Montag, 28. Mai 2018

Be careful what you wish for

In diesem Frühjahr gab es ja ein Thema, was immer wieder unterschwellig am köcheln war: Robert Lewandowski will die Champions League gewinnen und könnte zu dem Schluss gekommen sein, dass man dies woanders eher erreichen kann.

Und die allgemeine Reaktion der Bayern-Gemeinde scheint ein "Dann lasst den doch gehen!" zu sein. Für die 100 Millionen können wir uns doch einen anderen Stürmer kaufen. Das ist doch kein Problem! Wir sind doch die Bayern, wir sind größer als ein Verein.

Ich finde es ja faszinierend, dass die Bayern Fans Lewandowski aus der Liga vertreiben wollen, damit diese endlich mal wieder spannend wird.

Das Problem ist halt, dass ein Lewandowski einem 40 Tore pro Saison quasi garantiert. Also es gab eine Saison bei den Bayern, in der er diesen Wert nicht erreicht hat. Jetzt ratet mal, wie viele 40 Tore Saison die offensichtlichen Nachfolgekandidaten wie Antoine Griezman oder Paulo Dybala bisher abgeliefert haben? Die Antwort lautet: 0. Selbst ein Gonzalo Higuain, der mit seiner 36 Ligatore Saison dieses Ziel eigentlich einfach erreichen sollte, hat es noch nie geschafft. Wenn man die reine Produktion vor dem Tor eines Lewandowski ersetzen will, braucht man halt einen Lionel Messi oder einen Cristiano Ronaldo... oder natürlich Mohammed Salah. Wobei man da erst noch rauskriegen muss, ob er nicht eine Ausnahmesaison gespielt hat. Und das dürfte es auch schon gewesen sein...

Da erscheinen einem die 100 Millionen Ablösesumme auf ein Mal nicht mehr so verlockend. Denn man macht dadurch einen direkten Konkurrenten besser und muss selber tiefer in die Tasche greifen um einen jüngeren, aber schlechteren, Ersatz zu finden. Falls dieser dann wirklich Interesse an einem Wechsel in die sportlich belanglose Bundesliga hat... Was nicht selbstverständlich ist.

Und die Vorwürfe an den Polen sind halt... absurd. Natürlich ist der als Toptorjäger ein Egoist. Ist Ronaldo auch. Könnt ihr euch an die Auftritt von diesem Weltklasse Athleten gegen die Bayern noch erinnern? Also vor allem auch seine Körpersprache, weil es halt für ihn so gar nicht lief? Würde deswegen irgendjemand auf die Idee kommen, dass man Ronaldo deswegen vom Hof jagen muss? Eher im Gegenteil: Dass Ronaldo die Möglichkeit eines Wechsels in den Raum wirft, versetzt Madrid in Angst und Schrecken. Obwohl der sachlich gesehen im Halbfinale schlechter war als Lewandowski...
Ronaldos gesamte Spielanlage ist darauf ausgelegt, dass er das nächste Tor erzielt. Und dadurch der Held in der Geschichte wird. Und wenn es für ihn keine Möglichkeit gibt ein Tor zu erzielen... oder wenigstens eines vorzubereiten... dann nimmt er halt auch nicht am Spiel teil. Es würde aber niemand auf die Idee kommen, ihn daraus einen Strick zu drehen... weil er halt so verdammt gut darin ist Tore zu erzielen.
Lewandowski ist ähnlich gut. Und hat mittlerweile eine ähnliche Spielanlage... muss sich aber ständig Vorwürfe gefallen lassen...

Der nächste Vorwurf ist, dass Lewandowski unbedingt den wichtigsten Pokal, den er gewinnen kann, auch holen will... und dass er bereit ist diesem Ziel alles unterzuordnen. Sogar seinen Wohnort... Aus Lewandowskis Ansprüchen ist ja zu entnehmen, dass es ihn wirklich nur um die Eine Sache geht. Dass sein Ehrgeiz und nicht seine Gier ihn motiviert. Es fällt mir schwer ihm das vorzuwerfen.
Die Bayern sollten sich vielleicht eher fragen, warum sie Stand Jetzt nächstes Jahr eher weiter von einem Titel entfernt sein werden als dieses Jahr. Denn Franck Ribery und Arjen Robben werden nicht mehr besser werden. Und zumindest bei einem der beiden reicht es nicht mehr fürs höchste Niveau, der andere ist dann meistens verletzt.

