle Leute, die ich kannte, spielten meistens anders... Also alle außer meinem Vater, der darauf angesprochen sagte "Wie sollte man sonst spielen"... oder so was ähnliches...
Aber die Szene, in der Gascoigne in der Verlängerung ins Tor rutschte, den Ball aber verpasste, brannte sich genau so in mein Gedächtnis, wie der Pfostenschuss von Danny Anderton... dass Deutschland in der Verlängerung ein an sich legales 2:1 erzielte, habe ich aber verdrängt. Selbst ein gutes Gedächtnis funktioniert halt sehr selektiv... Aber dieses Halbfinale dürfte mein erste Klassiker gewesen sein.
An sonsten fiel mir beim Rewatching aller Tore auf, dass diese EM ein komisches Leistungsgefälle hatte. Gerade in der K.O.Phase: Einerseits gab es einige wenige, überragend Tore von Karel Poborsky und Davor Suker. Andererseits endeten 4 von 7 K.O. Spielen im Elfmeterschießen (dazu später mehr)... 3 dieser 4 Spiele endeten 0:0. In den 4 Vietelfinalen wurden insgesamt 3 Tore erzielt. Ganz großer Sport also... Aber hey, es geht ja eigentlich um das Fest drum herum.

Der Soundtrack des Turniers: Ob dies hier wirklich zu einem konstanten Teil der Serie wird? Keine Ahnung, vielleicht will ich ja nur mal erwähnen, wie geil "Three Lions on a shirt" war... wann immer das "Football's coming home" einsetzt, gibt es bei mir eine Gänsehaut. Und selbst dass genau diese Stelle während der WM 2006 in Deutschen Stadien missbraucht worden ist, kann daran nichts ändern.
Meine persönliche Theorie, warum Baddiel, Skinner and the Lightning Seed so sympathisch wirken und unsere Deutschen Experten wie Sportfreunde Stiller nicht? Nun ja, die Engländer singen von "30 years of hurt", die Deutschen von ihren großen Triumphen... Eine Strophe wie
"Everyone seems to know the score 
They've seen it all before
They just know
They're so sure
That England's gonna throw it away
Gonna blow it away
But I know they can play"
wäre im Deutschen Liedgut unvorstellbar... Aber in Deutschland wartet man halt auch nicht seit 44 Jahren auf einen Titel...

Wie dumm hat sich Deutschland angestellt? Nun ja, sachlich gesehen gar nicht. Also abgesehen davon, dass sie meine Engländer rausgekickt haben... und danach dann die Überraschungs-Tschechen, was meinen Goliath-Komplex vergrößerte, besiegten. Ist ein Goliath-Komplex eigentlich eine ernst zu nehmende Diagnose, oder habe das nur ich? Also falls nicht: Ich habe die ungute Angewohnheit im Zweifelsfall immer für den Außenseiter zu sein, auch wenn das im wesentlichen dazu führt, dass seine Mannschaft meistens verliert. Aber die "Kleinen" sind mir einfach sympathischer, keine Ahnung warum...
Jedenfalls war das halt schon die EM, bei der nicht mal Berti Vogts den Titel verhindern konnte, obwohl er darin sonst echt genial war. Und es war der Höhepunkt von Matthias Sammer. Der wirkte bei dieser EM einfach mal unbesiegbar.
Das einzige Problem, welches ich wirklich mit den Deutschen habe... ist Oliver Bierhoffs Aufstieg zum Nationalhelden. Denn der hat aus diesem Turnier definitiv den maximalen Profit geschlagen. Vorher war er genau genommen in der Bundesliga gescheitert und zu einem mittelklassigen italienischen Verein geflüchtet... mit dem Zwischenstopp Österreich. Zwischen dem Ende seiner U-21 Karriere und seinem richtigen Debüt lagen 6 lange Jahre. Aber er hatte halt seine erste halbwegs ordentliche Saison in Udine abgeliefert, was reichte um als Ergänzungsspieler mitzufahren. Und bis zum Finale hinterließ er auch keinen bleibenden Eindruck.
Nur um das mal zu relativieren: Deutschland hatte während des Turniers extreme Verletzungssorgen und einige böse Sperren fürs Finale zu verkraften. Es gab damals das Gerücht, dass Spielertrikots für die Ersatztorhüter bestellt worden sind... Trotzdem begann Oliver Bierhoff auf der Bank. Und da er bisher überhaupt keinen Eindruck hinterlassen hatte, wirkte seine Einwechslung eher wie eine Verzweiflungstat, denn er stand halt deutlich hinter Stefan Kuntz und Fredi Bobic in der Stürmerhierachie... Dann erzielte er natürlich das 1:1, wogegen man nichts sagen kann. Er setzt sich da sauber am 2. Pfosten durch. Aber dann wird ihm auch das 2:1 und damit das erste Golden Goal der Geschichte gut geschrieben... obwohl der Ball gefühlt von Petr Kuba ins eigene Tor geworfen wird.
Hier ist das faszinierende: Ohne dieses Geschenk des Tschechischen Torhüters wird Bierhoff nicht sofort zur Legende, hinterher Kapitän und noch später Manager der deutschen Nationalmannschaft... Da wird sich der eine oder andere Deutsche schon fragen, ob es das wirklich wert war...

Der schlechteste Titelträger: Damn, das hatte ich beim ersten Mal vergessen. Also es ist jetzt nicht so, dass diese Kategorie ausschließlich eingeführt wird um auf einem Deutschen rumzuhacken. Eher im Gegenteil, der Spieler, auf dem ich gleich rumhacke, ist mir zwangsweise sympathisch. Praktisch der einzige Sympath in dem Team. Aber die Serie hatte ich irgendwie eh schon im Hinterkopf. Denn bei jedem Turnier gibt es ja diese Spieler, bei denen man sich hinterher fragt: Warum darf der sich Welt- oder Europameister nennen, andere (Lionel Messi... Hust...) aber nicht. Und die erste Auszeichnung dieser Kategorie geht ganz klar an René Schneider.
René Schneider ist deswegen zwangsweise sympathisch, weil er eines der Gesichter der erfolgreichsten Hansa-Saison aller Zeiten war. Und im Gegensatz zu dem immer irgendwie verschmähten Stefan Beinlich, der ja eigentlich der Beste Spieler dieser Mannschaft war, durfte Schneider mit zur EM fahren. Also als der eine, der trotz der Verletzungssorgen ohne Einsatz blieb... Wahrscheinlich hätte Berti Vogts wirklich eher Oliver Kahn als Feldspieler gebracht, als ihn... dessen Rolle hätte also buchstäblich auch ein Beinlich übernehmen können.
Damit aber nicht genug: Nächste Saison gewann Schneider mit Borussia Dortmund die Champions League... bevor seine Karriere auf Grund einiger Verletzungen praktisch sehr schnell ausklang. Insgesamt absolvierte er 11 Ligaspiele für Dortmund. Zusammengerechnet kommt er auf 53 Bundesliga- und ein Länderspiel. Trotzdem darf er sich Europameister, Champions League Sieger UND Weltpokalsieger nennen... Das nenne ich mal eine unfassbar effiziente Karriere. Er hat halt sein eines gutes Jahr im genau richtigen Moment gehabt... und genau die Position gespielt, auf der Deutschland nicht extrem tief besetzt war...

