Und man fragt sich: Ist das jetzt der Zeit für schlechten Humor? Oder doch eher für emotionale "Werde schnell wieder gesund" Tweets?
Dass erste Mal schmunzeln musste ich ja, als Erik Meijer in der Halbzeitanalyse sagte "Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals bewusstlos zu Boden gegangen sein"... das geht es ihm wie Mark Uth, erinnern kann der sich garantiert auch nicht... Dann dachte ich "Jetzt ist der Uth wieder bei Bewusstsein... Dass heißt, er muss das Elend sehen.."
Sind solche Gedanken nur erlaubt, weil Uth doch wieder zu Bewusstsein gekommen ist? Oder sind sie trotzdem unangebracht, weil die Langzeitfolgen und -gefahren unabhängig vom kurzzeitigen Bewusstsein passieren... aber sie werden halt nur kurzzeitig im Bewusstsein bleiben...
Hier ist das faszinierende: Dass sich das damals noch geplante Worst Of um Wirkungstreffer im Kopfbereich drehen würde, stand schon am Sonntag morgen fest. Mit Florian Kohfeldt als "Vollidiot der Woche"... denn der konnte zwar die Regel, die zum Elfmeter gegen ihn führte, anerkennen... aber verstehen wollte er sie nicht uns laberte etwas von "Aus fußballerischer Sicht würde ich ihn nicht geben"... Dabei galt Kohfeldt doch immer als einer der Intelligenten... Da müsste er doch wissen, wie wichtig so ein Gehirn ist... und wie gefährlich Kopfverletzungen sein können... Also zumindest ist es einer der Menschen, denen ich zutrauen würde, dass er sich da mal belesen hat.
Da landen wir wie das hier ein Mal jährlich der Fall ist, bei CTE. Also es ist echt irgendwie zynisch, dass der letzte Passives Abseits Beitrag zum Thema Gehirnerschütterungen um einen Werder Profi ging... also spätestens da hätte sich Kohfeldt als leitender Angestellter mit den Gefahren für Kevin Vogt beschäftigen müssen, interessierte sich aber nur dafür, dass er den Mann möglichst schnell wieder einsetzen kann, weil es ja um den Klassenerhalt geht... und dafür stirbt man doch gerne an potenziellen Langzeitfolgen einer Gehirnerschütterung. Als Leihspieler, der im Sommer dann doch zu seinem angestammten Verein zurück kehrt... lohnt sich das doch richtig.
Um den jährlichen Medizinkurz zu wiederholen: Chronisch-traumatische Enzephalopathie ist der Fachbegriff für Langzeitschäden im Gehirn, welche meistens durch Gehirnerschütterungen ausgelöst werden. Und Sportler gelten als allgemein stark gefährdet, wenn es um "Spontanes, tödliches Zusammenbrechen" als Spätfolge geht.
Nun kennt man das Problem hauptsächlich aus der NFL, weil das halt, im Gegensatz zum Fußball, keine Vollkontakt- sondern ein Kollisionssport ist. Und wenn man sich die Einzelfälle, die an den Spätfolgen leiden, so anguckt, sind das oft richtig hässliche und richtig entsetzliche Dramen.
Aber anscheinend warten wir im Fußball darauf, dass ein ehemaliger Profi richtig durchdreht und seine Frau und Kinder erschießt, bevor wir uns darüber Gedanken machen, ob man da nicht was gegen unternehmen könnte. Einfache Altersdemenz und Alkoholprobleme nach der Karriere wie bei Gerd Müller reicht da nicht aus. Und es wird auch niemand Müllers Gehirn untersuchen, um herauszukriegen, ober es vielleicht schon Ende der 70er CTE Fälle im Fußball gab... Und da sind wir dann auf ein Mal auf einer Linie mit Horst Seehofer: Bevor wir bei Studien unangenehme Erkenntnisse gewinnen können, geben wir diese Studien lieber nicht in Auftrag.
Das eigentlich Schockierende an der Situation am Sonntag war ja: Felix Uduokhai hat nichts falsch gemacht... und trotzdem 2 Gegenspieler am Kopf verletzt... Denn auch Nassim Boujellab hatte seinen Turban dank eines spontanen Rendezvous mit Uduokhai. Und als Sahne auf der Kirsche bekam Florian Niederlechner als Überreaktion von Dr. Manuel Gräfe einen Platzverweis, weil er Salif Sané mit der Hand unglücklich im Gesicht trifft...
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der ungefährlichste Vorfall war der einzige, der zu einem Freistoß und einer persönlichen Strafe führte... Und die war dann auch noch plötzlich übertrieben.
Was kein Vorwurd an Gräfe sein soll, bei dem Spielverlauf da so zu reagieren ist mehr als nachvollziehbar. Dass man so was dann nicht mit dem VAR überprüfen kann ist albern. Aber so ist der VAR halt. Und das ist ja auch nebensächlich.
Wir stehen zum 2. Mal in diesem Jahr vor der Frage: Wann wollen wir eine seriöse Debatte über Gehirnerschütterungen und Kopfschutz mal in Angriff nehmen? Wollen wir wirklich darauf warten, dass ein Spieler wie Uth nach einem ganz normalen Zweikampf zum Pflegefall wird? Oder bis ein ehemaliger Profi mit Mitte 40 spontan umkippt und dann alle hinter entsetzt feststellen: "Das lag an all den Gehirnerschütterungen, die er sich in den Jahren auf dem Platz eingefangen hat"...
Oder man nutzt diesen Schockmoment um einen Diskussion über Helme loszutreten. Aber dann fällt mir auf, dass wir in einer Welt leben, wo viel zu viele Menschen gegen das Tragen von Stofffetzen im Gesicht sind, auch wenn das offensichtlich sinnvoll wäre.
Und wahrscheinlich ist die Starfriseur-Lobby da auch einfach zu mächtig. Denn die wären natürlich ihr wichtigstes Klientel los, wenn sie nur noch Kurzhaarfrisuren desingen könnten. Und die werden dann auch noch in den entscheidenden Momenten von Helmen verdeckt. Und alles, was etwas aufwendiger wäre, würde ja durch das Tragen des Helmes während des Spiels ruiniert werden. Also doch lieber Hirntote... Da kann man halt nichts machen, da muss man die Prioritäten richtig legen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen