Dienstag, 30. September 2025

Die absurde Karriere des Horst Steffen

Es ist schon absurd. Wir haben gerade vier Ex-Profis mit durchaus vergleichbaren Spieler-Biografien auf den Trainerbänken sitzen. Alle vier absolvierten zwischen 180 und 254 Bundesligaspiele. Sie spielten nie für die ganz großen Vereine. Einer ist bereits ein etablierter Bundesligatrainer, die anderen verdienen sich jetzt gerade die ersten Sporen. Aber ihr Weg zu diesem Posten war extrem unterschiedlich.

Die Rede ist von Steffen BaumgartEugen Polanski, Sandro Wagner und Horst Steffen.

Baumgart fällt, was mich selbst doch überrascht, in die Kategorie "Marius Ebbers Angreifer": Er hat mehr Zweitliga- als Bundesligatore erzielt. Polanksi hatte eine interessante Karriere, weil er unter Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel spielen durfte. Steffen spielte in Uerdingen, nachdem Bayer da ausgestiegen ist. Und für den MSV Duisburg. Mehr "Arbeiterkarriere" kann man als Bundesligaprofi nicht machen. Wagner ist so ein bisschen der Ausreißer, da er in der einen Saison beim FC Bayern mehr Europacup Spiele absolviert hat, als die andern 3 zusammen... Zumindest, wenn man den UI Cup rausrechnet.

Als Trainer ist die Biografie von Baumgart spannend, da sie seine Spielerkarriere spiegelt. Er startete in der 2. Liga der ehemaligen DDR. Danach in der NOFV Oberliga und in der 2. Liga, bevor er mit Hansa Rostock aufstieg. Er hat sich buchstäblich nach oben gearbeitet. Auch als Trainer arbeitete er in der Landesliga beim SSV Köpenick-Oberspree. Beim Berliner AK 07 arbeitete er in der Regionalliga. Und danach startete er mit Paderborn von der dritten in die erste Liga durch... Eigentlich von der 4., sportlich war man abgestiegen. Sowohl als Trainer, als auch als Spieler, wollte den niemand in der ersten Liga sehen, er hat sich davon aber nicht aufhalten lassen. Jetzt hat er sich zumindest so weit etabliert und stabilisiert, dass er noch haufenweise Angebote von verzweifelten Abstiegskandidaten bekommen wird, wenn Union Berlin ihn irgendwann entlassen wird. Von seinem ersten, sachlich gesehen gescheiterten Experiment in Magdeburg bis zum Bundesligadebüt vergingen 10 Jahre. Von seinem Karriereende, ebenfalls in Magdeburg, bis zum ersten Spiel an der Seitenlinie vergingen etwa 12 Jahre. Das ist schon unfassbar viel.

Denn normalerweise sieht die Trainerkarriere der ehemaligen "Bundesliga-Stars" sieht ja eher wie die von Eugen Polanski aus: Man kommt nach seiner aktiven Karriere bei einem seiner Ex-Vereine unter. In Polanskis Fall war das sein Jugendverein Borussia Mönchengladbach. Dort arbeitet man sich von der U17 bis zur 2. Mannschaft hoch und wartet ganz entspannt ab, dass eine Krise Panik auslöst. Und wenn das nicht klappt, rutscht man zurück ins zweite Glied und wartet entspannt auf die nächste Krise. Jahrzehntelang war dies die einzige wirkliche Variante, einen Fuß in die Bundesligatür zu bekommen. Dann fiel irgendwann den gut geführten Vereinen auf, dass man doch richtige Experten als Jugendtrainer braucht und dadurch wurden dann Thomas Tuchel und Hannes Wolf in die Liga gespült. Um ein Positiv- und ein Negativbeispiel zu nennen. Im Normalfall dauert dieser Vorgang so 7 Jahre.

Sandro Wagner ist auch hier ein Sonderfall, weil er ja praktisch von der Kommentatorenkabine auf die Trainerbank gelobt worden ist.

Und dann gibt es halt Horst Steffen. Die Vereine, bei denen er Eindruck hinterlassen hat, sind in der Versenkung verschwunden. Da kann man dann schlecht als Jugendtrainer anfangen. Er war tatsächlich auch in Gladbach, aber anscheinend hat man ihn da nicht zugetraut, höhere Aufgaben zu übernehmen.

Danach begann dann seine "Wanderschaft" bei den Stuttgarter Kickers, Preußen Münster und dem Chemnitzer FC. Bei nur einer einzigen Vertragsverlängerung deutete wenig auf eine langfristige und erfolgreiche Trainerkarriere hin. Es sah eher so aus, als würde Steffen sich dank seines guten Namens bei unterklassigen Vereinen die Altersvorsorge sichern.

Der nächste Schritt dieser Rentensicherungsmaßnahme war 2018 die SV Elversberg. Danach kommt dann wahrscheinlich nicht mehr viel... Aber plötzlich startete man komplett durch. Es ging von der Regionalliga in die Relegation zur höchsten deutschen Spielklasse. Und vor allem hatte man auch langfristigen Erfolg. 7 Jahre am Stück ging es praktisch nur aufwärts. Das schafft man sonst nur mit Investoren-Millionen. Das war so nicht zu erwarten.

Nun stellt sich die entscheidende Frage: War Steffen schon immer ein guter Trainer, der durch chaotische Vereine aufgehalten wurde? Also die Stuttgarter Kickers und der Chemnitzer FC sind jetzt nicht die stabilsten Vereine... Oder hat er einfach nur all diese Jahre gebraucht, um das Trainerhandwerk zu erlernen und sich zu verbessern. 

Wir reden hier nebenbei von unfassbaren 22 Jahren zwischen der letzten Station als Spieler und der ersten als Bundesliga-Trainer.
Und wenn das Potenzial schon immer da war, warum hat vorher niemand zugeschlagen? Ich meine, wir hatten doch einige richtig schlechte Trainer, denen trotzdem immer wieder einen Job angeboten wurde. Michael Frontzeck stand bei 3 unterschiedlichen Bundesligisten an der Seitenlinie: Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld und Borussia Mönchen... wartet mal... kurz Zeitlinien abchecken. Horst Steffen und Michael Frontzeck begannen beide am 1.7.2009 in Gladbach. Man hätte sich damals auch einfach für den anderen entscheiden und Frontzeck zur U17 schicken können... Aber nur einer der beiden hat mit Max Eberl zusammengespielt.

Oder Horst Steffen zumindest als Interimstrainer befördern können, als man Frontzeck 2011 völlig überraschend entlassen musste. Wobei man zur Verteidigung von Max Eberl sagen muss: Er holte einen gewissen Lucien Favre, der sich für Gladbach als sehr guter Griff entpuppte. 

Es ist aber schon absurd, dass sich Steffen praktisch in derselben Situation befand, wie Polanski jetzt, nur dass er damals dann "übergangen" wurde. Dass er danach dann den Weg über die Dörfer gegangen ist, um doch zum Bundesligatrainer zu werden, dürfte ein einzigartiger Vorgang sein. Auch die 22 Jahre, die das gedauert hat, wird niemand jemals überbieten. Vor allem bei den Millionengehältern, die heutzutage jeder Bundesligaspieler überwiesen bekommt, dürften verhindern, dass nochmal jemand so hartnäckig an dieser Vision arbeitet.

Vor allem zeigt dies aber mal wieder eins: Es ist wichtiger, die richtigen Leute zu kennen, als ein wirklich guter Trainer mit einer erfolgreichen Vita zu sein. Und dass man unter den richtigen Trainern gespielt hat... Also Polanskis relevante Vorqualifikation ist ja, dass er von Jupp Heynckes, Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann und Huub Stevens gelernt haben könnte. Während Horst Steffen "nur" bei Friedhelm Funkel zur Schule ging... sowohl in Uerdingen, als auch in Duisburg... und bei Wolfgang Frank... 9 Spiele lang... Moment mal: haben wir tatsächlich noch einen Schüler von Wolfgang Frank ausgegraben? Unfassbar.

Also für alle, die das vergessen haben: Wolfgang Frank war quasi der Mentor von Jürgen Klopp. Und dessen Erfolg hat dazu beigetragen, dass all seine Ex-Spieler mit Angeboten überhäuft wurden. Marco Rose, Sandro Schwarz, Thorsten Lieberknecht und Jürgen Kramny sind die anderen "Lehrlinge". So richtig erfolgreich in der Bundesliga war aber nur Rose... 

Dass dieser Beitrag bei Wolfgang Frank endet, habe ich selber nicht kommen sehen. Was auch nur beweist: Es ist einfach nicht zu erklären, warum es 22 Jahre gedauert hat, bis Steffen endlich in der Bundesliga coachen darf.

Montag, 29. September 2025

Das hat ja nur 7 Jahre gedauert.

So lange kann man ja ruhig mal warten.

Aber ja, es ist tatsächlich geschehen: Der VAR hat eingegriffen, obwohl der Stürmer sich nicht theatralisch fallenlies, sondern weiterspielte. Und ganz Deutschland ist verwirrt. Darf man da jetzt eingreifen?

Halten wir mal ganz kurz fest: Manuel Schwäbe trifft Ermedin Demirovic hier ganz klar am Knöchel. Für diesen Tritt übersieht der Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck. Für den Tritt, und das sieht sogar Übeltäter Schwäbe so, muss man Elfmeter geben. Damit ist das eine ganz klare Fehlentscheidung.

Das eigentliche Schlüsselzitat kommt vom Stuttgarter Angreifer: "Das Problem ist: Es ist nicht mein Naturell zu fallen." Dieser freudsche Versprecher entlarvt die gesamte Fußballszene: Es ist ein Problem, wenn man fair spielt. Sich in solchen Fallen hinzuwerfen und am Boden zu wälzen, ist die Werkseinstellung. Wer fair spielt, ist in 99 % der Fälle der Dumme.

Und in den letzten 7 Jahren seit der Einführung des VARs hat es mehrere Szenen gegeben, in denen man genau dieses Prinzip erkennen konnte. In denen der VAR nicht eingreift, weil der Angreifer den Abschluss sucht, anstatt einen Elfmeter zu inszenieren, den er auch bekommen hätte, wenn er sich fallenlässt. Also ich hab mich da häufiger drüber aufgeregt. Zuletzt im April 2024.

Die DFL sollte diese Szene ins Lehrbuch aufnehmen. Sie sollten Demirovic für seine faire Haltung loben und darauf hinweisen, dass sie in Zukunft den Fokus darauf legen werden, dass bei solchen Szenen immer eingegriffen wird. Dann wird in 10 Jahren die Werkseinstellung ein "Ich suche konsequent den Abschluss, auch wenn ich einen Kontakt spüre" sein. Das würde das Spiel extrem attraktiver machen.

Aber die Fans haben ja Angst, dass dann jeder kleine Kontakt zu einem Elfmeter führt. Und die jammern dann gemeinsam mit dem FC St. Pauli, dass Leverkusen das Stadion zur Liegewiese erklärt. Die einzige Art diese Unart abzuschaffen ist es aber, die Spieler die dies nicht machen zu belohnen. Und genau das ist am Wochenende passiert.

Der Rest der Liga ist, wie ich zugeben muss, erstaunlich langweilig. Die Bayern gewinnen ihre Spiele halt mit im 4,4 Toren... Einzig Augsburg hat so etwas wie "Widerstand" gezeigt. Das war dann die Erinnerung an die Bayern, dass sie den Fuß auch bei einer 3:0 Führung nicht komplett vom Gas nehmen können. So wie die sich gerade präsentieren, wird selbst eine starke Saison der Konkurrenz nicht reichen.

Und für den Rest ist es natürlich noch viel zu früh, um eine seriöse Prognose abzugeben. Hat sich Borussia Mönchengladbach über 4 Spiele und 70 Minuten wie ein sicherer Absteiger präsentiert? Ganz bestimmt. Aber ein kompetenter Trainer und ein Tim Kleindienst können die Probleme bestimmt noch lösen.

Zeigt Sandro Wagner genau die Anpassungsprobleme, die ich als Einziger vorhergesagt habe? #PassivesAbseitsLeserwissenesfrüher. Aber Wagner hat noch genug Zeit, um den Kurs zu korrigieren... und wenn nicht, wird ein Dead Coach Bounce schon helfen.

Am besten verdeutlicht man die aktuell verzerrte Tabelle am FC St. Pauli. Die sind extrem gut gestartet. Man musste sich ja schon fast beim VfB Stuttgart bedanken, dass die nicht plötzlich zum Bayern-Jäger Nummer 1 wurden... Aber die werden noch ihre Phase mit 7 sieglosen Spielen infolge durchmachen. Vielleicht auch 2 Mal. Vielleicht sind sie gerade in der ersten dieser Serien. Bis man wirkliche Erkenntnisse aus der Tabelle ziehen kann, werden halt noch 5 Spieltage vergehen.

Dienstag, 16. September 2025

Borussia Mönchengladbach ist das Anti-Leverkusen

 Nun ist es also doch passiert: Die offensichtlichste Trainerentlassung der Saison wurde am 3. Spieltag vollzogen. Georado Seoane ist nicht länger Trainer von Borussia Mönchengladbach. Wenn Schlagzeilen wie "schlechtester Punkteschnitt seit Michael Frontzeck" die Runde machen, ist das die logische Konsequenz. Alternativlos... hätte eine Merkel gesagt.

Und hier muss man festhalten, dass es wirklich überfällig war. Saisonübergreifend 10 Bundesliga-Spiele ohne Sieg und 5 Spiele ohne Tore. Über den misratenen Schlussspurt der letzten Saison wurde von allen Seiten schon ausführlich geschrieben. Was dabei aber viele ignorieren: Schon die vorletzte Saison endete eher dürftig. Nicht ganz so katastrophal wie die letzte, aber das war auch schon weit weg von gut.

Kurzer Einschub: Ich fahre gerade Bahn durch ein digitales Entwicklungsland. Deswegen habe ich die Daten gerade nur auf einem Handy... Trust be, Bro: Schon 2024 endete mit 6 sieglosen Spielen. 1 Sieg aus den letzten 12 Spielen... inklusive eines Ausscheiden im DFB-Pokal gegen den 1.FC Saarbrücken. Man  spielte damals relativ viel Unentschieden, deswegen viel das nicht ganz so auf. Aber am Ende wurde man auch nur 14..

Man hatte also Daten aus 2 Jahren gemeinsamer Arbeit, die nahelegen, dass Seoane die Mannschaft nicht wirklich besser machen kann. Oder das er die Kabine im Laufe der Saison verliert. Oder beides. Ein Mal kann das passieren, aber doch nicht 2 Jahre infolge.  Da muss man sich als Manager schon fragen, das der Trainer unter der Woche eigentlich so macht.

Eine Trennung im Sommer wäre schon ein konsequenter und nachvollziehbarer Schritt gewesen. Vor dieser Entscheidung wollte man sich aber anscheinend drücken. Stattdessen schob man diese bis zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt auf.

Denn jetzt hat man ja nochmal einen ganzen Sommer mit Seoane gearbeitet und geplant. Man wird den schon gefragt haben, ob er einen Giovanni Reyna gebrauchen könnte.  Und dann hat man ihm nochmal die Länderspielpause gegeben, damit er das Ruder nochmal rumreißen kann... Obwohl er bereits in diesem Verein nachgewiesen hat, dass das nicht seine Spezialdisziplin ist. Dass man gegen Bremen verliert, war da eher erwartbar. Nur das man sich so abschlachten lässt, war vielleicht überraschend. Wobei sich das auch in Grenzen hält, denn die Mannschaft versucht ja seit Monaten dem Management zu vermitteln, dass das mit diesem Trainer nicht funktioniert.

Wenn man wenigstens vor der Länderspielpause reagiert hätte, hätte man zumindest ein größeres Zeitfenster gehabt, um einen Nachfolger zu finden. Stattdessen setzte man auf das Prinzip Hoffnung. Daumen drücken, dass das schon irgendwie wird. Und mit diesem Prinzip ist man krachend gescheitert. Das ist für mich das offensichtlichste Merkmal für schlechtes Management.

Da frage ich mich als nächstes, warum die Luft für Roland Virkus jetzt auch dünner wird. Der hat noch Luft? Hat der, abgesehen vom Tim Kleindienst Transfer irgendwas in der Vita stehen, dass dies rechtfertigt? Das epische Zaudern und Zögern im Fall Seoane spricht eher dagegen.

Der hat ja, um den Datensatz etwas zu erweitern, auch bei Bayer Leverkusen nachgewiesen, dass er nicht langfristig erfolgreich arbeitet. Falls das irgendjemand vergessen hat: Seoane war der direkte Vorgänger von Xabi Alonso. Der hat die Mannschaft auf Platz 16 übernommen. Wer sehen will, wie sich ein besserer Trainer auf eine Mannschaft auswirkt, sollte sich den Übergang mal angucken. 

Virkus hat sich das angesehen und gedacht: Geil, dem Seonae gebe ich einen langfristigen Vertrag mit Millionengehalt. Das Gehalt ist so fett, dass man eine Entlassung im 2. Sommer schwer rechtfertigen kann. Dadurch hat er sich jetzt in diese bescheidene Situation manövriert.

Wenn man dagegen guckt, wie ein ordentlich geführter Verein auf einen derartigen Fehler reagiert. Also ja, dass Simon Rolfes einen Erik ten Haag nach 2 Spieltagen entlassen hat, sieht sehr schlecht aus. Die Verpflichtung dieses Trainers war halt eine Fehlentscheidung. Aber sie führte dazu, dass Rolfes und Virkus sich im selben Szenario befanden. 
Nur kam Rolfes halt zu dem Schluss, dass er den Trainer lieber gleich entlässt, während Virkus lieber noch 3 Monate wartet. 

Und natürlich kann man jetzt schreien, dass die Trainer ja viel zu schnell geopfert werden. Man kann ja nicht ständig den Coach austauschen, man muss die Mannschaft in die Verantwortung nehmen. Das hätte ich auch genau so geschrieben... Wenn man Seonae nach dem ersten verkackten Schlussspurt entlassen hätte. Wenn man dem Trainer danach aber noch eine ganze Saison gibt, um allen zu beweisen, dass es nicht an ihm lag, hat man ihm definitiv genügend Zeit gegeben. 

Montag, 8. September 2025

Weniger Qualität bringt anscheinend wirklich mehr Ertrag

 Also als Nadiem Amiri und Maximilian Beier eingewechselt wurden, und dafür der teure Einkauf der Premiere League und ein Champions League Sieger gingen, passierte ja wirklich etwas... Unfassbar.

Aber ich bezweifle nach wie vor, dass man die relativ niedrige Qualität auf dem Platz künstlich verringern muss. Den Luxus konnte man sich 2014 leisten, aber die Zeiten sind vorbei.

Das ist so ein Gedanke, den ich nach meinem letzten Post hatte und jetzt mit euch teilen will: Wer von den aktuellen Nationalspielern wäre 2014 Stammspieler gewesen? Gehen wir mal fix die ideale Startelf vom 7:1 durch: Neuer - Höwedes, Hummels, Boteng, Lahm -  Kroos, Schweinsteiger, Khedira - Özil, Klose, Müller.

Man kann jetzt darüber reden, dass wir immer noch keinen Linksverteidiger haben. Und dass im Finale Christoph Kramer spielte, weil Sami Khedira verletzt ausfiel. Dass Jogi Löw zu seinem Glück auf der Rechtsverteidigerposition gezwungen wurde, weil sich Shkodran Mustafi ebenfalls verletzt hat. Aber das eine richtig gute Mannschaft. Ich hab ja damals schon behauptet, dass diese Mannschaft so gut war, dass selbst Löw den Titel nicht verhindern konnte, obwohl er alles versucht hat...

Was sich ja auch einfach nachweisen ließ: Die 11 Spieler in der Startelf kommen gemeinsam auf 15 Champions League Titel. Die verteilen sich auf 7 Spieler. Also auf die gesamte Karriere gesehen. Dazu standen Hummels und Kevin Großkreutz ein Jahr vor dem WM-Triumph zumindest im Finale. Dem historischen rein deutschen Finale. Die Mannschaft war so gut, dass man einen Spieler, der ein gutes Champions League Finale gespielt hatte, komplett auf der Bank lassen konnte. 6 der 10 Spieler standen in dem schon verlinkten Finale. Toni Kroos fehlte verletzt, es hätten also locker 7 sein können.

Die aktuelle Mannschaft hat Antonio Rüdiger, Serge Gnabry, Leon Goretzka und Joshua Kimmich. Die kommen zusammen nur auf 5 Titel. Da hat ein Kroos alleine mehr... Und die dürfte alle den Höhepunkt ihres persönlichen Schaffens bereits erreicht haben.

Oh und wollt ihr noch eine krasse Statistik: 2020/21 spielten Antonio Rüdiger und Kai Havertz im Finale. Gemeinsam mit, absurderweise, Tino Werner. Im Jahr davor standen die ganzen Veteranen der Bayern im Finale, also Kimmich, Goretzka und Gnabry. Und 2023/24 stand dann wieder Rüdiger im Finale. Gegen Borussia Dortmund. Aber von den Dortmundern, die vor gerade mal 2 Jahren diesen Überraschungserfolg feierten, stand jetzt keiner mehr im Kader. Das liegt natürlich auch an den Verletzungen von Nico Schlotterbeck und Niclas Füllkrug. Es hat aber auch viel mit dem deutlichen Leistungsabfall dieses Kaders zu tun.

Wir könnten also auf eine WM Startformation hinsteuern, in denen 2 oder 3 Spieler in den letzten 5 Jahren im wichtigsten Vereinsspiel der Saison mitgewirkt haben. Je nachdem, wie weit Liverpool kommt. Ganz nüchtern betrachtet ist Florian Wirtz ja, neben Rüdiger, der einzige Kandidat, der bei einem Verein spielt, der dieses Spiel erreichen könnte. Und der wird im Sommer seine erste Premiere League Saison in den Knochen spüren, man sollte also eher darauf hoffen, dass er nicht auch noch in der Champions League weit kommt.

Die Rückkehr einiger Verletzten wird die Situation zumindest verbessern.  Aber trotzdem ist man weit davon entfernt, eine ähnlich gute Mannschaft wie 2014 aufzustellen. Und vor allem werden weitere Verletzungen noch dazu kommen. Davon muss man im modernen Fußball einfach ausgehen. Ganz praktisch fehlte 2014 ein Marco Reus, der vorher zum Spieler der Saison gekürt wurde
Man hat halt doch überraschend viel Qualität verloren. Denn so unglücklich die Nationalmannschaftskarriere eines İlkay Gündoğan verlief: Der hat im Verein nachgewiesen, dass er zur absoluten Elite gehört. Und im zentralen Mittelfeld rückt niemand nach, der Kroos oder Gündoğan wirklich ersetzen könnte. 

Natürlich sollten Jamal Musiala und Florian Wirtz über kurz oder lang Weltklasse repräsentieren. Aber es ist schon zu bezweifeln, dass der Rest des Kaders dieses Niveau wieder oder bis zum Sommer erreichen wird. Und ich rede hier von wirklicher "Weltklasse", und nicht dem Verklären überdurchschnittlicher Spieler, was Matthias Sammer in diesem Sommer angesprochen hat.

Aber bereitet euch schonmal darauf vor, dass uns im nächsten Frühjahr erklärt wird, wie gut Nick Woltemade mit seinen 10 Premiere League Toren doch eingeschlagen ist. Wie schön und wichtig es doch ist, dass Joathan Burkardt in der Champions League mitlaufen durfte. Und natürlich, dass Kimmich im Zentrum ein echter Leader ist. Aber wenn man dann sachlich hinguckt und den Kader mit England, Spanien oder Frankreich vergleicht, sind die gerade deutlich besser und deutlich tiefer besetzt. Denn während die Deutschen stetig auf weniger Qualität setzen, steigt die Qualität dieser Kader immer weiter...

Freitag, 5. September 2025

Läuft ja wie ein Länderspiel

 Also ein Länderspiel der Herren, die Damen würden so was nie anbieten.

Es ist schon faszinierend, dass die Deutsche Nationalmannschaft es trotz der eher katastrophalen letzten 10 Jahre immer noch schafft, neue Tiefpunkte zu finden. Aber dann verlieren die ihr erstes Auswärtsspiel in einer WM-Qualifikation... im 53. Versuch. 

Und es kommt natürlich die erwartbaren Reaktionen. Der DFB muss quasi seine gesamte Abwehr vor rassistischen Äußerungen schützen. Her muss ich dann doch mal einen etwas komplexeren Einschub bringen: Letzte Woche habe ich es tatsächlich geschafft, den Kicker der Vorwoche zu kaufen. Also mit DFB-Pokal Ergebnissen statt Bundesliga. Ich war halt entspannt unterwegs. Das entpuppte sich aber gar nicht als ganz großer Fehlkauf, denn so bekam ich das wunderbar unkritische Interview mit Michael Gabriel als Munition. Der ist Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte und malt ein rosarotes Bild der Fanszene: die alten Hooligans wurden durch eine neue Generation an Ultras verdrängt. Und die sind so viel bunter, diverser und toleranter. Man benimmt sich auch auf Auswärtsfahrten nicht mehr so asozial. In dem Kopf von Gabriel muss das alles echt schön sein.

Das absurde: Das Interview war im selben Kicker, in dem die ganzen rassistischen Ausschreitungen des Pokalwochenendes erwähnt werden mussten. Und hey, vielleicht hat der sogar ein bisschen recht, weil sich die rassistischen Fans mittlerweile lieber in der Anonymität des Internets outen, als im Block. Dass aber keiner von denen ins Stadion geht, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Und das es gerade eher schlimmer als besser wird, sollte offensichtlich sein.

Dass Ausschreitungen einfach zu den Relegationsspielen dazugehören, wird auch einfach ignoriert. Und die Anfeindungen und Gewalt, die RB Leipzig Fans auf Auswärtsfahrten erleben durften, wird auch nicht erwähnt. Auch wenn die einfach nicht mehr wegfahren, weil sie einfach nur friedlich Fußball gucken wollen, anstatt im Krankenhaus zu landen. Diese tolerante und diverse Fanwelt bricht sofort in sich zusammen, sobald es sportlich nicht mehr läuft... oder die anderen Anhänger Fans eines Konstruktes sind, welches aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt werden muss.

Und jetzt gibt es wieder rassistische Beleidigungen nach einem Länderspiel. Das sind bestimmt nur bedauerliche Einzelfälle

Völlig absurd wird es, wenn Debütant Nnamdi Collins ins Kreuzfeuer der Kritik gelangt. Der gebürtige Düsseldorfer ist 21 Jahre alt. Er wurde vielleicht etwas früh in die Startelf geworfen, schließlich hat er erst eine ordentliche Saison in der Vita stehen. Aber von dem jetzt zu erwarten, dass er funktioniert, wenn Jonathan Tah, Antonio Rüdiger und Joshua Kimmich ihm keinerlei Hilfe geben, ist absurd. Wenn deine erfahrenen Nebenleute so einen Scheiß spielen, ist es praktisch unmöglich als Debütant gut auszusehen.

