Montag, 24. März 2025

Wie man das freie Zeitfenster geschickt nutzt

 Denn wenn sich die "Ultras" angeblich nicht für die Nations League interessieren, muss man das ja ausnutzen... und eine Gegendemonstration in die Nische bringen.

Da der Herren-Fußball ja so unfassbar dominant in unserem Programm ist, dass er beinah alles platt macht, ist das unfassbar schwierig. Aber der Frauen-Fußball hat diese Chance tatsächlich ergriffen. Sie haben der "Warum spielt dann nicht wenigstens die 2. und 3. Liga" Fraktion eine andere Option gegeben.

Die Antwort auf diese dämliche Frage lautet nebenbei: Weil auch diese Vereine Nationalspieler haben, die sie abstellen müssen. Du willst doch nicht, dass dieses verdammt enge Aufstiegsrennen dadurch entschieden wird, dass ein wichtiger Spieler auf Reisen ist?

Wenn man diesen Leuten dann mit einem "Dann guck doch Frauen-Fußball, die haben richtig interessante Spiele im Kalender" kommt, lachen die einen natürlich aus. Da kann man dann aber elegant mit einem "Die heulen und simulieren dir wahrscheinlich zu wenig..." kontern. Aber dass Ultras eigentlich Frauen-Fußball gucken müssten, weil es dort all das gibt, was sie ständig fordern, belegt ja nur ihre Bigotterie...

Dabei haben die echt richtig gute Spiele in die Lücke platziert. Bayern und Wolfsburg hatten ihre Heimspiele im Champions League Viertelfinale. In Wolfsburg kamen 13.000 Zuschauer ins Stadion, obwohl die eigentlich im Werk sein mussten... Also das war ja immer die Ausrede, warum die Champions League Spiele der Herren so schlecht besucht sind. 

Die Bayern-Damen müssen derweil auch im Champions League Viertelfinale weiterhin auf dem Campus vor 2.500 Zuschauern spielen. Das ist halt auch der Unterschied zwischen Bayern und Wolfsburg, da ist ein Viertelfinale nur die Pflichterfüllung und die Feiertage beginnen ab dem Halbfinale.

Vor allem zeigte sich tatsächlich ein anderes Problem: Beide Mannschaften waren in ihren Heimspielen weitestgehend chancenlos. Während man die ersten Jahre in diesem Wettbewerb noch krass dominiert hat, wurde man mittlerweile von den Engländerinnen und Spanierinnen überholt. Und Turbine Potsdam, die den Wettbewerb 2 Jahre infolge gewinnen konnten, stehen sieglos am Ende der Tabelle.

Die Bundesliga-Tabelle zeigt nebenbei wahrscheinlich den einen Fehler, der dort gerade gemacht wird. Denn man hat sich ja für eine Aufstockung auf 14 Mannschaften entschieden. Deswegen steigt dieses Jahr nur eine Mannschaft ab. Aber das könnte dazu führen, dass Carl Zeiss Jena ohne einen einzigen Sieg den Klassenerhalt feiern kann.  Und das Ende der Tabelle ist ja regelmäßig völlig absurd. Letzte Saison holte der MSV Duisburg 4 Punkte. Den absoluten Tiefpunkt lieferte Borussia Mönchengladbach 2018/19 mit einem einzigen Punkt.

So schön das Wachstum des Frauen-Fußballs ist, es findet ausschließlich an der Spitze statt. In der Breite schafft man es konstant nicht, 12 wettbewerbsfähige Teams zusammenzustellen. Deswegen versucht man es jetzt mit 14 Mannschaften. Das klingt sinnvoll.

Einer dieser potenziell 14 Mannschaften spielte dann am Sonntag im Volkspark vor 57.000 Zuschauern. Denn der DFB zog direkt mit dem Pokal-Halbfinale nach. Man bekam dort ein klassisches Nordderby geschenkt: Hamburger SV - Werder Bremen. Und das war direkt eine Pokal-Klassikerin. Also ein Spiel, über das man noch Monate reden würde, wenn es die Herren ausgetragen hätten:

Die auch bei den Damen höherklassigen Bremerinnen dezimierten sich unmotiviert selbst. Der HSV kämpfte aufopferungsvoll und warf alles in die Wagschale, konnte der Vereins-DNA aber nicht komplett aus dem Weg gehen: Ein krasser Patzer der Torhüterin in einer Pressing-Situation schenkte dem Favoriten die Führung. Aber der Ausgleich von Sarah Stöckmann in der 90. Minute brachte das Stadion zum Explodieren. Direkt hätte Hamburg fast das nächste, diesmal wirkliche Eigentor produziert, aber Inga Schuldt bekam tatsächlich die Chance, ihren krassen Fehler vor dem 0:1 wieder gutzumachen. In der Verlängerung vergab Lisa Baum die große Chance den HSV tatsächlich in Führung zu bringen, bevor der Kommentator feststellte, dass ein Treffer jetzt wohl die Entscheidung bringen könnte... also nicht nur die Dramatik, sondern sogar die völlig bescheuerten Kommentare waren auf Herren-Niveau. Diesen Treffer erzielte Sophie Weidauer nach einer starken Kombination. Und gegen nun alles verzweifelt nach vorne werfende Hamburgerinnen gelang ihnen noch das 3:1. 

Aber ganz ehrlich und trotz all der Verlängerungen in der Nations League: Dieses Pokal-Halbfinale war das eine Spiel, welches man als deutscher Fußball Fan gesehen haben sollte. Also bevor man verzweifelt im Kalender guckt, ob die Dritte Liga vielleicht doch spielt. Es lieferte all das, was einen guten Pokal-Fight ausmacht.

Und der DFB hat das tatsächlich bewusst und langfristig geplant. Denn eigentlich sollte der HSV an diesem Wochenende in der 2. Liga gegen den SV Weinberg spielen. Das Spiel wurde aber auf Mittwoch, den 5.3. vorverlegt. Anstoß 12 Uhr... Da kommen dann nur die wirklichen Ultras. Alle 160. Dass der HSV während des Pokal-Wochenendes dann Platz 3 wieder an den SV Meppen abgeben musste, ist dem richtig seriösen Kommentator natürlich auch nicht aufgefallen. Das ist der Qualitätsjournalismus, den an den uns Béla Réthy so gewöhnt hat.

Jetzt könnten Kritiker natürlich anmerken, dass ich selbst, wenn ich den Frauen-Fußball so richtig ernst nehmen würde, auch wissen muss, dass die HSV-Damen durchaus in der Lage sind, aufzusteigen. Also noch nicht in die Bundesliga, aber die sind 2023 in die 2. Liga aufgestiegen. Stimmt. Und das mache ich jetzt auch nur bedingt besser, wenn ich jetzt behaupte, dass ja "sogar die Frauen" das mit dem Aufstieg schonmal hinbekommen haben, da kann das ja alles nicht so schwer sein... Ja, der HSV ist "nur" der einzige Verein in Deutschland, dessen Herren-Mannschaft noch nie aufgestiegen ist. 

Im 2. Pokal-Halbfinale war die TSG 1899 Hoffenheim auf dem Weg, den Titelfavoriten aus München aus dem Wettbewerb zu werfen, bevor auch hier ein Fehler der Torhüterin den Weg zum Comeback öffnete. Und das ist dann wahrscheinlich die eine Szene, die ihr mit sexistischen Kommentaren in den sozialen Medien zu sehen bekommen habt. Was dabei aber total unfair ist: Der Kontext wird komplett ignoriert. Denn die 21-jährige Laura Dick musste in der 51. Minute eingewechselt werden, weil sich Stammtorhüterin Martina Tufekovic in der 49. Minute verletzt hat. Sie konnte sich also 2 Minuten lang "warm" machen. Dann wurde sie direkt und aus der völligen Kalten in eine unangenehme Situation geschickt, in der sie dann verkackt hat. Das ist eben nicht "typisch Frau", sondern etwas, dass jungen Menschen passiert, wenn sie unerwartet und unvorbereitet in eine extreme Stresssituation geschickt werden.

Es gäbe genügend Ansätze, diesen Aussetzer zu erklären, ohne irgendwie das Geschlecht ins Gespräch zu bringen. Aber dann wäre Mann ja kein sexistisches Arschloch....

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