Dienstag, 14. Oktober 2025

Passives Abseits VS Investoren: Teil 1 Grundlagen und Einführung

 Oder genau genommen: Gegen das Narrativ, welches da immer gesponnen wird: Diese bösen Investoren machen den Fußball kaputt!! Wie können die nur?

Was haben uns Investoren jemals gebracht? Also außer Union Berlin... Und damals der SG Wattenscheid 09? Und irgendwie auch die Borussia aus Dortmund, die ja als Börsennotiertes Unternehmen das Geld von Großaktionären wie Evonk, Signal Iduna und Puma nehmen... 

 
Aber sonst? 

Es ist halt schon faszinierend. 

Selbst an sich sachliche und sehr gute Kommentatoren wie Manu Thiele berichten irgendwie immer nur über die Negativbeispiele. Das neuste Beispiel war ein Video zu Brescia Calcio, die natürlich von dem neuen, chaotischen Investor Zugrabe getragen wurden. Für den "deutschen Markt" gab es Videos zu 1860 München und KFC Uerdingen

Calcio Berlin hat eine eigene Serie mit dem Titel "Ist das noch Fußball, oder kann das weg?" Da geht es dann auch regelmäßig darum, wie Investoren den Fußball kaputt machen. Aber wisst ihr, was ihr nirgendwo findet? Ein Video, in dem der Investor dabei geholfen hat, einen Verein voranzubringen. In den letzten Jahren ist mir da nur ein einziges Video gesehen, in dem tatsächlich darauf hingewiesen wurde, dass Union Berlin auch dank der Kölmel Millionen so durchgestartet sind. Aber das letzte Video aus der Tradition oder Kommerz Playlist ist 3 Jahre alt.

Aber das ist ja auch nachvollziehbar. Der Großteil der deutschen Fanszene positioniert sich offen gegen offensichtliche Investoren. Und wenn die im Hintergrund doch die Strippen ziehen und man eigentlich ein Fan einer Kommanditengesellschaft auf Aktien ist, wird das erfolgreich im "Echte Liebe" Rausch verdrängt.
Das ist ja genau der Markt, den diese YouTuber bedienen. Wenn die jetzt "Investoren sind gar nicht zwingend böse" Videos mit entsprechenden Thumbnails machen, würde niemand auf diese Videos klicken. Also aus Prinzip nicht, denn das geht ja gegen die eigene Gesinnung. Und man will sich ja auch nicht damit beschäftigen, dass man selbst auch an dem Tropf von Investoren hängt.

Zum Glück kann einem das egal sein, wenn man eh keine Follower hat, weil man auf ein veraltetes Medium setzt und dann noch keinerlei Öffentlichkeitsarbeit macht...

Deswegen werfe ich jetzt die These in den Raum: Investoren sind an sich neutral. Wenn man die ganze Moral des Sportswashing außen vor lässt, können sie genauso gutes wie schlechtes erschaffen. Es gibt für beides genügend Beispiele, es werden aber immer nur die negativen Geschichten erzählt.

Man muss mal ganz sachlich festhalten: Der Sportswashing Zug ist abgefahren. Es gibt da bestimmt der Unterschied zwischen "Schlimm", "Schlimmer" und "Noch Schlimmer", aber alle Profivereine sind mindestens über eine Ecke involviert. Allein schon, weil die Champions League dermaßen verseucht ist, dass man automatisch mitwäscht. Aber auch im Rampenlicht der Bundesliga sonnen sich staatlich geförderte Airlines, Rüstungsexporteure und Cryptoscammer... Es gibt offizielle Wettanbieter in einem Land mit 1,3 Millionen Spielsüchtigen. Und obwohl wir seit über 10 Jahren wissen, dass Putin ein Arschloch ist, trug Schalke bis 2022 stolz das Gazprom Logo auf der Brust... Ich sage ja bewusst immer, dass das Geld von Red Bull wahrscheinlich das sauberste ist, welches im Profisport im Umlauf ist... Immerhin töten die nur Extremsportler und abhängig wird man nur vom Koffein, was die meisten in diesem Land eh schon sind. 
Die einzige Variante sich davon freizusprechen ist, sich einen lokalen Regionalligisten zu suchen... und dann zu hoffen, dass der nie aufsteigt.

Wenn man sich jetzt die Geschichten von 1860 und Uerdingen anschaut, fällt vor allen Dingen eines auf: Das waren Vereine, die schon vor dem Einstieg des Investors mindestens bis zur Hüfte in der Scheiße steckten. Und wie das so ist: Wenn man schon im Treibsand steckt und dann planlos mit den Armen wedelt, versinkt man noch tiefer in der Scheiße.

Nur deswegen haben sie sich für die dubiosen und machtgeilen Investoren geöffnet. Die Schaumschläger, die von der Champions League träumen, während man kurz vor der Auflösung des Vereins steht. Denn seriöse Investoren würden solche Vereine nicht mit der Kneifzange anfassen... selbst wenn sie dazu noch einen Infektionsschutzanzug tragen. 

Die Vereine haben sich ganz allein und ohne die Hilfe von Investoren in die Situation manövriert, dass sie überhaupt und schnell externe Hilfe brauchen. Und dass dann nur die Ismaiks und Ponomarevs ans Telefon gehen, ist erschreckend logisch. Es ist fast schon eine kausale Konsequenz. Trotzdem kommen dann alle und schreien "Deswegen brauchen wir 50+1!!! Damit die Vereine vor solchen Investoren geschützt werden!"

Was die nebenbei völlig ignorieren: Ohne diese undurchsichtigen und überambitionierten Investoren wären beide Vereine direkt in die Insolvenz gegangen. KFC Uerdingen musste diesen Schritt bereits 2009 gehen. Und 22 und 25 schon wieder.  

Natürlich war es dumm, diesem dubiosen Typen ins Netz zu gehen und ihn zum 1. Vorsitzenden zu machen. Aber dumme Entscheidungen prägen halt die Geschichte dieses Vereins seit dem Ausstieg von Bayer. Das sind dieselben Typen, die Ailton im Jahr 2009 einen Vertrag angeboten haben, damit der in 13 Spielen 4 Tore für sie erzielt. Man spielte damals schon in der 5. Liga, träumte aber anscheinend damals schon von höheren Ligen, nur um stattdessen pleite zu gehen.

Anstatt jetzt den logischen Schritt zu gehen, dass chaotisch geführte Vereine halt im modernen Sport insolvent gehen und irgendwann den Spielbetrieb einstellen müssen, verweisen alle auf die bösen Investoren. Als würde es 1860 und dem KFC besser gehen, wenn die das Geld nicht angenommen hätten... das hätte im Fall von 1860 einen Neustart in der Kreisklasse bedeuten können. Anstatt jetzt in der Bayernliga rumzugurken, hat man einen Kader, mit dem man eigentlich in die 2. Liga aufsteigen muss... was man natürlich nicht schafft, weil man weiterhin ein chaotisch geführter Verein ist.

Lustigerweise ist Uerdingen eigentlich eines dieser Positivbeispiele. Also als man noch am Tropf vom de facto Investor Bayer hing, erlebten die Fans eine legendäre Aufholjagd gegen Dynamo Dresden. Man gewann 1985 den DFB-Pokal. Aber nach dem Ausstieg des einzigen großen und namensgebenden Sponsors (aka des Investors) stieg man sofort aus der Bundesliga ab. 3 Jahre hielt man sich in der 2. Liga. 13 Jahre nach dem Ausstieg meldete man als Viertligist das erste Mal die Insolvenz an und es folgte der Zwangsabstieg in die 6. Liga.

Anscheinend war dieser Verein einfach nicht fähig, sein eigenes Überleben zu sichern. Oder es war halt der eine Profiverein zu viel in Nordrhein-Westfalen. Wir reden hier schließlich von einem Bundesland, das gerade 15 Profi-Vereine stellt. Also man kommt auf 15, weil die SGS Essen in der Frauen-Bundesliga spielt und deswegen selbstverständlich im Kicker Sonderheft und auch hier aufgelistet wird.

Wenn man also nicht nur die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches hat, sondern sich die letzten 40 Jahre anguckt, dann hat der Ausstieg und nicht der Einstieg eines Investors diesen Verein kaputt gemacht. Die Geschichte ist eigentlich ein klares Argument GEGEN 50+1, denn als das noch egal war und Bayer die Fäden gezogen hat, ging es dem Verein wesentlich besser.

Aber dieses "Guckt mal, der Ponomarev hat den Verein kaputt gemacht! Wie schrecklich!" verkauft sich halt besser.

Mein persönlicher Vorsatz ist es jetzt, als quasi Nachfolger zum "Passives Abseits vs Tradition" eine Serie zu starten, in der ich aktuelle und historische Beispiele nenne, in denen ein Investor die Situation im Verein oder in der Stadt deutlich verbessert hat. Denn es gibt genügend Beispiele, wo genau das passiert ist.

Montag, 6. Oktober 2025

Die Selbstinszenierung von Sandro Wagner

 Der ist schon ein Profi. Also im Umgang mit den Medien. Als Trainer muss er sich nach wie vor beweisen. 

Und wenn es den Augsburgern wirklich nur darum ging, mehr Aufmerksamkeit zu generieren, sind sie dank Sandro Wagner auf einem guten Weg. Es gab direkt das erste Samstagabend-Spiel seit Ewigkeiten. Als Nächstes bekommt er dann direkt ein Sportschau-Interview. Also so ein richtiges und nicht nur die "Stimmen zum Spiel" im Anschluss der Zusammenfassung, sondern es wurde extra der natürliche Flow der Sendung unterbrochen, damit Wagner 2 Fragen beantworten kann... Das macht man normalerweise mit dem Torschützen des Monats und nicht mit dem angezählten Trainerneuling.

2 Fragen, die dann nebenbei nicht online auftauchen. Wer nicht dabei war, hat es verpasst... Ich war zufälligerweise dabei. Wagner fing beide Antworten direkt mit einem "Nein" an, widersprach also offen und direkt dem Journalisten und seiner taktischen Einschätzung. Sportschau.de änderte auch gleich die Aufstellung auf ein 3-4-2-1... Wenn der Trainer sagt, dass es keine Viererkette gab, dann gab es keine Viererkette. Kicker.de bleibt dagegen bei dieser Aufstellung. Transfermarkt.de auch... 

Und dann wurde auf seinen ausbleibenden Jubel und die Geste nach dem Spiel angesprochen. Ich muss zugeben: Die Reaktionen auf die Tore fand ich zwar auch sehr inszeniert, aber an sich gut gemacht. Er vermittelt allen halt, dass er natürlich davon ausging, dass seine Spieler diese Tore erzielen würden. Das war nichts Außergewöhnliches für ihn.

Aber die "Gelaber Geste" am Ende... War zum einen völlig absurd, weil er sich ja vor dem Anpfiff Verständnis für die Kritik zeigte. Er gab ja offen zu, dass man nicht zufrieden sein kann und auch er Dinge ändern müssen. Und er hat ja auch 5 Änderungen in der Startelf vorgenommen und den Ablauf vor dem Spiel überarbeitet. Dann so eine Geste zu zeigen...

Ist vor allem aus einem Grund ungeschickt: Es zieht die Aufmerksamkeit auf Wagner, nur damit er dann hinterher behaupten muss (oder kann), dass es ja hauptsächlich um die Spieler geht. Wenn er sich diese Geste gespart hätte, wären die Fragen doch auch gekommen. Dann wäre seine Antwort aber viel angemessener gewesen. Denn so ging es am Ende doch auch um seine Selbstinszenierung.

Wirklich faszinierend ist es ja, dass die Medien dieses Spiel überhaupt mitspielen. Augsburg ist ja eigentlich ein Verein, den man so schnell wie möglich abwickeln will. Die spielen seit Jahren einen unangenehmen bis ekligen Fußball. Der Fußball war so unansehnlich, dass niemand hingucken wollten. Das ist ein Kompliment für einen Verein mit überschaubarem Budget. Aber genau deswegen wurde Jess Thorup ja auch entlassen: Augsburg wollte unbedingt aus der Grauen Maus Rolle raus.

Auf dem Platz hat sich aber gar nicht so viel verbessert. Denn am Ende kann man nur den Fußball spielen lassen, den das Potenzial der Spieler ermöglicht. Und das ist in Augsburg weiterhin begrenzt. Trotzdem spielen die Medien dieses Spiel voll mit und gehen voll auf Wagner ab. Die Prognosen vor der Saison verbreiteten allgemeine Aufbruchsstimmung. Dass Wagner am Ende "nur" ein Trainernovize und das "immer noch" eine spielerisch begrenzte Mannschaft ist, wurde komplett ignoriert. Also außer von meiner Wenigkeit, ich habe bei der Saisonvorschau Wachstumsschmerzen angekündigt. Und genau die sehen wir jetzt.

Und man muss nochmal festhalten, dass Wagner nichts geleistet hat, was diesen Medienrummel rechtfertigt. Co-Trainer bei der Nationalmannschaft ist jetzt nicht DER Job, der all die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vor allem, wenn man nicht mal das Mastermind hinter brillanten Standards ist, die der Schlüssel zu einem erfolgreichen Turnier waren. Alle tun so, als wäre Wagner der nächste Hansi Flick, aber nur einer von den beiden darf sich ein erfolgreiches Turnier ans Revers heften. 

Aber Wagner fühlt sich in dieser Rolle, auch wenn er versucht es runterzuspielen, sichtlich wohl.

Derweil muss man die Leistungen eines anderen Trainers tatsächlich mal würdigen: Wie der FC Bayern in diese Saison gestartet ist, ist eigentlich schon absurd. Denn die dominieren ja nicht nur die Bundesliga, sondern haben nebenbei auch Chelsea überzeugend geschlagen. Serge Gnabry ist derzeit ein Unterschiedspieler. Vielleicht war das absehbar, er muss sich ja irgendwo für einen neuen Vertrag bewerben... Selbst das ewige Problem der "Restverteidigung" scheint für den Moment gelöst. Und all das mit einem extrem dünnen Kader und obwohl man im Sommer dank der Klub-WM keine wirkliche Pause genießen durfte. Dazu teilen sich die direkten Konkurrenten die Punkte, so hat man vor dem Gipfeltreffen schon 4 Punkte Vorsprung. Wenn man nach der Länderspielpause gegen Dortmund gewinnt, kann man wirklich entspannt auf die Genesung von Jamal Musiala warten und muss den nicht vorschnell zum Comeback drängen. 

Es bleibt abzuwarten, ob die Bayern das auch durch den nasskalten November durchhalten, oder ob sie dann irgendwann doch müde und überspielt wirken. Gerade weil sie zuletzt für Bayern-Verhältnisse mit 124 km überraschend viel Aufwand betrieben haben, um Werder und die Eintracht zu dominieren. Aber sie legen sich jetzt gerade die Grundlage für eine richtig langweilige Bundesligasaison. Das sollte man unter diesen Umständen nicht als selbstverständlich ansehen.

Lustig fand ich nebenbei die "Sorge um Harry Kane" Schlagzeile. Denn der hat ja, entsetzt gucken, einen Schlag abbekommen und musste ausgewechselt werden. Das war natürlich nur eine reine Vorsichtsmaßnahme... Aber die anstehende Länderspielpause macht diese "Sorge" so absurd. Denn still und heimlich haben die doch darauf gehofft, dass Kane die Länderspielreise angeschlagen absagen muss... oder zumindest nur bei einem der beiden Spiele antreten kann, so wie ein Nick Woltemade das jetzt vorhat. Einfach nur, damit Kane auch mal durchschnaufen kann... Das hat leider nicht funktioniert.

Nick Woltemade hat nebenbei grippeähnliche Symptome. Die habe ich am Sonntagmorgen auch immer... Also nur um zu verdeutlichen, dass im Zweifelsfall doch einfach absagt, weil es eben "nur" um die WM-Qualifikation und gegen Luxemburg geht.

Dienstag, 30. September 2025

Die absurde Karriere des Horst Steffen

Es ist schon absurd. Wir haben gerade vier Ex-Profis mit durchaus vergleichbaren Spieler-Biografien auf den Trainerbänken sitzen. Alle vier absolvierten zwischen 180 und 254 Bundesligaspiele. Sie spielten nie für die ganz großen Vereine. Einer ist bereits ein etablierter Bundesligatrainer, die anderen verdienen sich jetzt gerade die ersten Sporen. Aber ihr Weg zu diesem Posten war extrem unterschiedlich.

Die Rede ist von Steffen BaumgartEugen Polanski, Sandro Wagner und Horst Steffen.

Baumgart fällt, was mich selbst doch überrascht, in die Kategorie "Marius Ebbers Angreifer": Er hat mehr Zweitliga- als Bundesligatore erzielt. Polanksi hatte eine interessante Karriere, weil er unter Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel spielen durfte. Steffen spielte in Uerdingen, nachdem Bayer da ausgestiegen ist. Und für den MSV Duisburg. Mehr "Arbeiterkarriere" kann man als Bundesligaprofi nicht machen. Wagner ist so ein bisschen der Ausreißer, da er in der einen Saison beim FC Bayern mehr Europacup Spiele absolviert hat, als die andern 3 zusammen... Zumindest, wenn man den UI Cup rausrechnet.

Als Trainer ist die Biografie von Baumgart spannend, da sie seine Spielerkarriere spiegelt. Er startete in der 2. Liga der ehemaligen DDR. Danach in der NOFV Oberliga und in der 2. Liga, bevor er mit Hansa Rostock aufstieg. Er hat sich buchstäblich nach oben gearbeitet. Auch als Trainer arbeitete er in der Landesliga beim SSV Köpenick-Oberspree. Beim Berliner AK 07 arbeitete er in der Regionalliga. Und danach startete er mit Paderborn von der dritten in die erste Liga durch... Eigentlich von der 4., sportlich war man abgestiegen. Sowohl als Trainer, als auch als Spieler, wollte den niemand in der ersten Liga sehen, er hat sich davon aber nicht aufhalten lassen. Jetzt hat er sich zumindest so weit etabliert und stabilisiert, dass er noch haufenweise Angebote von verzweifelten Abstiegskandidaten bekommen wird, wenn Union Berlin ihn irgendwann entlassen wird. Von seinem ersten, sachlich gesehen gescheiterten Experiment in Magdeburg bis zum Bundesligadebüt vergingen 10 Jahre. Von seinem Karriereende, ebenfalls in Magdeburg, bis zum ersten Spiel an der Seitenlinie vergingen etwa 12 Jahre. Das ist schon unfassbar viel.

Denn normalerweise sieht die Trainerkarriere der ehemaligen "Bundesliga-Stars" sieht ja eher wie die von Eugen Polanski aus: Man kommt nach seiner aktiven Karriere bei einem seiner Ex-Vereine unter. In Polanskis Fall war das sein Jugendverein Borussia Mönchengladbach. Dort arbeitet man sich von der U17 bis zur 2. Mannschaft hoch und wartet ganz entspannt ab, dass eine Krise Panik auslöst. Und wenn das nicht klappt, rutscht man zurück ins zweite Glied und wartet entspannt auf die nächste Krise. Jahrzehntelang war dies die einzige wirkliche Variante, einen Fuß in die Bundesligatür zu bekommen. Dann fiel irgendwann den gut geführten Vereinen auf, dass man doch richtige Experten als Jugendtrainer braucht und dadurch wurden dann Thomas Tuchel und Hannes Wolf in die Liga gespült. Um ein Positiv- und ein Negativbeispiel zu nennen. Im Normalfall dauert dieser Vorgang so 7 Jahre.

Sandro Wagner ist auch hier ein Sonderfall, weil er ja praktisch von der Kommentatorenkabine auf die Trainerbank gelobt worden ist.

Und dann gibt es halt Horst Steffen. Die Vereine, bei denen er Eindruck hinterlassen hat, sind in der Versenkung verschwunden. Da kann man dann schlecht als Jugendtrainer anfangen. Er war tatsächlich auch in Gladbach, aber anscheinend hat man ihn da nicht zugetraut, höhere Aufgaben zu übernehmen.

Danach begann dann seine "Wanderschaft" bei den Stuttgarter Kickers, Preußen Münster und dem Chemnitzer FC. Bei nur einer einzigen Vertragsverlängerung deutete wenig auf eine langfristige und erfolgreiche Trainerkarriere hin. Es sah eher so aus, als würde Steffen sich dank seines guten Namens bei unterklassigen Vereinen die Altersvorsorge sichern.

Der nächste Schritt dieser Rentensicherungsmaßnahme war 2018 die SV Elversberg. Danach kommt dann wahrscheinlich nicht mehr viel... Aber plötzlich startete man komplett durch. Es ging von der Regionalliga in die Relegation zur höchsten deutschen Spielklasse. Und vor allem hatte man auch langfristigen Erfolg. 7 Jahre am Stück ging es praktisch nur aufwärts. Das schafft man sonst nur mit Investoren-Millionen. Das war so nicht zu erwarten.

Nun stellt sich die entscheidende Frage: War Steffen schon immer ein guter Trainer, der durch chaotische Vereine aufgehalten wurde? Also die Stuttgarter Kickers und der Chemnitzer FC sind jetzt nicht die stabilsten Vereine... Oder hat er einfach nur all diese Jahre gebraucht, um das Trainerhandwerk zu erlernen und sich zu verbessern. 

Wir reden hier nebenbei von unfassbaren 22 Jahren zwischen der letzten Station als Spieler und der ersten als Bundesliga-Trainer.
Und wenn das Potenzial schon immer da war, warum hat vorher niemand zugeschlagen? Ich meine, wir hatten doch einige richtig schlechte Trainer, denen trotzdem immer wieder einen Job angeboten wurde. Michael Frontzeck stand bei 3 unterschiedlichen Bundesligisten an der Seitenlinie: Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld und Borussia Mönchen... wartet mal... kurz Zeitlinien abchecken. Horst Steffen und Michael Frontzeck begannen beide am 1.7.2009 in Gladbach. Man hätte sich damals auch einfach für den anderen entscheiden und Frontzeck zur U17 schicken können... Aber nur einer der beiden hat mit Max Eberl zusammengespielt.

Oder Horst Steffen zumindest als Interimstrainer befördern können, als man Frontzeck 2011 völlig überraschend entlassen musste. Wobei man zur Verteidigung von Max Eberl sagen muss: Er holte einen gewissen Lucien Favre, der sich für Gladbach als sehr guter Griff entpuppte. 

Es ist aber schon absurd, dass sich Steffen praktisch in derselben Situation befand, wie Polanski jetzt, nur dass er damals dann "übergangen" wurde. Dass er danach dann den Weg über die Dörfer gegangen ist, um doch zum Bundesligatrainer zu werden, dürfte ein einzigartiger Vorgang sein. Auch die 22 Jahre, die das gedauert hat, wird niemand jemals überbieten. Vor allem bei den Millionengehältern, die heutzutage jeder Bundesligaspieler überwiesen bekommt, dürften verhindern, dass nochmal jemand so hartnäckig an dieser Vision arbeitet.

Vor allem zeigt dies aber mal wieder eins: Es ist wichtiger, die richtigen Leute zu kennen, als ein wirklich guter Trainer mit einer erfolgreichen Vita zu sein. Und dass man unter den richtigen Trainern gespielt hat... Also Polanskis relevante Vorqualifikation ist ja, dass er von Jupp Heynckes, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann und Huub Stevens gelernt haben könnte. Während Horst Steffen "nur" bei Friedhelm Funkel zur Schule ging... sowohl in Uerdingen, als auch in Duisburg... und bei Wolfgang Frank... 9 Spiele lang... Moment mal: haben wir tatsächlich noch einen Schüler von Wolfgang Frank ausgegraben? Unfassbar.

Also für alle, die das vergessen haben: Wolfgang Frank war quasi der Mentor von Jürgen Klopp. Und dessen Erfolg hat dazu beigetragen, dass all seine Ex-Spieler mit Angeboten überhäuft wurden. Marco Rose, Sandro Schwarz, Thorsten Lieberknecht und Jürgen Kramny sind die anderen "Lehrlinge". So richtig erfolgreich in der Bundesliga war aber nur Rose... 

Dass dieser Beitrag bei Wolfgang Frank endet, habe ich selber nicht kommen sehen. Was auch nur beweist: Es ist einfach nicht zu erklären, warum es 22 Jahre gedauert hat, bis Steffen endlich in der Bundesliga coachen darf.

Montag, 29. September 2025

Das hat ja nur 7 Jahre gedauert.

So lange kann man ja ruhig mal warten.

Aber ja, es ist tatsächlich geschehen: Der VAR hat eingegriffen, obwohl der Stürmer sich nicht theatralisch fallenlies, sondern weiterspielte. Und ganz Deutschland ist verwirrt. Darf man da jetzt eingreifen?

Halten wir mal ganz kurz fest: Manuel Schwäbe trifft Ermedin Demirovic hier ganz klar am Knöchel. Für diesen Tritt übersieht der Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck. Für den Tritt, und das sieht sogar Übeltäter Schwäbe so, muss man Elfmeter geben. Damit ist das eine ganz klare Fehlentscheidung.

