Montag, 23. Juni 2025

Die Berichtserstattung über die Klub WM ist herrlich verlogen

Prelude: 3 Tage habe ich zwischenzeitlich im Krankenhaus verbracht. Hauptsächlich deswegen habe ich mich mehr mit der Klub-WM beschäftigt, als ich vorhatte. Denn die Alternativen waren: Lineares Fernsehen zu genießen, was ich seit bestimmt 15 Jahren nicht gemacht habe. Aber ich konnte mich wenigstens selbst fürs Programm entscheiden, wenn es auch noch 10 Stunden RTLII gegeben hätte... Danke, Arte.

Option 2: ich scrolle mich durch die sozialen Medien, die komplett von rechten Trollen und Flat Earthern verseucht sind. Selbst einem zynischen Arschloch wie mir ist das irgendwann zu hässlich. Und politische Nachrichten will man ja gerade auch lieber ausblenden, wenn man auf Schmerzmitteln in einem Zimmer eingesperrt ist. Also doch Sport. Bedeutet: also doch Klub-WM.

Und da fällt dann auf, dass die Europäer ihre Meinung vor dem Turnier schon fertig hatten: alles sinnlos. Da wird dann von Hass geschrieben, wovon wir ja in diesen Zeiten dringend noch mehr brauchen. Das Ganze ist natürlich ein Desaster. Gleichzeitig schafft man es aber nicht mal, halbwegs anständige Live-Ticker zur Verfügung zu stellen. Also es mussten ja Spiele wegen diversen Unwetterwarnungen pausiert werden. Passiert halt in Zeiten des Klimawandels. Selbst bei einem Turnier in Deutschland. Auf Kicker.de stand dann aber nur "abgebrochen". Warum konnte man nicht herausfinden. Das soll das beste Sportmagazin in Deutschland sein? Wie erbärmlich. Haben die keine Praktikanten mehr?

Natürlich hat das Turnier zahlreiche Probleme. Wie alles im Profifußball. Nächsten Sommer werden auch Spiele in der Mittagssonne angesetzt werden, damit wir Europäer die sehen können. Da wird sich die Hitze auch auf die Qualität der Spiele auswirken. Und die Einheimischen sind vom Turnier ausgeschlossen, weil sie ja um 12 arbeiten müssen. Nur wird es dann niemanden interessieren.

Das einzige neue Problem ist ja, dass die Stadien eine Nummer zu groß sind. In 40.000 Mann Arenen würde das alles unproblematisch wirken. Also abgesehen von Boca Juniors, die die Hütte echt voll machen. Aber jetzt tun alle so, als wären 35.000 im Durchschnitt "niemand". Damit wäre man 8. in der Bundesliga-Tabelle... Aber diese Relativierung wird ja bewusst verschwiegen.

Und dann wurde über den sportlichen Teil nach dem ersten Bayern-Spiel geurteilt. Weil diese die Amateure aus Auckland mit 10:0 abgefertigt haben, ist das gesamte Turnier unnötig.

Kurzer Realitätsabgleich: Die Europäer haben im interkontinentalen Vergleich nach 2 absolvierten Spieltagen eine bescheidene Bilanz: 11 Siege, 4 Unentschieden, 3 Niederlagen. Nur so als Verglech: Die Südamerkaner kassierten ihre erste Niederlage im 10. Spiel... Wenn man bedenkt, wie krass unterschiedlich die finanziellen Voraussetzungen sind, ist das absurd. Selbst Giganten wie Paris St. Germain und der FC Chelsea haben bereits verloren. Nur die Bayern, Manchester City und Juventus  starten mit 2 Siegen. Die letzten beiden hatten halt extremes Losglück. Und auch die Bayern mussten sich gegen Boca mehr strecken, als ihnen lieb war. Nach dem überraschenden, aber überragenden, Ausgleich von Miguel Merentinel war man sichtlich angeknockt.

Boca ist sowieso die faszinierendste Mannschaft des Turniers, nicht nur wegen der Fans. Das ist eine richtig asoziale Tretermannschaft. Die wehren sich mit allem, was sie in die Wagschale werfen können und testen die Linie des Schiedsrichters permanent aus. Torhüter Augustin Marchesin ging in beiden Spielen in der 75. Minute ohne Gegnereinfluss zu Boden, nur um eine Behandlungspause zu kreieren und den Spielfluss zu unterbrechen. Asozial? Bestimmt. Unsportlich? Nur bedingt, denn sie versuchen ja nur die krassen wirtschaftlichen Unterschiede auszugleichen. Und darum geht es mittlerweile doch im Profisport. Wenn man bedenkt, wie viele Bundesligisten sich brav ihrem Schicksal ergeben und sich fast widerstandslos abschießen lassen... Die könnten sich dieses Spiel mal angucken, wenn sie Ideen brauchen, wie man sich richtig wehrt.

Aber anstatt die großartige Verteidigungsleistung zu würdigen, wie der geschlagene Luis Enrique es tat, wird lieber gehated. Aber wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass die Europäer so schlecht starten, hätte ich sie ausgelacht. Und dass der 2. Anzug nicht reicht, um die hoch motivierten Mannschaften der anderen Kontinente im Vorbeigehen zu schlagen, ist eine spannende Erkenntnis. Und ja, in den letzten Tagen scheint man ein wenig die Kurve zu bekommen, weil sich die Erkenntnis, dass das doch kein Spaziergang wird, durchgesetzt hat.

Auch das erste Spiel von Boca Juniors gegen Benfica Lissabon wäre sofort ein Klassiker, wenn man die Berichtserstattung ernst nehmen würde: Volle Hütte, super Stimmung, 3 Platzverweise und mit Ángel Di María und Nicolas Otamendi klauen ausgerechnet 2 Weltmeister den Argentiniern 2 Punkte. Dieses komplett einzigartige Spiel mit all seinen besonderen Emotionen rechtfertigen dieses Turnier für mich.

Und wenn ihr jetzt mit "ja, aber die Korruption, die Belastung und die Menschenrechte!!!" Klar, wenn man das konstant anspricht, darf man darüber jetzt auch jammern. Aber wenn man den Champions League Sieg der Qataris zu einem Fußball-Märchen verklären will und da den ganzen Scheiß komplett ausblendet, sollte auch jetzt die Fresse halten. Denn die reformierte Champions League mit demnächst 6 Mannschaften aus der Premiere League ist genauso schlimm, wie die Klub-WM. Aber weil davon ausschließlich Europäer profitieren, frisst man das anstandslos.

Denn wirklich verwerflich ist das alles nur, wenn andere Menschen als wir Europäer von etwas profitieren. 

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