Ernsthaft, wir sollten da mal zum Psychologen. So richtig gesund kann das nämlich nicht sein. Also einerseits wählen wir immer wieder völlig random Trainer aus, die genau genommen keinerlei angemessene Vorqualifikation mitbringen. Und andererseits halten wir dann auch noch Ewigkeiten an denen fest.
Das ist ja auch kein neuer Trend. Das begann genau genommen schon bei Sepp Herberger. Der wurde ja erste Bundestrainer des DFBs, weil er... heimlich Widerstandskämpfer gegen die Nazis im Dritten Reich war? Ja! Genau!
Ok, man genau hin gucken um diesen Widerstand zu finden, aber angeblich hat er als Reichstrainer dafür gesorgt, dass die besten Fußballer nicht an der Front verheizt wurden. Unter anderem Fritz Walter. Er hat also die fittesten und besten Soldaten... Und er hat auch bestimmt selber gar keine Kontakte zu den Nazis gehabt. Also abgesehen davon, dass er im Mai 33 in die NSDAP eingetreten ist, aber das war halt damals die einzige Variante zu verhindern, dass ein Walter später an die Front geschickt werden würde. Und das ist irgendwie auch mein voller Ernst. Also wenn er nicht in die Partei eingetreten wäre, hätten die Nazis ihn sofort entlassen und durch ein Parteimitglied ersetzt. So läuft das halt in einer Diktatur.
Aber hier soll es ja um den Trainer gehen. Und der hat vor seiner Zeit als Reichstrainer... immerhin mal beim SV Nowawes und Tennis Borussia Berlin gearbeitet. Insgesamt 4 Jahre. Und er wurde Berliner Stadtmeister. Danach war er dann bis zu seinem Karriereende 1964 Nationaltrainer. Er übernahm nie wieder eine Vereinsmannschaft.
Natürlich hat er auf der Habenseite den Weltmeistertitel 1954. Aber war Herberger wirklich ein "guter Trainer"? Oder einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Und vor allem: War er 1962 immer noch der Richtige Mann, oder hielt man einfach nur an ihm fest, weil man sich daran gewöhnt hatte, dass er halt Nationaltrainer war. Wikipedia dazu: "Langsam sollte sich der Vorteil seines jahrelangen Schaltens und Waltens nach eigenem Gutdünken in den Autoritätsstrukturen, unter denen er seit Kaisers Zeiten schon gelebt und gesiegt hatte, in der letzten Phase der Nachkriegszeit in das Gegenteil verändern." Das und seine beleidigte Reaktion nach der WM erinnert mich irgendwie schon stark an einen Jogi Löw.
Aber nach dem Rücktritt des alten Heerführers konnte man diesen doch wohl begehrten Job an einen der besten und erfolgreichsten Trainer im Land vermitteln.
Oder man nimmt einfach seinen Assistenten Helmut Schön. Dessen letzte reguläre Vereinsstation war beim Zweitligisten SV Wiesbaden. Dann arbeitete er seit 1952 für das Saarland (also gegen Deutschland) und dann in verschiedenen Funktionen beim DFB... Er wurde halt auch nur Nationaltrainer, weil er schon immer da war... Aber das funktionierte halt auch. Also man wurde Europameister 72 und Weltmeister 74.
Allerdings muss man an der Stelle halt auch sofort sagen, dass das wirklich eine Jahrhundertgeneration war, die damals auflief. Also das war genau die Phase, in der die Bayern 3 mal in Folge die Champions League gewannen. Diese Mannschaft wurde noch durch die überragende Fohlengeneration um Netzer, Heynckes und Vogts ergänzt. Aber Weltmeister wurde man nur, weil Franz Beckenbauer die Feinjustierung vornahm. Aber sobald Beckenbauer nicht mehr dabei war, war es auch mit der Herrlichkeit vorbei. Oh und irgendwie schaffte Schön es, einen Gerd Müller frühzeitig zu vergraulen... Auch hier muss irgendwie die Frage erlaubt sein: Ist man wegen oder trotz des Trainers Weltmeister geworden?