Der abgesehen von den Rassisten dümmste Kommentar, den ich gesehen habe, war nebenbei ein "Wir sollten die U21 spielen lassen"... während mit Collins und Nick Woltemade 2 der "Helden des Sommers" in der Startelf standen. Nur um zu beweisen, wie wenig sich diese Leute mit Fußball beschäftigen...

Die Frage, warum eine Mannschaft mit Tah, Rüdiger und Kimmich im Zentrum so auseinanderfällt, muss aber gestellt werden. Also bevor jetzt gleich die Forderung nach noch weniger Qualität kommt, muss man festhalten, dass da eigentlich genügend Veteranen und Führungsspieler auf dem Platz standen, um die Slowakai, eine eher drittklassige Mannschaft zu schlagen. 

Bei der Forderung nach weniger Qualität von Julian Nagelsmann muss man auch festhalten: Es ist ein wenig überraschend, wie dünn man gerade besetzt ist:

Im Tor steht gerade aus irgendwelchen Gründen Oliver Baumann. Der ist und bleibt für mich das, was ich einen durchschnittlichen Bundesligatorwart nenne. Der spielt ja auch seit Ewigkeiten in Hoffenheim, weil sich trotz oder wegen deren Achterbahnfahrten niemand für ihn interessiert. Wenn eine der konstant um Europa spielenden Mannschaften wie der SC Freiburg nach einem neuen Torwart sucht, nehmen die lieber einen jungen Niederländer mit Mark Flekken oder den eigenen Jugendtorwart mit Noah Atubolu. Wenn Bayer Leverkusen eine Lösung für ihr Torwartproblem der Vorsaison suchen, nehmen sie ebenfalls Flekken. Wenn Eintracht Frankfurt spontan nach einem Nachfolger für Kevin Trapp sucht, gucken die lieber in Bremen
Und im Ausland interessiert sich auch niemand für den. Jetzt könnte man sich natürlich einreden, dass der aufgrund der tiefen emotionalen Verbindung geblieben ist... aber wir reden von einem Mann, der nach Hoffenheim gewechselt ist. Ich habe da meine Zweifel. Und auch wenn es mittlerweile 11 Jahre her ist und er auch zu alt für einen Standortwechsel ist, so muss man auch festhalten, dass sich in diesen 11 Jahren kein einziger Premiere League Klub für ihn interessiert haben dürfte.  
Versteht mich da nicht falsch: Es ist prinzipiell nichts verkehrt daran, ein durchschnittlicher Bundesligaprofi zu sein. Damit ist man immer noch verdammt gut. Aber gerade im Tor war "verdammt gut" nie ausreichend, um ein Turnier zu spielen. Jetzt könnte er als Stammtorwart ins Turnier gehen, wenn Marc-André ter Stegen seinen Scheiß nicht auf die Reihe kriegt. Er wäre die schlechteste Nummer 1 seit Andreas Köpke 1998. Und er war der einzige Spieler, der halbwegs gut gespielt hat.

Als Außenverteidiger spielten Maximilian Mittelstädt und der bereits erwähnte Collins. Mittelestädt ist für mich auch eher ein Mitläufer, als ein Führungsspieler. Und sein Kicker-Notenschnitt von 3,44 in seiner einzigen Champions League Saison spricht nur bedingt dafür, dass er auf dem höchsten Niveau mithalten kann. Solide, aber halt nicht wirklich gut. Collins ist ein Talent, der wird vielleicht mal gut. Aber das "wird" ist hier der wichtige Teil. David Raum muss, wie ich schon in meiner Saisonvorschau geschildert habe, jetzt nachweisen, dass er mehr als nur ein Mitläufer sein kann. Und klar, die Position des Außenverteidigers ist die unwichtigste, man ist schließlich mit Benedikt Höwedes Weltmeister geworden. Also mit einem Schalker Innenverteidiger. Aber "gut" ist die Auswahl da gerade nicht.

Im zentralen Mittelfeld spielt jetzt doch wieder Joshua Kimmich, obwohl wir eigentlich alle wissen, dass er da die allerhöchsten Ansprüche nicht erfüllt. Als Rechtsverteidiger kann man mit dem die Champions League gewinnen, aber im Zentrum fehlt da einfach ein bisschen was. Neben ihm spielt Angelo Stiller. Das ist auch "nur" ein Spieler für den VfB Stuttgart. Und auch da ist er für mich kein Führungsspieler. Wenn um ihn herum alles funktioniert, qualifiziert man sich für die Champions League. Wenn dann die eigentlichen Führungsspieler zu Bayern und Dortmund wechseln, wird man Neunter. 
Dort findet man auch nur wenig Weltklasse. Und, bei allem Respekt vor Stiller, auch wenig Weltklasse-Potenzial. Also nach der Matthias Sammer Definition, dass wir den Begriff wirklich nur verwenden sollten, wenn es angebracht ist.

Auf der 10 startet dann Leon Goretzka. Ein Spieler, der seit 2 Jahren im besten Fall umstritten beim Rekordmeister ist... und das als 8ter und nicht als kreativer Kopf. Die 10 auf dem Rücken trägt Nadiem Amiri. Der musste nach Mainz fliehen, weil es für Bayer Leverkusen nicht gereicht hat. Natürlich ist er in Mainz ein Unterschiedspieler, aber das ist eben auch nur Mainz. Ich würde jetzt fast behaupten, dass Amiri die schlechteste Nummer 10 aller Zeiten ist, aber Lukas Podolski hat die jahrelang getragen. Aber eigentlich sollte diese symbolträchtige Nummer an einen Weltklassespieler gegeben werden, nicht an einen überdurchschnittlichen Bundesligaspieler.

Rechts neben Goretzka spielt Serge Gnabry, der bei den Bayern genaugenommen auch nur ein Mitläufer und kein Fixpunkt ist. 9 seiner 16 Champions League Tore hat er in der ersten Covid-Saison inklusive Final 4 erzielt. 4 davon in einem Spiel gegen Tottenham. Und natürlicht hübscht er seine Statistik gegen überforderte Bundesligisten auf, aber auf internationalem Niveau wird auch für ihn die Luft schnell dünn.

Ganz vorne stürmt Woltemade, der genau genommen auch nur ein starkes Halbjahr im Lebenslauf stehen hat. Und der, wie jetzt alle richtig festgestellt haben, auch nicht zu dem absoluten Spitzenverein in England gewechselt ist, sondern nur zu panisch mit Geld um sich werfenden Newcastle United. Jetzt muss er erst noch nachweisen, dass er sich in der Premiere League durchsetzen kann.
Immerhin spielt er bei einem der Big 7 und in der Champions League, während sein direkter Konkurrent Niclas Füllkrug im Mittelmaß der Premiere League versunken ist. 3 Premiere League Tore schreien jetzt nicht nach "Hoffnungsträger"...

Dann ist da noch Florian Wirtz, der in seinen wenigen hellen Momenten Weltklasse zumindest aufblitzen ließ. Der ist aber für mich auch der einzige, von dem ich das erwarte.

