Kommen wir mal zu der wirklich spannenden Frage: Ist der DFB am Ende das Opfer in dieser Beziehung?
Also klar, das Amt des Bundestrainer gilt als die höchste Ehre, die man als Trainer erreichen kann. Aber die meisten Kandidaten weichen, wenn sie gefragt werden, mit einem "Vielleicht später mal" aus. "Zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere ist das noch nicht Teil meiner Lebensplanung"... und die tägliche Arbeit auf dem Platz ist halt um einiges wichtiger als die höchste Würde.
Und so ist der DFB dann auch auf ein Mal abhängig von den wenigen Doofen, die das halt machen wollen. Weshalb man sich hoffnungslos in sie verliebt und sich extrem abhängig von ihnen macht. Und so bauen sie sich dann ein Machtzentrum auf, in dem sie Schalten und Walten können, wie sie wollen.
Dabei fällt einem halt auch auf, dass man einen neuen Nationaltrainer immer zu den ungünstigsten Zeiten sucht. Also genau dann, wenn die begehrten Legenden mit ziemlicher Sicherheit bei einem anderen Verein unter Vertrag stehen. Denn das ist ja auch eines dieser Grundprobleme: Gute Trainer sind selten Arbeitslos. Und wenn sie es sind, übernehmen sie meistens im Sommer irgendwo einen großen Verein. Und wenn dann nach dem Turnier ein neuer Trainer gesucht werden soll, stecken die alle mitten in der Saisonvorbereitung.
Genau das passierte ja "damals", als eine richtige Task Force gegründet werden musste. Was nebenbei buchstäblich das erste Mal überhaupt war, dass der DFB nach externen Kandidaten suchte. Das war im Jahr 2000. Leute wie Weisweiler oder Lattek wurden also anscheinend noch nicht mal gefragt.
Das Problem war halt, dass der auserkorene Kandidat Christoph Daum noch einen gültigen Vertrag bei Bayer Leverkusen hatte.Und alle anderen Alternativen wie Ottmar Hitzfeld auch. Deswegen musste ja Rudi Völler als Interimslösung einspringen.
Und auch Jürgen Klinsmann war damals halt nicht der Wunschkandidat. Der hat halt beim Beamtenmikado verloren und als einziger gezuckt. Und gerade wie Klinsmann dann mit einem riesigen Katalog an Forderungen und Bedingungen kam... der DFB musste ihm halt praktisch alles erfüllen, weil sie als mächtigster Einzelsportverband der Welt in Sachen Trainern halt doch echt wenig zu melden haben: Sie müssen nehmen, wen sie kriegen können, und demjenigen alles erfüllen.
Das ist nebenbei auch ein strukturelles Problem. Das praktisch sinnvollste für Löw und dem DFB wäre es ja, bereits jetzt zu sagen: Die EM wird unser letztes Hurra. Danach geht es mit einem neuen Trainer weiter. Aber in Deutschland ist es halt unvorstellbar als "Lame Duck" in ein Turnier zu gehen... Deswegen musste Löws Vertrag ja auch vor der WM 2018 um 4 Jahre verlängert werden.
Hier ist halt auch die spannende Frage: Warum eigentlich? Also bei der Nationalmannschaft sollte man ja eh in 2 Jahres Zyklen denken. Und dieser Zyklus wird durch das Turnier abgeschlossen. Danach sollte eh alles zumindest relativ neu gemischt werden. Die alten Leistungsträger treten im Zweifelsfall zurück, die neue Generation an U21 Spielern rückt nach.
Vor allem, weil wir ja von einem Turnier sprechen, in dem es am Ende eh "nur um die Ehre" geht. Und um zukünftige Verträge, weil man als Europameister halt auf allen Ebenen mehr verdient, wenn man solche Beliebtheits-Booster in der Hinterhand hat. Die Motivation bei einem Turnier gut abzuschneiden sollte also vollkommen unabhängig davon funktionieren, ob der Trainer 3 Monate später noch derselbe ist.
Oh und ein Guter Trainer hätte seinen Kader auch als "Lame Duck" im Griff.
Als Trainer, gerade wenn man Löw heißt, nominiert man ja eh die Spieler, zu denen er ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Glaubt irgendjemand, dass sich etwas an Einstellung und Einfluss verändern würde, wenn vorher bekannt wäre, das Löw hinterher aufhören will oder muss? Oder würde sich nicht eher eine "Jetzt zeigen wir es nochmal allen" Mentalität entwickeln? Versuchen könnte man es mal. Und dann könnte der DFB halt jetzt schon auf die Suche nach einem Nachfolger machen. Dann findet man vielleicht auch die Trainer, die gewillt sind im Sommer ihre Lebensplanung zu ändern. Man könnte beim wichtigsten Posten ein Mal vorausschauend agieren, anstatt wie immer plötzlich von einem schlecht laufenden Turnier überrascht zu werden.
