Dienstag, 2. Dezember 2025

Das ging ja schnell

 Also am Ende schon schneller als erwartet. Sandro Wagner ist dann in Augsburg schon wieder Geschichte. Aus der geplanten Ära wurde eine kurze Episode. Wenn selbst Manuel Baum einen besseren Punkteschnitt hat, als du, steckst du tief in der Scheiße...

Aber Manuel Baum ist jetzt ja zurück. Fast genau 5 Jahre, nachdem Schalke 04 festgestellt hat, dass der nicht die Lösung ist. Und sich alle einig waren, dass der eher in ein Nachwuchszentrum gehört. Was jetzt nicht schlimm ist. Er hat ja auch 75 % seiner Karriere in diesem Bereich gearbeitet. Aber die Anforderungen dort sind einfach andere. 

Aber hey, wenn er jetzt 4 Punkte aus 2 Spielen holt, dann behalten die den. Aus Nostalgie-Gründen: "Zurück in die gute alte Zeit, als wir eine graue Maus waren." Ist doch auch schön, wenn man sich nach einem kurzen Irrweg auf seine eigentliche Identität zurückbesinnt.

Und in 5 Jahren erzählen sich dann alle das Gruselmärchen vom "attraktiven Fußball in Augsburg": Weißt du noch, wie wir das versucht haben und wie katastrophal das gescheitert ist? Boah nie wieder!

Für mich gibt es zu dieser Entlassung ja zwei Seiten. Erstens: Sandro Wagner ist noch ein Trainer-Azubi. Er war mit der Aufgabe in Augsburg am Ende überfordert und das scheint er ja auch selbst zugegeben zu haben. Das bedeutet nicht, dass aus Wagner kein guter Trainer werden kann. Er wurde halt auch in eine extrem undankbare Situation geworfen. Aber ich würde das grob mit Nuri Şahin in Dortmund vergleichen. 

Viel interessanter ist aber, dass diese Episode uns zeigt, wie gering der Einfluss von Trainern wirklich ist. Denn ein Trainer kann nur das spielen lassen, was der Kader spielen kann. Und der Kader in Augsburg ist halt extrem limitiert. Wer von diesem Kader mehr als ehrlichen Arbeiterfußball erwartet, muss ein gnadenloser Optimist sein.

Oder man müsste die Stabilität und Infrastruktur schaffen, die diesen Fußball ermöglichen. Also eine entsprechende Akademie bauen und pflegen. Und halt nur 2 Trainer in 15 Jahren anstellen, die beide für dieselbe Philosophie stehen. Das klappt halt nur in Freiburg.

Wenn man ehrlich ist, war Wagner von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Er sollte die Nachfolge eines der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte antreten. Das geht dabei immer unter, aber unter Jess Thorup spielte Augsburg die drittbeste Saison ihrer Vereinsgeschichte. Der hat schon das Maximum aus diesem Kader herausgeholt. Und der ist ja nicht freiwillig gegangen.

Wagner sollte jetzt noch mehr aus diesem Kader holen, ohne ihn substanziell zu verbessern. Also ja, man hat in der Summe 11 Millionen Euro mehr investiert, als man eingenommen hat. Für das Geld bekommt man halt Fabian Rieder und Cédric Zesiger. Also die Rollenspieler anderer Bundesligisten. Den untalentierteren der Schlotterbeck-Brüder. Den besten Angreifer von der schlechtesten Offensive der Liga. Mit Han-Noah Massengo einen Ergänzungsspieler von Frankreichs U21 Nationalmannschaft.

Und versteht mich nicht falsch: Das sind schon gute Transfers für Augsburger Verhältnisse. Ein Christian Eriksen kommt halt einfach nicht nach Augsburg. Und ja, die Situation in Wolfsburg ist ähnlich katastrophal, aber Eriksen war zumindest in der Theorie ein Spieler, der das spielerische Niveau einer Mannschaft anheben kann. Also zumindest konnte er das mal, es wird ja auch Gründe haben, warum der Spieler Vereinslos war.

Und auch das nächste große Talent wird eher einen Bogen um Augsburg machen und lieber nach Freiburg gehen. Dort sind die Voraussetzungen einfach viel besser, um sich weiterzuentwickeln. Denn der letzte Trainer, der mehr als 2 Jahre am Stück im Amt war, war... Manuel Baum. Man steckt permanent im Abstiegskampf, was es für jeden Trainer schwieriger macht, auf junge Talente zu setzen. Und man ist auch von einem verschworenen Haufen ehrlicher Arbeiter umgeben, die es einem nicht leicht machen, spielerisch zu glänzen.

Anders ausgedrückt: Es gibt gute Gründe, warum Kevin Danso praktisch der einzige Jugendspieler ist, den man für 5 Millionen verkaufen konnte. Den hat man, damit er sich vernünftig entwickeln kann, permanent verliehen, bis er am Ende eine Saison in Augsburg als Stammspieler absolvierte...
Oder, um das andere Beispiel zu bringen: es verwundert nicht, dass dieser Verein für Pepi nicht der richtige Entwicklungsschritt war.  Pepi spielt mittlerweile in genau der Champions League, von der er damals geträumt hat. Nur halt in Eindhoven und nicht in Augsburg. Und wo er diese Saison mit 2 Toren in die Gruppenphase gestartet ist, würde es mich nicht überraschen, wenn der nächsten Saison in England spielt.

Damit man in Augsburg den Fußball spielen lassen kann, von dem Michael Ströll träumt, müssen erstmal ganz andere Grundlagen schaffen. Hier ist mal eine interessante Statistik: Augsburg hat mit Anton Kade gerade einen einzigen U-Nationalspieler in seinem Verein. Und den hat man im Sommer aus Basel geholt. Dagegen sieht die Dortmunder Nachwuchsakademie richtig erfolgreich aus...

Aber anscheinend glaubten sie in Augsburg wirklich, dass aus all ihren ehrlichen Arbeitern plötzlich Balletttänzer werden, wenn man nur den Trainer austauscht.  Dass eine derart gravierende Änderung so einfach durchgesetzt werden kann, war irgendwo zwischen wirklich naiv und richtig dumm. 

Stroll sollte viel mehr in der Kritik stehen, als Wagner. Denn der hat ja die Anforderungen gestellt, die sachlich gesehen einfach nicht zu erfüllen war. Und er ist derjenige, der auf der strukturellen Ebene dafür sorgen muss, dass diese Anforderungen irgendwann erfüllt werden können. 

Für "uns" als Content Creators ist das wirklich schade, denn die polarisierende Persönlichkeit Wagner hätte uns garantiert noch mehr Stoff geliefert...

Montag, 1. Dezember 2025

Das dümmste an dieser Bundesligasaison ist ja

 Sie ist endlich da, die Novemberkrise. Was ja, da die Bayern den ganzen Sommer über unterwegs waren und der gesamte Kader keine Chance zur Regeneration hat, abzusehen war. Dass die Offensive, abgesehen von dem Spiel gegen Freiburg, nicht mehr in die höchsten Gänge schalten würde, ist keine Überraschung. Und auch Manuel Neuers "nennt es nicht Patzer" könnte man damit erklären, dass er seit Januar im Dauerstress ist. Und das sind ja auch keine eklatanten Fehler, aber er spielt halt gerade konstant ein wenig zu zaghaft. 

Das Ergebnis: Man brauch Heldentaten in den Schlussminuten, um in der Bundesliga zu punkten. Gegen Union erzielte man den Ausgleich in der 93. Minute, gegen St. Pauli den Führungstreffer. Neuers Notenschnitt in der Liga im November liegt bei 4,0, in der Champions League gab es sogar eine 5,0 für ihn.

Und ich habe ja schon in der Vorschau ausgeführt, wie wichtig es sein dürfte, dass die Bayern mit einem gewissen Polster in den Dezember gehen. Da ging es hauptsächlich darum, dass man Jamal Musiala dann wieder langsam heranführen kann, anstatt ihn direkt wieder in die erste Elf zu stellen... was ihm ja während der Klub-WM eher geschadet hat. 

Dass es ein kleines Down gibt, erkennt ja sogar Neuer persönlich an. Wobei ich hier nochmal einschieben muss: Dass die Bayern jeweils in der Schlussphase getroffen haben, hat wenig mit Glück zu tun. Die haben halt mit aller Konsequenz auf das 2:1 gedrückt, weil sie sich nicht mit dem Unentschieden zufriedengeben wollten. Dabei, und das ist das richtig Dumme, wussten sie ja, dass dies für sie reichen würde.

Denn der "gefährlichste" Verfolger aus Leipzig ließ ja schon am Freitag Federn und spielte "nur" Unentschieden. Auch wenn die Bayern sich damit abgefunden hätten, dass es heute halt nicht so läuft, hätten sie ihren Vorsprung gehalten. So bauten sie ihn weiter aus. Wie schon mit dem Unentschieden gegen Union. 

Trotz des kleinen Krischen, dass die Bayern gerade durchleben, bauen sie ihren Vorsprung von 5 auf 8 Punkte aus. Die ersten 9 Spieltage konnte man sich wenigstens einreden, dass RB Leipzig trotz der heftigen Pleite zum Auftakt gegen die Bayern gar nicht so weit weg ist. Die könnten zumindest ein wenig Druck aufrechterhalten und somit die Illusion von Spannung in der Bundesliga erzeugen. Das Unentschieden gegen Gladbach hat diese Illusion endgültig zerstört.

Und somit ist das Rennen um die Meisterschaft nach einem drittel der Saison endgültig entschieden. Es gibt einfach kein realistisches Szenario, in dem diese Bayern 8 Punkte Vorsprung auf diese Konkurrenz´ verspielt. Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Und klar, den Kleinkindern würde ich diese Illusion lassen... aber auch nur denen.

Nur um das mal ganz praktisch festzuhalten: 2012/13 hatten die Bayern zuletzt nach 8 Spieltagen 12 Punkte Vorsprung. Vor Schalke 04. Das ist so lange her, da war Schalke, die derzeit in der 2. Liga spielen, noch ein Spitzenteam. Bayern wurde danach mit 25 Punkten Vorsprung Meister... Und das war es schon mit historischen Beispielen. Die Bayern hatten ein paar mal 6 oder 7 Punkte Vorsprung, aber bei 8 waren sie wirklich nur das eine Mal.

Jetzt müssen uns die ganzen Experten und Kommentatoren irgendwie erklären, dass wir trotzdem weiterhin einschalten müssen. Denn sonst verlieren sie ja ihre Relevanz. Das bedeutet auch: Die große Hoffnung ruht auf den Hoffenheimern. Wenn die den derzeit wirklich ansehnlichen und erfolgreichen Fußball bis zum Saisonende durchziehen, könnte es wirklich ein Hauen und Stechen um den 4. Champions League Platz geben. Im Wesentlichen könnten sich da Bayer Leverkusen, Hoffenheim, Stuttgart und Frankfurt um den letzten Platz am königlichen Buffet streiten. Aber ist noch nicht abzusehen, welche dieser Mannschaften wann in ihre persönliche Krise schlittern wird. Sich jetzt schon darauf zu versteifen, ist also relativ sinnlos.

Genauso wie Prognosen im Abstiegskampf, die durch ein überraschendes Comeback von Heidenheim über den Haufen geworfen werden kann. Das sind alles Dinge, die man sich im März anguckt und nicht im Dezember. Da hofft man, dass es vorne 2 Mannschaften gibt, die wirklich um die Meisterschaft kämpfen. Das wird dieses Jahr nicht passieren.

Wer also von jetzt bis Anfang April abschaltet, wird nichts Relevantes verpassen. Das kann kein gutes Zeichen sein.  

Donnerstag, 27. November 2025

Ok, lass uns einen Dominik Kohr Deep Dive machen

Wo jetzt ja alle behaupten, dass das ein ganz schlimmer Treter ist. Der verletzt bewusst andere Spieler. Das muss ja nachvollziehbar sein. Bei anderen Rüpeln gibt es ja auch Youtube Highlights. Hier ist Pepes Best-of. Um das bekannteste Beispiel zu nehmen. Wenn Dominik Kohr mindestens genauso schlimm ist, muss es ja irgendwo eine Compilation seiner Platzverweise geben. Dann ist dieser Beitrag schnell erledigt... gibt es natürlich nicht. 

Nun ja, 9 Bundesliga-Platzverweise müssen sich ja nachvollziehen lassen. Das Foul vom Wochenende haben wir wahrscheinlich alle gesehen. Und ja, das war ein harter und rücksichtsloser Tritt. Kein Thema. Nochmal: 3 Spiele Sperre sind vollkommen angemessen. Das reicht dann aber auch. Dazu kommt diese Saison noch ein weiterer Platzverweis gegen Augsburg. Die erste Gelbe ist schon ein klassisches "Zeichen setzen" und wirkt ziemlich unnötig. Die zweite Gelbe sieht er, weil Amiri den Gegner von hinten in ihn schubst. Das ist schon richtig dumm gelaufen. Kohr muss sich an der Stelle aber eher fragen, ob es wirklich nötig war, sich die erste Gelbe tief in der gegnerischen Hälfte abzuholen.