Um das nochmal zu verdeutlichen: Das sind alles gute Fußballer. Bei einem Kimmich konnte man sich ja sogar einreden, dass der mal Weltklasse war. Und als Ergänzungen zu einer starken Startelf kann der eine oder andere durchaus auch Weltmeister werden. Aber nur mit diesen Spielern ist es unmöglich. Und wenn Wirtz dann einen Scheißtag erwischt, reicht es nicht mal für die Slowakai.

Natürlich sollten Jamal Musiala und Kai Havertz zumindest in der Offensive einiges regeln, wenn die wieder gesund sind. Aber im letzten Turnier hat man deutlich gesehen, dass selbst sich selbst die Übertalente Musiala und Wirtz einspielen müssen. Da dürfte jetzt schon wieder wichtige Zeit verloren gehen, weil die sich bis März nicht sehen werden. Aleksandar Pavlovic sollte zumindest langfristig ein Problemlöser sein. Aber so viele verletzte Hoffnungsträger gibt es gerade auch einfach nicht.

Gegen die Slowakei hätte man trotzdem nicht verlieren dürfen. Aber dieses Spiel macht zumindest mir deutlich, wie dünn die deutsche Mannschaft gerade wirklich besetzt ist: Es gibt am Ende viel zu wenige Spieler, die Weltklasse repräsentieren. Und einigen von denen, die es waren (Antonio Rüdiger hat 2 Mal die Champions League gewonnen, das kann kein komplett Blinder sein), funktionieren im Nationalteam seit Jahren nur bedingt. Das ist ein hochgefährliches Gemisch.

Andererseits... könnte man in der Gruppe auch Letzter werden und sich trotzdem über den Nations League Weg für die WM qualifizieren. Jetzt muss man abschätzen, ob man da die leichteren Gegner findet... 

Montag, 1. September 2025

Zeit für Überreaktionen

Schließlich sind schon 2 Spieltage absolviert. Da kann man ja mal alles über Bord werfen und den frisch verpflichteten Trainer entlassen. Obwohl... damit will sich Bayer Leverkusen ja erst ab morgen beschäftigen, heute müssen sie noch Spieler für diesen Trainer einkaufen.  Oder sie entlassen den Trainer direkt nachdem ich auf "absenden" geklickt habe... passiert.

Ernsthaft: Ich war eine Woche offline und das Erste, was ich lese, ist: Erik ten Haag steht vor der Entlassung. Wie schafft man es bitte so schnell jeglichen Kredit zu vercoachen?

Und dann wurde auch noch Nick Woltemade verkauft. Für 90 Millionen an Newcastle United. Eine schmerzhafte Backpfeife für die Bayern, die sich anscheinend wirklich damit anfreunden müssen, die absurden Mondpreise zu bezahlen. Und das möglichst schnell. Denn wenn sie es nicht machen, kommt irgendein Premiere League Verein und legt noch mal 20 Millionen drauf. Man muss die Verhandlungen anscheinend dringend abschließen, bevor man sich zur Auslosung der Champions League trifft...

Die viel wichtigere Nachricht: RB Leipzig wird Meister. Die haben das erste Spiel im Absicht 0:6 verloren, die wollten sicher gehen, dass sie die Saison auf Platz 18 starten. Dass sie dafür gegen die Bayern und nicht gegen Augsburg mit 0:6 verlieren mussten, war nicht eingeplant, aber das "Von 18 auf die 1. RedMüll verleiht Flügel" Merch ist schon designt. Findet euch schonmal damit ab. 

Apropos Augsburg: Der Wagner Effekt ist schon deutlich spürbar: Der Verein bekam sein erstes Topspiel seit 10 Jahren! Also zumindest, wenn man dem Sportschau-Kommentator vertraut, ich mache das einfach mal... Nebenbei seht ihr in dem Video direkt, wie Luis Diaz sich direkt als "Gomez des Jahres" vorstellt. Dichter an das Original kann man quasi nicht rankommen. Ich finde es ja richtig gut, dass der Neuzugang erstmal die besten Szenen seiner Vorgänger raussucht und dann nachspielt. So funktioniert Integration. Vor allem, weil man Gomez legendären Fehlschuss mittlerweile nicht mehr als Video bei Youtube, sondern nur als Standbilder bei Dailymotion findet...

Anyhow, zurück zu den Augsburgern: 10 Jahre lang dachte die DFL sich anscheinend: Das tun wir den Fernsehstationen und Fans (in genau der Reihenfolge) nicht an. Wir wollen ja nicht, dass die Zuschauer zur Sportschau rennen... Diesen assig-giftigen Antifußball können wir einfach nicht am Samstag Abend zeigen. Wahrscheinlich gibt es sogar irgendein Gesetz dagegen, weil man um diese Zeit ja "Unterhaltung" und nicht "Folter" zeigen soll. (Gibt es nicht, die zeigen seit Jahren Schalke am Samstag Abend.) Dann übernimmt Sandro Wagner den Verein und schon an seinem 2. Spieltag laufen die um 18:30 auf. 

Und dann machen die etwas, womit die Bayern definitiv nicht gerechnet haben: Die wehren sich einfach, anstatt sich nach dem 3:0 noch weitere Tore einschenken zu lassen. Wie unfair! Wenn das die Runde macht, kann sich der Kicker nicht mehr 6 Monate lang einreden, dass die Bayern ja in der Champions League eine relevante Rolle spielen können. Das geht so nicht.

Letzter Random Fun Fact: Die Bayern erzielten das 2:0 in der 49. und das 3:0 in der 48. Minute. Sie haben also erfolgreich das Raum-Zeit-Kontinuum aufgelöst. Herzlichen Glückwunsch. 

Kommen wir aber zu einer ernst gemeinten Überreaktion: St. Paulis Offensive ist gut. Und zwar sofort. Ich ging davon aus, dass die mindestens 10 Spieltage brauchen, um 5 Tore zu erzielen. Nur so als Referenz: Letztes Jahr brauchten sie 7 Spiele. Und es gab eigentlich wenig Anzeichen, dass die über den Sommer deutlich besser geworden sind.
Das wichtigste dabei: Die Tore gegen den Hamburger SV sind reproduzierbar. Das waren keine überragenden Einzelleistungen und Sonntagsschüsse, sondern schnelle Umschaltmomente, die konsequent ausgespielt wurden. Und selbst wenn der Ausgleich gegen Dortmund einer dieser Sonntagschüsse war: Wie die sich vorher den Ball zuschieben, war ein ganz neues spielerisches Level. Letztes Jahr bestanden die Schlussoffensiven meistens aus hohen Flanken auf Jackson Irvine, jetzt schieben die sich den Ball auf engem Raum hin und her... 