Interessante Storylines: Kommen wir also zu den Elfmeterschießen: Denn davon gab es nicht nur verdammt viele. Es gab verdammt viele verdammt gut geschossene Elfmeter. Die Torhüter waren quasi bei 90% der Elfmeter komplett chancenlos. Völlig absurd wird direkt beim ersten Elfmeter von Johan de Kock: Der knallt das Ding mit der Gewalt eines Comichelden-Bösewichtes unter die Latte... und der Torwart hat nicht mal die Chance zu zucken. Ungefähr so sahen 75% aller Elfmeter aus.
Also ich habe mir die fragwürdigen Elfmeter, die ein Torwart theoretisch hätte halten können (oder die verschossen worden sind) mal notiert: Fernando Hierro zielt nicht ganz so gut die de Kock und jagt das Ding an die Latte. Miguel Angel Nadal, Clarance Seedorf und Reynald Pedros scheitern recht kläglich. Laurent Blanc hat de facto sogar Glück bei einem seiner Elfmeter. Faszinierender Weise verwandelt er den anderen souverän, obwohl er wegrutscht... Und Gareth Southgate verschießt den legendären Elfmeter im Halbfinale, der zum großartigen "Which way is the fastest out of Wembley? That's got to be the Southgate" Witz führte. Oh und Patrick Bergers Elfmeter im Finale war eine absolute Gurke, aber trotzdem drin. Alle anderen Elfmeter waren absurd gut geschossen. Auf dem "Die hält kein Torhüter der Welt" Niveau. Vor allem hatten die Leute damals noch die Eier in der Hose und haben ihre Elfer unter die Latte gezimmert (also nicht nur de Kock, sondern auch Andreas Möller im entscheidenden Versuch im Halbfinale). Heutzutage werden Elfmeter fast immer flach geschossen... Und die Zeiten, wo 9 von 10 Elfmetern souverän verwandelt worden sind, sind auch wieder vorbei... Stattdessen kommt es heutzutage sogar vor, dass eine Deutsche Mannschaft 3 Elfmeter gegen Italien verschießt und trotzdem weiter kommt... 1996 war aber das Turnier, in dem ein einziger verschossener Elfmeter das sichere Ende deiner Titelträume bedeutete.

Der erste große Auftritt: Das 96er Turnier war ja quasi der erste Auftritt der legendären französischen Generation. Deswegen muss diese Kategorie mit Zinedine Zidane beginnen. Der marschierte vor dem Turnier vom UI-Cup bis ins Uefa Cup Finale... Ältere erinnern sich noch an diese Wettbewerbe. Und nach dem Turnier wechselte er von Girondins Bordeaux zu Juventus Turin und wurde zu einem der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten. Außerdem Gründungsvater der "Galaktischen"... und im Gegensatz zu Ronaldo gewann er mit Real Madrid sogar die Champions League. Wenn Real damals mehr darauf geachtet hätte ein vernünftiges Team zusammen zustellen, anstatt jedes Jahr aus Prinzip einen neuen Offensivstar zu kaufen... wäre bestimmt noch mehr möglich gewesen.
Neben Zidane spielte Bixente Lizarazu, der ebenfalls in Bodreaux begann und später einer der besten Linksverteidiger der Bundesligageschichte werden sollte.
Wenn der Name "Zidane" schon gefallen ist, muss darauf direkt Pavel Nedved fallen. Denn der sollte Zidane später bei ersetzen. 1996 spielte er noch in der Heimat und nutzte das Turnier, um sich der großen Fußballwelt vorzustellen. Nedved dürfte der beste Tschechische Spieler aller Zeiten sein, auch wenn es nie zu den ganz großen internationalen Titeln reichte. Das ist quasi die philosophische Frage: Was ist einem lieber, Schneiders effiziente Karriere mit großen Titeln? Oder der allgemeine Respekt, der einen Nedved entgegen gebracht wird.  
Oh und dieses Turnier waren die 4 Wochen, in denen wir glaubte, dass Jordi Cruyff in die gigantischen Fußstapfen seines Vaters treten könnte... woran er endgültig scheitern musste. Obwohl er noch einige Jahre durch die europäischen Ligen geisterte und einem irgendwie immer wieder über den Weg lief. Also er spielte in einem der legendärsten Uefa Cup Finale aller Zeiten ein nicht ganz unwichtige Rolle... Allerdings auf der Verliererseite und für Deportivo Alaves, die es da irgendwie hin geschafft haben... Besser kann man Jordis Karriere nicht zusammenfassen.
Ein letzter Name ist dann Davor Suker. Obwohl er eher aus tragischen Gründen hier steht... und eigentlich gar nicht hier hingehört, denn er stand bereits 1990 im Kader von Jugoslawien. Sein Nationalmannschaftsstern ging aber erst 1996 in England auf... wo er als Kroate teilnimmt. Im Basketball denkt man hin und wieder daran, was für eine großartige Truppe durch den Bürgerkrieg in Jugoslawien zerrissen worden ist. Das hätte eine der besten europäischen Nationalmannschaften aller Zeiten werden können. Aber Vlade Divac und Toni Kukoc stand plötzlich auf unterschiedlichen Seiten der Front. Um nur 2 Namen zu nennen.
Den Fußballnationalmannschaften ging es genau genommen ähnlich: Der Kriegsausbruch ebnete Dänemark den Weg zum Titel. Und Kroaten hatten hinterher eine überragende Generation um Suker, Zvonimir Boban, Robert Prosinečki, Robert Jarni, Zvonimir Soldo (der eigentlich in diese Kategorie gehört... aber Details) und Slaven Bilic. Jetzt stelle man sich vor, diese Mannschaft würde mit Dragan Stojković, Siniša Mihajlović, Predrag Mijatović, Dejan Savićević und auch einem gewissen Hasan Salihamidžić verstärkt werden. Alles Spieler, die um die Jahrtausendwende für ein vereintes Jugoslawien hätten auflaufen können... und zusammen einen weiteren Titelanwärter für die Jahre 94 bis 2002 hätten stellen können.
Nun ist diese "Tragödie" im Großen und Ganzen natürlich zu vernachlässigen, schließlich reden wir vom letzten großen Krieg in Europa. Aber es ist trotzdem das größte "Was wäre wenn" unter den Nationalmannschaften. Die EM 92 ist definitiv durch den Bürgerkrieg entschieden worden, weil der Titelträger nur deswegen teilnahm. Aber wenn ein vereintes Jugoslawien Deutschland im Viertelfinale rauswirft, wie verläuft dann die WM 98, wenn Deutschland den Umbruch nicht auf Grund des Titels um 2 Jahre verschiebt? Oder gibt Lothar Matthäus einfach schon noch früher sein Comeback?