Der einzige Platzverweis der Vorsaison sah er gegen Mainz. Für ein an sich harmloses Halten. Das war halt eine Notbremse, aber die Verletzungsgefahr ist buchstäblich bei 0. 

2024 sah Kohr dann eine Gelb-Rote Karte fürs Meckern. Ist das unfassbar dumm? Bestimmt. Aber nicht wirklich gesundheitsgefährdend. Und ja, die erste Gelbe bekam er für ein rustikales Einsteigen. Und ja, das Foul schafft es auch in die Highlights des Aktuellen Sportstudios. Die zeigen aber auch, dass der Tritt, den Kohr in der ersten Hälfte einstecken musste, wesentlich heftiger war

In der Saison 2022/23 flog Kohr gar nicht vom Platz. Ja, das geht. 2021/22 dafür gleich 2 Mal gegen Union Berlin... Im Rückspiel sieht er innerhalb weniger Minuten 2 Mal Gelb. Eine Frustreaktion auf den 2. Gegentreffer? Bestimmt. Aber zumindest die erste Gelbe kassiert er auch, weil der Unioner die Entscheidung geschickt provoziert. Und es ist auch nichts wirklich Dramatisches dabei.

Als ich im Hinspiel Ticker "Kohr mit viel zu hohem Bein gegen Behrens." gelesen habe, dachte ich: Der trifft den Gegner bestimmt am Kopf. Und wahrscheinlich mit voller Wucht. Die Szene sieht dann aber relativ harmlos aus. Auch wenn es natürlich Gelb ist, ist es aber eben auch nicht mehr und nichts "brutales".

2020/21 sah Kohr 4 Gelbe Karten. Also klar, in der Hinrunde war er Bankdrücker, aber wir reden von einem Spieler, der sonst im Schnitt 10 Verwarnungen sammelt... 

In der Saison davor schickte Kohr sein Bewerbungsschreiben nach Mainz, weil er als Gast in deren Stadion glatt Rot sah... für eine Notbremse. Das ist dann nebenbei schon so weit zurück, dass es keine Videos bei Youtube mehr davon gibt. 2018 sah er für Bayer Leverkusen eine Gelb-Rote Karte, weil er innerhalb kürzester Zeit 2 Mal "zulangte". Der Kicker beschrieb diese Szene nur als "unklug" und nicht als "brutal". Dass Kohr nicht der Intelligenteste ist, wird hier aber gar nicht debattiert.

2016 fliegt er für den FC Augsburg gegen den Hamburger SV für ein taktisches Foul, mit dem er einen Konter unterbricht. Auch nicht clever. Die erste Gelbe bekam er für "wiederholt heftige Zweikampfführung". Dass das ein unangenehmer Gegenspieler ist, stellt auch niemand infrage. 

Und das war es im Wesentlichen schon. Anders ausgedrückt: Der heftige Tritt vom Wochenende war das erste Mal in seiner Karriere, dass Kohr für ein brutales Foul mit Rot vom Platz flog. Die restlichen direkten Platzverweise waren Notbremsen. Und aufgrund seiner aggressiven Spielweise sieht Kohr häufig Gelb. Und dann auch erschreckend häufig 2 Mal kurz nacheinander Gelb und fliegt damit vom Platz. Also gerade, dass er mehrmals innerhalb von 15 Minuten 2 Verwarnungen sieht, ist bedenklich. Also für die Mainzer, nicht unbedingt für die Gegner. Es zeigt mir auch, dass Kohr ein Problem damit hat, seinen Frust über einen bescheidenen Spielverlauf zu kanalisieren. Aber keines dieser Fouls ist wirklich bösartig. 

Früher nannte man das "Aggressive Leader". Ein Mark van Bommel lässt grüßen. Stefan Effenberg verabschiedet sich langsam von seinem Rekord. Denn der hat bisher die meisten Gelben Karten gesammelt. 8 Karten Vorsprung hat der noch

Aber dann beschwert Deniz Undav auch noch, dass Kohr "bekannt dafür ist, Leute zu verletzen". Das kann man ja mal so in den Raum werfen, wenn der Spieler eh schon einen schlechten Ruf hat. Und überprüfen wird das eh niemand. Natürlich ist es ungeschickt von Kohr direkt danach wirklich einmal brutal zuzutreten. Aber man findet eben keine Lowlightvideos, in denen Kohr seine Gegner ins Krankenhaus tritt, auch wenn, das muss wiederholt werden, dass dieses Wochenende viel mit Glück zu tun hatte. Aber hier gibt es eine wichtige Nachricht für Undav: blaue Flecken sind keine Verletzungen, sondern einfach Teil des Profisports.

Man muss an der Stelle zwingend festhalten: Bei keinem seienr 9 Platzverweise hat er einen Gegner ernsthaft verletzt. Im Normalfall ist Kohr "nur" ein aggressiver Spieler, der weder sich noch den Gegner schont. Und ja, er nimmt all die Verwarnungen mit seiner Spielweise in Kauf. Wie ich gestern schon ausgeführt habe, wird er arbeitslos werden, sobald er diese Aggressivität nicht mehr an den Tag legt. 

Das ist die Art von Spieler, die man in den eigenen Reihen haben will, aber gegen die man nur ungern antritt. Damit wird er natürlich von 17 der 18 Bundesligisten gehasst. Aber der ganze Lärm, der jetzt wegen eines brutalen Fouls ist auch übertrieben. 

Mittwoch, 26. November 2025

Eine Szene, über die viel zu wenig diskutiert wird

 Muss eigentlich mal gründlich analysiert werden. Aber es regen sich halt alle lieber über die Rote Karte von Dominik Kohr auf.

Auch wenn das ein heftiger Tritt war: Ich habe ja nichts als Respekt für Kohr. Der gehört vom Talentlevel eher in die dritte, als in die erste Liga. Aber er spielt sehr konstant in der Bundesliga. So konstant, dass er jetzt die meisten Platzverweise aller Zeiten gesammelt hat. Jens Nowotny, der kein brutaler, sondern nur ein langsamer Spieler war, ist diesen Titel endlich los. 

Der Kohr Diskurs ist für mich sowieso faszinierend. Denn einerseits jammern alle immer über mangelnde Typen und prangern die fortschreitende Verweichlichung des Fußballs an. Früher hat man zurückgetreten, heute wird sich kaum noch gewehrt. 

Und dann kommt ein Kohr um die Ecke und alle so "Naja, so richtig wehren man sich ja auch nicht." Man kann es den Fans einfach nicht recht machen.

Kohr ist ein Spieler, der in jedem Spiel alles reinwirft. Der weder sich noch den Gegner schont. Der deswegen auf 102 Verwarnungen kommt. Und ja, der kompensiert seine fußballerischen Defizite mit einer extremen Aggressivität. Aber sobald er diese auf ein normales oder gesundes Maß zurückschraubt, ist er arbeitslos. 

Aber weil wir uns alle auf den Kohr stürzen, verpassen wir eine mindestens genauso wichtige Debatte: das nicht gegebene 2:1für die Hoffenheimer in der Nachspielzeit. Die Szene in der Sportschau beginnt bei 11:03. Das Tor fällt 10 Sekunden später. Sascha Stegemann zeigt sofort an: Handspiel. Das Handspiel wird dann auch aufgelöst. Der Täter war Robin Hranac. Hier ist das grundlegende Problem: in den 10 Sekunden, die die Sportschau zeigt, ist Hranac nicht mal im Bild. Das Handspiel passierte irgendwo im Mittelkreis bei der Balleroberung.

Wenn der VAR da eingreift, fragen hinter alle, ob der wirklich so weit zurückspulen sollte, oder ob er nicht nur Fehlentscheidungen, die direkt zur Torerzielung führen, überprüfen sollte.

Aber es gab noch nicht mal einen VAR Eingriff. Stegemann hat das Handspiel ja sofort erkannt. Er hat das Spiel trotzdem weiterlaufen lassen, obwohl er genau wusste, dass er einem möglichen Treffer die Anerkennung verweigern wird. Warum pfeift er dann nicht gleich

Die wahrscheinlichste Antwort: Stegemann war sich nicht ganz sicher, ob dieser Pfiff auch einer Überprüfung des VARs standhalten wird. Und es könnte ja was passieren, da kann man ja nicht einfach abpfeifen. Und wenn die Balleroberung tief in der gegnerischen Hälfte passiert und Coufall zufällig genau dort steht, wo er die Flanke schlagen kann, sehe ich das sogar ein... Aber wenn mindestens 12, eher 15 Sekunden, vergehen?

Vor allem: Wenn der Schiedsrichter gleich pfeift, wird irgendeine belanglose Szene im Mittelkreis abgepfiffen. Da regt sich dann niemand auf. Also außer die Spieler der betroffenen Mannschaft, die sich immer aufregen, wenn irgendwer was gegen sie pfeift. Selbst Dominik Kohr wollte ja über seinen Platzverweis diskutieren. Nur weil der Schiedsrichter anscheinend Angst davor hatte, gleich eine konsequente Entscheidung zu treffen, kommt es überhaupt zum Angriff der Hoffenheimer.

Da drängt sich mir wieder ein Gedanke auf, den ich jedes Mal habe, wenn es zu derartigen Szenen kommt: Wenn für die angreifende Mannschaft jegliches Handspiel, das über kurz oder lang zu einem Tor führt, strafbar ist, warum pfeift man dann nicht sofort ab, sobald der Ball an die Hand eines Angreifers springt. Aber selbst das trifft hier noch nicht mal zu, denn Hranac springt der Ball ja bei einer Verteidigungsaktion an den Arm.

Ich habe ja schon häufiger die These gelesen, dass die Schiedsrichter zaghafter entscheiden, weil sie ja am Ende nochmal mit dem VAR reden können, falls sie doch richtig lagen und der Elfmeter, den sie eigentlich geben wollten, doch berechtigt war. Ich hielt das für eine absurde These, da solche Entscheidungen ja in Sekunden getroffen werden müssen. Aber diese Szene von Stegemann lässt mich an dieser Haltung zweifeln.

Denn hier haben wir ein klare "Ich lasse das lieber erstmal weiterlaufen, anstatt gleich zu pfeifen" Szene. Und das ist richtig schlecht. Deswegen müsste man eigentlich viel mehr darüber reden.

Mich würde ja auch interessieren, wie die DFL das selbst sieht. Ob die jetzt Stegemann dafür loben, dass er das Spiel hat laufen lassen? Ich würde es ihnen zutrauen. Da entscheiden halt auch Leute, die selber nie Fußball gespielt haben. Oder bei denen es so lange her ist, dass sie vergessen, wie es ist. Aber eigentlich ist es essenziell, dass die Schiedsrichter auf dem Platz als an sich höchste Instanz schnelle und konsequente Entscheidungen treffen.

Wenn das jetzt Schule macht, sind wir nicht mehr weit davon entfernt, dass wir das Spiel einfach so lange laufen lassen, bis es eine Unterbrechung gibt und erst dann "zurückspulen und Entscheidungen treffen" Das war ja eine schöne Ballstafette vor dem Tor, aber eigentlich hätte es 90 Sekunden vorher Freistoß auf der anderen Seite geben müssen...

Nebenbei stellt sich mir auch die Frage: Hätte Stegemann auch das Handspiel gepfiffen, wenn der Angriff nur zu einem Eckball für Hoffenheim geführt hätte? Ist das Handspiel wirklich nur strafbar, wenn daraus ein Tor entsteht? Wäre das nicht eine total bescheuerte Regelauslegung? 

Freitag, 21. November 2025

Christoph Kramer übertrifft sogar einen Dietmar Hamann

 Oder: Ein viel zu spätes Worst Of zur WM-Qualifikation.

Und dass Qualifikation von Qual kommt, hat Deutschland ja eindrucksvoll gegen Luxemburg nachgewiesen. Aber ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss...

Was nebenbei reines Glück war. Also bei dieser WM-Quali, im Gegensatz zur alten Gruppenphase in der Champions League, zählt ja das Torverhältnis vor dem direkten Vergleich. Da aber der direkte Konkurrent aus der Slowakei unmotiviert in Nordirland verloren und gegen Luxemburg auch nicht mehr angeboten hat, bekam man den heimlichen Bonuspunkt doch und hätte sich am letzten Spieltag ein unentschieden leisten können.

Aber dann kam es zum Worst-Case-Szenario: Leroy Sané schaltete in den Lukas Podolski Modus und sicherte sich mit einem überragenden Spiel gegen einen unterlegenen Konkurrenten den Stammplatz fürs Turnier: Der hat uns am Ende gerettet, der muss jetzt in die erste Elf. Und die Rückennummer 10 bekommen. Bevor wir so Idioten wie Wirtz oder Musiala aufstellen, die in der Quali wenig bis nichts gezeigt haben...