Ganz ehrlich: Ich bin völlig verwirrt. Also selbst die größten Optimisten dürften zumindest eine schwierige Anpassungsphase erwartet haben, weil ja wirklich niemand die aus unterklassigen Ligen geholten Spieler kannte. Und jetzt spielen die direkt so einen Fußball. Wenn die das halbwegs durchziehen, spielen sie eine sorgenfreie Saison und dann muss Alexander Blessin zum Trainer des Jahres gewählt werden. Und ja, es ging "nur" gegen den HSV und Borussia Dortmund, die ja gerne mal umotiviert verkacken. Aber sie haben auch auf den einen "guckt mal, ich kann es doch, gebt mir noch eine Chance" Moment von Julian Brandt zu reagieren, anstatt sich nach dem 1:3 mit der Niederlage abzufinden. Ich bin wirklich beeindruckt. 

Donnerstag, 21. August 2025

Die "X- Faktoren der Bundesliga" Part 2

 Das Meisterrennen. Lasst uns einfach mal so tun, als hätten all diese Mannschaften und nicht nur der FC Bayern eine realistische Chance auf den Titel.

Niemand, VfL Wolfsburg: Das klingt jetzt brutal, ist aber genau genommen so. Die Zeit der richtigen Star-Transfers wie Kevin De Bruyne, Julian Draxler oder André Schürrle sind halt seit 10 Jahren vorbei. Trotzdem investiert man in Wolfsburg jedes Jahr 15-20 Millionen mehr auf dem Transfermarkt, als man einnimmt. Aber man kauft halt nur gehobenes Mittelmaß. Lovro Majer ist einer dieser Paradebeispiele. Solide, aber nicht überragend. Und wenn Spieler wie Micky van de Ven oder Felix Nmecha doch der Durchbruch gelingt, sind die verdammt schnell wieder weg. Diese Spieler betrachten den VfL auch nur als Durchgangsstation. Man ist quasi ein Borussia-Abklatsch, nur ohne Tradition und den regelmäßigen Europacup Teilnahmen.
Aus dieser Falle gibt es auch kein entkommen. Volkswagen wird ja doch noch so viel Geld in den Verein pumpen, dass ein Abstieg utopisch erscheint. Auf der anderen Seite dürfte man sich alle 5 Jahre für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren, aber die Konkurrenz hat, gerade wenn es um die Champions League geht, wesentlich größere Möglichkeiten. Aber hier ist das viel größere Problem: Selbst wenn es dieses Jahr, und man wäre ja mal wieder dran, für den Europacup reicht, wird das niemanden interessieren...

Shuto Machino, Borussia Mönchengladbach: Ok, ganz ehrlich: Eigentlich ist die wichtigste Frage, ob man den Saisonstart in Abwesenheit von Tim Kleindienst so krass verkackt, dass Gerardo Seoane endlich entlassen wird. Und hier muss man wirklich "endlich" sagen, denn alle seine Saisons verliefen irgendwie gleich: Ein ordentlicher Start lässt seinen Verein von Europa träumen. Ein verkackter Schlussspurt beerdigt diese Träume. Wenn eine Mannschaft regelmäßig zum Saisonende so nachlässt, wie Gladbach in den letzten 2 Jahren, ist dies ein verdammt schlechtes Zeugnis für den Trainer. 
Aber Machino könnte all das verhindern. Denn der Japaner war für Holstein Kiel genau der 11 Tore-Stürmer, den die anderen Abstiegskandidaten unbedingt brauchen. Und 11 Tore in einer chronisch überforderten Mannschaft zu erzielen, ist eine bemerkenswerte Leistung. Jetzt ist aber die große Frage: Ist Machino wirklich ein guter Spieler, der unter einem besseren Umfeld richtig aufblühen wird? Oder ist er, um das Extrembeispiel zu bringen, der nächste Theofanis Gekas? Ein Spieler, der nur bei einem Abstiegskandidaten funktioniert, weil da alles auf ihn zugeschnitten ist und er sich nirgends unterordnen muss.

Nick Woltemade, VfB Stuttgart: Offensichtlich. Für mich gibt es da, solange nicht doch noch ein Wechsel zustande kommt, 3 Szenarien: Woltemade bestätigt seine starken Leistungen der Rückrunde, schießt den VfB in die Champions League und Deutschland ins historische erste Achtelfinale bei einer WM seit Ewigkeiten. Er wechselt dann für 100 Millionen in die Premiere League.
2.) Woltemade spielt eine, für einen Nationalstürmer, durchschnittliche Saison mit 10 Toren und 5 Torvorlagen. Er wird nach der Saison als der neue Hoffnungsträger in Dortmund vorgestellt.
3.) Er wird ein One-Season-Wonder. Er schießt immer gerade so seine 6 Tore, die dazu führen, dass er den Rest seiner Karriere im Schwabenland verbringen kann. Und immer, wenn er dann mal trifft, kommen die melancholischen Erinnerungen an den Sommer 2025 hoch, als man ihn für 45 Millionen verkaufen konnte, aber auf eine Weiterentwicklung gesetzt hat. 
Und ich halte alle 3 Szenarien für annähernd gleich wahrscheinlich. Es ist schließlich kein Zufall, dass ein 22-jähriger Woltemade ablösefrei zu haben war...

David Raum, RB Leipzig: Klar, für die Highlights werden andere sorgen. Hoffentlich, für den allgemeinen Unterhaltungswert, Xavi Simons. Aber talentierte Offensivspieler wird der Dosenklub immer finden. Also einfach nur, weil sie verdammt gut darin sind, solche Spieler zu scouten und dann zu entwickeln. Ob jetzt Xavi oder Baumgartner den Taktstab im Mittelfeld schwingt, wird am Ende nicht den Unterschied ausmachen. Meister wird man dieses Jahr eher nicht, für Platz 4 sind beide gut genug. Aber diese Talente brauchen halt ein stabiles Gerüst, um konstant zu spielen. Letztes Jahr hat man gesehen, was passiert, wenn dieses Gerüst nicht funktioniert. Raum soll mittlerweile der Kapitän dieser Truppe sein, er ist also die Stütze. Xaver Schlager und Willi Orban sind weitere Namen. 

Julian Schuster, SC Freiburg: Lasst uns einfach mal festhalten, was für eine unfassbare Leistung Schuster vollbracht hat: Er hat Christian Streich nahtlos ersetzt. Bereits im Oktober konnte Streich ganz entspannt ins Stadion gehen, ohne mit einem "Wann kommst du zurück" konfrontiert zu werden. Wenn man bedenkt, dass historisch alle Vereine (Freiburg nach Volker Finke und Werder Bremen nach Otto Rehagel und Thomas Schaaf sind ja die einzigen Fallbeispiele) genau daran gescheitert und mehr oder weniger krass abgestürzt sind, ist das mehr als herausragend. Jetzt kombiniert man schon wieder den "Wir haben einen der besseren Trainer" Faktoren mit dem ruhigsten und stabilsten Umfeld. Da ist es am Ende fast egal, wer auf dem Platz steht.