Das wäre nebenbei eine Argumentationsweise, mit der ich mich anfreunden könnte: Ok, wir brauchen dringend einen Umbruch, denn mit dem derzeitigen Kader wird es eher nicht reichen. Also lassen wir Boateng (warum wird der für dieselbe Einstellung eigentlich nicht verflucht?), Robbery und Lewandowski gehen, setzen stattdessen auf jüngere Spieler, leben aber auch damit, dass wir das Halbfinale in den nächsten 2 Jahren als großen Erfolg betrachten müssen. Und ein Ausscheiden um Viertelfinale wahrscheinlicher ist. Dafür planen wir halt den nächsten großen Angriff auf den Titel im Jahr 2021 um Niklas Süle, Corentin Tolisso und Serge Gnabry... die in den nächsten 2 Jahren den letzten Entwicklungsschritt gehen sollen... Aber die Bayern wollen ja auch in die 2019er Saison mit der "Ein Halbfinal-Aus wäre ein Scheitern"... und dafür brauchen sie definitiv Lewandowski.

Aber das faszinierendste ist ja die Arroganz des Bayern-Anhanges: Unser Verein wird schon in der Lage sein den Abgang zu kompensieren. Denn der Verein ist größer als einzelne Spieler. War er ja schon immer.

Ähm... also zunächst mal muss man festhalten, dass der Letzte Verein, der einen Lewandowski Abgang verkraften musste, die Hinrunde auf einen Abstiegsplatz verbracht hat. Vielleicht hilft das ja, das Leistungsniveau dieses Stürmers zu relativieren: Wenn man solche Stürmer abgibt, bricht man in der Folgesaison gerne mal ein. Klar, so krass wird es für die Bayern nicht werden. Aber zu glauben, dass man ohne ihn um den Titel mitspielt, ist naiv.

Und es gibt ja in diesem Jahrtausend 2 Beispiele, bei denen die Bayern genau diese "Mia san Mia, deswegen sind einzelne Stars nicht so wichtig" Mantra angewendet haben und dabei übelst auf die Schnauze gefallen sind.
Da wäre einerseits der Ablösefreie Wechsel von Michael Ballack zu Chelsea London. Wo sich die Bayern damals echt einreden wollten, dass sie den ja eh nicht brauchen, weil er das Angebot zur Verlängerung ausgeschlagen hat. Das Ergebnis? Die schlechteste Bundesligasaison dieses Jahrtausends (man wurde 4. und musste in die Europa League) und ein Großangriff auf dem Transfermarkt, angeführt von Namen wie Luca Toni und Franck Ribery. Anders ausgedrückt: die Bayern mussten für ihre "Der einzelne Spieler ist nicht so wichtig, das kriegen wir kompensiert" Einstellung richtig teuer bezahlen (fast 100 Millionen an Ablöse + Wesentlich weniger Geld in der Europa League), was sie aber auch konnten.

Das 2. Beispiel ist wesentlich jünger. Und tut auf den ersten Blick nicht ganz so weh, weil man ja trotzdem immer Meister wurde und der Spieler nicht die offensichtlich auffälligsten Leistungen abliefert... bis man dann genau hinguckt und einem auffällt, dass Toni Kroos mittlerweile 4 Champions League Titel gewonnen hat. Den ersten noch mit den Bayern...
Der Tausch von Kroos zu Xabi Alonso wird dabei drastisch unterschätzt... Weil die Bayern ja nie zugeben würden, wie gut und prägend einer ihrer Ex-Spieler für den Weltfußball ist. Aber Kroos ist einer der Schlüsselspieler in einer der besten Mannschaften aller Zeiten... einer Mannschaft, an denen die Bayern selber zuletzt 2 Mal gescheitert sind. Seinen direkten Konkurrenten langfristig so zu stärken war wahrscheinlich einer der dümmsten Transferentscheidungen dieses Jahrtausends... Weil die Bayern es genau eben nicht geschafft haben Kroos wirklich zu ersetzen.

Und jetzt, wo Ronaldo vielleicht wirklich irgendwann alt geworden sein könnte, wollt ihr mit Lewandowski dasselbe durchziehen? Damit Madrid euch auch in den nächsten 2 Jahren aus dem Wettbewerb kegelt? Von mir aus gerne, denn es wäre wohl der einzige Weg die Liga wieder spannend zu gestalten. Seid euch aber bewusst, was ihr da haben wollt.

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