Irgendwelche Erfolge jenseits der individuell wohl besten Auswahl aller Zeiten hat er jedenfalls nicht vorzuweisen. Auch nicht auf Vereinsebene.
Also übernahm Franz Beckenbauer mit der Vorqualifikation, dass er de facto ja schon 1974 Teammanager war. Nur um das mal praktisch zu belegen: Der Anspruch des DFBs war mittlerweile so weit gesunken, dass der Trainer nicht mal einen ordentlichen Schein brauchte, um dieses Team zu verwalten. Und natürlich gewann selbst Beckenbauer am Ende einen Titel... aber das ist bis dahin halt auch jeden gelungen. Als Vereinstrainer hat er dann aber gar nichts auf der Habenseite vorzuweisen. Also eine Saison bei Olympique Marseille und dann hat er mal als Interimstrainer den FC Bayern übernommen.
Es folgte das, was eigentliche immer folgte: Sein Co-Trainer Berti Vogts. Und das ist dann endlich die Stelle, wo ich nicht mehr googlen muss, sondern mich erinnern kann. Also Vogts verwaltete ja die "Wiedervereinigung". Er hatte also den Weltmeisterkader, der durch hervorragend ausgebildete Ossis wie Matthias Sammer ergänzt wurde. Also die "Wir werden auf Jahre unschlagbar sein" Aussage vom Philosophen Franz mag arrogant gewirkt haben, aber das war einfach mal die Ausgangslage für die 90er Jahre... und dann kam Berti Vogts...
Dass der mit dieser Auswahl lediglich einen Europameistertitel holte... ist eigentlich ein Armutszeugnis. Und dass er nach dem äußerst enttäuschenden Viertelfinalaus 1994 gegen Bulgarien weiterwurschteln durfte... passiert einem so auch nur in Deutschland. So sind wir halt.
Faszinierender Weise hat man bei Vogts dann ernsthaft mal die Gegenprobe gemacht: Lag es an ihm, oder ist es einfach nur verdammt schwierig Nationaltrainer zu sein? Er beantwortete diese Frage, in dem er bei Bayer Leverkusen scheiterte. Und das war zu der Zeit, als Bayer Leverkusen bei der europäischen Spitze angeklopft hat. Also in dem Jahr nach Vogts wurden die in jedem Wettbewerb Zweiter. Mit Vogts war man davon relativ weit entfernt.
Und auch bei seinen anderen Stationen als Nationaltrainer in Schottland und Nigeria bewegte er wenig bis nichts. Wie bei all seinen Vorgängern sieht der Arbeitsnachweis echt grausam aus. Also er sieht noch grausamer aus, weil er es halt wirklich versucht hat noch was zu reißen.
Danach sagte der DFB dann: Das reicht jetzt, wir versuchen es mal mit einem richtigen Trainer. Einen, der in der täglichen Arbeit nachgewiesen hat, dass er es drauf hat. Der Internationale Titel geholt hat. Und landete bei Erich Ribbeck. Der natürlich von Uli Stielike betreut werden musste, weil man a) immer mindestens einen Welt- oder Europameister auf der Bank haben muss und Ribbeck b) halt auch schon Rentner war.
Und ja, Ribbeck hat einen UEFA Cup in seiner Vita stehen. Der war bestimmt auch mal ein richtig guter Trainer. Aber das war halt in den 80ern. De facto wurde er direkt aus Mallorca geholt, wo er seinen Vorruhestand verbrachte. Entsprechend desaströs verlief seine Amtszeit. Also er scheiterte als erste Trainer in der Gruppenphase... und angeblich soll es vor dem Turnier einen Putschversuch gegeben haben, bei dem Lothar Matthäus als geistiger Nachfolger von Franz Beckenbauer installiert worden wäre...
Hier ist das faszinierende: Trotz des schlechtesten Turniers seit 1938 wurde Ribbeck nicht sofort entlassen. Er musste schon selber zurücktreten... denn Trainer nach einem absurden Vorrundenaus rauszuschmeißen ist einfach nicht unser Stil... Nebenbei ist Ribbeck bis heute der einzige Deutsche Nationaltrainer, der nicht Weltmeister als Spieler oder Trainer geworden ist.
Was folgte war... eine an sich richtig gute Idee: Christoph Daum. Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Fußballs wollte man sich einen richtigen Spitzentrainer auf dem Höhepunkt seines Schaffens sichern. Was aber nicht so einfach war, denn Daum wollte vorher noch die 2001er Saison spielen. Und dann stolperte er über eine Haarprobe. Es soll halt einfach nicht sein.
Also... hieß der nächste Nationaltrainer Rudi Völler. Mit der Vorqualifikation: Der war halt Weltmeister. Und er führte Deutschland zur absurdesten Vizeweltmeisterschaft aller Zeiten... wo man das schwächste Gegnerfeld aller Zeiten zugelost bekam und erst im Finale auf Brasilien traf... und trotzdem all seine Spiele gerade so mit 1:0 gewann. Aber mit Michael Ballack im Finale wäre das alles ganz anders gelaufen.
Bei der Europameisterschaft folgte ein weiteres Vorrundenaus... und dann traf uns 2 Jahre vor der WM im eigenen Land die Erkenntnis, dass es so nicht weiter gehen kann. Also ersetzte man den einen ehemaligen Weltmeister ohne jegliche Trainererfahrung durch den nächsten mit Jürgen Klinsmann. Genau dem Jürgen Klinsmann, der eindrucksvoll nachgewiesen hat, dass er nur ein Schaumschläger ist. Weil es aber eine Weltmeisterschaft war, erreichte man halt trotzdem das Halbfinale. Wie immer halt. Und das man Klinsmann nen Halbes Jahr vor der WM vom Hof jagen wollte... hatten alle vergessen.
Da Klinsi aber wusste, dass er das nicht konservieren kann... übergab er den Posten an seinen Co-Trainer. Wie das hier halt so üblich ist. Und dieser Co-Trainer war Jogi Löw. Dessen Trainerkarriere begann beim VfB Stuttgart, wo er als junges Trainertalent das magische Dreicek "Elber-Balakov-Bobic" zu offensiven Heldentaten coachte. Und zu einem Pokalsieg. Da fällt mir dann direkt auf, dass ich mal Löw Fan war... Selbst wenn alle Jügendsünden gut erklärt im Duden stünden, wären manche von ihnen auch nicht besser zu begründen.
Aber 2004 war dessen Trainerkarriere eindeutig auf dem Absteigenden Ast. Vorher verschlug es ihn nach Österreich... Niemand hatte den in Deutschland noch auf dem Schirm. Entsprechend überrascht guckten alle, als Klinsmann ihn als Co-Trainer präsentierte. Und ja, Löw ist buchstäblich hoch gestolpert. Und hält sich irgendwie seit 14 Jahren beim DFB.
Es ist völlig absurd, wie erfolgreich die Nationalmannschaft immer war, wenn man bedenkt, wie bescheiden die Vereinsbilanz ihrer Trainer aussieht: 1 UEFA Cup Sieg, ein DFB Pokal Titel, eine Meisterschaft in Österreich, eine Berliner Stadtmeisterschaft... Das dürfte die gesamte Trophäen-Sammlung vor Amtsantritt gewesen sein. Dazu kommt noch ein Uefa Cup Titel, den Franz als Interimstrainer holte.
Was halt einfach unfassbar ist. Also wenn man bedenkt, wie viele legendäre Trainer die Bundesliga hervorgebracht hat. Udo Lattek, Hennes Weisweiler, Otto Rehagel, Ottmar Hitzfeld, Jupp Heynckes, Thomas Schaaf, Felix Magath, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel... also wie viele dieser Trainer haben alleine mehr Titel gewonnen als all die Bundestrainer zusammen?
Man will sich gar nicht vorstellen, wie dominant diese Auswahl sein könnte, wenn sie mal von einem richtig kompetenten Trainer angeführt wird... Trotzdem war keine von ihnen jemals ernsthaft als Nationaltrainer im Gespräch. Warum das so ist... ist eine spannende Frage... Für Teil 2.
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