Julian Brandt, Borussia Dortmund. Ok, eigentlich Jobe Bellingham, denn solange Brandt noch dein Schlüsselspieler ist, hast du ein verdammtes Problem. Aber wenn Bellingham komplett einschlägt, hat man ja die Lösung für dieses Problem. Zumindest für die 18 Monate, die Bellingham überragend abliefern wird, bevor er weiterzieht. 
Absurderweise ist Bellingham echt der einzige Transfer, den man in Dortmund getätigt hat. Die neue Küche wird ja nicht auf dem Platz stehen und Yan Couto war ja bereits ausgeliehen. Man hat mit Niko Kovač auch einen eher durchschnittlichen Trainer an der Seitenlinie. Und nur Gittens wurde abgegeben. Wenn man bedenkt, dass alle im Winter von einem großen Umbruch geredet haben, ist das ganz schön mickrig. Vor allem deutet das auf eine ähnliche Saison wie im Vorjahr hin. Nur halt nicht mit ganz so extremen Ausschlägen. Aber es ist ja nur die Bundesliga, für Platz 2 bis 4 wird es reichen.

Mario Götze, Eintracht Frankfurt: Hier kommt eine Statistik, die mich selbst schockiert: Götze ist der 2. dienstälteste Offensivspieler der Eintracht nach Ansgar Knauff. Der kam auch nur ein halbes Jahr vorher. Nicht nur das: Im gesamten Kader sind nur noch Jens GrahlTuta und der ewige Timothy Chandler länger im Verein. Das habe ich so nicht kommen sehen, als der 2022 ablösefrei verpflichtet wurde.
Götze ist aber auch der am schwierigsten einzuschätzen Spieler des Landes. Einerseits hatte er seine extremen Highlights in den jüngsten Jahren. Ich bleibe dabei: dass der "nur" ein guter Bundesligaspieler geworden ist, ist eine Enttäuschung. Der hatte eigentlich eine Weltklasse Karriere vor sich. Er ist aber auch der einzige Spieler, der sich mit einem jungen Götzen vergleichen muss, was auch irgendwie unfair ist.
Dazu kommt, dass sein Einfluss aufs Spiel nicht so mega offensichtlich ist. Er ist eher der Einfädler im Zentrum, der den vorletzten Pass spielt. Deswegen kommt er in 3 Jahren "nur" auf 9 Tore und 6 Vorlagen in der Bundesliga. Trotzdem ist er, wenn er fit ist, unumstrittener Stammspieler. Damit ist er irgendwie auch die Grundlage für diese fantastische Offensive, die dem Verein fast 400 Millionen Euro eingebracht hat. Dass all diese Stürmer so gut einschlagen konnten, muss irgendwie auch an Götze liegen.
Mittlerweile ist der 33 und er muss irgendwann den Taktstock an Can Unzun weitergeben. Andererseits sollte Götzes Spiel, da ihm seit Jahren die absolute Spritzigkeit fehlt und er mehr übers Auge kommt, gut altern.
Eigentlich lautet die Frage natürlich, ob Burkhardt so einschlägt, dass Frankfurt wieder Champions League spielt. Aber es sollte bedacht werden, welch wichtige Rolle Götze bei diesem Einschlag spielen wird.

Malik Tillman, Bayer Leverkusen: Also unter anderem. Dass eine Mannschaft in einer Saison so auseinanderbricht, ist außergewöhnlich. Es werden zwar alle sofort auf die Dortmunder Meisterelf zeigen, aber zwischen dem Abgang von Mario Götze 2013 und dem Wechsel von Mats Hummels 2016 lagen 3 Jahre. Das Schlüsselquartett Götze, Lewandowski, Gündoğan und Hummels gingen mehrere Jahre ins Land. Leverkusen muss in diesem Sommer Florian Wirtz ersetzen, was alleine schon unmöglich ist. Und dazu noch Xhaka, Tah und Frimmpong. Dazu ging auch noch der Trainer und der offizielle Stammtorwart. Wer wirklich glaubt, dass dieser Verein ganz oben angreifen kann, muss sehr naiv sein. Tillman ist der offensichtlichste 1 zu 1 Ersatz für Wirtz. Das wäre selbst dann unmöglich, wenn die Achse dahinter erhalten bliebe. Ein weiterer Rückschritt muss bei der Werkself so oder so eingeplant werden. Aber wenn Tillman voll einschlägt, spielt man weiter in der Champions League. Wenn nicht, geht es nur in die Europa League, was ich für wahrscheinlicher halte.

Serge Gnabry, Bayern München: Es gibt eigentlich nur ein Szenario für eine halbwegs spannende Meisterschaft. Und halbwegs spannend heißt hier auch nur "Sie ist nicht schon im März entschieden": Die Bayern zahlen die Zeche für die Klub-WM und stolpern deswegen müde durch die Liga. Und diese Zeche lässt sich am besten an ihrem Besten festmachen: der Verletzung von Jamal Musiala. Langfristig könnte das sogar gut sein, weil ein frischer und auskurierter Musiala Deutschland dann im Sommer ins historische Achtelfinale bei der WM führen könnte. Dafür muss aber Serge Gnabry liefern. Der ist plötzlich die erste Option im zentralen offensiven Mittelfeld. Damit ist er der Fixpunkt des Angriffs. Und der Kader ist so dünn besetzt, dass er kaum noch Alternativen bietet. Also man könnte Michael Olise ins Zentrum setzen, aber dann muss Gnabry halt auf dem Flügel ran... Damit sind Gnabrys Leistungen plötzlich nicht nur für diese Saison relevant.
Ganz praktisch gerechnet: Wenn die schwächelnden Bayern im November oder Dezember hinter dem FC St. Pauli auf Platz 2 und in der Champions League nur auf Platz 14 liegen, könnte die daraus resultierende Nervosität dazu führen, dass Musiala so schnell wie möglich auf den Platz zurückkehren muss.
Wenn man dagegen 6 Punkte Vorsprung auf Platz 2 hat und in der Champions League um Platz 8 mitspielt (also im Worst-Case-Szenario in der Zwischenrunde auf einen leichteren Gegner trifft) kann man Musiala bis März ganz behutsam und vorsichtig an die erste Mannschaft heranführen. Das könnte dann einen massiven Einfluss auf Musialas weitere Karriere haben, denn es wird allgemein nur ganz wenige Möglichkeiten für den geben, sich vernünftig auszukurieren und ein ordentliches Aufbautraining zu absolvieren. 

Butter bei die Fische: Auf die Meisterschaft wird das keinen Einfluss haben. Die holen die Bayern. RB wird 2., wie groß der Abstand ist, hängt vom Xavi verbleib ab. Dortmund und Frankfurt landen auf Platz 3 und 4, Bayer und Stuttgart in der Europa League, weil einer der 4 den DFB Pokal holt. Und Wolfsburg darf in der Conference League über die europäischen Dörfer ziehen... irgendjemand muss doch.