Normaler Weise suchen Fußballvereine ja immer nach ihrer "Nische". Ihrem mehr oder weniger einzigartigen Platz in der Bundesliga.
Da gibt es ganz unten die "Fahrstuhlmannschaften", die sich durch meistens wenige Jahre in der Liga und viel Abstiegs- beziehungsweise Aufstiegskampf definieren. Dann gibt es die Divenhaften Traditionsvereine wie Hertha BSC Berlin und Eintracht Frankfurt, die mehr oder weniger offensichtlich nach Höherem streben und vom internationalen Geschäft träumen. Karnevalsvereine aus Mainz und Köln, die sich sogar dann ein besonderes Trikot gönnen, wenn die Karnevalssaison wegen Corona abgesagt wird... Wo wir schon bei alternativen Konzepten sind: Union Berlin verkauft uns erfolgreich die Idee des Kiezklubs. Es gibt die Chaosvereine wie Schalke 04 und den HSV... Mannschaften wie der SC Freiburg präsentieren sich als hervorragender Aus- und Weiterbildungsverein.
Und natürlich die Mannschaften, die wirklich und konstant ums Internationale Geschäft spielen. Und die Bayern die entscheiden wer die Titel holt. So kultiviert halt jeder sein Image. Und alle wollen nur eines: Keine Graue Maus sein.
Das ist ja nebenbei genau das Problem, welches die Hertha gerade hat: Denen reicht es nicht einfach nur ein solider Bundesligist sein, sie wollen unbedingt zum Big City Club werden... auch wenn sie dafür ihre Seele verkaufen müssen. Who gives a Shit?
Und dann... gibt es die eine Graue Maus. Den einen Verein, der mittlerweile in seiner 10. Bundesligasaison angekommen ist. Und der die meiste Zeit (einige Ausrutscher, die sogar nach Europa geführt haben) einfach nur im relativ gesicherten Mittelfeld landen. 5 Jahre in Folge landete man zwischen Platz 5 und 12. Und selbst wenn man die letzten beiden Jahre "nur" 15 wurde, hatte man am Ende 4 und 5 Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang... den Klassenerhalt also vor dem letzten Spieltag in der Tasche.
Hier ist eine faszinierende Statistik: Das letzte Mal, dass es für den FC Augsburg am letzten Spieltag um mehr ging als um die Fernsehgelder, war 2016/17. Dazu kommt noch die Eroberung von Platz 5 am Letzten Spieltag 2014/15... Und das war es schon mit großer Aufregung zum Saisonende... viel Grauer geht es halt gar nicht...
Und das zeigt sich ja auch auf dem Transfermarkt und im Spielerkader des FCs. Der Beste Spieler der Augsburger Geschichte ist und bleibt Helmut Haller... dazu hatten sie offiziell mit Ulrich Bersinger einen der Helden von Bern in ihren Reihen... also einen der unbekannten Helden.
In der aktuellen Generation ist der Beste Spieler, den Augsburg hatte... ähm... Philipp Max? Aber jetzt gebt ehrlich zu: Wer von euch hat es auch nicht mitbekommen, dass der im Sommer zu PSV Eindhoven gewechselt ist?
Während andere Mannschaften ständig junge und talentierte Spieler ausbilden um auf dem Transfermarkt gewinne zu erzielen... erzielte Augsburg ein einziges Mal mehr als 10 Millionen Ablöse. Für Abdul Rahman Baba... Weil der irgendwie den Chelsea Scouts aufgefallen ist und die weigern sich halt weniger als 20 Millionen für einen Spieler zu bezahlen, egal wie unnötig das erscheint. So profitierte Augsburg von der einen guten Saison, die Baba jemals gespielt hat.
Und selbst wenn man dann mit Alfred Finnbogasson einen EM-Star in seinen Reihen hat, ist der so oft verletzt, dass man ihn nicht für gigantische Ablösesummen verkaufen kann.
Das ist aber halt auch alles mehr oder weniger geplant. Denn wenn mit Daniel Baier eine Vereinsikone abgegeben wird, holt man nicht irgendwelche jungen Perspektivspieler, sondern Daniel Caligiuri und Tobias Stobl. 2 Spieler, die von den Mannschaften mit angeblich höheren Ansprüchen nicht mehr gebraucht werden, die aber immer noch gut genug sind um solide Bundesligakost anzubieten. Eiskalte und rein rationale Entscheidungen, die das überleben im Hier und Jetzt sichern. Die aber niemanden vom Hocker reißen.
Der einzige Hingucker, den Augsburg sich gegönnt hat, war Felix Udoukhai. Aber der war, wenn man ehrlich ist, auch eher ein gescheitertes Talent. Jetzt könnte er der erste Deutsche Nationalspieler im Augsburgdress seit Jahrzehnten werden... was aber auch eher verdeutlicht, wie dringend man dort Boateng und Hummels braucht.
Denn auch bei Udoukai ist die realistische Perspektive: Der wird ein solider Bundesligaverteidiger. Nicht mehr und nicht weniger. Was gut für Augsburg ist, denn der kann das jetzt 10 Jahre lang bei den Fuggerstädtern machen.
