Freitag, 4. September 2015

Warum ist es eigentlich so schwer, gute Außenverteidiger zu finden?

Die Frage erscheint erstaunlich berechtigt. Schließlich geht es den meisten Bundesligisten wie der deutschen Nationalmannschaft: Sie hangeln sich von einer Notlösung zur nächsten. Und völlig absurder Weise machen dann irgendwelche Hilfskräfte den ach so schwierigen Job.
Und ja, die eigentlich schon aussortierten Roberto Hilbert und Sascha Riether spielen inzwischen bei Topteams... und das nur, weil sie sich auf die Außenverteidiger-Position spezialisiert haben und nicht etwa weil sei gut sind...

Das Problem an den Außenverteidigern: Sie müssen wie einer Eier legende Wollmilchsau sein. Zumindest wenn man sich die Jobbeschreibung durchliest.
Ein guter Außenverteidiger muss
- stark im direkten Zweikampf am Boden sein. Schließlich muss er ständig die Dribblings der Robbens und Riberys unterbinden.
- ein sicheres Passspiel besitzen, schließlich ist der Außenverteidiger oftmals eine der ersten Anspielstationen im Spielaufbau.
- ziemlich Pressingresistent sein, da die Bundesliga derzeit eine extreme Pressingliga ist. Und die Zone der Außenverteidiger am einfachsten zuzustellen ist.
- Ein hohes Maß an taktischem Verständnis mitbringen. Schließlich musst du innerhalb von Sekunden feststellen, ob das jetzt der richtige Moment ist um sich ins Offensivspiel einzuschalten.
- Eine Spitzenathletik mitbringen. Schließlich brauchst du die Ausdauer und den Antritt um von Grundlinie zu Grundlinie zu kommen.
- Ein ordentliches Kopfballspiel mitbringen, da du oftmals nach innen einrückst, wenn der Angriff über die Gegenseite aufgezogen wird.

Oder anders ausgedrückt: Er muss alles können, was ein defensiver Mittelfeldspieler auch können muss... nur halt mit einem auf 180 Grad beschränkten Horizont... denn im Gegensatz zum Zentrum hast du ja eine Außenlinie, die dein Spielfeld extrem eingrenzt.

Und ja, da haben wir auch schon die Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Weil die Leute, die die Voraussetzungen mitbringen im Alter einen richtig guten Außenverteidiger abzugeben, in der Jugend doch meistens ins Zentrum gezogen werden.

Klingt übertrieben? Ist es aber nicht. Guckt euch mal die Karriere der Außenverteidiger an. Bei den beiden besten hat ein gewisser Pep Guardiola einfach mal festgestellt, dass die im Zentrum viel besser aufgehoben wären und auf der Außenverteidigerposition eigentlich verschwendet sind: Phillip Lahm und David Alaba sind mittlerweile weit mehr als einfache Defensivleute.

Aber guckt euch mal die Karrieren von "Normalsterblichen" an... Conzalo Castro, Eme Can, Sebastian Rudy, Dennis Aogo, Christian Träsch, Christian Schulz, Marco Höger, Sebastian Rode und als aktuelles Beispiel Matthias Ginter verbrachten alle ihre "Lehrjahre" auf der Außenbahn... bevor sie irgendwann (Teilweise, im Fall von Träsch völlig überraschend) ins Zentrum ziehen wollten. Und wenn sie schon nicht zu Defensiven Mittelfeldspielern werden können, so wollen sie doch wenigstens Innenverteidiger werden wie Benedikt Höwedes, Antonio Rüdiger und ein Sergio Ramos.
Ein Kevin Großkreutz ging den entgegengesetzten Weg: Als die Dortmunder ihren Kader so weit aufgerüstet hatten, dass er "nur noch" der 6. oder 7. beste Mittelfeldspieler war, wurde er zum Außenverteidiger umfunktioniert. Und das funktionierte wunderbar.

Die Sache ist ja auch logisch: Wie schon erwähnt halbiert die Außenlinie ja deinen Wirkungs- und Einflussbereich. Und ja, das macht es erst mal genau genommen wesentlich einfacher als Außenverteidiger zu starten. Dazu kommt: Fehler auf den Außen sind eher zu verzeihen als Fehler im Zentrum. Weil der Weg zum Tor halt kürzer ist... oder der Winkel ungünstiger... Deswegen stellst du halt im Zweifelsfall eher den Großkreutz als Aushilfsaußenverteidiger auf als einen Nuri Sahin...

Das Problem ist aber auf der nächsten Ebene: In jeder Jugendmannschaft hast du vielleicht 2-3 Leute, die es wirklich zum Bundesligaprofi schaffen werden. Und die Leute, die dieses Potential besitzen, stellst du mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ins Zentrum. Die logische Konsequenz: Es werden haufenweise Defensive Mittelfeldspieler ausgebildet, aber kaum Außenverteidiger. Was ja durchaus auch sinnvoll ist. Schließlich macht es wenig Sinn die höher talentierten Schüler mit dem de facto einfacheren Aufgaben zu unterfordern, auch wenn sie die später (für ein paar Jahre) mal ausüben müssen...

Die wirklich spannende Frage ist aber: Was fange ich als Junger Spieler mit dieser Information (die mir mein Berater vielleicht mal geben sollte) an?
Nehmen wir mal die prominenten Beispiele aus München: Dort gab es gerade die gerade zu skandalöse Entwicklung, dass die Bayern ihre jungen und talentierten Mittelfeldspieler in die 2. Mannschaft geschickt haben. Und Pierre-Emille Höijbjerg nach Schalke verscherbelt wurde.

Gleichzeitig hat ein Rafinha jetzt schon 2 benotete Saisonspiele in seinem Leistungsnachweis stehen. Und ja, es gibt einen einzigen Grund, warum Rafinha auf diese Spiele kommt: Er ist einer dieser wenigen Sonderfälle: Ein echter gelernter Außenverteidiger. Und davon gibt es halt so wenige, dass man noch nicht mal internationale Klasse darstellen muss um bei den Bayern auf seine Einsätze zu kommen.

Wenn ich jetzt Joshua Kimmich oder Gianluca Gaudino wäre... mir das Überangebot der Bayern im Mittelfeld angucke... und gleichzeitig sehen, wie viele Spiele Rafinha letzte Saison absolviert hat... natürlich nicht die wirklich relevanten, da hat Pep Guardiola dann doch lieber auf Lahm gesetzt... aber die relativ belanglosen, die man auch mit einem Rafinha locker gewinnt... und da gibt es für die Bayern überraschend viele von...
Da würde ich doch mal mit meinem Berater zu meinem Cheftrainer gehen... und gemeinsam mit Hermann Gerland erörtern, ob ich mich nicht zum Außenverteidiger "weiterbilden" lasse... dass dann ein halbes Jahr in der 2. Mannschaft spiele, danit ich dann im Winter in diesen belanglosen Bundesligaspielen die Rolle von Rafinha übernehmen kann. Dann würde ich die ach so wichtige Spielpraxis auf höchstem Niveau ja doch noch bekommen... und wenn Lahm in den Ruhestand geht, bin ich dann so weit ins Zentrum zu ziehen und kann den Platz an den nächsten Jungstar vererben.

Und ja, der einfachste Weg in die erste Elf der Bayern ist über die Rechtsverteidiger-Position. Genau genommen ist sogar jede Minute, die Rafinha da spielt, eine Verschwendung, da die Bayern diese Möglichkeiten nutzen könnten um wesentlich talentiertere Spieler an die Bundesliga und spätere höhere Aufgaben zu gewöhnen.
Es muss halt nur mal jemand erkennen, dass quasi jeder gute defensive Mittelfeldspieler genaugenommen auch ein guter Außenverteidiger sein muss...
Warte, warum gebe ich den Bayern eigentlich gerade Tipps, wie die ihre eh schon hervorragende Mannschaft weiter verbessern? Ich nehme alles zurück. Rafinha ist die Ideallösung für die Bayern und sollte auch in den wirklich wichtigen Spielen in der Startelf stehen!!!

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