Das letzte große Hurra: Muss man hier eigentlich schon Matthias Sammer nennen? Leider ja. Es war halt seine vorletzte gesunde Saison. Dabei sei auch mal direkt erwähnt, dass Sammer den "abkippenden Sechser" damals quasi erfunden hat. Nur nannte man das damals noch "Libero vor der Abwehr"... Und 96 war das Jahr, in dem der extreme Ehrgeiz und der daraus resultierende übertriebene Antrieb eines Sammers den höchsten Ertrag einfuhr. Und der Mann wirkte wirklich unbesiegbar. Andererseits habe ich halt schon nach seinem Ausscheiden bei den Bayern einen Beitrag dazu geschrieben, wie eventuell genau dieser Antrieb auf all seinen Positionen im Fußball am Ende zu gesundheitlichen Problemen führte. Entweder bei ihm persönlich, oder aber im Kader.
Der Vollständigkeit halber sei Miroslav Kadlec erwähnt, der wohl als einziger Spieler des 1.FC Kaiserslautern beide Meisterschaften (91 und 98) mit erlebte. Und der als frisch gebackener Pokalsieger und Absteiger bis ins EM Finale vordrang, nur um dort dann an dem bereits erwähnten Kuba-Patzer zu scheitern. Hat es jemals eine einzelne Saison mit derart vielen Höhen und Tiefen gegeben? Offensichtlich, schließlich hatte Pavel Kuka exakt dieselbe Saison hinter sich... Dass 2 Spieler der tschechischen Nationalmannschaft auch die absurde Abstieg, Pokalsieg, Em-Finale Aufstieg, Meisterschafts Geschichte miterlebt haben, ist schon faszinierend.

Mein persönliches Fazit: Es ist faszinierend, dass man sich echt nur an die Höhepunkte erinnert. Dass die Traumtore von Gascoigne, Suker und Poborsky auf dem Menü stehen würden, wusste ich vorher schon. Aber dass die Hälfte aller Spiele ins Elfmeterschießen oder die Verlängerung gingen und es in der K.O. Phase extrem wenige Tore gab, habe ich erfolgreich verdrängt. Das liegt natürlich auch daran, dass es nur das eine in die Rückblicke und oder Promotrailer für das nächste Turnier schafft. Aber an der Stelle wird mir bewusst, dass man einfach nicht mehr beurteilen kann, ob ein Turnier jetzt "gut" oder "schlecht" war... was auch egal ist, wichtiger sind eh die persönlichen Erinnerungen...

Montag, 27. April 2020

Welche Konsequenzen wird die Corna Krise haben?

Also es gab ja schon die ersten hoffnungsvollen Ansagen, dass der Fußball hinterher ein anderer sein wird. Dass die Zeit der Transferrekorde erst Mal vorbei sein wird. Dass das Hockrisikowirtschaften durch Vernunft ersetzt wird. Und dass tatsächlich mal ein paar Schrauben zurück gedreht werden...

Spoiler: Das wird alles nicht passieren. Und der Grund dafür liegt nicht mal in den 100 Millionen, die Manuel Neuer gerne mitten in der Krise bekommen würde... und der Frage, ob Neuer dieses Geld wirklich wert ist. Das sind genau genommen nur unwichtige Details.

Denn wenn sich im Fußball (und im Sport allgemein) etwas ändern sollte, muss man ganz andere Diskussionen geführt werden. Ganz praktisch muss man sich die Frage stellen, warum Liverpool gegen Atletico Madrid vor Zuschauern ausgetragen werden durfte. Und warum Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia antreten musste. Beide Spiele sind gerade im Fokus der Untersuchungen über die Verbreitung des Virus. Es gibt Theorien, dass diese Ansetzung der Grund sein soll, warum gerade diese Region am härtesten vom Corona Virus getroffen worden ist. Und hier ist der absolute Wahnsinn: Das Bergamo Valencia Spiel fand 21 Tage vor Liverpool Madrid statt. Trotzdem meinte irgendjemand, dass dieses Spiel mit 3.000 Gästefans stattfinden kann... während es in Spanien bereits eine Ausgangssperre verhängt worden ist.

Nun ist es für mich als Blogger natürlich einfach vorher darauf hinzuweisen, dass das Wahnsinn ist. Ich habe ja keinerlei Verantwortung zu tragen. Aber die spannende Frage ist ja: Welche Konsequenzen ziehen die Verantwortungsträger daraus, dass sie die wirtschaftlichen Faktoren vor die Gesundheit der Spieler, Fans und Allgemeinheit gestellt haben? Denn dass die Uefa nicht frühzeitig die Internationalen Wettbewerbe ausgesetzt hat, lag einzig und allein am Geld.

Die eigentliche Frage, die jetzt also gestellt werden muss, lautet: Wer hat diese Ansetzungen genehmigt. Und wie gehen wir damit um.
Wobei natürlich auch vorne weg erwähnt werden muss, dass hier niemand gesetzlich verfolgt werden kann. Das ist ja das absurd schöne daran: Zum ersten Mal seit Ewigkeiten geht es nicht um Korruption oder Vetternwirtschaft, sondern um eine katastrophale Fehleinschätzung der Situation: Anstatt auf Vernunft und Führungsstärke zu setzen, hoffte man, dass das alles schon nicht so schlimm sein wird und es nur so ne leichte Grippewelle wird. Was halt mal so gar nicht funktioniert hat. Solche Fehleinschätzungen können durchaus passieren. Gerade weil wir Europäer ja so was seit gefühlt 100 Jahren nicht mehr in der Extremform hatten.

Trotzdem muss man ganz sachlich klären, wer das durchgewunken hat. Und da muss man halt Aleksander Ceferin anfangen. Also der ist ja praktisch Funktionär, Lobbyist und Sportpolitiker in einem. Und er hat seine Führungsaufgabe richtig in den Sand gesetzt. Denn er hätte den Arsch in der Hose haben und das Liverpool Madrid Spiel komplett absagen müssen. Gemeinsam mit dem restlichen europäischen Spieltag. Also spätestens in dem Moment, wo klar war, dass die italienischen Vertreter die Internationalen Wettbewerbe definitiv nicht regulär zu Ende spielen können. In dem Moment hätte es Ceferin auffallen müssen, dass er keine Sportmannschaften quer durch Europa fliegen lassen kann. Selbst wenn die lokalen Behörden, über die man vor Ort auch diskutieren muss, den Spaß genehmigt haben.

Aber gibt es irgendwo eine Diskussion, ob Ceferin jetzt noch der richtige Mann ist? Ich sag das mal so: Wenn ich Ceferin und Rücktritt google, kommt ein "Er war naiv, ja, er hat Fehler gemacht."... von Ceferin über Reinhard Grindel dem der Rücktritt nahe gelegt wurde. Wenn Ceferin jetzt den Grindel-Maßstab auf sich selber anwenden würde... aber so was macht man ja nicht.

Wobei ja ein Rücktritt noch nicht mal zwingend notwendig ist. Aber für eine vernünftige Aufklärungsarbeit wäre halt eine "Vertrauensfrage" elementar wichtig. Auf aufzuarbeiten wie die Uefa mit dieser Krise umgegangen ist und um zu klären, was man besser machen muss, wenn so was nochmal passiert. Aber stattdessen geht die Uefa dem "Wir könnten ein Brandbeschleuniger bei der Verbreitung der Pandemie gewesen sein" (also quasi ein 2. Ischgl) geschickt aus dem Weg. Und Ceferin regelt lieber, wie es weiter gehen soll und unter welchen Umständen die internationalen Wettbewerbe noch beendet werden könnten... 
Um das an der Stelle nochmal zu verdeutlichen: Während der Rest der Welt sich mehr oder weniger damit abgefunden hat, dass es bis 2021 keine unnötigen Auslandsreisen geben wird. plant Ceferin weiterhin einen großen Kongress der europäischen Spitzenspieler... Die danach dann alle zurück in ihre Heimatländer fahren, um dort dann die nationalen Ligen zu beenden.
Schon die Nationalen Ligen zu Ende zu spielen, ist ein gewisses gesellschaftliches Risiko. Und man muss halt irgendwie abwiegen, ob die Ablenkung Sport dieses Risiko wert ist. Was auch schon schwierig genug ist.
Die Champions League lässt sich praktisch nur auf eine Variante durchziehen: Man trifft sich nach der Meisterschaftssaison in einem Land wie Weißrussland, die es mit Corona Schutzmaßnahmen nicht so haben. Gute Idee.

Eine vernünftige Debatte für die Uefa wäre gerade, wie man die nächste Europacup Saison angehen kann... denn genau genommen dürfte es unmöglich werden im Juni mit der Qualifikation für die Gruppenphase zu beginnen. Vernünftig wäre es jetzt nach einer Variante zu suchen, eine verkürzte Europacup Saison für 2020/21 zu planen, anstatt irgendwie zu hoffen, dass man im August noch ein Finale austragen kann... Da frage ich mich ja schon: Planen die die nächste Champions League Qualifikation schon anlaufen zu lassen, während der aktuelle Titelträger noch gesucht wird?

Und genau jetzt wird es halt richtig bitter, dass der Rahmenterminkalender keinerlei Freiräume mehr hat. Also um das mal zu verdeutlichen: Die Champions League Saison läuft planmäßig vom 26.6. - 1.6. Zumindest war das der Rahmen für die 2018/19er Saison. Denn selbst wenn man den Meister Gibraltars einmalig ausschließt, beginnt der Spaß immer noch Anfang Juli und dauert 11 Monate. Diese 11 Monate wird man vor der EM im folgenden Sommer einfach nicht haben.
Genau genommen sollte sich die Uefa jetzt dringend mit der Frage beschäftigen, ob man für die nächste Saison einmalig zu reinen K.O. Spielen zurückkehrt und die Gruppenphase jeweils streicht.

Und als Bawful Bonus Feature droht Ceferin den Funktionären, die Verantwortung übernehmen und zu dem Schluss kommen, dass Gesundheit wichtiger ist als die Frage, wer Meister wird. Denjenigen, die gewillt sind die wirtschaftlichen Folgen eines Saisonabbruchs, vor denen Ceferin sich drückt, zu tragen. 

Nebenbei ist Ceferin nicht der einzige Name, dessen Rolle man kritisch durchleuchten sollte. Thomas Bach vom IOC ist auch so ein Experte. Dass der, angeblich im Sinne der Sportler, noch lange nach dem Ausbruch der Pandemie davon geredet hat, dass in diesem Sommer olympische Spiele stattfinden sollen... Auch wenn die Mehrheit der Sportler das für nicht darstellbar hielten... Aber auch der muss sich dafür nicht wirklich rechtfertigen.

Wenn wir in Zukunft einen anderen Sport erleben wollen, müssen wir halt genau jetzt über die Entscheidungsträger reden... und uns einigen, ob wir deren Krisenmanagement und ihre Schwerpunkte für angemessen halten oder nicht. 

Aber diese Debatte wird so schnell nicht geführt werden. Damit sollten wir auch jegliche Hoffnung begraben, dass sich irgendetwas ändern wird, wenn der Scheiß irgendwann vorbei ist.

Montag, 20. April 2020

Re-Worst Of: Die Fußballweltmeisterschaft 1994

Was soll's ich fange das einfach an. Teil 1.

Also ich überlege seit einigen Tagen, wie man diesen Blog in diesen Zeiten füllen kann, ohne nur schlechte Stimmung zu verbreiten. Dabei hatte ich eine Serie im Hinterkopf, die so gar nichts mit Sport zu tun hat, auf die ich aber vielleicht trotzdem zurück komme. It might be fun. Und dann schlug mir Youtube dieses Video vor


und ich dachte: Warum eigentlich nicht. Ein ReWorst Of könnte unterhaltsam werden. Also allein schon beim schreiben.

Und wir nehmen die WM 1994 als Testlauf... weil es das erste Turnier ist, an welches ich wenigstens grobe Erinnerungen habe, die man teilen kann. Auch wenn irgendwo noch Bilder von dem Finalsieg Dänemarks aus dem Jahr 1992 gibt.
Aber woher die kommen. 94 sind die Bilder irgendwie etwas klarer. Das bringt mich dann direkt zur Kategorie 1.:

Wie habe ich es so gesehen? Das war damals halt noch um einiges komplizierter. Vor allem, weil ich die Sommerferien, in die das WM Finale halt fiel, traditionell auf einem Campingplatz auf Rügen verbrachte. Und weil das so lange her ist, dass damals nicht jeder 2. Wohnwagen ein Fernsehempfangsgerät hatte... weil es auch so richtig kaum Wohnwagen gab. Das war die Zeit vor dem Luxuscampen mit Stromanschluss... es dürfte aber schon die Zeit nach den Plumpsklos gewesen sein...
Dazu war diese Weltmeisterschaft halt in den USA und lief halt zu eher ungünstigen Zeiten. Aber es war halt WM Finale, da gibt es halt nichts.
Also fuhren wir zum nächstbesten Campingplatz, wo unsere Strandfreunde ihren Wohnwagen und eine Fernsehantenne hatten. Grillen und ein gesamtes Fußballspiel live sehen. Inklusive Verlängerung. Und all das für ein Finale, in dem so richtig nichts passierte. Dafür gab es eine nicht eingeplante Verlängerung und ein Elfmeterschießen. Bei dem dann Roberto Baggio den Ball Richtung Amerikanischen Sternenhimmel jagte... Einer dieser "Den Ball suchen sie heute noch" Fehltritte. Oder wie meine Generation das nennt: Kick it like Beckham. Und hinterher ging es im Dunkeln mit Fahrrädern durch den Wald.

Wie dumm hat sich Deutschland angestellt? Ich bin halt aus dem Alter, in dem die Deutsche Nationalmannschaft sich regelmäßig bei Turnieren... sagen wir es so... ungünstig präsentiert hat. Franz Beckenbauer sagte ja nach dem WM Titel 1990 den legendären Satz, dass die Deutschen auf Jahre unschlagbar sein würden... aber dann kam halt Berti Vogts. Und wir Deutschen haben halt die Angewohnheit irgendwelche Deppen zum Nationaltrainer zu befördern und dann Ewigkeiten an den festzuhalten. Es ist eigentlich unfassbar, wie erfolgreich die Deutsche Nationalmannschaft war und ist, wenn man sich die Resümees der verantwortlichen Trainer jenseits ihrer Tätigkeit für den DFB anguckt... Also rein logisch gesehen war Erich Ribbeck der qualifizierteste Nationaltrainer der letzten 50 Jahre. Alle anderen sind irgendwie in diesen Job hineingestolpert... Aber alles zu seiner Zeit.
Jedenfalls hatte Berti Vogts das Problem, dass er noch an zu vielen Weltmeistern fest hielt und den nötigen Umbruch verweigerte. Das verdeutlichte sich am ehesten an der Personalie Bodo Illgner, der einem Andreas Köpke vorgezogen worden ist. Das Ergebnis: Bulgarien, also eine dieser Nationen, die wir vor Vogts in Badelatschen besiegt haben, warf uns im Viertelfinale raus... Unter anderem weil wir den auch damals schon kleinen Thomas Hässler in ein Kopfballduell mit dem damals schon Halbglatze tragenden Jordan Letchkov schickte. Hätte man kommen sehen können. Ich bin mir nebenbei echt nicht sicher, ob ich das Bulgarien Spiel damals auch Live gesehen habe, oder ob ich die Szene danach so oft gesehen habe, dass ich glaube sie Live gesehen zu haben.
Aber das war ja noch nicht mal die schlimmste Vorstellung. Denn bei diesen Turnier verdiente sich ein Stefan Effenberg den Spitznahmen "Stinkefinger", weil er sich entsprechend von dem amerikanischen Publikum in Dallas verabschiedete. Aber immerhin reichte es damals noch gerade so für Südkorea... immerhin etwas. A propos Dallas:

Interessante Storylines: Einer der faszinierendsten Geschichten war praktisch das Klima. Denn die USA sind, große Überraschung, verdammt groß. Und es machte einen riesigen Unterschied, ob man in Dallas bei extreme Hitze spielt, oder in Chicago bei halbwegs angenehmen Temperaturen spielte.
Also um das vielleicht etwas zu verdeutlichen... die Verhältnisse in Texas im Sommer sind ungefähr so angenehm, wie die im Katar... wo man ja offensichtlich keine WM im Sommer spielen kann, weil es da zu heiß ist. Das ganze wird dann 2026 auf die Spitze getrieben, wenn die WM in Mexiko (wo es schon legendäre Hitzeschlachten gab) und Canada ausgetragen werden soll. Also ja, theoretisch müsste die WM 2026 im Sommer und im Winter ausgetragen werden... Oder die Mexikaner bauen sich klimatisierte Hallen, wie sie in den USA schon reihenweise stehen. Hier ist das lustige: Wenn sie da im Katar drüber nachdenken, sagen alle "Was für eine Dekadenz"... dass die Amerikaner aber immer die Könige im Bauen dekadenter Stadien waren... und versteht mich nicht falsch, ich durfte mal in einer der relativ alten Multifunktionsarenen Fußball spielen. Die Amis beherrschen das Stadion bauen richtig gut. Und im Gegensatz zu sagen wir Brasilien werden die Stadien da hinterher auch nicht verkommen. Aber ich werde es halt nie verstehen, warum man es als verwerflich betrachtete, wenn Ölscheiche sich ähnliche Arenen bauen wollen... Weiter im Text.

Der erste große Auftritt: Diese Kategorie fiel mir direkt ein, als ich einen Blutjungen Ronaldo im Finale durchs Bild hüpfen sah. Denn eine WM ist ja immer die Gelegenheit für aufstrebende Stars sich der Welt zu präsentieren... oder ihre ersten Gehversuche als Ergänzungsspieler zu  machen und Erfahrungen zu sammeln... Und ja, der darf sich technisch gesehen Doppelweltmeister nennen. Und hatte drum herum alle Möglichkeiten den Fußball in Europa zu prägen, Aber am Ende reichte es "nur" zum Uefa Cup Titel... Aber er war halt in Brasiliens dominantester Zeit ihr bester Mittelstürmer. Umgeben von noch besseren Spielern. Und so wurde er Rekordtorschütze und Doppelweltmeister... blieb aber irgendwie auch ein unvollendetes Versprechen. Ich persönlich bezeichnete ihn als "Schlechtesten Weltklassestürmer aller Zeiten." Aber 94 tauchte sein Name das erste Mal auf. Allerdings nicht nur seiner.
Ein gewisser Henrik Larsson spielte ebenfalls sein erstes Turnier und landete mit Schweden auf einem nie wieder erreichten Dritten Platz. Larsson ist so was wie der Anti-Ronaldo. Oder der Anti-Ibrahimovic. Er spielte persönlich nie in der vordersten Front der Superstars mit. Unter anderem weil er seine besten Jahre bei Celtic Glasgow verbrachte. Aber seine Vereine erreichten trotzdem ungewöhnliche Höhen. Und am Ende stehen da so viele Titel in seiner Vita, dass ein verlorenes Uefa Cup Finale mit Celtic 2003 nicht mal mehr aufgeführt wird. Obwohl er in dem Finale doppelt traf... An sonsten wurde er überall Meister... außer in Schweden. Spielte einen absolut genialen Pass in einem Champions League Finale. Und wurde als Schwede für seine Leistungen in Schottland zum "Member of the British Empire"... Trotzdem dürfte er auf keiner Bestenliste auftauchen...
An sonsten muss noch dringend Cafu erwähnt werden, der als einziger Spieler in 3 WM Finalen auf dem Platz stand. Das "Problem" bei Cafu: hatte zu dem Zeitpunkt schon 2 Mal den Weltpokal und die Copa Libertadores gewonnen... der war quasi praktisch damals schon "alt"... Und seit 4 Jahren Nationalspieler. Aber den einem oder anderen Europäer dürfte er trotzdem bei diesem Turnier gesehen haben.

Das letzte große Hurra: Auf der Gegenseite sieht man bei solchen Turnieren jede Menge alternde Stars, die sich ein letztes Mal auf der ganz großen Bühne präsentieren... Wo einem dann auffällt, dass ihre ganz große Zeit irgendwie vorbei ist. Bei 1994 denkt man da natürlich an Diego Maradona. Schließlich endete seine internationale Karriere abrupt während des Turniers wegen eines positiven Dopingtestes. Maradona dürfte echt der einzige Fußballer der Geschichte sein, der während eines Turniers mit einen positiven Dopingtest aufgefallen ist. Gerade wo uns Fußballern Doping doch so was von egal ist. Aber ausgerechnet bei Maradona hat man wirklich mal auf so einen Test geguckt und die Bestrafung dann auch noch durchgezogen... Was halt faszinierend ist, weil Fußball halt sonst so lasche Dopingkontrollen hat, dass es eigentlich unmöglich ist aufzufliegen... ich meine, weil wir uns ja alle einig sind, dass Doping im Fußball gar nichts bring und es dementsprechend auch unnötig ist einen gedopten Weltstar zu sperren...

Mein persönliches Fazit: Seltsam. Also einerseits ist das WM Finale 1994 eines der ersten Spiele, an das ich mich erinnern kann. Von denen ich weiß, wo ich das gesehen habe. Gleichzeitig war das Interesse meines Vaters an diesem Spiel wahrscheinlich größer als mein eigenes. Es war definitv das letzte Finale bei einem großem Turnier, bei dem es mir egal war, wer gewinnt. Aber geguckt werden musste es natürlich trotzdem... Was halt seit dem auch nicht mehr verhandelbar ist.

Sonntag, 5. April 2020

Wie weit werden wir gehen?

Nur um rauszukriegen, wer am Ende absteigt... denn Meister werden eh die Bayern.

Also so langsam wird ja darüber diskutiert, wie und wann es weitergehen könnte. Und wie ein Terminplan aussehen könnte... während an anderen Stellen darüber geredet wird, dass uns das schlimmste noch bevorsteht. Und das Geisterspiele die einzige Option sind, ist allen Beteiligten klar.

Die Frage ist: Reicht das? Oder brauchen wir am Ende Geisterspiele in Isolation. Werden unsere Bundesligaprofis sich zwischen den Spielen komplett in Quarantäne begeben müssen um sicher zu stellen, dass sie sich nirgends anstecken?
Wäre es dann nicht sogar am sinnvollsten, die gesamte Bundesliga in eine geschlossene Sperrzone zu stecken, in der sie dann ihre Meisterschaft austragen ohne mit der Außenwelt in Berührung zu kommen? Ist es am Ende wirklich so wichtig?

Also das mag jetzt erst Mal absurd klingen, aber... also die NBA denkt anscheinend genau darüber nach und will ihre Play Offs geschlossen (im buchstäblichen Sinne) in Las Vegas abhalten.
Und wenn man ganz ehrlich ist: In Geisterspielen ist ja das Heimrecht sowieso nicht ganz so wichtig.
Was einem dann auch irgendwie bewusst wird: Wie will man in einem föderalistischen System eigentlich sicher stellen, dass überall gespielt werden kann, wenn das praktisch von den einzelnen Ländern entschieden wird? Wie gehen wir damit um, wenn Berlin und Bremen als einzige Städte eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes verweigern? Müssen die beiden Vereine dann halt immer Auswärts spielen, weil das die einzige Möglichkeit ist? Legen wir dann die Spieltage so, dass deren Heimspiele zum Schluss kommen? Müsste ein Spiel Werder vs Hertha dann auf Neutralem Boden ausgetragen werden? Also klar, das Spiel gab es schon, aber die Städte sind ja nur theoretische Platzhalter.

Aber die Stadt Bremen bringt schon das nächste Problem mit. Denn in deren Fortlaufenden Bestreben den Abstieg des Kostenfaktors Bundesligaverein zu beschleunigen, hat der Senat beschlossen, dass die Bremer als einzige nicht trainieren dürfen... was dem eh schon angeschlagenen Verein einen weiteren Wettbewerbsnachteil im Abstiegskampf einbringt. Es ist echt faszinierend, was die Stadt Bremen alles so unternimmt um ihren einzigen Bundesligisten loszuwerden... Vor allem wenn man bedenkt, wie viele Städte sich um einen Bundesligavertreter in ihren Stadtgrenzen reißen würde. Also Essen, Hannover, Nürnberg und Dresden sein hier mal als Beispiele genannt.

Jedenfalls stellt sich damit wieder die Frage: Muss sich Werder am Ende ein Trainingsareal vor den Toren Bremens, also in Niedersachsen, mieten, damit sie sich auf die letzten Spiele vorbereiten können. Eine Idee, die ich lose schon eingeworfen habe, als das Thema Werder vs Bremen das erste Mal aufkam: Wenn die Stadt Bremen all die Einnahmen, die ein Fußballverein für sie generiert, nicht wert schätzt, dann zieht doch nach Delmenhorst und generiert euren Umsatz dort.
Jetzt frage ich mich, ob die Gemeinde Delmenhorst ihren Rettungsfond für Covid-19 mitfinanzieren kann, in dem sie Werder Bremen für eine Wuchermiete ein Trainingsgelände anbieten... Inklusive Hotel daneben... Und dann stellt Werder plötzlich einen Antrag bei der DFL, weil es ja irgendwie fies ist, dass sie als einzige einen Trainingsplatz mieten müssen, weil die Stadt Bremen ihre Prioritäten als einzige woanders gesetzt haben...

Und klar, erst Mal klingt das alles völlig absurd. Aber die Szenarien sind irgendwie trotzdem erschreckend real, auch wenn noch keiner auf sie gekommen ist.
Allein schon dass Werder sich jetzt noch mit der Stadt rumschlagen muss, wann sie wieder auf den Trainingsplatz dürfen, während alle anderen zumindest in kleinen Gruppen wieder trainieren, ist ein heftiger Wettbewerbsnachteil. Und im Gegensatz zu dem "Wir reden uns ein, dass Florian Kohfeldt ein guter Trainer ist" Wettbewerbsnachteil, der schon schlimm genug ist, kann man dieses Mal einfach auch überhaupt nichts dafür.
Was Werder dann einen entscheidenden Joker in der Geschichtsschreibung geben könnte: Kohfeldt ist doch ein überragender Trainer, aber er konnte halt nichts dafür, dass die Stadt ihn nicht hat arbeiten lassen und man ist ja nur deswegen abgestiegen...
Wirklich genial wäre es ja nebenbei, wenn die Werder Profis jetzt in Quarantäne ihr Problem beim Verteidigen von Standards lösen würden. Und hinterher im Interview zugeben: "Ich habe halt Fifa 20 gespielt und dabei festgestellt: Dicht an seinem Mann stehen, den nicht wegrennen lassen und ins Kopfball Duell gehen, hilft... Und das machen wir jetzt einfach."

Die nächste offene Frage ist: Wie schlecht wird das Niveau auf dem Platz sein? Also wir haben jetzt ja die einmalige Situation, dass wir mitten in der Saison eine zweiwöchige Trainingspause einlegen mussten. Und nicht nur einzelne Spieler in ihrer Reha nach einer Verletzung, sondern die gesamte Mannschaft. Und man kann sich auch nicht vorstellen, dass die derzeitigen Trainingsbedingungen wirklich für Profis ausreichend sind. Wie viel Rost werden wir also auf dem Platz zu sehen bekommen? Wie lange will man die Mannschaften eigentlich wieder vernünftig trainieren lassen, bevor man sie aufeinander loslässt?
Gerade wenn man dann auf ein Mal ständig in Englische Wochen muss um wenigstens eine Chance zu haben die Relegation auch noch durchzudrücken. Welche Fitnessrückstände werden da auf dem Platz zum Vorscheinen kommen? Wir am Ende derjenige Meister (oder sichert sich den Klassenerhalt), der auf die Kombination von Fitnessproblemen und englischen Wochen die praktikabelste Antwort finden wird? Ist eine der praktikabelen Antworten: Wir werfen gewisse Spiele gegen übermächtige Bayern oder Dortmunder komplett weg und treten da mit einer B-Elf auf, damit unsere Leistungsträger sich mal erholen können?

Dann kommt der nächste Fragenblock: Die Medizinische Situation! Wie oft müssen Spieler auf Covid-19 getestet werden? Wären diese Tests nicht woanders sinnvoller aufgehoben? Wenn es regelmäßige Tests gibt... muss dann nur der eine positiv getestete in Quarantäne oder brechen wir beim ersten positiven Text den ganzen Spaß wieder ab? Wie viele Spieler verpasst Superstar X eigentlich, wenn er 14 Tage lang Krank geschrieben ist? Wie viele Ärzte werden da eigentlich sinnlos gebunden?

Was einen zu den eigentlichen Fragen bringt: Lohnt sich das ganze eigentlich? Was ist ein Meistertitel, der unter diesen Umständen errungen wird, eigentlich wert? Wie brutal wäre ein Einbruch zum Saisonende, der zu einem Abstieg führt? Also gehen wir mal das "Best Case Scenario" für Werder Bremen durch: Mainz 05 kommt mit dieser neuen Situation überhaupt nicht klar und verliert 5 Spiele in Folge... dadurch eröffnen sie dann Werder eine Chance auf den Klassenerhalt, obwohl man eigentlich 8 Punkte Vorsprung auf Werder hatte. Die Mainzer können dann wirklich behaupten: Sie sind nur wegen diesem Scheiß abgestiegen...

Und sein wir ganz ehrlich: Die Frage des Auf- und Abstieges sind (neben dem Rennen um Platz 4 zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen) die eigentlichen Dramen in dieser Geschichte. Denn ob die Bayern jetzt Erster oder Zweiter ist ihnen gerade genau genommen Scheißegal, solange sie sich für die Champions League qualifizieren. Klar, es würde sie minimal ärgern, wenn ihre historische Serie reißt... aber solange die Millionen gesichert sind, kommen sie klar. Aber ein Abstieg kombiniert mit den folgenden Einschnitten könnte einem Verein wie Mainz halt völlig unschuldig komplett das Genick brechen...

Andererseits... ist nicht weiter spielen auch keine Option. Also nicht spielen bringt genau so einen Rattenschwanz an Fragen mit sich: Muss die Liga dann aufgestockt werden? Haben sich Werder und Paderborn nicht ihren Abstieg verdient? Findet man eine Regelung, in der der HSV nicht aufsteigt? Wer darf dann am Internationalen Wettbewerb teilnehmen? Sah es nicht so aus, als würde Bayer Gladbach noch abfangen? Wer "muss" als letzter in die Europa League um 2021 in den Abstiegskampf zu rutschen?

Am Ende bleibt nur die Hoffnung, dass genügend dieser Fragen halbwegs ordentlich beantwortet werden können, so dass man ein halbwegs vernünftiges Saisonende ohne große Klagewellen findet. Man sollte sich aber halt auch, so deprimierend das ist, mit allen eventuell entstehenden Problemen vorher beschäftigen.

Oh und das sind nur die Nationalen Fragen... falls die sich wirklich dafür entscheiden einen Champions League Sieger zu suchen...

Freitag, 3. April 2020

Passives Avseuts vs Tradition Teil 7: 2 Vereine 1 Gründungsjahr

Und auch sonst viele Gemeinsamkeiten. Trotzdem ist nur einer der beiden ein Traditionsverein?

Die Rede ist offensichtlich von Bayer 04 Leverkusen und Schalke 04. Beider Vereine wurden im Wesentlichen im Jahr 1904 gegründet. Schalke von den Kumpeln der Kohlegruben, Leverkusen auf Wunsch von 190 Mitarbeitern des Bayer Konzerns. Beide sind fest verankert in der Sportgeschichte dieses Landes.

Bayer Leverkusen förderte zum Beispiel 10 Olympiasieger und insgesamt 82 olympische Medaillen. Der Verein als ganzes ist weit mehr als ein künstliches Werbeprodukt für die Bayer AG. Nur ist halt den wenigsten bewusst, wie vielen Bayer-Athleten sie während der Sommerpause zugejubelt haben... weil das halt alles "sympathische Deutsche" und keine Angestellten einer Werkself waren.

Aber wenn man sich nur die Fußballvereine anguckt, sind die Parallelen faszinierend. In der Moderne hängt der eine am Gas der Russen, der andere an den Medikamenten des Chemiefabrikanten. Beides Geldgeber mit absoluter moralischer Integrität...

Beide spielen aktuell auf demselben Level: Alle 2-3 Jahre qualifiziert man sich für die Champions League, alle 4-5 Jahre spielt man eine richtige Scheiß-Saison und landet im Mittelfeld. Dazwischen gibt es verdammt viel Europa League. Beides sind echte Institutionen der Bundesliga: Man kann sich die Liga eigentlich nicht ohne sie vorstellen.

Vor allem auch geschichtlich. Also bundesligageschichtlich. Schalke hat natürlich historisch einen riesigen Vorsprung, weil sie 7 Mal Meister waren, bevor die Bundesliga überhaupt gegründet wurde. Aber das Problem daran ist: So was ist für Traditionsvereine relativ irrelevant. Klar, nice to have, aber halt nicht entscheidend.
Also lasst es mich mal an einem praktischen, heimatnahen Beispiel erklären... Mal wieder: Der 1.FC Lokomotive Leipzig gilt nicht als großer Traditionsverein, weil sie der erste Deutsche Fußballmeister waren (die hießen ja auch VfB Leipzig, aber wenn man das Lokis sagt, macht man sich unbeliebt...), sondern weil sei in der DDR ein großer Verein waren. Die 70er und 80er Jahre sind da wesentlich relevanter als alles, was vor den 60ern passiert ist.
Spontane These: Das könnte auch daran liegen, dass man sich dann mit der Phase "Titelsammeln unter dem Harkenkreuz", wie Wikipedia die Episode für die Schalker nennt, auseinander setzen muss... und es ist kein Vorwurf, dass man da nur bedingt Bock drauf hat. Aber laut Wikipedia ließ man sich "bewusst einspannen"...

Wenn man sich die Schalker und Leverkusen seit den 70ern anguckt, werden die Parallelen nur noch deutlicher: Beide Vereinsgeschichten sind geprägt von faszinierenden Europapokal Jahren. Legendären Siegeszügen über den Kontinent. Leverkusen und Schalke gewannen jeweils ein Mal den UEFA Cup. Die einen 1988, die anderen 96. Dazu hatte Leverkusen 2002 eine weitere legendäre Saison, in der man am Ende an Zinedine Zidane und Real Madrid scheiterte, Schalke kam 2011 völlig überraschend ins Halbfinale. Faszinierende Weise besiegte Schalke sowohl 1996 als auch 2002 nacheinander den FC Valencia und Inter Mailand...

Und National mussten sich beide im Wesentlichen mit den Erfolgen im DFB Pokal begnügen. Auch wenn Bayer den am Ende "nur"1993 gewann. Schalke war dagegen gefühlt die einzige Mannschaft, die die großen Bayern von 2000 bis 2010 im DFB Pokal schlagen konnten. Sie gewannen ihn 2001, 02 und 11. 2002 sogar gegen Bayer... Da, wo sich die Parallelen schneiden...

Und an der Stelle kommen wir zu den wichtigsten Titeln: Schalke ist "Meister der Herzen", Bayer "Vizekusen". Letzteres hat man sich sogar patentieren lassen. Auf der Liste der "spannendsten Titelkämpfe aller Zeiten" findet man beide Vereine... auf der Verliererseite. Michael Ballacks Eigentor vor den Toren Münchens, also in Unterhachingen, ist genau so legendär wie der unmotivert mit der Hand aufgenommene Rückpass von Mathias Schober in Hamburg.
Meine persönliche These ist ja gewesen, dass sich genau in solchen Momenten Traditonsvereine bilden. Also in den Momenten, wo das Herz des Fans gebrochen wird, entsteht diese extrem fest Bindung zwischen Anhang und und Klub. Nur halt in Leverkusen anscheinend nicht, damit ist diese These hinfällig.
Jedenfalls ist ja deine Meisterschaft in dem Moment gesichert, wo die entweder direkt hinter oder direkt vor Leverkusen oder Schalke stehst. Selbst wenn du am 33. Spieltag 6 Punkte Rückstand hast. Die werden das garantiert verkacken, du kannst also dein Meister-Merchandise in Auftrag geben...

Dann haben beide Vereine eine weiteres edles Gewürz in ihrer Suppe. Ich nenne das mal den Uli Hoeneß Effekt: Diese herausragende Persönlichkeit, die den Verein über Dekaden prägt und den man entweder hasst oder liebt. Den man aber schon für sein Lebenswerk in dem Verein respektieren muss. Auf Schalke heißt der Mann Rudi Assauer, in Leverkusen Rainer Calmund. Keiner kann die Genialität dieser Macher in Frage stellen. Aber es gibt auch wenig "och, der war ja eigentlich ganz nett" Grauzonen in der persönlichen Bewertung: Entweder man liebt Calmund und guckt sich deswegen Waldis WM Club an, oder man schaltet aus, weil der da sitzt und dummes Zeig quatscht. Ok, schlechtes Beispiel, weil Waldis WM Club schaltete man ja aus, weil Waldi da saß. Egal, es geht ums Prinzip...