Genau das reicht denen aber anscheinend auch. Sie sind der einzige Verein, der damit zufrieden ist, wenn er einfach nur in der Bundesliga mitspielen darf und dabei niemanden stört.
Auch die emotionalen Entscheidungen werden mit demselben Kalkül getroffen. Also ich habe ja bestimmt 2 Jahre darauf gewartet, dass Augsburg den Umbruch verpasst und mit ihrer "Vereinslegende Daniel Baier" absteigt. Sobald der aber wirklich Alterserscheinungen andeutete, hat man ihn freundlich aber bestimmt Richtung Karriereende verabschiedet.
Selbst der Trainerposten wurde ja dementsprechend vergeben. Also Heiko Herrlich wurde ja in Leverkusen entlassen, weil Rudi Völler die spielerische Entwicklung nicht gepasst hat. Dabei hat er sogar seine letzten beiden Spiele als Bayer Coach gewonnen... aber halt nicht den "offensiven, temporeichen und begeisternden Fußball“ spielen lassen, von dem Völler unter Peter Bosz geträumt hat.
In Augsburg sind begriffe wie "Spielphilosophie" genau genommen egal. Es geht am Ende nur darum, dass es am Ende um nichts mehr geht. Erreicht wird das meistens über pragmatischen "Umschaltfußball"... Fußballfeste können woanders gefeiert werden.
Das hat man nebenbei auch am Wochenende deutlich gesehen: Also man spielte gegen eine historisch schlechte Schalker Mannschaft. Dort ging man mit einer Standartsituation, die als Eigentor für die Schalker gewertet werden musste, weil Daniel Caligiuri als letzter Augsburger am Ball war. Und allein weil Schalke den ablösefrei ziehen ließ, muss man das als klassisches Eigentor werten...
Aber was machte Augsburg gegen den bisher hoffnungslos überforderten und abgeschlagenen Tabellenletzten? Man gab ihnen den Ball und sagte "macht mal!"... zeigt mal, was ihr könnt... In einem Heimspiel... Deswegen hatte Schalke dann plötzlich 59% Ballbesitz... und als selbst dass nicht half, legte Carlos Gruezo den Schalkern selbst den Ausgleich auf...
Erst als man dann plötzlich hinten lagen, fingen sie an selber Verantwortung fürs Spiel zu übernehmen... und das in Unterzahl. Wenn man vorher mehr Interesse an eigenem Ballbesitz und Spielgestaltung gezeigt hätte, hätte man sich den Ausgleich und den Platzverweis vielleicht ersparen können. Wenn man es kritisch betrachtet, war es grob fahrlässig eine Mannschaft in einer derart schlechten Verfassung das Spielfeld einfach zu überlassen. Andererseits... wenn sie den Schalkern nicht den Ausgleich auflegen, können sie hinterher halt behaupten, dass sie das Ding souverän nach Hause geschaukelt haben... denn vorher sah es nicht so aus, als würde Schalke von sich aus und ohne Absteiststellungen das Tor in Gefahr bringen...
Aber praktisch heißt das: Augsburg würde selbst Tasmania Berlin den Ball geben und sagen "Zeigt mal, was ihr könnt..." Fällt euch sonst irgendein Bundesligist ein, der mit einer solchen taktischen Einstellung in ein Heimspiel gegen den Tabellenletzten geht?
Und wenn ihr jetzt denkt: "Oh, aber nach den Uth-Schok kann man es doch verstehen, dass die Augsburger etwas gehemmt agieren"... dann sei folgendes Bedacht: Da sich die Augsburger weigerten das Spiel selber zu gestalten, mussten dies die unfähigen Schalker tun. Was nur dazu führte, dass die in ihrer Verzweiflung noch mehr hohe Bälle in Richtung Udoukhai geschlagen haben. Um die Nerven dieses Jungen zu beruhigen, hätte man selber den Ball halten müssen.
Heraus kommt ein Verein, über den der gemeine Fußballfan halt auch einfach nicht nachdenkt. Den man 2 Mal im Jahr als Gegner trifft und sich dann wundert, dass die ja immer noch da sind. Dann guckt man kurz auf die Tabelle und stellt fest, dass die auch nächstes Jahr noch da sein werden. Aber hey, tut ja keinem weh... also außer dem HSV...
Die spannende Fragen lauten: Kommt vielleicht doch mal der richtige Ausreißer nach unten? Also was passiert, wenn man wirklich mal absteigt? Ist der FC Augsburg dann schon stark genug für den direkten Wiederaufstieg? Das sollten sie eigentlich sein. Diesen Verein wird die Bundesliga so schnell nicht wieder los.
Und viel wichtiger: Wie lange reicht denen das "Wir spielen einfach so mit!"? Ab wann schreit das Umfeld dann doch unvernünftiger Weise nach dem nächsten Entwicklungsschritt? Ab wann kommt Unruhe auf, wenn man nur eine Sorgenfreie Saison anbietet? Wie geht man dann mit dieser Unruhe um? Lässt man sich dann wirklich auf unvernünftige Ideen ein? Oder bleibt man auch dann einfach nur zufrieden mit dem Status als "Graue Maus"?
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