In einer anderen Gruppe zeigte sich dagegen die wirkliche Konsequenz dieses Modus. Denn Norwegen hatte sich diesen geheimen Bonuspunkt mit einem 11:1 gegen die Republik Moldau erarbeitet. Die haben nicht in den Verwaltungsmodus geschaltet, sondern in der Schlussphase 4 Tore erzielt. Und sie haben Erling Haaland erst in der 94. Minute ausgewechselt, anstatt ihn schon nach 60 Minuten "zu schonen". 

Für mich sind sowohl Luxemburg - Deutschland als auch Norwegen - Moldau Beweise, dass sich der Abstand zwischen den Kleinen und den Großen eben nicht verkleinert hat. Eher im Gegenteil. Deutschland hat halt dort ein unmotiviertes und uninspiriertes Spiel abgeliefert und am Ende trotzdem relativ souverän gewonnen. 
Und in den meisten Fällen ist das Torverhältnis am Ende egal, also schalten die Spieler, wahrscheinlich sogar bewusst, in den Schongang. Was man denen bei dem übervollen Terminkalender auch nicht verübeln kann. Für die Norweger, die ja als Außenseiter in die Gruppe mit Italien gestartet waren, sah das anders aus: Die wollten die Sachlage schon vor dem Rückspiel klären.

Das war am Ende unnötig, weil man Italien ja auch im Rückspiel deutlich besiegte. Aber im Kicker-Ticker steht da ein interessanter Satz von Nationaltrainer Gennaro Gattuso"9:0 zu gewinnen ist unmöglich."  Also für Italiener.

Derartige Ergebnisse führen natürlich auch zu Spekulationen: Wahrscheinlich hat die norwegische Mafia das Spiel gegen Moldau verschoben, damit die armen Italiener keiner Chance haben. Weil man bei dem Wort Mafia ja sofort an Norwegen denkt.

Und wenn ihr jetzt glaubt, dass die Fifa Norwegen, wegen Erling Haaland, unbedingt bei der WM haben will: Das war der einzige Verband, der die Vergabe der WM nach Qatar offen kritisiert hat. Wir haben genügend großartige Stars, aber wir haben nur einen aufmüpfigen Verband...

Das bringt uns dann zu Christoph Kramer. Der jammert nämlich jetzt schon rum, dass Italien ja die WM verpassen könnte, während Curacao sich qualifiziert hat. Wie grausam. Also man muss an der Stelle festhalten, dass der Mann offensichtlich völlig ungeeignet für seinen Job als Experte bei den Öffentlich Rechtlichen ist. 

Fangen wir zunächst mal mit dem offensichtlichen Problem an: Kramers primäre Aufgabe ist es, uns einzureden, dass "wir" ja Weltmeister werden können. Den Hype, den die deutsche Nationalmannschaft eventuell auf dem Platz entfacht, weiter befeuern. Oder sich einfach so lange wie möglich einreden, dass man sich ja als Turniermannschaft noch steigern wird, wenn es richtig zur Sache geht. Und die Konkurrenz ist ja gar nicht sooo stark, wie alle glauben. 

Und dann will der uns erzählen, dass es schade wäre, wenn Italien die WM verpasst? Der einzige Angstgegner, den Deutschland hat? Also um das mal kurz in Relationen zu setzen: Es gibt ZWEI Blumentopf Raportagen, in denen die uns in Reimform erklären, warum Italien "uns" rausgehauen hat. Schlüsselzeile: "Werden wir Italien in einem Turnier je besiegen?" Und ja, es gab tatsächlich diesen einen Sieg im Elfmeterschießen bei der EM. Aber das ist der einzige Sieg aus 9 Turnier-Spielen ist und bleibt eine grausame Bilanz. Anders ausgedrückt: Ich bin derjenige, der auch erzählt, dass Italien dringend zur WM muss, weil ich als gerade an der Stelle das Anti-Establishment nicht will, dass Deutschland Weltmeister wird.

Aber auch ganz sachlich gesehen, versteht Christoph Kramer anscheinend nicht, worum es bei diesem Turnier geht. Also abgesehen vom "Geld Drucken", was natürlich mittlerweile die Hauptintension ist. Aber man verkauft ja Fußball als globales Phänomen und als weltweites Fest.

Es ging bei diesem Turnier nie darum, die beste Mannschaft der Welt zu küren. Deswegen hat England am Anfang ja nicht mitgemacht: Die wussten eh, dass sie es sind und hielten es für unnötig, deswegen ans andere Ende der Welt zu reisen.

Die beste Mannschaft der Welt wird nebenbei de facto in der Champions League gekrönt: robuster Modus mit etablierter Setzliste und einer K.O. Phase in Hin- und Rückspiel machen es extrem unwahrscheinlich, dass irgendein radikaler Außenseiter dieses Ding gewinnt. Das Finale kann man vielleicht, siehe Dortmund erreichen, aber es gewinnen seit 20 Jahren immer dieselben Kandidaten. Bei einer WM kann dagegen ein schlechter Schiedsrichter dafür sorgen, dass du ausscheidest

Bei einer WM geht es viel mehr darum, die weltweite Entwicklung des Sports abzubilden. Da ist es auch wichtig, dass Italien seit 3 Turnieren so richtig reinscheißt. Man kann es ja nicht diplomatischer ausdrücken: Es droht die dritte WM infolge ohne den viermaligen Weltmeister. 

Aber genauso wichtig ist die Frage, wer die (mittlerweile) sechstbeste Mannschaft aus Nord- und Mittelamerika ist. Und in den jetzt anstehenden Playoffs finden wir raus, ob Asien oder Südamerika tiefer besetzt ist und deswegen mehr Teilnehmer stellen dürfen. Oder ob Suriname die ganz große Sensation gelingt.
In der anderen "Hälfte" des Turnierbaums spielen wir dasselbe Prinzip mit Nord- und Mittelamerika und Afrika durch. Und Neukaledonien ist der Außenseiter. Wird Bolivien/Irak oder Jamaika/DR Kongo bei der WM irgendwas reißen? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem ist die Frage, wer sich da jetzt durchsetzt, extrem spannend, wenn man sich für die globale Entwicklung des Sportes interessiert. Und das macht die Fifa ja offiziell.
Ich sehe mich diese Spiele schon im Stream verfolgen, nur um dann die Gruppenphase komplett zu ignorieren...

Ich gebe offen und ehrlich zu, dass es mir persönlich reichen würde, wenn wir rausfinden, wer die 4. beste Mannschaft im CONCAF Verband ist... und dann die 5. beste in die Playoffs schicken. Aber das Grundprinzip ist nicht nur großartig, sondern die Grundlage für dieses Turnier.

Man könnte ja jedes Turnier der letzten 60 Jahre nehmen. Man wird da Europäer finden, die überraschend zu Hause bleiben mussten, obwohl qualitativ schlechtere Mannschaften teilnehmen durften. Die Niederlande hat die WM 2002 verpasst. Nur um ein Beispiel zu nennen, dass mir aus dem Stegreif einfällt. Belgien verpasste zwischen 2002 und 2014 3 Weltmeisterschaften infolge. Und zuletzt war Italien 2 Mal nacheinander der Dumme. Nachdem man vorher 2 Mal in der Vorrunde gescheitert ist... Anders ausgedrückt: Seitdem sie Deutschland und dann Frankreich geschlagen haben, haben die kein einziges K.O. Spiel mehr bestritten. 

Wenn ein Kramer mit diesem grundlegenden Prinzip nicht klarkommt, muss die Frage gestellt werden, ob er ein geeigneter Experte für dieses Turnier sein kann. Denn anscheinend versteht er nicht, worum es geht.

Das ist nebenbei, um den Bogen zur Überschrift zu schlagen, der Unterschied zu Dietmar Hamann: Der versteht genau, worum es in seinem Job geht. Der ist aber in der freien Wirtschaft. Er muss also für seinen Auftraggeber möglichst viel Aufsehen erregen, damit wir mit diesem Inhalt interagieren. Das gelingt ihm besser als allen anderen "Experten". Kramer ist aber, um den Heute Show Slang zu benutzen, ein staatlich bezahlte Systemnutte. Der soll uns also "nur" erklären, dass unsere GEZ Gebühren nicht völlig sinnlos in dieses überteuerte Turnier gebuttert wurden. Das macht er, indem er uns erklärt, dass "wir" eine Chance auf den Titel habe. Und indem er Fußball als globales Phänomen feiert.

Montag, 10. November 2025

Worst of des "Ich habe es ja prophezeit" Wochenendes

Ich meine natürlich "herbeigeredet"... oder verflucht. Akkurat wie die Bibel.

Denn natürlich lassen sowohl die Bayern, als auch Arsenal unmotiviert Punkte liegen, direkt nachdem ich beide über den grünen Klee gelobt habe... War eigentlich nicht anders zu erwarten.

Aber auf den Rest der Bundesliga ist ja verlass. Deswegen lassen natürlich auch Borussia Dortmund und RB Leipzig Federn. Im Gleichschritt Stillgestanden! Immerhin konnten Stuttgart und Leverkusen aufschließen, womit wir jetzt ein spannendes Rennen um Platz 4 haben.

Wie schlimm ist die Lage? Ich stimme mit Lothar Matthäus überein... einem Main-Stream-Experten

Das absolute Überhighlight des Spieltages kam nebenbei vom Spiel Hoffenheim -Leipzig: El Plastico ist die einzige Ansetzung, bei der das Trikot des Schiedsrichters beliebter ist, als das der Spieler. Aber der Maßstab war dieses Wochenende auch nicht besonders hoch. Die Zusammenfassung von Mainz und Frankfurt bekam ihren Unterhaltungswert einzig dadurch, dass der Kommentator uns verdeutlichen wollte, das wirklich NICHTS in diesem Spiel passiert ist... bis es plötzlich ein brillantes Tor gab. Immerhin war die Anreise kurz.

Viel wichtiger ist Nachricht, dass die Trainer dringend mal in den Spielplan gucken sollten, wann sie gegen Werder Bremen spielen. Denn es gab bisher nach 10 Spieltagen 3 Trainerentlassungen... und der letzte Gegner war jeweils Horst Steffen. Am 20.12. kommt Augburg. Ich erwähne es nur.

Nebenbei hat mit Paul Simonis die 2. Verpflichtung des Sommers ihre Entlassungspapiere bekommen. Nach, natürlich, Erik ten Haag. Das lässt meinen "Die neuen Trainerverpflichtungen sind alle sehr spannend" nicht so sonderlich gut altern. Wahrscheinlich greift man jetzt doch einfach wieder auf seine ehemaligen Spieler, die irgendwo in der Akademie arbeiten zurück. Wolfsburgs Interimslösung hat zwar nie für die Wölfe gespielt (und auch insgesamt nur 2 Bundesligaspiele), passt aber sonst voll in dieses Profil.

Wie auch Eugen Polanski, der sich ja plötzlich doch macht. Also gut genug macht, um Gladbach von den Abstiegsrängen fernzuhalten. Ist das jetzt noch ein Dead Coach Bounce? Oder hat er bewusst die ersten Spiele verloren, damit genau dieser Mythos bei ihm nicht im Raum steht?

Zu Simonis bleibt zu sagen: Ich würde gerne behaupten, dass es lange her ist, seit dem ich eine Mannschaft so gegen den Trainer spielen sah... aber Leverkusen's Boycott ten Haag Movement ist noch nicht soo alt. Wenn man sich aber mal anschaut, wie konsequent man das 2:1 für Werder nicht verteidigt hat, muss man von einer grundlegenden Verweigerungshaltung ausgehen. Das ist aber keine Verteidigung für die Arbeit des Trainers. Im Gegenteil: Das man als Trainer so verdammt schnell seine Kabine komplett verliert, ist ein ganz schlechtes Arbeitszeugnis. Denn all die Probleme, die jetzt den Wolfsburger Kader plagen, im Keim zu ersticken, ist ja eine der Kernaufgaben eines Trainers. Ich würde sogar behaupten: Die wichtigste, das ganze "Spielphilosophie entwickeln" kommt eigentlich erst danach.

Praktisch geht das natürlich Hand in Hand. Also wenn man eine überzeugende Idee hat, ist es auch einfacher, den Kader bei der Stange zu halten. Aber Simonis scheiterte ja mit dem einen und dem anderen.

Ein bisschen Schade ist es schon, dass Wolfsburg jetzt schon die Reißleine zieht. Das war schon ein faszinierender Autounfall, den man sich da anschauen musste. Aber ich sehe auch ein, dass man nicht bis zum Rückspiel gegen Werder warten konnte... 

Donnerstag, 6. November 2025

Damn, die Bayern sind gut

 Also wirklich gut. So richtig. Auch im europäischen Spitzenspiel setzen sie sich durch.