An der Stelle müssen wir natürlich auch zu dem entscheidenden Unterschieden zwischen beiden Mannschaften kommen: Das Produkt auf dem Rasen. Also das, worum es eigentlich gehen soll. Schalke ist da... drücken wir es diplomatisch aus... ein ehrlicher Arbeiterklub. Hoeneß würde dagegen sagen: Die spielen einen richtigen Scheißdreck. So richtig grausame Folter für die Fußball-Ästheten.
Und bevor jetzt die Schalke Fans mit Fackeln und Forken vor meiner Haustür stehen... bedenkt bitte, wir haben gerade Social Distancing... kommt bitte jeweils nur zu 2., sonst gibt es Ärger mit dem Ordnungsamt.
Und sachlich gesehen gab es in diesen Jahrtausend einen Vizemeister, der noch grausameren Fußball gespielt halt als Schalke 04: Der VfB Stuttgart wurde mit 59 Punkte und 53 Toren Zweiter. Aber hier ist die schockierende Bilanz der Schalker:
2004/05 gab es 63 Punkte und 56 Tore.
2007/07 immerhin 68 Punkte, aber nur 53 Tore.
2009/10  65 Punkte und wieder 53 Tore.
Und 2017/18 63 Punkte und wieder 53 Tore.
Das kannst du dir echt nicht ausdenken. Anscheinend muss Schalke echt genau 53 Tore erzielen oder 63 Punkte sammeln um Vizemeister zu werden. Also nur mal so als Vergleicht: Letzte Saison wurde RB Leipzig mit 66 Punkten und 63 Toren... Dritter. In 3 von 4 Jahren reichen 63 Punkte nicht mal für Platz 3. Also Schalke selbst wurde 2012/13 mit 64 Punkten und 63 Toren DRITTER. Wahrscheinlich haben die in genau dem Moment festgestellt: Besser spielen hilft uns halt nicht weiter, lasst uns zu dem üblichen Gegurke zurückkehren...

Bayer Leverkusen dagegen steht, halt wegen Rainer Calmund, für brasilianische Importe. Also deren Jahrhundert-Elf besteht aus 5 Brasilianern: Lucio, Juan, Jorghino, Emerson und Zé Roberto... dazu hat noch einen Paolo Sergio auf der Bank. (Andererseits... sitzt da auch ein Carsten Ramelow auf er Bank...)
Schon zu Zeiten, wo "Brasilianer verpflichten" ein richtiges Experiment war (allein schon, weil man nur 3 Ausländer anstellen durfte), war Calmund DER Experte im Verpflichten und Integrieren von Südamerikanern. Zé Roberto galt zum Beispiel eigentlich als schon bei Real Madrid gescheitert und in Europa nicht brauchbar. In Leverkusen reifte er zur Fußballlegende.
Das stereotypische Ergebnis vieler Brasilianer ist dann ja offensiver und attraktiver Fußball. Also man erzielt halt 77 oder 74 Tore, nur um auch nicht Meister zu werden.

Leverkusen hatte ja zwischenzeitlich diese Sonderrolle im Deutschen Fußball. Also das "Europacup Phänomen". Damit meine ich folgendes: Wenn die eigentliche Mannschaft aus dem Europapokal ausgeschieden ist (also meistens so im März der Vorsaison), werden viele Fußballenthusiasten dann ja doch plötzlich zu Bayern-Fans. Weil man ja für die Deutschen Mannschaften sein muss. Das habe ich selber nie verstanden, es ist trotzdem ein weit verbreitetes Phänomen: Da jubelt man auf ein Mal am Dienstag für die Bayern, denen man am Samstag dann wieder gar nichts gönnt.
Und im Nationalen Rahmen war, gerade zur Jahrtausendwende, Bayer Leverkusen genau diese Mannschaft für die Bundesliga: Wenn sich deine eigene Mannschaft aus dem Meisterschaftsrennen verabschiedet hat, was halt für die meisten so am 3. Spieltag der Fall war, und du trotzdem eine Motivation gesucht hast um die Tabellenspitze weiter zu suchten... dann hast du dich hat für Bayer Leverkusen entschieden, denn die Bayern sind da halt keine Option, die gewinnen eh immer und du willst halt wenigstens auch guten Fußball sehen.
So wurde Leverkusen spätestens durch den Einzug ins Champions League Finale 2002, zur beliebten "Zweitmannschaft" unter den Fußballfans.
Und Leverkusen war ja auch perfekt, weil man praktisch kaum Rivalitäten mit anderen großen Fangruppen hat. Also solange man nicht gerade für Köln ist, guckt einen auch keiner dumm an, wenn man plötzlich jubelt wenn Leverkusen nen Tor erzielt...

Aber hier liegt wahrscheinlich auch die Wurzel des Problems: Leverkusen hat es weder Regional, noch Bundesweit, geschafft diese Fans komplett auf ihre Seite zu ziehen. So dass sie nicht nur bei der Sportschau Zusammenfassung auf Leverkusen achten, sondern zunächst mal auch das Sky Solospiel einschalten... und sich dann als nächstes nen Trikot und ne Dauerkarte zuzulegen.

Denn obwohl beide Vereine extrem viele Gemeinsamkeiten haben und Leverkusen in der Regel den attraktiveren Fußball bietet, lässt sich halt eines nicht leugnen: Schalke bewegt die Massen. Die brauchen halt ein 62.000 Mann Stadion, während für Leverkusen 30.000 reichen. Und Leverkusen kriegt das Ding mit 30.000 Mann ja nicht mal ausverkauft.
Und die Anziehungskraft von Schalke ist halt wirklich faszinierend. Und das meine ich, auch wenn es so klingt, gar nicht zynisch. Denn "Erfolgsfans" sind das ja nun wirklich nicht. Es dürfte weltweit keinen anderen Verein geben, der quasi wöchentlich 60.000 Leute in ein Stadion bewegt, obwohl man seit 70 Jahren keine einzige Meisterschaft gewonnen hat.
Also mit 160.000 Mitgliedern ist man in einer Weltweiten Liste auf Platz 6. Der Zuschauerschnitt wird nur von Barcelona, Borussia Dortmund, Manchester United, Real Madrid und Bayern München getoppt. Jede dieser Mannschaften hat mindestens 8 Meisterschaften geholt. Mindestens 5 seit 1990. Und mindestens ein Mal die Champions League. Schalke ist definitiv der erfolgloseste Verein auf dieser Liste.

Irgendwie hat Schalke es geschafft die Menschen in ihrer Region und darüber hinaus zu fesseln. Sie emotional mitzunehmen. Bayer Leverkusen ist dies nie wirklich gelungen. Deswegen kennt wohl auch jeder Fußballbegeisterte in seinem Freundes und Bekanntenkreis einen bekennenden Schalke Fan, aber keinen Anhänger von Bayer Leverkusen. Das ist zumindest meine Erfahrung.

Was aber zu der spannenden Frage führt: Wie verkauft man eigentlich Emotionen? Geht das? Kann man dafür ein Konzept entwickeln?
Zynisch gesagt: Die Borussia Dortmund KGaA haben genau dies geschafft. Ihre Fans merken es ja nicht mal, dass sie Anhänger eines Börsennotierten Unternehmens sind, sondern haben sich "Wahre Liebe" andrehen lassen. Leverkusen hat sich das "Vizekusen" Thema zwar patentieren lassen, es aber irgendwie verpasst darum eine große, emotionale Kampagne zu fahren...