Das eigentliche Schlüsselzitat kommt vom Stuttgarter Angreifer: "Das Problem ist: Es ist nicht mein Naturell zu fallen." Dieser freudsche Versprecher entlarvt die gesamte Fußballszene: Es ist ein Problem, wenn man fair spielt. Sich in solchen Fallen hinzuwerfen und am Boden zu wälzen, ist die Werkseinstellung. Wer fair spielt, ist in 99 % der Fälle der Dumme.

Und in den letzten 7 Jahren seit der Einführung des VARs hat es mehrere Szenen gegeben, in denen man genau dieses Prinzip erkennen konnte. In denen der VAR nicht eingreift, weil der Angreifer den Abschluss sucht, anstatt einen Elfmeter zu inszenieren, den er auch bekommen hätte, wenn er sich fallenlässt. Also ich hab mich da häufiger drüber aufgeregt. Zuletzt im April 2024.

Die DFL sollte diese Szene ins Lehrbuch aufnehmen. Sie sollten Demirovic für seine faire Haltung loben und darauf hinweisen, dass sie in Zukunft den Fokus darauf legen werden, dass bei solchen Szenen immer eingegriffen wird. Dann wird in 10 Jahren die Werkseinstellung ein "Ich suche konsequent den Abschluss, auch wenn ich einen Kontakt spüre" sein. Das würde das Spiel extrem attraktiver machen.

Aber die Fans haben ja Angst, dass dann jeder kleine Kontakt zu einem Elfmeter führt. Und die jammern dann gemeinsam mit dem FC St. Pauli, dass Leverkusen das Stadion zur Liegewiese erklärt. Die einzige Art diese Unart abzuschaffen ist es aber, die Spieler die dies nicht machen zu belohnen. Und genau das ist am Wochenende passiert.

Der Rest der Liga ist, wie ich zugeben muss, erstaunlich langweilig. Die Bayern gewinnen ihre Spiele halt mit im 4,4 Toren... Einzig Augsburg hat so etwas wie "Widerstand" gezeigt. Das war dann die Erinnerung an die Bayern, dass sie den Fuß auch bei einer 3:0 Führung nicht komplett vom Gas nehmen können. So wie die sich gerade präsentieren, wird selbst eine starke Saison der Konkurrenz nicht reichen.

Und für den Rest ist es natürlich noch viel zu früh, um eine seriöse Prognose abzugeben. Hat sich Borussia Mönchengladbach über 4 Spiele und 70 Minuten wie ein sicherer Absteiger präsentiert? Ganz bestimmt. Aber ein kompetenter Trainer und ein Tim Kleindienst können die Probleme bestimmt noch lösen.

Zeigt Sandro Wagner genau die Anpassungsprobleme, die ich als Einziger vorhergesagt habe? #PassivesAbseitsLeserwissenesfrüher. Aber Wagner hat noch genug Zeit, um den Kurs zu korrigieren... und wenn nicht, wird ein Dead Coach Bounce schon helfen.

Am besten verdeutlicht man die aktuell verzerrte Tabelle am FC St. Pauli. Die sind extrem gut gestartet. Man musste sich ja schon fast beim VfB Stuttgart bedanken, dass die nicht plötzlich zum Bayern-Jäger Nummer 1 wurden... Aber die werden noch ihre Phase mit 7 sieglosen Spielen infolge durchmachen. Vielleicht auch 2 Mal. Vielleicht sind sie gerade in der ersten dieser Serien. Bis man wirkliche Erkenntnisse aus der Tabelle ziehen kann, werden halt noch 5 Spieltage vergehen.

Dienstag, 16. September 2025

Borussia Mönchengladbach ist das Anti-Leverkusen

 Nun ist es also doch passiert: Die offensichtlichste Trainerentlassung der Saison wurde am 3. Spieltag vollzogen. Georado Seoane ist nicht länger Trainer von Borussia Mönchengladbach. Wenn Schlagzeilen wie "schlechtester Punkteschnitt seit Michael Frontzeck" die Runde machen, ist das die logische Konsequenz. Alternativlos... hätte eine Merkel gesagt.

Und hier muss man festhalten, dass es wirklich überfällig war. Saisonübergreifend 10 Bundesliga-Spiele ohne Sieg und 5 Spiele ohne Tore. Über den misratenen Schlussspurt der letzten Saison wurde von allen Seiten schon ausführlich geschrieben. Was dabei aber viele ignorieren: Schon die vorletzte Saison endete eher dürftig. Nicht ganz so katastrophal wie die letzte, aber das war auch schon weit weg von gut.

Kurzer Einschub: Ich fahre gerade Bahn durch ein digitales Entwicklungsland. Deswegen habe ich die Daten gerade nur auf einem Handy... Trust be, Bro: Schon 2024 endete mit 6 sieglosen Spielen. 1 Sieg aus den letzten 12 Spielen... inklusive eines Ausscheiden im DFB-Pokal gegen den 1.FC Saarbrücken. Man  spielte damals relativ viel Unentschieden, deswegen viel das nicht ganz so auf. Aber am Ende wurde man auch nur 14..

Man hatte also Daten aus 2 Jahren gemeinsamer Arbeit, die nahelegen, dass Seoane die Mannschaft nicht wirklich besser machen kann. Oder das er die Kabine im Laufe der Saison verliert. Oder beides. Ein Mal kann das passieren, aber doch nicht 2 Jahre infolge.  Da muss man sich als Manager schon fragen, das der Trainer unter der Woche eigentlich so macht.

Eine Trennung im Sommer wäre schon ein konsequenter und nachvollziehbarer Schritt gewesen. Vor dieser Entscheidung wollte man sich aber anscheinend drücken. Stattdessen schob man diese bis zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt auf.

Denn jetzt hat man ja nochmal einen ganzen Sommer mit Seoane gearbeitet und geplant. Man wird den schon gefragt haben, ob er einen Giovanni Reyna gebrauchen könnte.  Und dann hat man ihm nochmal die Länderspielpause gegeben, damit er das Ruder nochmal rumreißen kann... Obwohl er bereits in diesem Verein nachgewiesen hat, dass das nicht seine Spezialdisziplin ist. Dass man gegen Bremen verliert, war da eher erwartbar. Nur das man sich so abschlachten lässt, war vielleicht überraschend. Wobei sich das auch in Grenzen hält, denn die Mannschaft versucht ja seit Monaten dem Management zu vermitteln, dass das mit diesem Trainer nicht funktioniert.

Wenn man wenigstens vor der Länderspielpause reagiert hätte, hätte man zumindest ein größeres Zeitfenster gehabt, um einen Nachfolger zu finden. Stattdessen setzte man auf das Prinzip Hoffnung. Daumen drücken, dass das schon irgendwie wird. Und mit diesem Prinzip ist man krachend gescheitert. Das ist für mich das offensichtlichste Merkmal für schlechtes Management.

Da frage ich mich als nächstes, warum die Luft für Roland Virkus jetzt auch dünner wird. Der hat noch Luft? Hat der, abgesehen vom Tim Kleindienst Transfer irgendwas in der Vita stehen, dass dies rechtfertigt? Das epische Zaudern und Zögern im Fall Seoane spricht eher dagegen.

Der hat ja, um den Datensatz etwas zu erweitern, auch bei Bayer Leverkusen nachgewiesen, dass er nicht langfristig erfolgreich arbeitet. Falls das irgendjemand vergessen hat: Seoane war der direkte Vorgänger von Xabi Alonso. Der hat die Mannschaft auf Platz 16 übernommen. Wer sehen will, wie sich ein besserer Trainer auf eine Mannschaft auswirkt, sollte sich den Übergang mal angucken. 

Virkus hat sich das angesehen und gedacht: Geil, dem Seonae gebe ich einen langfristigen Vertrag mit Millionengehalt. Das Gehalt ist so fett, dass man eine Entlassung im 2. Sommer schwer rechtfertigen kann. Dadurch hat er sich jetzt in diese bescheidene Situation manövriert.

Wenn man dagegen guckt, wie ein ordentlich geführter Verein auf einen derartigen Fehler reagiert. Also ja, dass Simon Rolfes einen Erik ten Haag nach 2 Spieltagen entlassen hat, sieht sehr schlecht aus. Die Verpflichtung dieses Trainers war halt eine Fehlentscheidung. Aber sie führte dazu, dass Rolfes und Virkus sich im selben Szenario befanden. 
Nur kam Rolfes halt zu dem Schluss, dass er den Trainer lieber gleich entlässt, während Virkus lieber noch 3 Monate wartet. 

Und natürlich kann man jetzt schreien, dass die Trainer ja viel zu schnell geopfert werden. Man kann ja nicht ständig den Coach austauschen, man muss die Mannschaft in die Verantwortung nehmen. Das hätte ich auch genau so geschrieben... Wenn man Seonae nach dem ersten verkackten Schlussspurt entlassen hätte. Wenn man dem Trainer danach aber noch eine ganze Saison gibt, um allen zu beweisen, dass es nicht an ihm lag, hat man ihm definitiv genügend Zeit gegeben. 

Montag, 8. September 2025

Weniger Qualität bringt anscheinend wirklich mehr Ertrag

 Also als Nadiem Amiri und Maximilian Beier eingewechselt wurden, und dafür der teure Einkauf der Premiere League und ein Champions League Sieger gingen, passierte ja wirklich etwas... Unfassbar.

Aber ich bezweifle nach wie vor, dass man die relativ niedrige Qualität auf dem Platz künstlich verringern muss. Den Luxus konnte man sich 2014 leisten, aber die Zeiten sind vorbei.

Das ist so ein Gedanke, den ich nach meinem letzten Post hatte und jetzt mit euch teilen will: Wer von den aktuellen Nationalspielern wäre 2014 Stammspieler gewesen? Gehen wir mal fix die ideale Startelf vom 7:1 durch: Neuer - Höwedes, Hummels, Boteng, Lahm -  Kroos, Schweinsteiger, Khedira - Özil, Klose, Müller.

Man kann jetzt darüber reden, dass wir immer noch keinen Linksverteidiger haben. Und dass im Finale Christoph Kramer spielte, weil Sami Khedira verletzt ausfiel. Dass Jogi Löw zu seinem Glück auf der Rechtsverteidigerposition gezwungen wurde, weil sich Shkodran Mustafi ebenfalls verletzt hat. Aber das eine richtig gute Mannschaft. Ich hab ja damals schon behauptet, dass diese Mannschaft so gut war, dass selbst Löw den Titel nicht verhindern konnte, obwohl er alles versucht hat...

Was sich ja auch einfach nachweisen ließ: Die 11 Spieler in der Startelf kommen gemeinsam auf 15 Champions League Titel. Die verteilen sich auf 7 Spieler. Also auf die gesamte Karriere gesehen. Dazu standen Hummels und Kevin Großkreutz ein Jahr vor dem WM-Triumph zumindest im Finale. Dem historischen rein deutschen Finale. Die Mannschaft war so gut, dass man einen Spieler, der ein gutes Champions League Finale gespielt hatte, komplett auf der Bank lassen konnte. 6 der 10 Spieler standen in dem schon verlinkten Finale. Toni Kroos fehlte verletzt, es hätten also locker 7 sein können.

Die aktuelle Mannschaft hat Antonio Rüdiger, Serge Gnabry, Leon Goretzka und Joshua Kimmich. Die kommen zusammen nur auf 5 Titel. Da hat ein Kroos alleine mehr... Und die dürfte alle den Höhepunkt ihres persönlichen Schaffens bereits erreicht haben.

Oh und wollt ihr noch eine krasse Statistik: 2020/21 spielten Antonio Rüdiger und Kai Havertz im Finale. Gemeinsam mit, absurderweise, Tino Werner. Im Jahr davor standen die ganzen Veteranen der Bayern im Finale, also Kimmich, Goretzka und Gnabry. Und 2023/24 stand dann wieder Rüdiger im Finale. Gegen Borussia Dortmund. Aber von den Dortmundern, die vor gerade mal 2 Jahren diesen Überraschungserfolg feierten, stand jetzt keiner mehr im Kader. Das liegt natürlich auch an den Verletzungen von Nico Schlotterbeck und Niclas Füllkrug. Es hat aber auch viel mit dem deutlichen Leistungsabfall dieses Kaders zu tun.

Wir könnten also auf eine WM Startformation hinsteuern, in denen 2 oder 3 Spieler in den letzten 5 Jahren im wichtigsten Vereinsspiel der Saison mitgewirkt haben. Je nachdem, wie weit Liverpool kommt. Ganz nüchtern betrachtet ist Florian Wirtz ja, neben Rüdiger, der einzige Kandidat, der bei einem Verein spielt, der dieses Spiel erreichen könnte. Und der wird im Sommer seine erste Premiere League Saison in den Knochen spüren, man sollte also eher darauf hoffen, dass er nicht auch noch in der Champions League weit kommt.