Oder man entscheidet sich einfach mal grundlegend neu und wechselt seine Trainer halt nicht nach den Turnieren, sondern auch mal zwischendurch. Das ist ja auch ein in Deutschland unvorstellbares Konzept. Dabei soll man natürlich nicht auf das einzelne Spiel reagieren, auch wenn es sich um historische Pleiten handelt. Aber wenn die Entwicklung über Jahre konstant negativ war, warum wartet man dann immer wieder das Turnier ab? Also das war schon 62 unter Herberger so. Am Ende stellt man immer wieder nach dem Turnier fest: Wir haben zu lange am Trainer festgehalten.
Nebenbei gibt es gerade noch eine andere Sondersituation. Also mich hat am meisten verwundert, dass in der Tagesschau von mangelnden Alternativen gesprochen wurde. Es gibt halt keinen, der das besser kann.
Wirklich? Also... hat beim DFB mal jemand mit Ralf Rangnick geredet? Der ist doch in genau dem Status seiner Karriere angekommen, dass er sich nicht mehr unbedingt mit der täglichen Arbeit beschäftigen, sondern als Teammanager in größeren Rahmen denken will. Er hat durchaus Interesse an Positionen jenseits der klassischen Trainerarbeit bekundet. Dazu er ist immer noch Visionär genug, dass er beim DFB durchaus etwas bewegen könnte. Und im Gegensatz zu all den anderen Visionären wie Klinsmann hat er mehrmals bewiesen, dass er einer der intelligentesten Köpfe in Fußball-Deutschland ist. Und Interesse hätte er auch...
Den Mann jetzt nicht zu kontaktieren ist genau genommen grob fahrlässig. Oder halt extrem Loyal Löw gegenüber. Wo man halt wieder die Frage stellen muss: Warum eigentlich? Warum macht man sich so extrem abhängig von einem Mann, der historisch gesehen wenig außergewöhnliches erreicht hat? Und ja, an der Stelle muss man nochmal festhalten, dass abgesehen von Erich Ribbeck alle verantwortlichen der Deutschen Nationalmannschaft entweder als Spieler oder als Trainer (oder in beiden Funktionen) einen großen Titel geholt haben. Und nur 3 Trainer (Ribbeck, Völler und Klinsmann) gingen ohne einen Titel.
Mein Best Case Szenario ist ja, dass wir dann nach der EM einen neuen Bundestrainer suchen, Rangnick dann aber schon irgendwo anders als Head of Technical Director angestellt ist und deswegen "gerade nicht zur Verfügung" steht... aber 2023 hätte er dann vielleicht Zeit.
Aber das ist halt das absolut faszinierende am DFB: Die haben eine unfassbar gute Turnierbilanz, obwohl sie nie von wirklich guten Trainern betraut wurden. Also jetzt vergleichbar mit Marcelo Lippi oder Antonio Conte in Italien.
Das war ja, wo ich jetzt schon das internationale Fass aufmache, auch einer der Schlüsselelemente für die spanische Dominanz nach 2008: Da wurde zum ersten mal nicht irgendein abgenutzter spanischer Trainer aus dem Wald geholt, sonder Vincente del Bosque, der vorher schon Champions League Sieger wurde. Und ja, die wurden auch in dem letzten Turnier vor del Bosque unter Luis Aragones Europameister, weil das halt auch eine richtig überragende Generation war. Aber als diese Spieler auch noch von einem nachweislich brauchbaren Manager verwaltet wurden, gewannen sie abgesehen von strategischen Niederlagen beim Confed Cup echt alles.
Wenn man in Deutschland echt mal einen brauchbaren Bundestrainer verpflichten würde, wären ähnliche Erfolge möglich. Aber am Ende wird nach dem Rücktritt von Jogi Löw, der halt irgendwann kommen wird, Stefan Kuntz übernehmen... obwohl der auf Vereinsebene eher negativen Einfluss hatte... aber er ist halt Europameister und irgendwie in die Rolle des U21 Trainers gerutscht, also ist er qualifiziert...
Aber auch Kuntz wird dann einen Kader verwalten, der gut genug ist um ein WM Halbfinale zu erreichen... selbst wenn die Mannschaft sich selber coachen müsste. Deswegen wird Kuntz dann ohne eigenes Zutun wie ein Fähiger Mann aussehen und Ewigkeiten im Amt bleiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen