Schockierend, ich weiß. Obwohl... da auch 8 von 10 bezahlten Bundestrainern eher scheiße sind, passt das statistisch sogar: Warum sollen die ehrenamtlichen besser sein, als die Profis? Das Absurdeste an der Nations League Woche: Man braucht nur eine viral gehende Szene, um diesen Fakt zu beweisen. Nehmen wir Antonio Rüdigers Aktion gegen Italien. Als er plötzlich bis zum gegnerischen Torwart durchpresste.
Fangen wir da erstmal mit den richtig dummen an: den Rassisten. Die sehen hier einen wild gewordenen Affen, der planlos losstürmt und damit das Land in Gefahr bringt. Die Verlogenheit dieser Rassisten kann man ganz einfach offen legen: Wenn Nico Schlotterbeck diese Aktion bringen würde, würden sie das solidarisch feiern: "Der zerreißt sich richtig für die Deutsche Nationalmannschaft! Der setzt bei Rückstand ein Zeichen und rüttelt seine Mitspieler wach und versucht diese mitzureißen! Genau das wollen wir sehen!" Nur halt nicht von einem Schwarzen. Aber prinzipiell wollen wir genau das sehen.
Aber auch die vernünftigen Menschen bekommen Angst, wenn sie diese Pressingsszene sehen: "Jedes Mal, wenn ich so was sehe, rutscht mir das Herz in die Hose!" Denn wenn man keine Ahnung von Fußball hat, sieht man eine potenzielle Gefahrensituation, wenn ein Verteidiger hoch anläuft.
Dabei muss ich an der Stelle zugeben: Mir macht diese Szene auch Angst. Aber hauptsächlich, weil ich offen dazu stehe, ein Anti-Fan zu sein. Ich sehe diese Mannschaft halt gerne verlieren. Dass die jetzt schon solche Aktionen drauf haben, macht mir Sorgen. Denn das beweist, dass sie gut trainiert werden. Und wenn eine talentierte Mannschaft auf einen guten Trainer trifft, verspricht das meistens große Erfolge.
Denn das Wichtigste an dieser Szene ist, dass die deutsche Mannschaft kollektiv auf den Ausflug von Rüdiger reagiert. Leon Goretzka lässt sich direkt ein wenig zurückfallen. Der Rest schiebt mit hoch, sodass hinter Rüdiger kein freier Raum entsteht, der bespielt werden kann. Vor allem dieser Fakt spricht dafür, dass es kein "wilder Ausflug" war, sondern eine abgesprochene Aktion. Denn nur, wenn es vorher Absprachen gab, kann eine derartige Reaktion folgen.
Es gab also das Signal "Jetzt hoch pressen" und Rüdiger war in diesem Moment der "freie Spieler", der dieses Pressing auslösen konnte. Das wurde dann einwandfrei durchgezogen, aber die Italiener konnten sich trotzdem befreien. Sie konnten aber keinen ruhigen Angriff einleiten, deswegen gab es praktisch das "Worst-Case-Szenario": Einen Einwurf tief in der italienischen Hälfte.
Also ich verlinke hier mal demonstrativ einen scheinbar sichereren, aber realistisch viel gefährlicheren Pressing-Versuch: beim Spiel Dortmund läufen gegen Leverkusen hoch an. Aber Julian Brandt geht nur halbherzig drauf, der Raum hinter der Pressinglinie ist schlecht besetzt und ein einziger Pass reicht, damit Bayer plötzlich mit viel Raum auf die Viererkette zulaufen kann. In fast schon logischer Konsequenz fällt das 3:1.
Obwohl das Pressing von den Angreifern initiiert wird, ist es wesentlich gefährlicher als der Ausflug von Rüdiger, weil eben nicht konsequent und kollektiv gepresst wird.
Natürlich lässt Deutschland mir noch genügend Hoffnungsschimmer, schließlich haben sie gerade 3 Tore gegen Italien bekommen. Aber der erste Gegentreffer entstand aus einem krassen Fehler um Aufbauspiel. Beim dritten produzierte man einen Elfmeter nach einer Ecke. Lediglich der 2. Treffer wurde tatsächlich von den Italienern heraus gespielt. Und dort zeigte sich dann: Es ist eher gefährlich, wenn man nicht presst.
Denn in der 2. Halbzeit begann man ja, sich zu schonen. Diese Schonung zeigte sich einerseits in den Wechseln im zentralen Mittelfeld, die eher semigut verkraftet wurden. Aber sie zeigte sich eben auch darin, dass man nicht mehr all die Meter in letzter Konsequenz ging, die man braucht, um ein effektives Pressing aufzuziehen. Das wichtigste hier ist aber: Während der WM wird sich niemand schonen.
Wen man mal bedenkt, wie oft in den letzten 10 Jahren das Wort "Restverteidigung" benutzt wurde, um Gegentore der deutschen Nationalelf zu erklären, ist diese Pressingssituation ein deutlicher Fortschritt.
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