Die Rückkehr einiger Verletzten wird die Situation zumindest verbessern.  Aber trotzdem ist man weit davon entfernt, eine ähnlich gute Mannschaft wie 2014 aufzustellen. Und vor allem werden weitere Verletzungen noch dazu kommen. Davon muss man im modernen Fußball einfach ausgehen. Ganz praktisch fehlte 2014 ein Marco Reus, der vorher zum Spieler der Saison gekürt wurde
Man hat halt doch überraschend viel Qualität verloren. Denn so unglücklich die Nationalmannschaftskarriere eines İlkay Gündoğan verlief: Der hat im Verein nachgewiesen, dass er zur absoluten Elite gehört. Und im zentralen Mittelfeld rückt niemand nach, der Kroos oder Gündoğan wirklich ersetzen könnte. 

Natürlich sollten Jamal Musiala und Florian Wirtz über kurz oder lang Weltklasse repräsentieren. Aber es ist schon zu bezweifeln, dass der Rest des Kaders dieses Niveau wieder oder bis zum Sommer erreichen wird. Und ich rede hier von wirklicher "Weltklasse", und nicht dem Verklären überdurchschnittlicher Spieler, was Matthias Sammer in diesem Sommer angesprochen hat.

Aber bereitet euch schonmal darauf vor, dass uns im nächsten Frühjahr erklärt wird, wie gut Nick Woltemade mit seinen 10 Premiere League Toren doch eingeschlagen ist. Wie schön und wichtig es doch ist, dass Joathan Burkardt in der Champions League mitlaufen durfte. Und natürlich, dass Kimmich im Zentrum ein echter Leader ist. Aber wenn man dann sachlich hinguckt und den Kader mit England, Spanien oder Frankreich vergleicht, sind die gerade deutlich besser und deutlich tiefer besetzt. Denn während die Deutschen stetig auf weniger Qualität setzen, steigt die Qualität dieser Kader immer weiter...

Freitag, 5. September 2025

Läuft ja wie ein Länderspiel

 Also ein Länderspiel der Herren, die Damen würden so was nie anbieten.

Es ist schon faszinierend, dass die Deutsche Nationalmannschaft es trotz der eher katastrophalen letzten 10 Jahre immer noch schafft, neue Tiefpunkte zu finden. Aber dann verlieren die ihr erstes Auswärtsspiel in einer WM-Qualifikation... im 53. Versuch. 

Und es kommt natürlich die erwartbaren Reaktionen. Der DFB muss quasi seine gesamte Abwehr vor rassistischen Äußerungen schützen. Her muss ich dann doch mal einen etwas komplexeren Einschub bringen: Letzte Woche habe ich es tatsächlich geschafft, den Kicker der Vorwoche zu kaufen. Also mit DFB-Pokal Ergebnissen statt Bundesliga. Ich war halt entspannt unterwegs. Das entpuppte sich aber gar nicht als ganz großer Fehlkauf, denn so bekam ich das wunderbar unkritische Interview mit Michael Gabriel als Munition. Der ist Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte und malt ein rosarotes Bild der Fanszene: die alten Hooligans wurden durch eine neue Generation an Ultras verdrängt. Und die sind so viel bunter, diverser und toleranter. Man benimmt sich auch auf Auswärtsfahrten nicht mehr so asozial. In dem Kopf von Gabriel muss das alles echt schön sein.

Das absurde: Das Interview war im selben Kicker, in dem die ganzen rassistischen Ausschreitungen des Pokalwochenendes erwähnt werden mussten. Und hey, vielleicht hat der sogar ein bisschen recht, weil sich die rassistischen Fans mittlerweile lieber in der Anonymität des Internets outen, als im Block. Dass aber keiner von denen ins Stadion geht, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Und das es gerade eher schlimmer als besser wird, sollte offensichtlich sein.

Dass Ausschreitungen einfach zu den Relegationsspielen dazugehören, wird auch einfach ignoriert. Und die Anfeindungen und Gewalt, die RB Leipzig Fans auf Auswärtsfahrten erleben durften, wird auch nicht erwähnt. Auch wenn die einfach nicht mehr wegfahren, weil sie einfach nur friedlich Fußball gucken wollen, anstatt im Krankenhaus zu landen. Diese tolerante und diverse Fanwelt bricht sofort in sich zusammen, sobald es sportlich nicht mehr läuft... oder die anderen Anhänger Fans eines Konstruktes sind, welches aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt werden muss.

Und jetzt gibt es wieder rassistische Beleidigungen nach einem Länderspiel. Das sind bestimmt nur bedauerliche Einzelfälle

Völlig absurd wird es, wenn Debütant Nnamdi Collins ins Kreuzfeuer der Kritik gelangt. Der gebürtige Düsseldorfer ist 21 Jahre alt. Er wurde vielleicht etwas früh in die Startelf geworfen, schließlich hat er erst eine ordentliche Saison in der Vita stehen. Aber von dem jetzt zu erwarten, dass er funktioniert, wenn Jonathan Tah, Antonio Rüdiger und Joshua Kimmich ihm keinerlei Hilfe geben, ist absurd. Wenn deine erfahrenen Nebenleute so einen Scheiß spielen, ist es praktisch unmöglich als Debütant gut auszusehen.

Der abgesehen von den Rassisten dümmste Kommentar, den ich gesehen habe, war nebenbei ein "Wir sollten die U21 spielen lassen"... während mit Collins und Nick Woltemade 2 der "Helden des Sommers" in der Startelf standen. Nur um zu beweisen, wie wenig sich diese Leute mit Fußball beschäftigen...

Die Frage, warum eine Mannschaft mit Tah, Rüdiger und Kimmich im Zentrum so auseinanderfällt, muss aber gestellt werden. Also bevor jetzt gleich die Forderung nach noch weniger Qualität kommt, muss man festhalten, dass da eigentlich genügend Veteranen und Führungsspieler auf dem Platz standen, um die Slowakai, eine eher drittklassige Mannschaft zu schlagen. 

Bei der Forderung nach weniger Qualität von Julian Nagelsmann muss man auch festhalten: Es ist ein wenig überraschend, wie dünn man gerade besetzt ist:

Im Tor steht gerade aus irgendwelchen Gründen Oliver Baumann. Der ist und bleibt für mich das, was ich einen durchschnittlichen Bundesligatorwart nenne. Der spielt ja auch seit Ewigkeiten in Hoffenheim, weil sich trotz oder wegen deren Achterbahnfahrten niemand für ihn interessiert. Wenn eine der konstant um Europa spielenden Mannschaften wie der SC Freiburg nach einem neuen Torwart sucht, nehmen die lieber einen jungen Niederländer mit Mark Flekken oder den eigenen Jugendtorwart mit Noah Atubolu. Wenn Bayer Leverkusen eine Lösung für ihr Torwartproblem der Vorsaison suchen, nehmen sie ebenfalls Flekken. Wenn Eintracht Frankfurt spontan nach einem Nachfolger für Kevin Trapp sucht, gucken die lieber in Bremen
Und im Ausland interessiert sich auch niemand für den. Jetzt könnte man sich natürlich einreden, dass der aufgrund der tiefen emotionalen Verbindung geblieben ist... aber wir reden von einem Mann, der nach Hoffenheim gewechselt ist. Ich habe da meine Zweifel. Und auch wenn es mittlerweile 11 Jahre her ist und er auch zu alt für einen Standortwechsel ist, so muss man auch festhalten, dass sich in diesen 11 Jahren kein einziger Premiere League Klub für ihn interessiert haben dürfte.  
Versteht mich da nicht falsch: Es ist prinzipiell nichts verkehrt daran, ein durchschnittlicher Bundesligaprofi zu sein. Damit ist man immer noch verdammt gut. Aber gerade im Tor war "verdammt gut" nie ausreichend, um ein Turnier zu spielen. Jetzt könnte er als Stammtorwart ins Turnier gehen, wenn Marc-André ter Stegen seinen Scheiß nicht auf die Reihe kriegt. Er wäre die schlechteste Nummer 1 seit Andreas Köpke 1998. Und er war der einzige Spieler, der halbwegs gut gespielt hat.

Als Außenverteidiger spielten Maximilian Mittelstädt und der bereits erwähnte Collins. Mittelestädt ist für mich auch eher ein Mitläufer, als ein Führungsspieler. Und sein Kicker-Notenschnitt von 3,44 in seiner einzigen Champions League Saison spricht nur bedingt dafür, dass er auf dem höchsten Niveau mithalten kann. Solide, aber halt nicht wirklich gut. Collins ist ein Talent, der wird vielleicht mal gut. Aber das "wird" ist hier der wichtige Teil. David Raum muss, wie ich schon in meiner Saisonvorschau geschildert habe, jetzt nachweisen, dass er mehr als nur ein Mitläufer sein kann. Und klar, die Position des Außenverteidigers ist die unwichtigste, man ist schließlich mit Benedikt Höwedes Weltmeister geworden. Also mit einem Schalker Innenverteidiger. Aber "gut" ist die Auswahl da gerade nicht.

Im zentralen Mittelfeld spielt jetzt doch wieder Joshua Kimmich, obwohl wir eigentlich alle wissen, dass er da die allerhöchsten Ansprüche nicht erfüllt. Als Rechtsverteidiger kann man mit dem die Champions League gewinnen, aber im Zentrum fehlt da einfach ein bisschen was. Neben ihm spielt Angelo Stiller. Das ist auch "nur" ein Spieler für den VfB Stuttgart. Und auch da ist er für mich kein Führungsspieler. Wenn um ihn herum alles funktioniert, qualifiziert man sich für die Champions League. Wenn dann die eigentlichen Führungsspieler zu Bayern und Dortmund wechseln, wird man Neunter. 
Dort findet man auch nur wenig Weltklasse. Und, bei allem Respekt vor Stiller, auch wenig Weltklasse-Potenzial. Also nach der Matthias Sammer Definition, dass wir den Begriff wirklich nur verwenden sollten, wenn es angebracht ist.

Auf der 10 startet dann Leon Goretzka. Ein Spieler, der seit 2 Jahren im besten Fall umstritten beim Rekordmeister ist... und das als 8ter und nicht als kreativer Kopf. Die 10 auf dem Rücken trägt Nadiem Amiri. Der musste nach Mainz fliehen, weil es für Bayer Leverkusen nicht gereicht hat. Natürlich ist er in Mainz ein Unterschiedspieler, aber das ist eben auch nur Mainz. Ich würde jetzt fast behaupten, dass Amiri die schlechteste Nummer 10 aller Zeiten ist, aber Lukas Podolski hat die jahrelang getragen. Aber eigentlich sollte diese symbolträchtige Nummer an einen Weltklassespieler gegeben werden, nicht an einen überdurchschnittlichen Bundesligaspieler.

Rechts neben Goretzka spielt Serge Gnabry, der bei den Bayern genaugenommen auch nur ein Mitläufer und kein Fixpunkt ist. 9 seiner 16 Champions League Tore hat er in der ersten Covid-Saison inklusive Final 4 erzielt. 4 davon in einem Spiel gegen Tottenham. Und natürlicht hübscht er seine Statistik gegen überforderte Bundesligisten auf, aber auf internationalem Niveau wird auch für ihn die Luft schnell dünn.

Ganz vorne stürmt Woltemade, der genau genommen auch nur ein starkes Halbjahr im Lebenslauf stehen hat. Und der, wie jetzt alle richtig festgestellt haben, auch nicht zu dem absoluten Spitzenverein in England gewechselt ist, sondern nur zu panisch mit Geld um sich werfenden Newcastle United. Jetzt muss er erst noch nachweisen, dass er sich in der Premiere League durchsetzen kann.
Immerhin spielt er bei einem der Big 7 und in der Champions League, während sein direkter Konkurrent Niclas Füllkrug im Mittelmaß der Premiere League versunken ist. 3 Premiere League Tore schreien jetzt nicht nach "Hoffnungsträger"...

Dann ist da noch Florian Wirtz, der in seinen wenigen hellen Momenten Weltklasse zumindest aufblitzen ließ. Der ist aber für mich auch der einzige, von dem ich das erwarte.

Um das nochmal zu verdeutlichen: Das sind alles gute Fußballer. Bei einem Kimmich konnte man sich ja sogar einreden, dass der mal Weltklasse war. Und als Ergänzungen zu einer starken Startelf kann der eine oder andere durchaus auch Weltmeister werden. Aber nur mit diesen Spielern ist es unmöglich. Und wenn Wirtz dann einen Scheißtag erwischt, reicht es nicht mal für die Slowakai.

Natürlich sollten Jamal Musiala und Kai Havertz zumindest in der Offensive einiges regeln, wenn die wieder gesund sind. Aber im letzten Turnier hat man deutlich gesehen, dass selbst sich selbst die Übertalente Musiala und Wirtz einspielen müssen. Da dürfte jetzt schon wieder wichtige Zeit verloren gehen, weil die sich bis März nicht sehen werden. Aleksandar Pavlovic sollte zumindest langfristig ein Problemlöser sein. Aber so viele verletzte Hoffnungsträger gibt es gerade auch einfach nicht.

Gegen die Slowakei hätte man trotzdem nicht verlieren dürfen. Aber dieses Spiel macht zumindest mir deutlich, wie dünn die deutsche Mannschaft gerade wirklich besetzt ist: Es gibt am Ende viel zu wenige Spieler, die Weltklasse repräsentieren. Und einigen von denen, die es waren (Antonio Rüdiger hat 2 Mal die Champions League gewonnen, das kann kein komplett Blinder sein), funktionieren im Nationalteam seit Jahren nur bedingt. Das ist ein hochgefährliches Gemisch.

Andererseits... könnte man in der Gruppe auch Letzter werden und sich trotzdem über den Nations League Weg für die WM qualifizieren. Jetzt muss man abschätzen, ob man da die leichteren Gegner findet... 

Montag, 1. September 2025

Zeit für Überreaktionen

Schließlich sind schon 2 Spieltage absolviert. Da kann man ja mal alles über Bord werfen und den frisch verpflichteten Trainer entlassen. Obwohl... damit will sich Bayer Leverkusen ja erst ab morgen beschäftigen, heute müssen sie noch Spieler für diesen Trainer einkaufen.  Oder sie entlassen den Trainer direkt nachdem ich auf "absenden" geklickt habe... passiert.

Ernsthaft: Ich war eine Woche offline und das Erste, was ich lese, ist: Erik ten Haag steht vor der Entlassung. Wie schafft man es bitte so schnell jeglichen Kredit zu vercoachen?

Und dann wurde auch noch Nick Woltemade verkauft. Für 90 Millionen an Newcastle United. Eine schmerzhafte Backpfeife für die Bayern, die sich anscheinend wirklich damit anfreunden müssen, die absurden Mondpreise zu bezahlen. Und das möglichst schnell. Denn wenn sie es nicht machen, kommt irgendein Premiere League Verein und legt noch mal 20 Millionen drauf. Man muss die Verhandlungen anscheinend dringend abschließen, bevor man sich zur Auslosung der Champions League trifft...

Die viel wichtigere Nachricht: RB Leipzig wird Meister. Die haben das erste Spiel im Absicht 0:6 verloren, die wollten sicher gehen, dass sie die Saison auf Platz 18 starten. Dass sie dafür gegen die Bayern und nicht gegen Augsburg mit 0:6 verlieren mussten, war nicht eingeplant, aber das "Von 18 auf die 1. RedMüll verleiht Flügel" Merch ist schon designt. Findet euch schonmal damit ab. 

Apropos Augsburg: Der Wagner Effekt ist schon deutlich spürbar: Der Verein bekam sein erstes Topspiel seit 10 Jahren! Also zumindest, wenn man dem Sportschau-Kommentator vertraut, ich mache das einfach mal... Nebenbei seht ihr in dem Video direkt, wie Luis Diaz sich direkt als "Gomez des Jahres" vorstellt. Dichter an das Original kann man quasi nicht rankommen. Ich finde es ja richtig gut, dass der Neuzugang erstmal die besten Szenen seiner Vorgänger raussucht und dann nachspielt. So funktioniert Integration. Vor allem, weil man Gomez legendären Fehlschuss mittlerweile nicht mehr als Video bei Youtube, sondern nur als Standbilder bei Dailymotion findet...

Anyhow, zurück zu den Augsburgern: 10 Jahre lang dachte die DFL sich anscheinend: Das tun wir den Fernsehstationen und Fans (in genau der Reihenfolge) nicht an. Wir wollen ja nicht, dass die Zuschauer zur Sportschau rennen... Diesen assig-giftigen Antifußball können wir einfach nicht am Samstag Abend zeigen. Wahrscheinlich gibt es sogar irgendein Gesetz dagegen, weil man um diese Zeit ja "Unterhaltung" und nicht "Folter" zeigen soll. (Gibt es nicht, die zeigen seit Jahren Schalke am Samstag Abend.) Dann übernimmt Sandro Wagner den Verein und schon an seinem 2. Spieltag laufen die um 18:30 auf. 

Und dann machen die etwas, womit die Bayern definitiv nicht gerechnet haben: Die wehren sich einfach, anstatt sich nach dem 3:0 noch weitere Tore einschenken zu lassen. Wie unfair! Wenn das die Runde macht, kann sich der Kicker nicht mehr 6 Monate lang einreden, dass die Bayern ja in der Champions League eine relevante Rolle spielen können. Das geht so nicht.

Letzter Random Fun Fact: Die Bayern erzielten das 2:0 in der 49. und das 3:0 in der 48. Minute. Sie haben also erfolgreich das Raum-Zeit-Kontinuum aufgelöst. Herzlichen Glückwunsch. 

Kommen wir aber zu einer ernst gemeinten Überreaktion: St. Paulis Offensive ist gut. Und zwar sofort. Ich ging davon aus, dass die mindestens 10 Spieltage brauchen, um 5 Tore zu erzielen. Nur so als Referenz: Letztes Jahr brauchten sie 7 Spiele. Und es gab eigentlich wenig Anzeichen, dass die über den Sommer deutlich besser geworden sind.
Das wichtigste dabei: Die Tore gegen den Hamburger SV sind reproduzierbar. Das waren keine überragenden Einzelleistungen und Sonntagsschüsse, sondern schnelle Umschaltmomente, die konsequent ausgespielt wurden. Und selbst wenn der Ausgleich gegen Dortmund einer dieser Sonntagschüsse war: Wie die sich vorher den Ball zuschieben, war ein ganz neues spielerisches Level. Letztes Jahr bestanden die Schlussoffensiven meistens aus hohen Flanken auf Jackson Irvine, jetzt schieben die sich den Ball auf engem Raum hin und her... 

Ganz ehrlich: Ich bin völlig verwirrt. Also selbst die größten Optimisten dürften zumindest eine schwierige Anpassungsphase erwartet haben, weil ja wirklich niemand die aus unterklassigen Ligen geholten Spieler kannte. Und jetzt spielen die direkt so einen Fußball. Wenn die das halbwegs durchziehen, spielen sie eine sorgenfreie Saison und dann muss Alexander Blessin zum Trainer des Jahres gewählt werden. Und ja, es ging "nur" gegen den HSV und Borussia Dortmund, die ja gerne mal umotiviert verkacken. Aber sie haben auch auf den einen "guckt mal, ich kann es doch, gebt mir noch eine Chance" Moment von Julian Brandt zu reagieren, anstatt sich nach dem 1:3 mit der Niederlage abzufinden. Ich bin wirklich beeindruckt. 

Donnerstag, 21. August 2025

Die "X- Faktoren der Bundesliga" Part 2

 Das Meisterrennen. Lasst uns einfach mal so tun, als hätten all diese Mannschaften und nicht nur der FC Bayern eine realistische Chance auf den Titel.

Niemand, VfL Wolfsburg: Das klingt jetzt brutal, ist aber genau genommen so. Die Zeit der richtigen Star-Transfers wie Kevin De Bruyne, Julian Draxler oder André Schürrle sind halt seit 10 Jahren vorbei. Trotzdem investiert man in Wolfsburg jedes Jahr 15-20 Millionen mehr auf dem Transfermarkt, als man einnimmt. Aber man kauft halt nur gehobenes Mittelmaß. Lovro Majer ist einer dieser Paradebeispiele. Solide, aber nicht überragend. Und wenn Spieler wie Micky van de Ven oder Felix Nmecha doch der Durchbruch gelingt, sind die verdammt schnell wieder weg. Diese Spieler betrachten den VfL auch nur als Durchgangsstation. Man ist quasi ein Borussia-Abklatsch, nur ohne Tradition und den regelmäßigen Europacup Teilnahmen.
Aus dieser Falle gibt es auch kein entkommen. Volkswagen wird ja doch noch so viel Geld in den Verein pumpen, dass ein Abstieg utopisch erscheint. Auf der anderen Seite dürfte man sich alle 5 Jahre für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren, aber die Konkurrenz hat, gerade wenn es um die Champions League geht, wesentlich größere Möglichkeiten. Aber hier ist das viel größere Problem: Selbst wenn es dieses Jahr, und man wäre ja mal wieder dran, für den Europacup reicht, wird das niemanden interessieren...

Shuto Machino, Borussia Mönchengladbach: Ok, ganz ehrlich: Eigentlich ist die wichtigste Frage, ob man den Saisonstart in Abwesenheit von Tim Kleindienst so krass verkackt, dass Gerardo Seoane endlich entlassen wird. Und hier muss man wirklich "endlich" sagen, denn alle seine Saisons verliefen irgendwie gleich: Ein ordentlicher Start lässt seinen Verein von Europa träumen. Ein verkackter Schlussspurt beerdigt diese Träume. Wenn eine Mannschaft regelmäßig zum Saisonende so nachlässt, wie Gladbach in den letzten 2 Jahren, ist dies ein verdammt schlechtes Zeugnis für den Trainer. 
Aber Machino könnte all das verhindern. Denn der Japaner war für Holstein Kiel genau der 11 Tore-Stürmer, den die anderen Abstiegskandidaten unbedingt brauchen. Und 11 Tore in einer chronisch überforderten Mannschaft zu erzielen, ist eine bemerkenswerte Leistung. Jetzt ist aber die große Frage: Ist Machino wirklich ein guter Spieler, der unter einem besseren Umfeld richtig aufblühen wird? Oder ist er, um das Extrembeispiel zu bringen, der nächste Theofanis Gekas? Ein Spieler, der nur bei einem Abstiegskandidaten funktioniert, weil da alles auf ihn zugeschnitten ist und er sich nirgends unterordnen muss.

Nick Woltemade, VfB Stuttgart: Offensichtlich. Für mich gibt es da, solange nicht doch noch ein Wechsel zustande kommt, 3 Szenarien: Woltemade bestätigt seine starken Leistungen der Rückrunde, schießt den VfB in die Champions League und Deutschland ins historische erste Achtelfinale bei einer WM seit Ewigkeiten. Er wechselt dann für 100 Millionen in die Premiere League.
2.) Woltemade spielt eine, für einen Nationalstürmer, durchschnittliche Saison mit 10 Toren und 5 Torvorlagen. Er wird nach der Saison als der neue Hoffnungsträger in Dortmund vorgestellt.
3.) Er wird ein One-Season-Wonder. Er schießt immer gerade so seine 6 Tore, die dazu führen, dass er den Rest seiner Karriere im Schwabenland verbringen kann. Und immer, wenn er dann mal trifft, kommen die melancholischen Erinnerungen an den Sommer 2025 hoch, als man ihn für 45 Millionen verkaufen konnte, aber auf eine Weiterentwicklung gesetzt hat. 
Und ich halte alle 3 Szenarien für annähernd gleich wahrscheinlich. Es ist schließlich kein Zufall, dass ein 22-jähriger Woltemade ablösefrei zu haben war...

David Raum, RB Leipzig: Klar, für die Highlights werden andere sorgen. Hoffentlich, für den allgemeinen Unterhaltungswert, Xavi Simons. Aber talentierte Offensivspieler wird der Dosenklub immer finden. Also einfach nur, weil sie verdammt gut darin sind, solche Spieler zu scouten und dann zu entwickeln. Ob jetzt Xavi oder Baumgartner den Taktstab im Mittelfeld schwingt, wird am Ende nicht den Unterschied ausmachen. Meister wird man dieses Jahr eher nicht, für Platz 4 sind beide gut genug. Aber diese Talente brauchen halt ein stabiles Gerüst, um konstant zu spielen. Letztes Jahr hat man gesehen, was passiert, wenn dieses Gerüst nicht funktioniert. Raum soll mittlerweile der Kapitän dieser Truppe sein, er ist also die Stütze. Xaver Schlager und Willi Orban sind weitere Namen. 

Julian Schuster, SC Freiburg: Lasst uns einfach mal festhalten, was für eine unfassbare Leistung Schuster vollbracht hat: Er hat Christian Streich nahtlos ersetzt. Bereits im Oktober konnte Streich ganz entspannt ins Stadion gehen, ohne mit einem "Wann kommst du zurück" konfrontiert zu werden. Wenn man bedenkt, dass historisch alle Vereine (Freiburg nach Volker Finke und Werder Bremen nach Otto Rehagel und Thomas Schaaf sind ja die einzigen Fallbeispiele) genau daran gescheitert und mehr oder weniger krass abgestürzt sind, ist das mehr als herausragend. Jetzt kombiniert man schon wieder den "Wir haben einen der besseren Trainer" Faktoren mit dem ruhigsten und stabilsten Umfeld. Da ist es am Ende fast egal, wer auf dem Platz steht.

Julian Brandt, Borussia Dortmund. Ok, eigentlich Jobe Bellingham, denn solange Brandt noch dein Schlüsselspieler ist, hast du ein verdammtes Problem. Aber wenn Bellingham komplett einschlägt, hat man ja die Lösung für dieses Problem. Zumindest für die 18 Monate, die Bellingham überragend abliefern wird, bevor er weiterzieht. 
Absurderweise ist Bellingham echt der einzige Transfer, den man in Dortmund getätigt hat. Die neue Küche wird ja nicht auf dem Platz stehen und Yan Couto war ja bereits ausgeliehen. Man hat mit Niko Kovač auch einen eher durchschnittlichen Trainer an der Seitenlinie. Und nur Gittens wurde abgegeben. Wenn man bedenkt, dass alle im Winter von einem großen Umbruch geredet haben, ist das ganz schön mickrig. Vor allem deutet das auf eine ähnliche Saison wie im Vorjahr hin. Nur halt nicht mit ganz so extremen Ausschlägen. Aber es ist ja nur die Bundesliga, für Platz 2 bis 4 wird es reichen.

Mario Götze, Eintracht Frankfurt: Hier kommt eine Statistik, die mich selbst schockiert: Götze ist der 2. dienstälteste Offensivspieler der Eintracht nach Ansgar Knauff. Der kam auch nur ein halbes Jahr vorher. Nicht nur das: Im gesamten Kader sind nur noch Jens GrahlTuta und der ewige Timothy Chandler länger im Verein. Das habe ich so nicht kommen sehen, als der 2022 ablösefrei verpflichtet wurde.
Götze ist aber auch der am schwierigsten einzuschätzen Spieler des Landes. Einerseits hatte er seine extremen Highlights in den jüngsten Jahren. Ich bleibe dabei: dass der "nur" ein guter Bundesligaspieler geworden ist, ist eine Enttäuschung. Der hatte eigentlich eine Weltklasse Karriere vor sich. Er ist aber auch der einzige Spieler, der sich mit einem jungen Götzen vergleichen muss, was auch irgendwie unfair ist.
Dazu kommt, dass sein Einfluss aufs Spiel nicht so mega offensichtlich ist. Er ist eher der Einfädler im Zentrum, der den vorletzten Pass spielt. Deswegen kommt er in 3 Jahren "nur" auf 9 Tore und 6 Vorlagen in der Bundesliga. Trotzdem ist er, wenn er fit ist, unumstrittener Stammspieler. Damit ist er irgendwie auch die Grundlage für diese fantastische Offensive, die dem Verein fast 400 Millionen Euro eingebracht hat. Dass all diese Stürmer so gut einschlagen konnten, muss irgendwie auch an Götze liegen.
Mittlerweile ist der 33 und er muss irgendwann den Taktstock an Can Unzun weitergeben. Andererseits sollte Götzes Spiel, da ihm seit Jahren die absolute Spritzigkeit fehlt und er mehr übers Auge kommt, gut altern.
Eigentlich lautet die Frage natürlich, ob Burkhardt so einschlägt, dass Frankfurt wieder Champions League spielt. Aber es sollte bedacht werden, welch wichtige Rolle Götze bei diesem Einschlag spielen wird.

Malik Tillman, Bayer Leverkusen: Also unter anderem. Dass eine Mannschaft in einer Saison so auseinanderbricht, ist außergewöhnlich. Es werden zwar alle sofort auf die Dortmunder Meisterelf zeigen, aber zwischen dem Abgang von Mario Götze 2013 und dem Wechsel von Mats Hummels 2016 lagen 3 Jahre. Das Schlüsselquartett Götze, Lewandowski, Gündoğan und Hummels gingen mehrere Jahre ins Land. Leverkusen muss in diesem Sommer Florian Wirtz ersetzen, was alleine schon unmöglich ist. Und dazu noch Xhaka, Tah und Frimmpong. Dazu ging auch noch der Trainer und der offizielle Stammtorwart. Wer wirklich glaubt, dass dieser Verein ganz oben angreifen kann, muss sehr naiv sein. Tillman ist der offensichtlichste 1 zu 1 Ersatz für Wirtz. Das wäre selbst dann unmöglich, wenn die Achse dahinter erhalten bliebe. Ein weiterer Rückschritt muss bei der Werkself so oder so eingeplant werden. Aber wenn Tillman voll einschlägt, spielt man weiter in der Champions League. Wenn nicht, geht es nur in die Europa League, was ich für wahrscheinlicher halte.

Serge Gnabry, Bayern München: Es gibt eigentlich nur ein Szenario für eine halbwegs spannende Meisterschaft. Und halbwegs spannend heißt hier auch nur "Sie ist nicht schon im März entschieden": Die Bayern zahlen die Zeche für die Klub-WM und stolpern deswegen müde durch die Liga. Und diese Zeche lässt sich am besten an ihrem Besten festmachen: der Verletzung von Jamal Musiala. Langfristig könnte das sogar gut sein, weil ein frischer und auskurierter Musiala Deutschland dann im Sommer ins historische Achtelfinale bei der WM führen könnte. Dafür muss aber Serge Gnabry liefern. Der ist plötzlich die erste Option im zentralen offensiven Mittelfeld. Damit ist er der Fixpunkt des Angriffs. Und der Kader ist so dünn besetzt, dass er kaum noch Alternativen bietet. Also man könnte Michael Olise ins Zentrum setzen, aber dann muss Gnabry halt auf dem Flügel ran... Damit sind Gnabrys Leistungen plötzlich nicht nur für diese Saison relevant.
Ganz praktisch gerechnet: Wenn die schwächelnden Bayern im November oder Dezember hinter dem FC St. Pauli auf Platz 2 und in der Champions League nur auf Platz 14 liegen, könnte die daraus resultierende Nervosität dazu führen, dass Musiala so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren muss.
Wenn man dagegen 6 Punkte Vorsprung auf Platz 2 hat und in der Champions League um Platz 8 mitspielt (also im Worst-Case-Szenario in der Zwischenrunde auf einen leichteren Gegner trifft) kann man Musiala bis März ganz behutsam und vorsichtig an die erste Mannschaft heranführen. Das könnte dann einen massiven Einfluss auf Musialas weitere Karriere haben, denn es wird allgemein nur ganz wenige Möglichkeiten für den geben, sich vernünftig auszukurieren und ein ordentliches Aufbautraining zu absolvieren. 

Butter bei die Fische: Auf die Meisterschaft wird das keinen Einfluss haben. Die holen die Bayern. RB wird 2., wie groß der Abstand ist, hängt vom Xavi verbleib ab. Dortmund und Frankfurt landen auf Platz 3 und 4, Bayer und Stuttgart in der Europa League, weil einer der 4 den DFB Pokal holt. Und Wolfsburg darf in der Conference League über die europäischen Dörfer ziehen... irgendjemand muss doch.

Dienstag, 19. August 2025

Die "X-Faktoren" der neuen Bundesligasaison

 Wo es so langsam Zeit ist, sich auf die neue Bundesligasaison zu freuen... Steht ja auch die Frage im Raum, welche Persönlichkeiten diese Saison prägen werden. Und weil ich nicht mehr in der Position bin, eine Saisonvorsschau zu jedem einzelnen Verein zu schreiben, wird das jetzt mein Aufhänger. Wir fangen bei den Abstiegskandidaten an:

Yussuf Poulsen, Hamburger SV: Der HSV hatte die Weitsicht, den "Marius Ebbers AngreiferDavie Selke ablösefrei ziehen zu lassen. Und ja, technisch gesehen gehört der nicht zwingend in diese Kategorie, da er tatsächlich mehr Bundesliga- als Zweitligatore erzielt hat. Aber er hat auch nur eine einzige Saison mit 10 Bundesligatoren im Lebenslauf stehen. Interessanterweise zieht der jetzt in eine schwächere Liga, um dort Europa League zu spielen und ordentlich abzukassieren. Clevere Entscheidung.
Ersetzen soll in die einzige RB Leipzig Ikone. Und der wird auch gleich zum Kapitän befördert. Und auch wenn dessen Mentalität nicht infrage gestellt werden kann, so kommt er doch mit einigen Fragezeichen. Zum einen hat er auch nur ein mal geschafft, mehr als 10 Bundesligatore zu erzielen. Das ist zwar nicht ganz so lange her, wie bei Selke... Aber er erzielte seine Tore in einem wesentlich konstruktiveren Umfeld.
Und machen wir uns nichts vor: Die fußballerischen Limitierungen eines Poulsen wurden durch das ihn umgebende Talent überdeckt. Jetzt ist er zumindest der am höchsten dekorierte Spieler im Kader. 
Dazu kommt, dass Poulsens letzter Einsatz über 90 Minuten verdammt lange her ist. Am 16.12.2023 spielte er gegen Hoffenheim als Kapitän durch. In der darauf folgenden Wintervorbereitung verlor er seinen Stammplatz und stand nur noch 5-mal in der Startelf. Und natürlich ist er "erst" 31 Jahre (damit aber älter als Selke...), aber ob er eine Offensive selber tragen kann, muss sich erst zeigen. Wenn er 10 Tore erzielt, hält der HSV die Klasse ohne die Relegation. Trifft er nur 3 Mal, steigt man ab.

Thomas Kessler, 1. FC Köln: Wer? Nun ja, der aktuelle Sportdirektor halt. Und damit der Nachlassverwalter von Christian Keller. Die Kölner waren ja dank ihres ehemaligen Managers in einer besonderen Situation: Sie mussten ihren Abstiegskader zwangsweise zusammenhalten, weil sie keine Neuverpflichtungen tätigen durften. Erst in der Winterpause durfte man nachjustieren. Random Fun Fact: Der Spieler, um den es dabei ging, ist gerade an Essen ausgeliehen. Der wird diese Saison also nicht helfen. Thomas Kessler kommt mit der perfekten Qualifikation: Seine gesamte Karriere war er 2. Torhüter, er weiß also genau, wie es ist, von der Bank aus nicht ins Spiel eingreifen zu können. Und er wurde jetzt halt befördert, weil man nach seiner spontanen Panikattacke kurz vor Saisonende jemanden brauchte. Der, man muss es so formulieren, Novize durfte oder musste in diesem Sommer aber ordentlich zuschlagen: 22 Millionen allein in Ablösen. Mehr gab man zuletzt 2017/18 aus. Das Problem: Man bekommt für diesen Betrag keine gestandenen Spieler mehr, sondern nur Akteure aus der Kategorie "Noch nicht holländischer Nationalspieler" oder "War in Dänemark oder der 2. Liga gut". Und Köln hat ja auch eine ziemlich gute Idee davon, was mit den "Alten" so möglich ist. Von den 5 Millionen-Transfers müssen mindestens 2 sitzen, wenn man die Klasse halten will. 

Leonardo Scienza, 1. FC Heidenheim: Die Lage hier ist recht einfach: Neuzugänge brauchen eh immer ein Jahr, um das System Frank Schmidt zu verinnerlichen. Deswegen verzichtet man dieses Jahr anscheinend auch komplett auf neue Spieler... Scienza ist ja als Relegationsheld schon der einzige Grund, warum man überhaupt mitspielt... jetzt bleibt die Frage, ob er endlich richtig ankommt und komplett einschlägt, damit sich Heidenheim überhaupt Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen darf. Aber aufgrund der deutlich gestiegenen Konkurrenz bleibe ich da skeptisch.

Dietmar Hopp, TSG 1899 Hoffenheim: Hat der überhaupt noch was zu sagen in Hoffenheim? Wird er sich raushalten, falls er eigentlich nichts mehr zu sagen hat? Wer kann das schon sagen. Hopp steht aber eher demonstrativ für die gesamte Vereinsführung. Denn eigentlich ist der Kader immer viel zu gut für den Abstiegskampf. Die Frage ist, ob man auch ein produktives Arbeitsumfeld für diesen Kader schafft. Das Chaos der letzten Jahre verdeutlicht sich am ehesten an 2. Faktoren: Nach der eigentlich unmotivierten Entlassung von Pellegrino Matarazzo sicherte Christian Ilzer zwar den Klassenerhalt... aber das war so wenig überzeugend, dass er schon angezählt in die neue Saison geht. Er muss also von Tag 1 an liefern.
Dazu kommen einige "Altlasten" wie Megrim Berisha und Florian Grillitsch. Beide Spieler galten mal als Hoffnungsträger und kommen jetzt von wenig produktiven Leihen zurück. Im 34 Spieler starken Kader dürften das nicht die einzigen Spieler sein, die man lieber abgeben würde. 
Jetzt darf ein angeschlagener Trainer in einem chronisch unruhigen Umfeld diesen aufgeblähten Kader betreuen... ich sehe nicht, wie das schiefgehen könnte.

Andréas Hountondji, FC St. Pauli: St. Pauli Sommer ist ein absolutes Mysterium: Sie sicherten sich den Klassenerhalt mit einer historisch guten Defensivleistung. Dass die zweitbeste Defensive vom billigsten Kader gestellt wird, dürfte ein einzigartiger Vorgang sein. Auf der anderen Seite präsentierte man aber eine oft erschreckend harmlose Offensive. Trotzdem muss man jetzt Ersatz für Elias Saad und Morgan Guilvavogui finden, während man den Defensivverbund, abgesehen vom Linksverteidiger Philipp Treu komplett halten konnte. Gerade das unfassbar stabile Zentrum konnte man komplett halten und so kann man sich jetzt auf die eingespielten Automatismen verlassen. 
Fakt ist aber: 28 Tore reichen nur in Hamburg zum Klassenerhalt. Bedeutet auch nur: Die Transfers für den Angriff müssen zünden, sonst wird es ganz schnell ganz finster. Und wenn man das Pokalspiel gesehen hat, bekommt man nicht den Eindruck, als würde diese Offensive wenige Chancen in viele Tore umwandeln können.

Andrej Ilic, 1. FC Union Berlin: Ja, es ist ein langweiliger Trend erkennbar. Aber was soll ich sagen: Der offensichtlichste Unterschied zwischen einem Abstiegskandidaten und einer sorgenlosen Saison ist oftmals ein Stürmer, der dir 10+X Tore garantiert. Genaugenommen hat Steffen Baumgart nach seiner Amtsübernahme eine relevante Veränderung vorgenommen: Er katapultierte den Fehlgriff Ilic von der Tribüne in die Startelf. Und 7 Tore in 16 Spielen beweisen, wie offensichtlich richtig das war. Wenn Ilic der endgültige Durchbruch gelingt, kann man ihn im nächsten Sommer für 20 Millionen verkaufen und die nächste Bundesligasaison planen. 
Wirklich interessant ist hierbei, dass Ilic von Ilyas Ansah, Livan Burcu und Oliver Burke unterstützt wird. Innerhalb von nur 6 Monaten hat Baumgart damit die Angriffsreihe komplett umgekrempelt.
Die eine Frage ist, ob Baumgart aus dieser Mannschaft eine funktionierende, hart arbeitende Mannschaft formen kann. Zuletzt zeigte er ja doch recht schnell gewisse Abnutzungserscheinungen. Die andere, ob das in Berlin noch reicht. Wenn man dort erwartet, dass Baumgart junge Spieler und einen attraktiven Spielstil entwickelt, wird man enttäuscht werden.

Sandro Wagner - FC Augsburg: Vielleicht hätte ich, anstatt ständig Stürmer aufzuzählen, doch einfach die Trainer nehmen sollen. Sandro Wagner hat eine überraschend undankbare Aufgabe: Er soll Aschenputtel in eine Prinzessin verwandeln. Denn wenn solides Arbeiten und das Vermeiden des Abstiegskampfes in Augsburg genügen würden, wäre Jess Thorup noch da. Der hat zuletzt 2 weitestgehend sorgenfreie Jahre im Angebot gehabt, es aber am Ende verpasst, die Mannschaft spielerisch weiterzuentwickeln. Auf dem Transfermarkt wurde diese Mannschaft aber nicht offensichtlich verbessert. Praktisches Beispiel: Elias Saad soll die Offensive beleben. Was sein Ex-Verein St. Pauli da angeboten hat, habt ihr gerade gelesen. 
Aber Augsburg hat weiterhin einen Kader, der Mittelmaß und Graue Maus schreit. Was prinzipiell für den Klassenerhalt reichen sollte, wenn man einen verlässlichen und etablierten Trainer an der Seitenline hat. Wagner ist aber de facto ein Novize. Seine einzige Erfahrung als Cheftrainer hatte er als Regionalligist in Unterhachingen. Seine Bilanz als Co-Trainer unter Julian Nagelsmann ist, verglichen mit seinem Vorgänger im Geiste Hansi Flick, eher dürftig. Trotzdem gehen irgendwie alle gnadenlos optimistisch davon aus, dass der als Cheftrainer im Profibereich richtig einschlagen wird. 
Und versteht mich nicht falsch: Ich traue Wagner durchaus zu, dass er langfristig ein guter Bundesligatrainer wird. Aber ich gehe nicht selbstverständlich davon aus, dass er  dies schon ist, sondern erwarte einiges an Anpassungsschwierigkeiten und Wachstumsschmerzen. Diese werden mit einem überraschenden, aber am Ende erfolgreichen, Abstiegskampf ausgedrückt werden.

Michael Zetterer und Romano Schmid, Werder Bremen: Wie jetzt, 2 Spieler, die vielleicht gar nicht mehr da sein werden? Genau. Zetterer dürfte spontan nach Frankfurt gehen. Schmid ist schon den ganzen Sommer in England im Gespräch. Meine persönliche Meinung: Beide sind gut, aber nicht überragend. Zetterer ist für mich einer dieser Torhüter, die ahbängig von ihren Vorderleuten sind, anstatt diesen Halt zu geben. Ein durchschnittlicher Bundesligatorwart halt. Die schwierige Frage ist da eher, ob der junge Mann im Hintergrund auch schon ein durchschnittlicher Bundesligatorwart ist. Und dass Romano Schmid der kreativste Kopf im Mittelfeld ist, sagt für mich mehr über deren Mittelfeld als über Schmid aus. Und klar, der hat hin und wieder richtig starke Phasen, in denen man sich einredet, dass der große Durchbruch doch noch kommt. Aber auf diese Phasen folgen dann doch wieder 5 Wochen ohne jeglichen Scorerpunkt. Aber das Geld, welches man für beide bekommt, kann man dann in die dringend benötigte Breite investieren. Denn schon das Pokalspiel gegen Bielefeld hat ja gezeigt, dass es problematisch ist, einen Leo Bittencourt ins defensive Mittelfeld zu stellen. 
Dass man allerdings 1 Woche vor dem Saisonstart noch vor solchen grundlegenden Fragen steht, spricht für eine richtig schwere Saison.

Jonathan Burkardt, 1. FSV Mainz 05: Wie jetzt, der ist doch gar nicht mehr dabei. Und Mainz ist doch viel zu weit weg vom Abstiegskampf. Wirklich? Die letzten 2 Jahre lassen sich auf einen einfachen Faktor runterbrechen: Wenn Burkardt fit und in Form war, spielte man wie ein Europacup Teilnehmer. Aber als er nach seiner schweren Knie OP ein halbes Jahr brauchte, um wieder ins Laufen zu kommen, stand man plötzlich auf Platz 17 und sah wie ein sicherer Absteiger aus.
Es behaupten ja alle gerne, dass Bo Henriksen der entscheidende Mann am Mainzer Aufschwung war. Aber bevor Burkardt wieder die Kurve bekam, startete der mit 1 Sieg in 4 Spielen. Der eigentlich entscheidende Faktor: Burkhart erzielte plötzlich wieder Tore. 24 Treffer seit dem Januar 2024. Und das, obwohl er auch letztes Jahr 5 Spiele verpasste. Von den 5 Spielen verlor man 3: In Hoffenheim, Berlin und Bremen. 
Burkart war ganz offensichtlich ein Spieler, der viel zu gut für Mainz war. Auf einer Stufe mit Shinji Okazaki und Mohamed Zidan. Mit 41 Toren ist er der All Time Top-Torjäger der Mainzer. Da wird er auch noch eine Weile bleiben. Dass der überhaupt so lange da war, hat man seinen ständigen Verletzungen "zu verdanken". Jetzt hat man zwar 22 Millionen mehr auf dem Konto, aber keine Chance einen gleichwertigen Ersatz zu verpflichten. Also ein Benedict Hollerbach ist solide, kein Thema. Aber eben auch nicht mehr und trotzdem schon ein Jahr älter als Burkardt. Dazu kommt die Zusatzbelastung Europacup, die den Mainzern den Alltag erschweren wird. Im Regelmäßigen Auf und Ab dieses Vereins steht halt wieder ein Jahr Abstiegskampf auf dem Spielplan.

Meine Prognose ist dabei aber einfach: Heidenheim und St. Pauli sind zu schwach besetzt und werden damit als einzige absteigen. Union Berlin sichert sich den Klassenerhalt über die Relegation. Es sei denn, Werder gibt noch Schmid und Zetterer ab, dann spielen die Relegation.

Montag, 18. August 2025

Endlich wieder richtiger Fußball!

 Nicht diese Eventscheiße mit dem friedlich zahlenden Publikum. Richtiger Sport, mit richtigen Emotionen und einer richtigen Konferenz. Darauf haben wir doch gewartet. So nett die Frauen-EM war, genau das haben wir doch vermisst.

Leider scheinen die wesentlichen Emotionen Hass und Rassismus zu sein. Das ging praktisch schon los, bevor die Bundesligisten eingreifen. Die Fans von Hannover 96 und Rot-Weiß Essen trafen sich am Bahnhof zu einem kleinen Scharmützel... Das gehört sich halt so, wenn Traditionsfans sich lange nicht gesehen haben.

Die Fans von Hansa Rostock vielen zur Abwechslung mal nur im Zug und noch nicht im Stadion negativ auf. Wir haben den Punkt erreicht, wo Spieler in Testspielen rassistisch beleidigt werden. Und dann wurde am DFB-Pokal Wochenende direkt doppelt nachgelegt. In Potsdam und bei Lok Leipzig wurden Spieler rassistisch beleidigt.

Alles bedauerliche Einzelfälle. Also das kann man sich zumindest als RSV Eintracht Stansdorf einreden, wo der Täter gestellt und aus dem Stadion entfernt wurde, während die Fans Nazis Raus brüllten. In Leipzig... wurde der Betroffene Christopher Antwi-Adjei für den Rest des Spiels konsequent ausgepfiffen. Das ist anscheinend die logische Konsequenz auf eine "unterlasst rassistische Beleidigungen": eine rassistisch motivierte Kollektivstrafe. Also vom Kollektiv ausgeführt.

Und machen wir uns nichts vor: Wenn ein Deutscher mit afrikanischen Wurzeln dafür ausgepfiffen wird, dass er sich über eine rassistische Beleidigung beschwert, ist auch dies Rassismus. Und es beweist, dass dies bei Lok eben kein Einzelfall ist, sondern die ganze Gruppe so denkt. Was mich zu der offensichtlichen Frage bringt: Warum wurde dieses Spiel, in dem ein Spieler konstant rassistisch motiviert angegriffen wird, überhaupt zu Ende gespielt? Die solidarische Reaktion des Lok-Blocks wäre doch ein Anlass gewesen, dieses Elend zu beenden, wenn man wirklich gegen Rassismus wäre und nicht die Konsequenzen fürchten würde. So musste der Spieler da halt durch. War ja auch alles nicht so schlimm, der ist Schalker. Der würde sich wahrscheinlich eher wundern, wenn er nicht unmotiviert ausgepfiffen wird. Oder so.

Die Bundesligasaison hat noch nicht mal angefangen und wir hatten schon genug Vorfälle für das gesamte Jahr. Warum können wir uns da nicht mal an den Trendsetterinnen des Sommers orientieren und Fußball in ein friedliches und stimmungsvolles Familienfest verwandeln?

Stattdessen übernehmen wir die dämlichen Trends des Sommers: das Versagen vom Punkt. Jetzt nehmen die uns auch noch die Grundlage für all die sexistischen Sprüche. Wie fies ist das denn. 
Um das mal nachzuvollziehen: TomiakBux und Bero verschossen ihre Elfmeter "aus dem Spiel heraus". Nur einer von denen ist ein Amateur, die anderen spielen für Hannover und Bochum. Der Fehlschuss in Cottbus besiegelte sogar das Ausscheiden. 
Illertissen und Nürnberg vergaben in der Summe 3 Mal beim Elfmeterschießen. Das ist fast noch gut. Und Eintracht Norderstedt und der FC St. Pauli sammelten 4 Fehlschüsse in den ersten 3 Versuchen. Richtig gelesen: Joel Chima Fujita durfte nach seinem ersten Elfmeter nochmal antreten und verschoss erneut. Das schaffen nicht mal die Frauen.

Maarten Vandevoordt und das Torwortproblem. Der Belgier soll ein guter Torwart sein. Und ein noch besserer Torwart werden. Aber er ist im Moment anscheinend schlechter als Péter Gulácsi, weshalb er jetzt im DFB-Pokal spielt. Ich halte das auf 2 Ebenen für problematisch: Zum einen erschwert man sich selbst unmotiviert das Saisonziel. Und bei RB geht ja alles darum, nächstes Jahr wieder international zu spielen. Und der einfachste, 2 Mal erfolgreich absolvierte Weg, wäre ein Sieg im DFB-Pokal. Dazu holt man auch noch einen Titel, was sich immer gut auf dem Briefkopf macht. Und Arminia Bielefeld hat erst letzte Saison bewiesen, wie man sich in einen Rausch spielen kann. Der VfB Stuttgart hat eine mäßige Saison mit einem Pokalsieg gecrosst. In dem Fall ist es erlaubt, ein mäßiges Graffiti einfach zu übermalen. Aber überraschend viele Bundesligisten entscheiden sich mittlerweile dafür, auf einer sensiblen Position zu rotieren und sich selbst in den Fuß zu schießen, wie es sonst nur der HSV macht.
Das bringt mich zum Übergang: Das HSV-Mitglied Yannick Grieß erzielte das 1:0 für den FK Pirmasens. Die hätten fast die Sensation geschafft. Und genau um diese Geschichten geht es doch.
Aber man sollte diese Geschichten auch als Bundesligist mit dem nötigen Anstand angehen. Also der DFB-Pokal ist ja quasi das Bonuslevel zum Tag der Amateure. So unwahrscheinlich das ist: Es ist die einzige Möglichkeit für Normalsterbliche, ein Pflichtspiel gegen Manuel Neuer zu absolvieren. Und auch wenn dies das Extrembeispiel ist: Genau darum geht es an diesem Wochenende. Nur damit der Torhüter dann sagt "Vielleicht bin ich gar nicht Manuel Neuer"... weil wir uns dafür entschieden haben, im Pokal auf den Ersatztorhüter zu setzen... ist für mich irgendwie ein Vertragsbruch. Macht das von mir aus in den späteren Runden, wenn ihr gegen die Bundesligisten antretet. Aber nicht gegen die Amateure.

Vor allem, wenn der Ersatztorwart ganz realistisch nichts von diesem Spiel haben kann. Er kann dieses Spiel nichjt gewinnen. Im Normalfall hält er 2 Bälle, die er aber auch halten muss. Selbst wenn die Amateure sich überraschend widerspenstig zeigen, wird niemand in deinem Verein jemals das Video zu diesem Spiel wieder auspacken. Und wenn die Kollegen vor dir sich richtig dumm anstellen, hast du den Makel einer epischen Blamage in deinem Lebenslauf stehen... Obwohl die 90 Minuten und 30 Torschüsse Zeit hatten, um deinen Patzer zum 1:0 zu revidieren. Though Luck, jetzt viel Spaß auf der Bank.

Apropos Bonuslevel: VfB Stuttgart - Bayern München: Dass die DFL in Kooperation mit dem DFB diesen Bonustag der Amateure kapert, um seinen völlig irrelevanten Supercup auszutragen, ist ein dreister Arschloch-Move. Dieses Jahr hatte man wenigstens das Losglück, dass beide im Pokal gegen Profimannschaften antreten. Aber Teutonoa Ottensen hat ja schon die Erfahrung machen müssen, wie beschissen es für eine Amateurmannschaft ist, wenn die plötzlich unter der Woche ihr Pokalspiel austragen müssen. Da wird aus dem größten Fest der Vereinsgeschichte ein trostloses Auswärtsspiel. Trotzdem muss der Supercup weiterhin am Pokalwochenende ausgetragen werden. 

Dass der Rahmenterminkalender zu voll ist, um einen vernünftigen Termin zu finden, ist tragisch. Aber daran kann man ja nichts ändern. Und wenn keine Klub-WM gewesen wäre, wären die Bayern freiwillig nach Amerika geflogen, also kann man den Pokal "schlecht" am 10.08. austragen. Aber dann legt doch den irrelevanten Spaß-Wettbewerb auf einen Mittwoch und nicht den einen Berührungspunkt zwischen Amateuren und Profis.

Dienstag, 12. August 2025

Das größte Drama des Sommers dürfte eigentlich gar nicht stattfinden.

 Und keinen interessiert es.

Um dann mal den Fokus zurück auf den Männerfußball zu lenken, auch wenn der jetzt die wichtigsten Trends der EM übernimmt: Im englischen Ligapokal wurden 5 Elfmeter verschossen. Selbst ein Harry Kane reiht sich in die Liste der Fehlschützen ein. Kick it like Beckham! Diesen Fehlschuss hatte ich erst für den 14.07.26 auf dem Zettel...

Aber die dominierende Nachricht des Bundesliga-Sommers ist der Flirt der Bayern mit Nick Woltemade. Der hat halt eine gute Rückrunde gespielt und seitdem die Bayern Spieler wie Wirtz oder Havertz nicht mehr selbstverständlich bekommen, müssen sie Spieler nach einem guten Halbjahr und einer starken U21 EM verpflichten. Also einigt man sich am 27.06. mit dem Spieler. Gehalt, Vertragslaufzeit... wahrscheinlich hat man sich mit dem Spieler sogar auf eine Ablöse geeinigt, die man dann an den VfB Stuttgart überweist. So 30 Millionen sollten reichen.

Und der VfB dann so: Das ist ja ganz schön viel Geld, welches die euch bei der Klub-WM hinterhergeworfen haben, wäre doch schade, wenn irgendein Premiere League Klub deswegen absurde Ablöseforderungen stellt und das alles nach England fließt... gebt uns mal 100 Millionen.

Nebenbei finde ich es ja faszinierend, dass die Bayern überall laut rausposaunen, dass die gerade kein Geld haben... obwohl sie gerade für relativ wenig Aufwand 54 Millionen verdient haben. Und klar, 2 Millionen muss man abziehen, weil man Jonathan Tah zur Klub-WM mitnehmen wollte. Ich frage mich in dem Moment, wie die Bayern ohne diese Finanzspritze überhaupt durch die nächste Saison gekommen wären, wenn jetzt kein Geld da ist.

Nebenbei sind die Bayern plötzlich in genau der Falle, in der sonst die anderen Vereine immer sitzen, wenn die Bayern einen ihrer Spieler kaufen: plötzlich ist angeblich verdammt viel Geld vorhanden, also verlangen wir direkt mal mehr Geld für den Spieler, über den wir seit 2 Wochen verhandeln. Ihr habt es ja.

Die allgemeine Reaktion war: 100 Millionen für Woltemade ist doch absurd, der kam doch erst letzten Sommer ablösefrei. Dann fällt plötzlich auf, dass der ja noch 3 Jahre Vertrag hat. Genau deswegen verlangen die Stuttgarter so viel Geld.

Die wissen auch 2 Dinge ganz genau: Woltemade sollte sich in seiner 2. Saison im Verein weiter verbessern. Wir reden hier einerseits von einem Spieler, der "nur" 12 Saisontore erzielt hat... allerdings erzielte er 9 davon in diesem Kalenderjahr. Eine 20 Tore Saison ist da durchaus realistisch.
Dann wird er als Speerspitze in die Weltmeisterschaft gehen. Und da wird Deutschland ja nicht schon wieder in der Vorrunde ausscheiden. Bei einem noch weiter aufgeblähtem Turnier, mit noch mehr Saudi-Arabien und einem Freilos im Sechszehntel-Finale, ist es durchaus möglich, dass Woltemade den Miroslav Klose gibt... und 5 Tore erzielt, ohne in den relevanten Spielen irgendwie aufzufallen.

Jetzt fragt euch mal, wie viel Geld ein Woltemade mit 20 Saison- und 5 WM-Toren wert sein wird... bestimmt zahlt dann irgendein englischer Klub 100 Millionen.
Selbst wenn er "nur" eine durchschnittliche Bundesliga-Saison und eine Joker-WM spielt... dann bleibt der dem VfB als Worst-Case-Szenario ein weiteres Jahr erhalten und hat danach dann immer noch einen laufenden Vertrag. Dann kann man immer noch mit einem mehr als soliden Stürmer weiter planen. Und da man für Woltemade keinen Cent Ablöse bezahlt hat, muss man beim Weiterverkauf auch nicht unbedingt an die Gewinnmaximierung denken. Nur um wirklich zu verdeutlichen, warum der VfB wirklich gar kein Interesse an einem Verkauf hat. 

Aber kommen wir mal zum eigentlichen Problem: Die Bayern haben sich mit dem Spieler offiziell geeinigt. Sie haben die Verhandlungen direkt vor dem U21 EM Finale geführt, was an sich schon ein richtiger Arschloch-Move ist. Auch wenn ich ja ganz klar der Meinung bin, dass es egal ist, wer dieses Turnier gewinnt. Wichtig für die Entwicklung der Spieler, worum es ja eigentlich geht, ist eine gute Leistung, die hat man auf jeden Fall gezeigt. Aber als DFB darf man trotzdem richtig pissed sein. Und das sollte man die Bayern auch wissen lassen. Ich würde denen als Erstes das "wir laden eure Spieler nicht ein, damit die auch mal eine Pause bekommen" Privileg streichen. Das wäre mal eine angemessene Reaktion auf so ein Verhalten. Selbst wenn die nicht spielen, anreisen und durchtrainieren müssen die. Auch im an sich unbedeutenden Sommer 2027...

Was aber alle ignorieren: Woltemade hat, wie schon erwähnt, einen Vertrag bis 30.06.2028. Was auch nur bedeutet: Die Bayern dürfen sich mit dem Spieler erst am 01.06.2028 einigen. Das ist jetzt nicht in ein paar Monaten, sondern noch verdammt lang hin. Noch länger als damals bei Robert Lewandowski, der lange vor dem Auslaufen seines Vertrages beschloss, nicht mehr mit den Dortmundern zu verhandeln. 

Also hier wird das entscheidende in einem Nebensatz auf Transfermarkt.de erklärt: "Ab dem 1. Januar können Fußballer mit Vertragsende 2024 offiziell mit interessierten Klubs verhandeln oder schon bei einem neuen Verein unterschreiben, ohne Rücksicht auf den aktuellen Arbeitgeber nehmen zu müssen." Soweit ich weiß, hat sich daran nichts geändert. Die Bayern hätten sich also, anstatt die Vorbereitung aufs Finale zu stören, mit dem Verein und nicht mit dem Spieler grundlegend einigen müssen. Dann hätten sie festgestellt, dass der VfB gar kein Interesse daran hat, den Spieler für eine vernünftige Summe abzugeben. Und dann hätte man das akzeptiert und sich anderweitig umgeschaut. Wenn beim FC Bayern Anstand existieren würde, hätten wir nie was von deren Interesse erfahren, weil das alles hinter verschlossenen Türen geklärt worden wäre. Aber was will man von einem Verein mit Hoeneß und Rummenigge an der Spitze erwarten...

Was aber total faszinierend ist: Dieses offensichtliche Ignorieren des Transferrechts wird einfach so hingenommen. Eigentlich sollte die DFL jetzt den Bayern eine saftige Strafe auflegen. Nehmen wir einfach mal die Hälfte der geforderten Ablösesumme. Ich sage bewusst absurde 50 Millionen, damit auch noch so 10 übrig bleiben, wenn der FC Bayern sich durch alle Instanzen geklagt hat. Und bis man sich da mit dem VfB, an den als geschädigte Partei die Summe zu zahlen ist, geeinigt ist, darf man keine Neuzugänge mehr registrieren.

Ob diese Strafen realistisch sind, sei mal dahin gestellt. Wahrscheinlich würden diverse Gerichte sie wieder einkassieren. Aber es würde wenigstens dazu führen, dass wir mal über die Regeln im Transfermarkt regeln und feststellen, dass die Bayern auf diese komplett geschissen haben...

Andererseits spricht ja nicht mal der VfB als direkt geschädigte Partei dieses Vergehen überhaupt an. Die könnten ja mal ein "Die haben sich mit einem Spieler geeinigt, mit dem sie gar nicht verhandeln dürfen." fallen lassen. Oder sie haben ihr OK gegeben, dann wäre es jetzt aber absurd, so eine extrem hohe Ablöse zu verlangen.

Wahrscheinlicher ist es halt, dass sich der VfB nicht beschweren darf, weil sie selber an vielen Stellen genau so verhandelt haben und es wieder machen wollen. Was auch nur bedeutet, dass diese Regelung, die die Verhandlungsmöglichkeiten einschränkt, nur auf dem Papier existiert. Und bei den PC-Simulationen... Gut, dass wir das diesen Sommer mal geklärt haben.