Mittwoch, 16. Dezember 2020

Schade, dass diese Stuttgarter nicht zusammen bleiben werden.

 Das ist so ein Gedanke, der mir gerade jedes Mal in den Sinn schießt, wenn ich die aktuelle Generation der "Jungen Wilden" im Dress des VfB Stuttgarts sehe: Schade, dass die ihre Karrierehöhepunkte am Ende grob verteilt innerhalb Europas und nicht zusammen bei einem Verein, mit dem sie gemeinsam wachsen, erleben werden. Das wäre mal eine richtig coole Geschichte. Und es wäre spannend zu sehen, was denn deren gemeinsames Limit ist. Aber solche Geschichten gibt es im Fußball einfach nicht.

Mir fiel dann spontan der Vergleich zur NBA ein, wo es halt Mannschaften wie die Golden State Warriors, San Antonio Spurs und Oklahoma Thunder gab, die sich jeweils einen Kern drafteten und daraus dann einen Titelkonkurrenten bauten. Und selbst wenn die Thunder am Ende komplett auseinander brachen, so spielte der Kern um Kevin Durant, Russel Westbrook doch 8 Jahre zusammen.

Die Warriors waren dann doch gewillt ihren Kern aufzubrechen um eben jenen Durant zu holen. Aber Stephen Curry, Klay Tompson, Draymond Green und Harrison Barnes galten als das perfekte Beispiel, wie man sich durch die Draft einen Titelkonkurrenten aufbaut und diesen dann über Jahre wachsen lässt.

Dann fiel mir aber auf: Die NBA hat den Vorteil, dass ihr gesamter Kader ungefähr die Größe einer Startelf im Fußball hat. Dementsprechend reichen halt 2-3 Gesichter für den festen Kern einer Mannschaft. Historisches Beispiel: Die Michael Jordan Bulls waren genau genommen die Jordan-Pippen-Bulls. Sie holten 6 Titel in 8 Jahren. Aber lediglich 2 Spieler waren bei allen 6 Titeln dabei. So kann man das "Wir bauen Teams über Jahre auf" Image wesentlich leichter aufrecht erhalten, weil man genau genommen nur 2-3 Spieler halten muss um eine Ära zu prägen. 

Dazu kommt, dass dies in der modernen NBA auch immer seltener wird, weil Stars entweder kurzfristige Verträge unterschreiben oder einen Wechsel trotz laufenden Vertrag erzwingen. 

Aber dann kam mir der nächste Gedanke: Passiert so was im Fußball denn wirklich nicht? Und dann wurde mir bewusst: Doch, es passiert ständig. Nur halt 2 Ebenen höher als beim VfB Stuttgart.

Also ein paar halbwegs aktuelle Beispiele: Das Messi-Xavi-Iniesta-Busquet-Puyol Barcelona dominierte den Europäischen Fußball über Jahre. Das Problem daran ist halt, dass die schon vor Messi unter Ronaldinho und Samuel Eto´o verdammt gut waren, deswegen fällt das nicht so auf. Aber jetzt kann man den Überresten dieser Generation beim Zusammenbrechen zugucken, weil Barca halt den Umbruch verpasst hat.

Real Madrids Lauf mit Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos, Toni Kroos, Marcelo und Luka Modric war ebenfalls legendär. Und er ist noch nicht zwingend beendet, nur weil Ronaldo weg ist... auch wenn es gerade wieder stark danach aussieht. Aber wenn man ehrlich ist, sah Real im Herbst noch nie wie ein Titelkandidt aus...

Jürgen Klopps Liverpool um Mo Salah, Roberto Friminio, Sadio Mané, Jordan Henderson und Alex Oxlade-Chamberlain könnten in diese Lücke stoßen... oder halt die aktuellen Bayern.

Deren Champions League Titel aus dem Jahr 2013 kam im 11. Profijahr von Bastian Schweinsteiger... Und wurde von der Generation Eigengewächsen Philipp Lahm, Thomas Müller und David Alaba geholt.

Es hat beinah jeder Champions League Sieger diese "Da wächst eine Mannschaft über Jahre zusammen und dann holen sie den Titel" Geschichte. Oder sie kommen nicht ganz an den Pott ran. Denn das eigentlich interessanteste aktuelle Beispiel ist Diego Simeones Atletico Madrid. Dort wurde der Schritt vom "Spielt um den Europa League Titel mit" zu "Ist ein ernsthafter Kandidat für den Henkelpott" in den letzten 10 Jahren gegangen. Und auch wenn die Fluktuation, da es halt noch bessere Adressen gab, höher war als bei Real oder Barca, so gab es mit Diego Godin, Juanfran, Koke und Jan Oblak trotzdem verdammt viele Spieler, die große Teile der Dekade geprägt haben... nur steht halt keiner von denen für berauschenden Angriffsfußball, deswegen kehrt man sie gerne unter den Teppich.

Das "Problem" besteht also nicht darin, dass es diese "Über Jahre gewachsenen Mannschaften" nicht gibt. Das Problem ist eher, dass es nur 8-10 Mannschaften gibt, die diesen Status haben, dass sie sich entweder in einer "Wir könnten jetzt alles Gewinnen" Situation befinden... oder zwischen "Wir zögern den Neuaufbau noch hinaus" und "Wir sind gerade im Umbruch, in 3 Jahren geht es dann wieder um die Titel" Fenstern hin und her pendeln, wie Barca das halt gerade macht.