Und das noch nicht mal unverdient. In der ersten Halbzeit war man die deutlich bessere Mannschaft. In Halbzeit 2 verteidigte man in Unterzahl gegen eine der besten Offensivabteilungen der Welt recht souverän den Vorsprung. Ich muss offen zugeben: Ich bin beeindruckt.

Ich gehe sogar noch weiter: Die Bayern gehören jetzt tatsächlich zu den Topfavoriten auf den Titel. Denn die haben ja einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Vom 21.12. bis 11.1. haben sie frei. Auch wenn die Winterpause mittlerweile ganz schön geschrumpft ist, gibt es sie noch. 

Also um das kurz mit der Konkurrenz zu vergleichen: Manchester City spielt in diesem Zeitraum 4-malBarcelona immerhin einmal. Aber die dürfen am 20.12. nach Miami fliegen, um dort ein Ligaspiel auszutragenParis St. Germain fliegt nochmal nach Doha, um den Interkontinental Pokal zu gewinnen. Das ist unheimlich wichtig. Und irgendwann muss auch noch deren Supercup ausgetragen werden. Auch wenn der laut Kicker.de abgesagt wurde. Inter Mailand hat 3 Ligaspiele im Kalender

Vielleicht werden auch die Bayern in den Nahen Osten fliegen, um dort Sportswashing zu betreiben. Aber wenn sie das tun, sie werden dort ein Trainingslager abhalten und keine Pflichtspiele bestreiten. Und sie können die Zeit über die Feiertage wirklich zum Regenerieren und Abschalten nutzen.

Gerade wenn man bedenkt, dass die wirkliche Konkurrenz, abgesehen von Arsenal London und Barcelona, im Sommer ebenfalls durch die Knochenmühle Klub-WM gegangen sind, ist das ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. Arsenal bricht ja über genau die Feiertage, an denen Bayern Urlaub hat, gerne mal ein. Aber die sind fast genauso gut gestartet, die die Bayern, haben 6 Punkte Vorsprung auf Manchester City und eine weiße Weste in der Champions League. Was ist denn da passiert? Und die waren letztes Jahr zum ersten Mal seit 2009 im Halbfinale... Damals hieß das Trainerduell noch Arsène Wenger gegen Alex Ferguson... Ist Arsenal plötzlich auch wieder richtig gut?

Wir werden es nach der Länderspielpause erfahren, wenn die beiden besten Mannschaften der Gruppenphase aufeinander treffen. Und wenn mir vorher irgendjemand erzählt hätte, dass Arsenal gegen Bayern das Duell Zweiter gegen Erster sein wird, hätte ich den für bekloppt erklärt. Also dass Amerika Donald Trump wiedergewählt hat, ist für mich irgendwie nachvollziehbar, aber DAS... da setzt es bei mir aus. 

Nebenbei beweist es auch wieder, wie schön der neue Modus doch ist. Wir haben 2 Mannschaften, die da oben stehen, weil sie bereits gute Gegner (Chelsea, Paris und Atlético Madrid) teils deutlich geschlagen haben. Und jetzt treffen die im direkten Duell aufeinander, damit wir herausfinden können, wer von den beiden wirklich als Favorit gelten muss. Im alten Modus war das praktisch ausgeschlossen. Selbst wenn Bayern und Arsenal in eine Gruppe gelost worden wären, hätten sie vor dem theoretischen Spitzenspiel am 3. Spieltag nur gegen Außenseiter gespielt.

Arsenal hat nebenbei noch ein Date mit Inter, die ebenfalls mit 4 Siegen gestartet sind, im Kalender stehen. Die könnten dieses Szenario also theoretisch 2 Mal in 3 Spieltagen durchspielen.

Für die Bayern ist aber, wenn man genau hinguckt, dieses Spiel relativ entspannt. Also ja, es zu gewinnen wäre nochmal ein letztes Statement. Aber wenn nicht... Man hat danach nur noch die leichten Gegner im Programm, die man als Bayern halt schlagen muss. Sie sind also so gut wie sicher in der Top 4 der Tabelle, was bedeutet, dass sie zumindest in der Theorie einen leichteren Weg ins Viertelfinale haben sollten. Und dort stellt sich dann die Frage, ob man die Form, die man derzeit hat, konservieren konnte. Es geht "nur" ums Prestige, und nicht so sehr um die Position in der Tabelle. Wenn man gegen Paris verloren hätte, sähe das ganz anders aus.

Ich muss an der Stelle erwähnen, dass ich das Spiel gegen Arsenal echt übersehen habe. Also im Kalender habe ich das gesehen, aber ich habe nicht realisiert, wie gut die derzeit sind. Falls die jetzt einbrechen, bin ich schuld, weil die anscheinend nur überragend abliefern, wenn ich nicht hingucke...

Beim Rest der Tabelle wird das Bild dann so langsam deutlich. Aber auch hier zeigt sich, wie schön der neue Modus doch ist. Praktisches Beispiel: Das 4. Gegentor, dass Borussia Dortmund in der Nachspielzeit kassierte, sorgte dafür, dass man von Platz 12 auf Platz 14 abrutschte. So eng sind die Verhältnisse immer noch. Chelsea und Barcelona verabschiedeten sich mit unnötigen Punktverlusten gegen Qarabağ Ağdam und Club Brügge aus dem Rennen um die Top 8. Also zumindest meiner Meinung nach. Und mindestens einer der beiden definitiv, denn die treffen als Nächstes aufeinander. Und wer sich leichtfertige Punkte gegen die Kleinen leistet, muss dann gegen die Elite alles gewinnen, um der Zwischenrunde aus dem Weg zu gehen.

Natürlich hat Paris St. Germain meine "Wenn man gewinnen will, muss man in die Top 8" These direkt widerlegt. Aber das wird, davon bin ich weiterhin überzeugt, die Ausnahme bleiben. Weder Chelsea noch Barca mussten in diesem Sommer einen Kylian Mbappé Abgang verarbeiten. Und genaugenommen war es unfassbar, wie schnell Paris das am Ende verkraftet hat. Und zumindest Barca dürfte nicht die finanziellen Mittel haben, um im Winter einen Unterschiedspieler wie Khvicha Kvaratskhelia zu registrieren... Chelsea versucht derweil seit Jahren so einen Spieler zu holen, liegt aber meistens daneben...

Am anderen Ende der Tabelle dürfte plötzlich Panik bei Villareal und Juventus ausbrechen. Villareal ist auf den ersten Blick schlecht gestartet, war aber ganz sachlich mit einem Punkt aus den Spielen gegen Tottenham, Juventus und Man City voll im Soll. Sie hatten halt das "Pech", dass ihre 3 schweren Gegner alle am Anfang auf dem Menü standen. Aber jetzt hat man gegen Pafos FC verloren und das tut wirklich weh. Wenn man sich an den 11 Punkten orientiert, die man letztes Jahr brauchte, brauchen die jetzt 3 Siege und ein Unentschieden gegen die restliche Konkurrenz... Und als Nächstes geht es nach Dortmund, das ist jetzt kein einfaches Spiel. 

Juventus steht etwas besser da und hat in der Theorie das leichtere Restprogramm... bis einem auffällt, dass Ende November ein Auswärtsspiel am Polarkreis ansteht. Und das ist keine Metapher, FK Bodø/Glimt liegt nördlich des Polarkreises. HITC Sevens hat dieses Jahr bereits ein Video dazu gemacht, wie unangenehm es ist, dort zwischen Oktober und April zu spielen... Da willst du weder spielen noch gewinnen müssen.

Beide Vereine dienen als wunderbare Beispiele, wie der neue Modus die Intensität und die Bedeutung der Spiele nach oben schraubt. Ich wiederhole mich da, aber es muss immer wieder erwähnt werden: Für die Fans des guten und bedeutungsvollen Fußball war dieser neue Modus das Beste, was passieren konnte. Für die Spieler ist es eine Katastrophe, denn die wollen ja bedeutungslose Spiele mit halber Intensität absolvieren.

Aber dafür ist ja bald wieder Länderspielpause.  

Montag, 3. November 2025

Schlechte Nachrichten für die Bundesliga

 Gegen Bayer reicht auch der Schongang. Da müssen die Bayern nicht mal an die Belastungsgrenze gehen, sondern können Harry Kane auf die Bank setzen...

Falls noch irgendjemand einen Nachweis gebraucht hat, dass die Bundesliga dieses Jahr sehr langweilig wird... mittlerweile steht eher die Frage im Raum, ob man alle Spiele der Hinrunde gewinnen kann. Das kling vielleicht übertrieben, bis einem auffällt, dass man echt nur noch den VfB Stuttgart im Kalender stehen hat. Und am 17. Spieltag die widerspenstigen Kölner. Alle anderen Gegner kommen aus der unteren Tabellenhälfte.

Die wirklich spannende Frage wird am Dienstag beantwortet: Sind die Bayern wirklich gut, oder ist man gegen Paris St. Germain doch chancenlos. Das Ergebnis ist dabei für die Liga fast wichtiger, als für die Bayern selbst...

Ein bisschen Schade ist das ja schon. Denn RB Leipzig ist, abgesehen von der Trachtprügel zum Saisonauftakt, richtig gut im Rennen. 7 Siege in 8 Spielen und ein Torverhätnis von 19:4. Auch Dortmund scheint sich zu denken: Wenn es um nichts geht, können wir ja auch mal die Drecksspiele gewinnen, die uns sonst immer die Meisterschaft kosten. Aber obwohl beide Mannschaften deutlich besser dastehen, als im Vorjahr, liegen zwischen dem Rekordmeister und der Konkurrenz Welten.

Nebenbei war es ja für beide Beteiligten ein Fortschritt, dass das am Freitagabend ein richtiges Drecksspiel war. Denn immerhin hat sich der FC Augsburg endlich mal wieder so richtig gewehrt. Das war genau der Fußball, für den man unter Jess Thorup stand. Also genau das, was man eigentlich nicht mehr sehen wollte. Jetzt muss man das als Fortschritt feiern, was schon absurd ist.

Schlimmer ist die Lage aber plötzlich aus St. Pauli. Denn die haben jetzt eine völlig unnötige Torwart-Debatte an der Backe, weil man ja unbedingt den Vasilj eine Ruhepause gönnen wollte. Und der hat jetzt das Pech, dass er seinen Patzer nicht hinterher wieder gutmachen konnte.
Im Großen stellt sich da aber eher die Frage, ob man noch "im Abstiegskampf angekommen" oder schon "der Aufbaugegner der Saison" ist? 
Der Optimist in mir behauptet, dass die einfach 4D Schach spielen, während alle anderen am Mühle Brett sitzen: Die haben mit Absicht 4:0 gegen Borussia Mönchengladbach gewonnen. Denn dadurch sieht der bisher doch eher überforderte Eugen Polanski wie eine richtig gute Option für die Gladbacher aus. Und St. Pauli kann sich halt nur wirkliche Hoffnungen machen, wenn sich die Konkurrenz  richtig Dumm anstellt.

Sein wir kurz ehrlich: Dass Gerado Seoane einen neuen Job hat, bevor Gladbach einen richtigen Trainer hat, ist völlig absurd. Und es beweist allen, dass der Trainer derzeit nicht das einzige Problem dort ist. 

Dass man trotzdem auf dem Relegationsrang steht, während Augsburg trotzdem voll im Soll ist und über den Strich steht, zeigt uns allen, dass wir auf einen absurden Abstiegskampf hinsteuern. Da wird es am Ende richtig schwer, die 2 Dümmsten zu kühren, auch wenn gerade alles auf Heidenheim und St. Pauli hindeutet... denn die beiden mangelt es halt grundlegend an Qualität, während die anderen diese nur nicht auf den Rasen bekommen.

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Worst of der "So boykottiert man richtig" Pokalrunde

 Das ZDF so: Wenn wir das DFB-Pokalspiel früh genug anpfeifen, können wir hinterher noch die Frauen gegen Frankreich zeigen. Und die Männer so: "Was wollt ihr? Und aus der Primetime nehmen, um Frauenfußball zu zeigen? NICHT MIT UNS!"

Frankfurt und Dortmund einigten sich also auf ein Elfmeterschießen. Der Schiedsrichter spielte auch mit und ließ ein, wenn auch knappes, Abseitstor zählen. Und plötzlich war 21:20 als Anstoß ganz schön knapp bemessen. Hat aber anscheinend gerade so gepasst. Und wer braucht schon Nachrichten, wenn er Fußball gucken kann...

Irgendwie bin ich ja überrascht, dass die Dortmunder Fans keine Tennisbälle auf den Platz geworfen haben, um das Spiel zu unterbrechen und eine künstliche Nachspielzeit zu erschaffen. Die demonstrieren doch sonst gegen jeden Blödsinn.

Und auch auf St. Pauli dachte man anscheinend, dass danach noch ein Frauenfußball Spiel angepfiffen werden soll. Oder wie erklärt man sich sonst, dass die 17 Elfmeter brauchten um eine Entscheidung herbeizuführen.

Das Lustigste an dieser Woche sind ja die ganzen VAR-Diskussionen. Also diese Runde ist der ultimative Beweis, dass Fußball-Fans eh jammern würden. Eigentlich müssten die sich jetzt mit den doch recht zahlreichen Fehlentscheidungen arrangieren, weil das ja genau der ehrliche und emotionale Fußball ist, dessen Verlust sie angeblich betrauern. Stattdessen jammern sie jetzt, dass der VAR nicht eingreifen konnte.

Ein bisschen absurd ist es aber schon. Also der Fakt, dass diese Hilfestellung in den ersten 2 Runden nicht genutzt wird, danach aber schon. Und nebenbei nutzt man in den Stadien, die das hergeben, die Torlinientechnologie. Man ändert also de facto mitten im Turnier die Regeln und die technischen Voraussetzungen. Das widerspricht doch irgendwie der Grundidee von so einem Event.

Und wäre es nicht sogar besser, wenn man, auch als Geste für genau die Fans, die das immer fordern, komplett auf den VAR verzichtet? Mit einem "Hier habt ihr den Fußball in der urigen Form, die ihr angeblich so vermisst". Und dann stimmt der Satz "Der Pokal hat seine eigenen Gesetze" wenigstens auch. 

Die Profi-Vereine können sich da auch nicht so wirklich beschweren. Die nehmen den Pokal doch sowieso nicht so wirklich ernst. Oder wie wollt ihr mir sonst erklären, dass so viele Ersatztorhüter gespielt haben?

Ron-Robert ZielerJonas Urbig (auch wenn der, fairerweise, spielen musste, weil Neuer noch gesperrt ist), Daniel Peretz, Marius Müller, Timon Weiner, Maarten Vandevoordt, Nediljko Labrovic, Ben Voll, Fabian Bredlow, Simon Simoni, Silas Prüfrock und Florian Müller standen unter der Woche im Tor, obwohl sie in der Liga nicht die Nummer 1 sind. 12 Torhüter verteilt auf diverse Erst- und Zweitligisten. Haben die alle kein Bock auf einen legendären Pokallauf?

Es gibt natürlich eine Variante, in der ich das irgendwie einsehe: Wenn du international vertreten bist, macht es wahrscheinlich Sinn, seinem Torwart ein wenig Ruhe zu gönnen. Da wird der Spielplan echt voll. Aber in KölnAugsburg, Hamburg und Wolfsburg? Die haben jetzt nur noch die Liga vor sich, weil sie im Pokal ausgeschieden sind. Wolfsburg und Augsburg sind so bescheiden in die Liga gestartet, dass sie eigentlich jedes Erfolgserlebnis gebrauchen könnten, trotzdem schwächen sie ihre eh schon verunsicherte Mannschaft freiwillig selbst.

Zumindest in Köln hat der Torhüter seinen Anteil am Ausscheiden. Also an 2 der 4 Gegentore hatten Zieler seine Hand im Spiel. Oder eben nicht, weil er zu zaghaft rausging.  Es sagen ja immer alle, dass man selbst einen perfekten Tag braucht, wenn man die Bayern schlagen will. Und man muss darauf hoffen, dass der Rekordmeister einen schlechten erwischt. Wieso erschwert man sich den ersten Teil, in dem man auf seinen besseren Torwart verzichtet?

Natürlich feiert St. Pauli jetzt Voll ab, weil er im Elfmeterschießen zum Helden wurde. Aber zum einen fand dieses Elfmeterschießen nur statt, weil der Torhüter vorher das 1:1 verschuldet hat. Er hatte Glück, dass er die Chance bekam, das noch zu reparieren. Vor allem hat man aber mit Nikola Vasilj einen verifizierten Elfmetertöter auf der Bank sitzen. Bei dessen Quote wäre das ganze wesentlich schneller durch gewesen. Aber wer gewinnt, hat ja recht.

Ganz bekloppt wird das Ganze bei Fürth gegen Kaiserslautern. Die einen setzten auf ihren 5. Torwart, die anderen auf ihren Pokal-Keeper... Als Zweitligisten.
Das ist ja der weitere Punkt, warum ich es nachvollziehen kann, dass Europacup-Teilnehmer auf die Ersatztorhüter setzen: Die haben wesentlich wichtigere Wettbewerbe, bei denen es um deutlich mehr Geld geht. Aber für den Rest geht es auch um richtig viel Geld. Im Achtelfinale gibt es 847.544 Euro vom DFB. Dazu die Hoffnung auf das große Los mit einem Live-Spiel, dass deutlich mehr Fernsehgelder bringt. Dieses Live Spiel könnte auch noch ein Heimspiel sein. Selbst bei einem Auswärtsspiel werden die Einnahmen geteilt. Da kommt man ganz schnell auf eine Million Euro. Das sind 2 Millionen Mark. 2000000000000000000000000000000000000 Reichsmark zur Zeit der Inflation.

Das ist Geld, auf das man als Bundesligist sonst nur ungern verzichtet. Als Zweitligist ist es am Ende genau das Geld, von dem du zur Winterpause den entscheidenden Spieler holen kannst, der dir dein Saisonziel rettet. Oder du begleichst damit deine Schulden, aber gerade wenn man die hat, sollte man so viel Geld nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Das ist nebenbei auch ein neuerer Trend. Also früher hat man das vielleicht in der ersten Runde gegen die Amateure gemacht, hat sich danach aber sehr schnell für den Stammtorwart entschieden. Also praktisches Beispiel: 2017/18 sagte man sich auf Schalke nicht, dass ein Alexander Nübel ja die Spielpraxis benötigt und deswegen im Pokal auflaufen darf. Der saß auch da konsequent auf der Bank. Und im Gegensatz zu vielen Namen, die ich vorhin aufgezählt habe, wurde aus Nübel zumindest ein verlässlicher Bundesligatorwart. Und sein Konkurrent war Ralf Fährmann, der ja gefühlt alle 6 Monate seinen Stammplatz verloren hat. Da hätte man diese Rotation wirklich nachvollziehen können. 2025 sitzt Nübel dann für Bredlow auf der Bank. Einem Spieler, dessen persönliche Leistungsgrenze "Ersatztorwart in der Bundesliga" ist.  Auch wenn das in dem Fall ein Teil der Totalrotation der Europacup Teilnehmer war: Ein bisschen absurd ist es schon.

Ursprünglich war das ja nur ein kleiner Trend, der von den Engländern übernommen wurde. Aber plötzlich spielen mehr Ersatz- als Stammkeeper im Pokal. Aber inzwischen muss man seinem Ersatztorwart anscheinend einreden, dass man ja 2 gleich gute Torhüter hat und dass es nur Nuancen sind, die beide Spieler trennen... auch wenn Köln in der Liga nie freiwillig auf Zieler setzen würde. Und diese Aussage muss man dann auch mit Spielen im Pokal unterfüttern, damit der Spieler das auch glaubt. Am Ende sagt man damit aber nur, dass man nicht wirklich daran glaubt, dass man diesen Pokal gewinnen kann. Denn sonst würde man da seine beste Mannschaft aufbieten.

Jetzt erzählt der alte Mann noch Geschichten von "Früher", aber es gab echt mal eine Zeit, in der die Trainer vor jedem Pokalspiel darauf hingewiesen haben, dass dies der kürzeste Weg nach Europa ist. Man muss nur 5 Spiele gewinnen und hoffen, dass man im Finale auf die Bayern trifft, und schon ist man international dabei. Ok, war man früher, mittlerweile muss man auch das Finale gewinnen, dafür trifft man dort irgendwie seit 2020 nicht mehr auf die Bayern.

Mittlerweile ist der letzte Eintrag, den man zu dieser Aussage findet, aus dem Jahr 2014. Allerdings werden in dieser Kolumne auch gleich 3 Beispiele genannt, wie Außenseiter ins Finale einziehen: Wolfsburg, Aachen und Duisburg. Alemannia Aachen war ja auch der Verein, der den Traum "Europacup als Zweitligist" wirklich lebte. Aber sie liefen auch mit ihrer besten Elf in diesem Wettbewerb auf.

Wirklich nicht mehr nachvollziehbar wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass mit dem 1. FC Kaiserslautern und Arminia Bielefeld zuletzt 2 unterklassige Mannschaften ins Finale eingezogen sind. Fun Fact: Julian Krahl, der "damals" in Berlin im Tor stand, saß jetzt gegen Fürth nur auf der Bank. Während er in der ersten Runde gegen die Amateure noch auflaufen musste. 

Anscheinend dachten die Verantwortlichen auf dem Betzenberg sich: "Den Stress tun wir unseren Fans nicht nochmal an, da schwächen wir uns gegen Fürth lieber selbst. Der Plan ging leider daneben, weil der Ersatztorwart eine gute Leistung zeigte. Mist.

Montag, 27. Oktober 2025

Seid vorsichtig mit euren Wünschen

 Die müssen schon präzise formuliert werden.

Also ganz praktisch: Der Vorstand in Augsburg, repräsentiert von Markus Krapf, wollte ja unbedingt attraktiveren Fußball sehen. Er hat dem ehrlichen Arbeiter Jess Thorup diese Entwicklung nicht zugetraut, also wurde der im Sommer entlassen. Die anscheinend nicht ganz so gute Fee schickte ihnen also Sandro Wagner. Und siehe da: der Fußball ist wirklich attraktiver. Also ganz objektiv gesehen.

So ein Spektakel wie dieses Wochenende hat man in der WWK-Arena lange nicht mehr gesehen. 6 Tore gab es noch nicht mal, als die großen Bayern zu Gast waren. So viele Tore sah man sonst nur in Testspielen... oder in Auswärtsspielen bei designierten Absteigern. In einem Bundesligaspiel in diesem Stadion gab es zuletzt am ersten Spieltag der Saison 2023/24 mehr Tore zu bestaunen. Da hieß der Trainer noch Enrico Maaßen... auch jemand, der aktiveren und attraktiveren Fußball spielen lassen wollte. Und Borussia Mönchengladbach glaubte noch, dass Gerado Seoane ein guter Trainer ist... Das ist verdammt lang her. 

Natürlich kommt dieses Schützenfest mit einem gewissen Harken: Alle Tore wurden von der Gastmannschaft erzielt. Aber schön anzusehen war es schon, wie die sich durch die Augsburger Reihen kombinierten. Also wenn man die 2 Momente, in denen Finn Dahmen alle daran erinnerte, dass er eigentlich kein Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft sein sollte. Und vielleicht wäre ein bisschen mehr Gegenwehr angenehm gewesen. Aber sonst war das schon ganz schön. Da ist es schon absurd, dass sich die Fans hinterher mit den Spielern anlegen... Aber vielleicht hätte Krapf mal bei seinen Fans nachfragen sollen, ob denen nicht relativ erfolgreicher Krampf zum Sieg reicht.

Wirklich Sorgen sollte es den Augsburgern bereiten, dass Sandro Wagner kein Defensivproblem sieht, obwohl man mittlerweile die meisten Gegentore kassiert hat. Mehr als die völlig indisponierten Gladbacher.  Oder die Harakiri spielenden Frankfurter, die aber im Gegensatz zu Augsburg die offensive Qualität haben, dass sie sich das leisten können.

Weiteres Beispiel, wie schlecht die in der Summe verteidigen? Der FSV Mainz 05 hat bisher ein einziges Spiel gewonnen. In Augsburg. Dort erzielten sie auch 4 Tore. In Augsburg spielen selbst die richtig guten Fußball...

Ich finde es jetzt ja lustig, dass Sandro Wagner die gesamte Kritik auf sich zieht. Dabei macht der genau das, wofür er geholt wurde: Er lässt wesentlich höher verteidigen und aktiver spielen. Er versucht seinen Spielern eine neue und klare SPIELphilosophie aufzudrücken. Und er zieht mit seiner Persönlichkeit verdammt viel Aufmerksamkeit in die graue Provinz.

Dass er nicht den Kader hat, mit dem man diese Ideen umsetzen kann, ist nicht seine Schuld. Das einzige, was man ihm vorwerfen kann, ist der Fakt, dass er das nicht gesehen und dankend abgelehnt hat. Aber genau genommen ist das gerade ein geplanter Einbruch.

Aber, und das muss man an der Stelle festhalten, immerhin sind sie konsequent. Ihnen ist bewusst, dass Wagner die Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Und vor allem scheinen sie auch die Wachstumsschmerzen, die wir gerade erleben, tatsächlich mit einzuplanen.

Versteht mich bitte nicht falsch: Wenn Augsburg das wirklich durchzieht und dieses Jahr Abstiegskampf mit Sandro Wagner übersteht, habe ich großen Respekt vor dieser Entscheidung und der Konsequenz. Denn den Trainer in den nächsten 3 Monaten zu entlassen und dann wieder auf ekligen Fußball zu setzen, wäre der sichere Weg zum Klassenerhalt. Aber dann wäre man nächste und übernächste Saison wieder in derselben Situation: Es reicht eine richtige Scheiß-Saison, um abzusteigen, aber es gibt kein realistisches Szenario, dass mal mehr als Platz 12 herausspringt. Und ja, man hat gerade 10 Jahre infolge die Saison zwischen Platz 12 und 15 abgeschlossen. Dass einem dies gelungen ist, ist eine absurd gute Leistung, aber das wird nicht ewig gut gehen.

Wobei man an der Stelle noch eine Absurdität festhalten muss: Letztes Jahr hatte Augsburg nach 8 Spieltagen ein Torverhältnis von 12:19. Jetzt steht man bei 12:20. Nun wäre es kurzsichtig, eine spielerische Entwicklung ausschließlich an den Toren festzumachen, aber Augsburg ist da letztes Jahr gar nicht so schlecht gestartet. Man hatte aber am Ende, gemeinsam mit Union Berlin, die drittschwächste Offensive der Liga. Und man stellte trotz des relativ guten Starts diese schwache Offensive.

Mich fasziniert aber wirklich eher die Berichtserstattung und die Kommentarspalte. Denn dass Augsburg irgendwann von einer der großen Mannschaften abgeschossen wird, ist keine ganz große Überraschung. Aber jetzt tun die einen überrascht, während sich die anderen das Maul zerreißen. Dabei liegt man, sachlich gesehen, 3 Punkte vor dem Relegationsrang, also voll im Soll.

Dass es aber in dieser Saison am Ende auch nur gegen den Abstieg gehen würde, wollte halt keiner vorher sehen. "Die" haben "uns" ja eingeredet, dass das Projekt Wagner ja sofort funktionieren wird. Dass es keine Anpassungsschwierigkeiten für den Trainer und die Mannschaft geben würde. Also natürlich alle, außer mir. Ich habe genau diese Entwicklung in der frühen Saisonphase vorhergesagt. #PassivesAbseitsLeserwissenesfrüher. 

Ehrlicherweise schreibe ich so gerne und ausführlich über Augsburg, weil es so viel Spaß macht, Recht zu haben... 

Donnerstag, 23. Oktober 2025

Der Unterschied zwischen Bundesliga und Champions League?

 Ganz einfach: In der Champions League verlierst du als Bayern die Tabellenführung, obwohl du 4:0 gewinnst. In dieser Liga reicht es einfach nicht, seine Gegner abzuschießen, da muss man mehr liefern.

Was diese Woche abging, war aber schon heftig. 9 Spiele, in denen der Sieger mindestens 4 Tore erzielte. Und nur Dortmund tat dabei nicht wirklich was fürs Torverhältnis, weil sie auch 2 Gegentore kassierten. Alle anderen drückten aufs Tempo, bis mindestens ein +4 im Torverhältnis auf ihrem Konto stand.

Wie schlimm ist die Lage? Nun ja... es fällt selbst den Leuten vom Kicker auf. Es muss sich schon um eine dramatische Entwicklung handeln, wenn die eine frei verfügbare Analyse veröffentlichen...

Es ist schon auffällig, dass Paris, Barcelona und Eindhoven in den letzten 20 Minuten mehrere Tore erzielten, anstatt die sichere Führung zu verwalten. Liverpool gab immerhin bis zur 70. Minute Gas. Einzig Chelsea stellte bereits frühzeitig, also nach 49 Minuten, den Betrieb komplett ein. 

An der Stelle muss ich mal wieder erwähnen, dass ich das schon vor dem ersten Spieltag so vorhergesagt habe: Während es vorher nur wichtig war, dass man gegen die Punktelieferanten gewinnt, ist es auf einmal wichtig, wie viele Tore man gegen die erzielt. Also werden die Spitzenteams auf höhere Siege gehen. #PassivesAbseitsleserwissenesfrüher

Auch wenn Paris meine Aussage, dass der Sieger aus den Top 8 kommen wird, direkt widerlegt hat... Aber dass Paris sich während der Saison so deutlich steigert und den Abgang von Kylian Mbappé so schnell kompensieren kann, war nicht abzusehen. Es wird vor allen Dingen die absolute Ausnahme bleiben.

Denn die aktuellen Ergebnisse machen ja eines deutlich: Die Schere geht weiter auseinander. Wir sind an dem Punkt, wo selbst an sich gute Bundesligisten von Paris oder Liverpool aus dem eigenen Stadion geschossen werden. Während sie, als Repräsentanten der Mittelklasse, Galatasaray mit 5:1 aus demselben Stadion schießen.

Spannend bleibt das ganze trotzdem. Schließlich hat die Tabelle nur 8 "Freifahrtscheine" für die eigentlich K.O. Phase... Aber 11 Mannschaften, die diese erreichen wollen.  Also guckt euch mal die aktuelle Tabelle an. Da schleicht Borussia Dortmund, dank des relativ leichten Spielplans, in der Top 8 rum. Die restlichen Namen sind schon die Creme de la Creme. Und von unten rücken Barca, Liverpool und Chelsea nach. Juventus Turin wirkt gerade als 25. abgeschlagen, aber die haben genau genommen nur noch machbare Gegner im Menü stehen. Falls die da 15 Punkte holen, könnte das auch noch für die Top 8 reichen. Aber sie dürfen sich halt, dank des vermeidbaren Unentschiedens gegen Dortmund, keinen einzigen Ausrutscher erlauben.

Das macht diesen neuen Modus für die Spieler so brutal und für die Fans so großartig. Also sobald sie sich an die neue Tabelle gewöhnt haben, manch einen wird das weiterhin überfordern. Aber jeder noch so kleine Ausrutscher wird Konsequenzen haben.

Neben wir mal ganz praktisch das 2:2 von Tottenham gegen Bodö/Glimt. Ganz realistisch haben die Londoner an diesem Tag ihre Chance auf einen Platz in den ersten 8 verspielt. Diese 2 Punkte werden sie am Ende nicht aufholen können... es sei denn sie gewinnen in Paris. Viel Glück dabei.

So steht Tottenham in der Blitztabelle vor Juventus, aber realistisch gesehen steht Juve besser da... einfach weil die ihre ganz dicken Brocken schon bearbeitet haben.

Jetzt vergleichen wir das mal mit "dem alten Modus": Da müsste Tottenham nur das Heimspiel gegen die Norweger gewinnen, wovon ja irgendwie auszugehen ist, um wieder komplett im Soll zu sein. Da "damals" der direkte Vergleich vor dem Torverhältnis gezählt wurde, wäre es auch vollkommen egal, ob man die anderen Mannschaften dann haushoch abschießt, oder nur knapp gewinnt.

Ganz praktisch kann man das ja an der WM-Qualifikation sehen. Was haben wir für Panik geschoben, als Deutschland in der Slowakei verloren hat! Da wurde die Präambel "falls sich das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann qualifiziert" in den Bericht über die Übertragungsrechte gepackt. Wenn jetzt der Champions League Modus verwendet werden würde, wäre das ein berechtigter Gedanke. Aber da sich die Slowakei natürlich nicht komplett schadlos gehalten hat, ist man schon vor dem Rückspiel doch wieder Tabellenführer... Man konnte es sich dafür sogar leisten, die restliche Konkurrenz "Nur" mit 5:0 aus 2 Spielen abzufertigen und trotzdem verdammt gut dazustehen. Man muss im Rückspiel plötzlich nur noch Unentschieden spielen und ist trotzdem auf der sicheren Seite. In einer einheitlichen Tabelle wäre man jetzt aber hinter Spanien, Portugal, Frankreich, Dänemark, der Schweiz und Schottland nur Siebter. Also ich verwende hierfür ausschließlich die anderen Vierergruppen als Vergleich. Mit allen Gruppen sähe es noch schlechter aus. Auch England, Norwegen, Belgien und Bosnien-Herzegowina hatten nach 4 Spielen mehr Punkte auf dem Konto, als die deutsche Mannschaft. UND man hätte nicht das Rückspiel im eigenen Stadion gegen die Slowakei, um den Ausrutscher zu reparieren. Bei 16 Startplätzen bedeutet Platz 11 eine Teilnahme an den Playoffs...

Wie schon häufiger erwähnt: Für uns Zuschauer war der neue Modus das Beste, was passieren konnte. Denn dass die Schere weit auseinanderklafft, ist ja keine neue Erkenntnis. Im alten Modus war die Gruppenphase für die relevanten Mannschaften eine reine Formalie. Jetzt bringt die immer noch notwendige Rotation plötzlich ein gewisses Risiko mit sich, weil jeder Punktverlust wirklich schmerzhaft ist.

Dienstag, 21. Oktober 2025

Damit hätte ich nicht gerechnet

 Obwohl es eigentlich keine große Überraschung sein sollte. Ich meine, ein Bayern Trainer verlängert seinen Vertrag. Das kann doch keine Seltenheit sein. Der letzte war schließlich...

Pep Guardiola? Ähm, nein, das war nur der letzte Trainer, der seinen Vertrag erfüllt hat und nicht vorzeitig entlassen wurde.
Jupp Heynckes? Auch nicht, denn der musste ja nach Ablauf seines 3 Jahres Vertrages für Pep Platz machen.
Bleibt also Louis van Gaal. Und ja, so wie der vom Hof gejagt wurde, hatte ich eigentlich ausgeschlossen, dass dessen Vertrag verlängert wurde, aber das ist wirklich passiert. Im Jahr 2010.

Und ja, formell gesehen müsste man Hansi Flick irgendwie dazuzählen. Der hat am 3.4.2020 seinen Vertrag offiziell verlängert. Hier kommt das große "Aber": Er hat sein Amt erst am 3.11.2019 angetreten. Hier muss man also von einer Beförderung von "Interims-" zur Dauerlösung reden und nicht von einer Vertragsverlängerung. 
Um das noch mit praktischen Zahlen zu unterlegen: Die Ära Flick war trotz der "Vertragsverlängerung" kürzer als die Ära Nagelsmann.

Das ist echt schon 15 Jahre her. 15 Jahre, in denen die Bayern gefühlt 16 Mal Meister wurden...  In dieser Zeit haben sie 8-mal das Halbfinale der Champions League erreicht und diesen Titel 2 Mal gewonnen... Aber mit dem Trainer weiter zusammenarbeiten, war irgendwie nicht der Plan.

Wobei man natürlich erwähnen muss, dass man mit Pep gerne weitergearbeitet hätte. Dem war die Liga aber zu langweilig. Dass dies aber nur bei einem von 10 Trainern überhaupt zur Debatte stand, ist völlig absurd.

Jetzt dürfte Vincent Kompany der erste Bayern-Trainer seit Guardiola sein, der die 100 Spiele Marke knackt. Und nur um das zu verdeutlichen: Transfermarkt.de zählt hier alle Pflichtspiele. Auf 100 Spiele würde man eigentlich schon kommen, wenn man 3 Jahre infolge Meister wird. Bayern holte diesen Titel 11-mal in Serie. 12-mal in 13 Jahren. Tendenz steigend. Aber sie beschäftigten dafür 10 unterschiedliche Trainer... Das ist eine völlig absurde Bilanz.

Viel absurder ist ja, dass die eigentliche Notlösung Kompany jetzt diese Serie durchbricht. Denn seine bisherige Bilanz war ja eher überschaubar: Englischer Zweitligameister wird da als einziger Titel geführt. Und auch mit den Bayern hat er "nur" die Meisterschaft gewonnen, was bei all den anderen Experten eben nicht für eine vorzeitige Vertragsverlängerung gereicht hat...

Damit will ich nicht sagen, dass die Verlängerung vorschnell passiert ist. Was Kompany gerade anbietet, ist wirklich beeindruckend. Dass die Bayern ohne Sommerpause so durchstarten würden, war nicht zu erwarten. Die Meisterschaft ist quasi entschieden. 7 Punkte Vorsprung lassen die sich nicht mehr nehmen, selbst wenn sie im November oder Dezember in ein Loch fallen sollten. 

Und auch die Entwicklung der Mannschaft ist, sachlich betrachtet, beeindruckend. Ein Harry Kane hat tatsächlich noch einen Schritt nach vorne gemacht. Ein Serge Gnabry bemüht sich wirklich um einen neuen Vertrag. Offensiv ist man auf Kurs "4 Tore pro Spiel". Defensiv kassiert man eher 0,6. Und man hat auch in der Champions League einen beeindruckenden Sieg gegen Chelsea errungen. Man ist auch dort Tabellenführer... auch wenn da die richtig fetten Brocken noch kommen.

Man hat aber auch noch 4 leichtere Gegner mit Club Brügge, Sporting Lissabon, PSV Eindhoven und Royale Union Saint-Gilloise. Wenn man aus diesen Spielen die erwartbaren 12 Punkte holte, reicht das, um den Playoffs aus dem Weg zu gehen. 

Ich hab ja in meiner kurzen Saisonvorschau darauf hingewiesen, wie wichtig ein guter Start für die Genesung von Jamal Musiala ist. Jetzt sind die Bayern in genau der Position, in der sie Musiala langsam heranführen und behutsam aufbauen können, wenn er irgendwann wieder fit ist. 

Natürlich sind es die Bayern, es kann also bedeuten, dass diese Vertragsverlängerung völlig bedeutungslos ist. Eine knappe Niederlage gegen Leverkusen und eine heftige Klatsche gegen Paris in der ersten Novemberwoche könnten schon reichen, um Unruhe reinzubringen. Der Kader ist immer noch verdammt dünn und die Ansprüche sind extrem hoch. Aber praktisch gesehen sind diese beiden Termine in der ersten Novemberwoche die einzigen relevanten Spiele, die Bayern bis zur Winterpause im Terminplan haben... also davon ausgehend, dass sie ein leichtes Los im DFB-Pokal ziehen. 

Und wirklich entscheidend ist ja am Ende die K.O. Phase in der Champions League. Bis die erreicht ist, können wir aber alle einen ordentlichen Winterschlaf einplanen, denn bis dahin wird wenig bis nichts Relevantes in München passieren.

Was gut für Kompany, aber ein schlechtes Zeichen für die Bundesliga ist.

Dienstag, 14. Oktober 2025

Passives Abseits VS Investoren: Teil 1 Grundlagen und Einführung

 Oder genau genommen: Gegen das Narrativ, welches da immer gesponnen wird: Diese bösen Investoren machen den Fußball kaputt!! Wie können die nur?

Was haben uns Investoren jemals gebracht? Also außer Union Berlin... Und damals der SG Wattenscheid 09? Und irgendwie auch die Borussia aus Dortmund, die ja als Börsennotiertes Unternehmen das Geld von Großaktionären wie Evonk, Signal Iduna und Puma nehmen... 

 
Aber sonst? 

Es ist halt schon faszinierend. 

Selbst an sich sachliche und sehr gute Kommentatoren wie Manu Thiele berichten irgendwie immer nur über die Negativbeispiele. Das neuste Beispiel war ein Video zu Brescia Calcio, die natürlich von dem neuen, chaotischen Investor Zugrabe getragen wurden. Für den "deutschen Markt" gab es Videos zu 1860 München und KFC Uerdingen

Calcio Berlin hat eine eigene Serie mit dem Titel "Ist das noch Fußball, oder kann das weg?" Da geht es dann auch regelmäßig darum, wie Investoren den Fußball kaputt machen. Aber wisst ihr, was ihr nirgendwo findet? Ein Video, in dem der Investor dabei geholfen hat, einen Verein voranzubringen. In den letzten Jahren ist mir da nur ein einziges Video gesehen, in dem tatsächlich darauf hingewiesen wurde, dass Union Berlin auch dank der Kölmel Millionen so durchgestartet sind. Aber das letzte Video aus der Tradition oder Kommerz Playlist ist 3 Jahre alt.

Aber das ist ja auch nachvollziehbar. Der Großteil der deutschen Fanszene positioniert sich offen gegen offensichtliche Investoren. Und wenn die im Hintergrund doch die Strippen ziehen und man eigentlich ein Fan einer Kommanditengesellschaft auf Aktien ist, wird das erfolgreich im "Echte Liebe" Rausch verdrängt.
Das ist ja genau der Markt, den diese YouTuber bedienen. Wenn die jetzt "Investoren sind gar nicht zwingend böse" Videos mit entsprechenden Thumbnails machen, würde niemand auf diese Videos klicken. Also aus Prinzip nicht, denn das geht ja gegen die eigene Gesinnung. Und man will sich ja auch nicht damit beschäftigen, dass man selbst auch an dem Tropf von Investoren hängt.

Zum Glück kann einem das egal sein, wenn man eh keine Follower hat, weil man auf ein veraltetes Medium setzt und dann noch keinerlei Öffentlichkeitsarbeit macht...

Deswegen werfe ich jetzt die These in den Raum: Investoren sind an sich neutral. Wenn man die ganze Moral des Sportswashing außen vor lässt, können sie genauso gutes wie schlechtes erschaffen. Es gibt für beides genügend Beispiele, es werden aber immer nur die negativen Geschichten erzählt.

Man muss mal ganz sachlich festhalten: Der Sportswashing Zug ist abgefahren. Es gibt da bestimmt der Unterschied zwischen "Schlimm", "Schlimmer" und "Noch Schlimmer", aber alle Profivereine sind mindestens über eine Ecke involviert. Allein schon, weil die Champions League dermaßen verseucht ist, dass man automatisch mitwäscht. Aber auch im Rampenlicht der Bundesliga sonnen sich staatlich geförderte Airlines, Rüstungsexporteure und Cryptoscammer... Es gibt offizielle Wettanbieter in einem Land mit 1,3 Millionen Spielsüchtigen. Und obwohl wir seit über 10 Jahren wissen, dass Putin ein Arschloch ist, trug Schalke bis 2022 stolz das Gazprom Logo auf der Brust... Ich sage ja bewusst immer, dass das Geld von Red Bull wahrscheinlich das sauberste ist, welches im Profisport im Umlauf ist... Immerhin töten die nur Extremsportler und abhängig wird man nur vom Koffein, was die meisten in diesem Land eh schon sind. 
Die einzige Variante sich davon freizusprechen ist, sich einen lokalen Regionalligisten zu suchen... und dann zu hoffen, dass der nie aufsteigt.

Wenn man sich jetzt die Geschichten von 1860 und Uerdingen anschaut, fällt vor allen Dingen eines auf: Das waren Vereine, die schon vor dem Einstieg des Investors mindestens bis zur Hüfte in der Scheiße steckten. Und wie das so ist: Wenn man schon im Treibsand steckt und dann planlos mit den Armen wedelt, versinkt man noch tiefer in der Scheiße.

Nur deswegen haben sie sich für die dubiosen und machtgeilen Investoren geöffnet. Die Schaumschläger, die von der Champions League träumen, während man kurz vor der Auflösung des Vereins steht. Denn seriöse Investoren würden solche Vereine nicht mit der Kneifzange anfassen... selbst wenn sie dazu noch einen Infektionsschutzanzug tragen. 

Die Vereine haben sich ganz allein und ohne die Hilfe von Investoren in die Situation manövriert, dass sie überhaupt und schnell externe Hilfe brauchen. Und dass dann nur die Ismaiks und Ponomarevs ans Telefon gehen, ist erschreckend logisch. Es ist fast schon eine kausale Konsequenz. Trotzdem kommen dann alle und schreien "Deswegen brauchen wir 50+1!!! Damit die Vereine vor solchen Investoren geschützt werden!"

Was die nebenbei völlig ignorieren: Ohne diese undurchsichtigen und überambitionierten Investoren wären beide Vereine direkt in die Insolvenz gegangen. KFC Uerdingen musste diesen Schritt bereits 2009 gehen. Und 22 und 25 schon wieder.  

Natürlich war es dumm, diesem dubiosen Typen ins Netz zu gehen und ihn zum 1. Vorsitzenden zu machen. Aber dumme Entscheidungen prägen halt die Geschichte dieses Vereins seit dem Ausstieg von Bayer. Das sind dieselben Typen, die Ailton im Jahr 2009 einen Vertrag angeboten haben, damit der in 13 Spielen 4 Tore für sie erzielt. Man spielte damals schon in der 5. Liga, träumte aber anscheinend damals schon von höheren Ligen, nur um stattdessen pleite zu gehen.

Anstatt jetzt den logischen Schritt zu gehen, dass chaotisch geführte Vereine halt im modernen Sport insolvent gehen und irgendwann den Spielbetrieb einstellen müssen, verweisen alle auf die bösen Investoren. Als würde es 1860 und dem KFC besser gehen, wenn die das Geld nicht angenommen hätten... das hätte im Fall von 1860 einen Neustart in der Kreisklasse bedeuten können. Anstatt jetzt in der Bayernliga rumzugurken, hat man einen Kader, mit dem man eigentlich in die 2. Liga aufsteigen muss... was man natürlich nicht schafft, weil man weiterhin ein chaotisch geführter Verein ist.

Lustigerweise ist Uerdingen eigentlich eines dieser Positivbeispiele. Also als man noch am Tropf vom de facto Investor Bayer hing, erlebten die Fans eine legendäre Aufholjagd gegen Dynamo Dresden. Man gewann 1985 den DFB-Pokal. Aber nach dem Ausstieg des einzigen großen und namensgebenden Sponsors (aka des Investors) stieg man sofort aus der Bundesliga ab. 3 Jahre hielt man sich in der 2. Liga. 13 Jahre nach dem Ausstieg meldete man als Viertligist das erste Mal die Insolvenz an und es folgte der Zwangsabstieg in die 6. Liga.

Anscheinend war dieser Verein einfach nicht fähig, sein eigenes Überleben zu sichern. Oder es war halt der eine Profiverein zu viel in Nordrhein-Westfalen. Wir reden hier schließlich von einem Bundesland, das gerade 15 Profi-Vereine stellt. Also man kommt auf 15, weil die SGS Essen in der Frauen-Bundesliga spielt und deswegen selbstverständlich im Kicker Sonderheft und auch hier aufgelistet wird.

Wenn man also nicht nur die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches hat, sondern sich die letzten 40 Jahre anguckt, dann hat der Ausstieg und nicht der Einstieg eines Investors diesen Verein kaputt gemacht. Die Geschichte ist eigentlich ein klares Argument GEGEN 50+1, denn als das noch egal war und Bayer die Fäden gezogen hat, ging es dem Verein wesentlich besser.

Aber dieses "Guckt mal, der Ponomarev hat den Verein kaputt gemacht! Wie schrecklich!" verkauft sich halt besser.

Mein persönlicher Vorsatz ist es jetzt, als quasi Nachfolger zum "Passives Abseits vs Tradition" eine Serie zu starten, in der ich aktuelle und historische Beispiele nenne, in denen ein Investor die Situation im Verein oder in der Stadt deutlich verbessert hat. Denn es gibt genügend Beispiele, wo genau das passiert ist.

Montag, 6. Oktober 2025

Die Selbstinszenierung von Sandro Wagner

 Der ist schon ein Profi. Also im Umgang mit den Medien. Als Trainer muss er sich nach wie vor beweisen. 

Und wenn es den Augsburgern wirklich nur darum ging, mehr Aufmerksamkeit zu generieren, sind sie dank Sandro Wagner auf einem guten Weg. Es gab direkt das erste Samstagabend-Spiel seit Ewigkeiten. Als Nächstes bekommt er dann direkt ein Sportschau-Interview. Also so ein richtiges und nicht nur die "Stimmen zum Spiel" im Anschluss der Zusammenfassung, sondern es wurde extra der natürliche Flow der Sendung unterbrochen, damit Wagner 2 Fragen beantworten kann... Das macht man normalerweise mit dem Torschützen des Monats und nicht mit dem angezählten Trainerneuling.

2 Fragen, die dann nebenbei nicht online auftauchen. Wer nicht dabei war, hat es verpasst... Ich war zufälligerweise dabei. Wagner fing beide Antworten direkt mit einem "Nein" an, widersprach also offen und direkt dem Journalisten und seiner taktischen Einschätzung. Sportschau.de änderte auch gleich die Aufstellung auf ein 3-4-2-1... Wenn der Trainer sagt, dass es keine Viererkette gab, dann gab es keine Viererkette. Kicker.de bleibt dagegen bei dieser Aufstellung. Transfermarkt.de auch... 

Und dann wurde auf seinen ausbleibenden Jubel und die Geste nach dem Spiel angesprochen. Ich muss zugeben: Die Reaktionen auf die Tore fand ich zwar auch sehr inszeniert, aber an sich gut gemacht. Er vermittelt allen halt, dass er natürlich davon ausging, dass seine Spieler diese Tore erzielen würden. Das war nichts Außergewöhnliches für ihn.

Aber die "Gelaber Geste" am Ende... War zum einen völlig absurd, weil er sich ja vor dem Anpfiff Verständnis für die Kritik zeigte. Er gab ja offen zu, dass man nicht zufrieden sein kann und auch er Dinge ändern müssen. Und er hat ja auch 5 Änderungen in der Startelf vorgenommen und den Ablauf vor dem Spiel überarbeitet. Dann so eine Geste zu zeigen...

Ist vor allem aus einem Grund ungeschickt: Es zieht die Aufmerksamkeit auf Wagner, nur damit er dann hinterher behaupten muss (oder kann), dass es ja hauptsächlich um die Spieler geht. Wenn er sich diese Geste gespart hätte, wären die Fragen doch auch gekommen. Dann wäre seine Antwort aber viel angemessener gewesen. Denn so ging es am Ende doch auch um seine Selbstinszenierung.

Wirklich faszinierend ist es ja, dass die Medien dieses Spiel überhaupt mitspielen. Augsburg ist ja eigentlich ein Verein, den man so schnell wie möglich abwickeln will. Die spielen seit Jahren einen unangenehmen bis ekligen Fußball. Der Fußball war so unansehnlich, dass niemand hingucken wollten. Das ist ein Kompliment für einen Verein mit überschaubarem Budget. Aber genau deswegen wurde Jess Thorup ja auch entlassen: Augsburg wollte unbedingt aus der Grauen Maus Rolle raus.

Auf dem Platz hat sich aber gar nicht so viel verbessert. Denn am Ende kann man nur den Fußball spielen lassen, den das Potenzial der Spieler ermöglicht. Und das ist in Augsburg weiterhin begrenzt. Trotzdem spielen die Medien dieses Spiel voll mit und gehen voll auf Wagner ab. Die Prognosen vor der Saison verbreiteten allgemeine Aufbruchsstimmung. Dass Wagner am Ende "nur" ein Trainernovize und das "immer noch" eine spielerisch begrenzte Mannschaft ist, wurde komplett ignoriert. Also außer von meiner Wenigkeit, ich habe bei der Saisonvorschau Wachstumsschmerzen angekündigt. Und genau die sehen wir jetzt.

Und man muss nochmal festhalten, dass Wagner nichts geleistet hat, was diesen Medienrummel rechtfertigt. Co-Trainer bei der Nationalmannschaft ist jetzt nicht DER Job, der all die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vor allem, wenn man nicht mal das Mastermind hinter brillanten Standards ist, die der Schlüssel zu einem erfolgreichen Turnier waren. Alle tun so, als wäre Wagner der nächste Hansi Flick, aber nur einer von den beiden darf sich ein erfolgreiches Turnier ans Revers heften. 

Aber Wagner fühlt sich in dieser Rolle, auch wenn er versucht es runterzuspielen, sichtlich wohl.

Derweil muss man die Leistungen eines anderen Trainers tatsächlich mal würdigen: Wie der FC Bayern in diese Saison gestartet ist, ist eigentlich schon absurd. Denn die dominieren ja nicht nur die Bundesliga, sondern haben nebenbei auch Chelsea überzeugend geschlagen. Serge Gnabry ist derzeit ein Unterschiedspieler. Vielleicht war das absehbar, er muss sich ja irgendwo für einen neuen Vertrag bewerben... Selbst das ewige Problem der "Restverteidigung" scheint für den Moment gelöst. Und all das mit einem extrem dünnen Kader und obwohl man im Sommer dank der Klub-WM keine wirkliche Pause genießen durfte. Dazu teilen sich die direkten Konkurrenten die Punkte, so hat man vor dem Gipfeltreffen schon 4 Punkte Vorsprung. Wenn man nach der Länderspielpause gegen Dortmund gewinnt, kann man wirklich entspannt auf die Genesung von Jamal Musiala warten und muss den nicht vorschnell zum Comeback drängen. 

Es bleibt abzuwarten, ob die Bayern das auch durch den nasskalten November durchhalten, oder ob sie dann irgendwann doch müde und überspielt wirken. Gerade weil sie zuletzt für Bayern-Verhältnisse mit 124 km überraschend viel Aufwand betrieben haben, um Werder und die Eintracht zu dominieren. Aber sie legen sich jetzt gerade die Grundlage für eine richtig langweilige Bundesligasaison. Das sollte man unter diesen Umständen nicht als selbstverständlich ansehen.

Lustig fand ich nebenbei die "Sorge um Harry Kane" Schlagzeile. Denn der hat ja, entsetzt gucken, einen Schlag abbekommen und musste ausgewechselt werden. Das war natürlich nur eine reine Vorsichtsmaßnahme... Aber die anstehende Länderspielpause macht diese "Sorge" so absurd. Denn still und heimlich haben die doch darauf gehofft, dass Kane die Länderspielreise angeschlagen absagen muss... oder zumindest nur bei einem der beiden Spiele antreten kann, so wie ein Nick Woltemade das jetzt vorhat. Einfach nur, damit Kane auch mal durchschnaufen kann... Das hat leider nicht funktioniert.

Nick Woltemade hat nebenbei grippeähnliche Symptome. Die habe ich am Sonntagmorgen auch immer... Also nur um zu verdeutlichen, dass im Zweifelsfall doch einfach absagt, weil es eben "nur" um die WM-Qualifikation und gegen Luxemburg geht.

Dienstag, 30. September 2025

Die absurde Karriere des Horst Steffen

Es ist schon absurd. Wir haben gerade vier Ex-Profis mit durchaus vergleichbaren Spieler-Biografien auf den Trainerbänken sitzen. Alle vier absolvierten zwischen 180 und 254 Bundesligaspiele. Sie spielten nie für die ganz großen Vereine. Einer ist bereits ein etablierter Bundesligatrainer, die anderen verdienen sich jetzt gerade die ersten Sporen. Aber ihr Weg zu diesem Posten war extrem unterschiedlich.

Die Rede ist von Steffen BaumgartEugen Polanski, Sandro Wagner und Horst Steffen.

Baumgart fällt, was mich selbst doch überrascht, in die Kategorie "Marius Ebbers Angreifer": Er hat mehr Zweitliga- als Bundesligatore erzielt. Polanksi hatte eine interessante Karriere, weil er unter Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel spielen durfte. Steffen spielte in Uerdingen, nachdem Bayer da ausgestiegen ist. Und für den MSV Duisburg. Mehr "Arbeiterkarriere" kann man als Bundesligaprofi nicht machen. Wagner ist so ein bisschen der Ausreißer, da er in der einen Saison beim FC Bayern mehr Europacup Spiele absolviert hat, als die andern 3 zusammen... Zumindest, wenn man den UI Cup rausrechnet.

Als Trainer ist die Biografie von Baumgart spannend, da sie seine Spielerkarriere spiegelt. Er startete in der 2. Liga der ehemaligen DDR. Danach in der NOFV Oberliga und in der 2. Liga, bevor er mit Hansa Rostock aufstieg. Er hat sich buchstäblich nach oben gearbeitet. Auch als Trainer arbeitete er in der Landesliga beim SSV Köpenick-Oberspree. Beim Berliner AK 07 arbeitete er in der Regionalliga. Und danach startete er mit Paderborn von der dritten in die erste Liga durch... Eigentlich von der 4., sportlich war man abgestiegen. Sowohl als Trainer, als auch als Spieler, wollte den niemand in der ersten Liga sehen, er hat sich davon aber nicht aufhalten lassen. Jetzt hat er sich zumindest so weit etabliert und stabilisiert, dass er noch haufenweise Angebote von verzweifelten Abstiegskandidaten bekommen wird, wenn Union Berlin ihn irgendwann entlassen wird. Von seinem ersten, sachlich gesehen gescheiterten Experiment in Magdeburg bis zum Bundesligadebüt vergingen 10 Jahre. Von seinem Karriereende, ebenfalls in Magdeburg, bis zum ersten Spiel an der Seitenlinie vergingen etwa 12 Jahre. Das ist schon unfassbar viel.

Denn normalerweise sieht die Trainerkarriere der ehemaligen "Bundesliga-Stars" sieht ja eher wie die von Eugen Polanski aus: Man kommt nach seiner aktiven Karriere bei einem seiner Ex-Vereine unter. In Polanskis Fall war das sein Jugendverein Borussia Mönchengladbach. Dort arbeitet man sich von der U17 bis zur 2. Mannschaft hoch und wartet ganz entspannt ab, dass eine Krise Panik auslöst. Und wenn das nicht klappt, rutscht man zurück ins zweite Glied und wartet entspannt auf die nächste Krise. Jahrzehntelang war dies die einzige wirkliche Variante, einen Fuß in die Bundesligatür zu bekommen. Dann fiel irgendwann den gut geführten Vereinen auf, dass man doch richtige Experten als Jugendtrainer braucht und dadurch wurden dann Thomas Tuchel und Hannes Wolf in die Liga gespült. Um ein Positiv- und ein Negativbeispiel zu nennen. Im Normalfall dauert dieser Vorgang so 7 Jahre.

Sandro Wagner ist auch hier ein Sonderfall, weil er ja praktisch von der Kommentatorenkabine auf die Trainerbank gelobt worden ist.

Und dann gibt es halt Horst Steffen. Die Vereine, bei denen er Eindruck hinterlassen hat, sind in der Versenkung verschwunden. Da kann man dann schlecht als Jugendtrainer anfangen. Er war tatsächlich auch in Gladbach, aber anscheinend hat man ihn da nicht zugetraut, höhere Aufgaben zu übernehmen.

Danach begann dann seine "Wanderschaft" bei den Stuttgarter Kickers, Preußen Münster und dem Chemnitzer FC. Bei nur einer einzigen Vertragsverlängerung deutete wenig auf eine langfristige und erfolgreiche Trainerkarriere hin. Es sah eher so aus, als würde Steffen sich dank seines guten Namens bei unterklassigen Vereinen die Altersvorsorge sichern.

Der nächste Schritt dieser Rentensicherungsmaßnahme war 2018 die SV Elversberg. Danach kommt dann wahrscheinlich nicht mehr viel... Aber plötzlich startete man komplett durch. Es ging von der Regionalliga in die Relegation zur höchsten deutschen Spielklasse. Und vor allem hatte man auch langfristigen Erfolg. 7 Jahre am Stück ging es praktisch nur aufwärts. Das schafft man sonst nur mit Investoren-Millionen. Das war so nicht zu erwarten.

Nun stellt sich die entscheidende Frage: War Steffen schon immer ein guter Trainer, der durch chaotische Vereine aufgehalten wurde? Also die Stuttgarter Kickers und der Chemnitzer FC sind jetzt nicht die stabilsten Vereine... Oder hat er einfach nur all diese Jahre gebraucht, um das Trainerhandwerk zu erlernen und sich zu verbessern. 

Wir reden hier nebenbei von unfassbaren 22 Jahren zwischen der letzten Station als Spieler und der ersten als Bundesliga-Trainer.
Und wenn das Potenzial schon immer da war, warum hat vorher niemand zugeschlagen? Ich meine, wir hatten doch einige richtig schlechte Trainer, denen trotzdem immer wieder einen Job angeboten wurde. Michael Frontzeck stand bei 3 unterschiedlichen Bundesligisten an der Seitenlinie: Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld und Borussia Mönchen... wartet mal... kurz Zeitlinien abchecken. Horst Steffen und Michael Frontzeck begannen beide am 1.7.2009 in Gladbach. Man hätte sich damals auch einfach für den anderen entscheiden und Frontzeck zur U17 schicken können... Aber nur einer der beiden hat mit Max Eberl zusammengespielt.

Oder Horst Steffen zumindest als Interimstrainer befördern können, als man Frontzeck 2011 völlig überraschend entlassen musste. Wobei man zur Verteidigung von Max Eberl sagen muss: Er holte einen gewissen Lucien Favre, der sich für Gladbach als sehr guter Griff entpuppte. 

Es ist aber schon absurd, dass sich Steffen praktisch in derselben Situation befand, wie Polanski jetzt, nur dass er damals dann "übergangen" wurde. Dass er danach dann den Weg über die Dörfer gegangen ist, um doch zum Bundesligatrainer zu werden, dürfte ein einzigartiger Vorgang sein. Auch die 22 Jahre, die das gedauert hat, wird niemand jemals überbieten. Vor allem bei den Millionengehältern, die heutzutage jeder Bundesligaspieler überwiesen bekommt, dürften verhindern, dass nochmal jemand so hartnäckig an dieser Vision arbeitet.

Vor allem zeigt dies aber mal wieder eins: Es ist wichtiger, die richtigen Leute zu kennen, als ein wirklich guter Trainer mit einer erfolgreichen Vita zu sein. Und dass man unter den richtigen Trainern gespielt hat... Also Polanskis relevante Vorqualifikation ist ja, dass er von Jupp Heynckes, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann und Huub Stevens gelernt haben könnte. Während Horst Steffen "nur" bei Friedhelm Funkel zur Schule ging... sowohl in Uerdingen, als auch in Duisburg... und bei Wolfgang Frank... 9 Spiele lang... Moment mal: haben wir tatsächlich noch einen Schüler von Wolfgang Frank ausgegraben? Unfassbar.

Also für alle, die das vergessen haben: Wolfgang Frank war quasi der Mentor von Jürgen Klopp. Und dessen Erfolg hat dazu beigetragen, dass all seine Ex-Spieler mit Angeboten überhäuft wurden. Marco Rose, Sandro Schwarz, Thorsten Lieberknecht und Jürgen Kramny sind die anderen "Lehrlinge". So richtig erfolgreich in der Bundesliga war aber nur Rose... 

Dass dieser Beitrag bei Wolfgang Frank endet, habe ich selber nicht kommen sehen. Was auch nur beweist: Es ist einfach nicht zu erklären, warum es 22 Jahre gedauert hat, bis Steffen endlich in der Bundesliga coachen darf.