Und ja, ein Champions League Titel für Barca in den nächsten 3 Jahren (gerade wenn Messi wirklich wechselt, aber selbst mit wird es eng) erscheint unrealistisch. Da muss halt jetzt ein systematischer Neuaufbau her, damit man irgendwann wieder so weit ist. Was aber nicht bedeutet, dass Ansu Fati dann mit 25 als Anführer der nächsten Generation nicht doch wieder um die Titel mitspielt.

Aber, um den Bogen zum VfB zu schlagen: Im Ligaalltag passiert so was halt nie. 

Obwohl sich mir auch da die Frage stellt: Wirklich nicht? Also Borussia Mönchengladbach zeigt da doch gerade sehr interessante Entwicklungen. Und Spieler wie Lars Stindl, Yann Sommer, Christoph Kramer, Patrick Hermes und Oscar Wendt spielen seit mindestens 5 Jahren im Verein und haben jetzt gemeinsam das Traumlos Manchester City im Achtelfinale gezogen. Und seit dem dieser Wettbewerb so heißt, war Gladbach noch nie so gut.

Natürlich hat man diese Mannschaft immer wieder geschickt verstärkt und sogar den Trainer ausgetauscht... aber trotzdem kann man dort die Entwicklung eines festen Kerns wunderbar nachvollziehen. 

Die eigentliche Aussage der Überschrift sollte also lauten: Schade, dass sich der VfB durch Dekaden der selbst verschuldeten Inkompetenz in die Situation manövriert hat, dass man keine realistische Chance hat diese Generation, nennen wir sie Sven Mislintat I, zusammen zuhalten.

Was mich im Gedankenfluss zu den Punkt bringt: Wie ist der Mann eigentlich in Stuttgart gelandet? Also dass er einer der genialsten Talentscouts der Welt ist, war doch jedem bewusst. Warum musste der zu einem Zweitligisten wechseln um Sportdirektor zu werden? Vor allem wenn man bedenkt, dass er vorher bei Arsenal London war... ist sonst niemand auf die Idee gekommen den mal einen besseren Posten anzubieten als "Handlanger"? War der bei Arsenal nicht mehr als ein Handlanger? Warum geht der Mann zu einem abgestürzten Traditionsverein? Das sind doch genau die Leute, die sich normaler Weise RB Leipzig sichert...

Und wo wir schon bei Mislintat sind: Macht der alleine den VfB Stuttgart zu einem der spannendsten Projekte in der Bundesliga? Denn der wird ja nicht aufhören Rohdiamanten für den Verein zu finden und zu rekrutieren. Aber in 4 Jahren könnte er dies aus der Position "Gestandener Bundesligist" machen... Da könnte er sich dann in einem anderen Regal bedienen. Einen langen Exkurs über die prägende Rolle von Managern findet ihr hier. Dort wird dann die Frage gestellt, warum wir die Ären (Äras? Was ist die Mehrzahl von Ära? Confused...) von Mannschaften nicht viel stärker nach den Managern sortieren, obwohl das oftmals die wirklich entscheidenden Köpfe sind. Und der VfB hat ja am eigenen Leib mitbekommen, was passiert, wenn man einen mindestens semi-kompetenten Fredi Bobic vom Hof jagt und ihn durch Robin Dutt ersetzt... Wenn jetzt Mislintat zu seinem eigenen Max Eberl aufbaut... Das ist zumindest der optimistische Verlauf. Aber es ist der VfB, der wird das irgendwie verkacken und Mislintat vom Hof jagen, weil er im Jahr 2023 die Europa League verpasst und danach dann wieder absteigen...


Wo ich schon im Flow bin: Wer wirklich kleinere Teams bei einer organischen "Was wäre, wenn die zusammen bleiben" Geschichte verfolgen will, der muss halt bei den Nationalmannschaftsturnieren hingucken. Also genauer hingucken und nicht abschalten, wenn nicht Deutschland, oder die anderen Titelkandidaten laufen. Da gibt es dann so viele Generationen, bei denen der Höhepunkt "Turnierteilnahme" oder "Erreichen der K.O. Runde" im Lebenslauf steht. Bosnien Herzegowina unter Salihovic und Ibisevic. Kroatien machte es 2 Mal (Suker und Modric) überaus erfolgreich. Die Elfenbeinküste um  Didier Drogba und Co. Uruguay um Diego Forlan. Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden, bis man irgendwann bei Slowenien und Litauen landet...

Dort findet man immer wieder Mannschaften, die halt über Jahrzehnte zusammen bleiben müssen und dann irgendwann einen für die Nation historischen Höhepunkt gemeinsam erreichen. Bevor auch dort der Umbruch verpasst wird und der Einbruch kommt. Aber da findet man bei jedem Turnier garantiert mindestens einen Kandidaten. Und selbst die Titelkandidaten wachsen immer über mehrere erst mal enttäuschende Turniere zusammen, bis sie sich irgendwann den Titel holen. Xavi holte bei seinem 4. Turnier seinen ersten Titel mit Spanien. Lahm brauchte 6 Anläufe... Auch da kann man Mannschaften wunderbar wachsen sehen.

Je mehr ich also darüber nachdenke. um so mehr komme ich zu dem Schluss: Das passiert am Ende auch beim Fußball ständig. Man muss nur etwas genauer hingucken. Was eine schöne Erkenntnis ist, die einfach mal ausgesprochen werden musste.

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