Dienstag, 7. Dezember 2021

Sind Fürth und Co. ein Problem für die Bundesliga?

Also eines als Disclaimer vorne weg: Ich habe absolut nichts gegen die meisten Mannschaften, um die es heute gehen wird. Im Gegenteil, ich respektiere ihre Arbeit. Selbst die von Schalke 04. Also falls es wirklich deren Plan war gezielt in die 2. Liga zu marschieren. Das haben sie wesentlich sauberer hinbekommen, als ihre Partner in Crime Werder Bremen und natürlich der Hamburger SV. Aber nebenbei sind genau diese 3 Vereine das eigentliche Problem.

Aber Fürth, Bielefeld, Nürnberg, Paderborn und St. Pauli? Ich ziehe meinen Hut davor, dass sie Vereine mit wesentlich besseren Voraussetzungen hinter sich gelassen haben. Aber man muss halt auch den Fakten in die Augen sehen: Die Schere geht immer weiter auseinander.

Also vor ziemlich genau 10 Jahren war es noch möglich sich als kleiner, seriös arbeitender und aufstrebender Verein sich in der Bundesliga zu etablieren. Denn damals stieg der FC Augsburg auf. Vorher gab es Mainz 05, die 2004 das erste Mal aufgestiegen sind. Aber seit dem wurde das Bundesliga-Teilnehmerfeld im Wesentlichen nur um das Kunstprojekt RB Leipzig oder "Sie haben halt doch heimlich einen Investor in der Hinterhand und Berlin ist halt ein Riesenmarkt" Union erweitert. Dass gerade ein Verein wie Mainz sich heutzutage noch in der Bundesliga etabliert, erscheint ausgeschlossen.

Das sieht man ja an einer traurigen Bilanz: Mit (sehen wir den Fakten ins Auge, oder lösen wir den größten Statcurse aller Zeiten aus) Fürth, Paderborn und Nürnberg sind in 3 von 4 Jahren einer der beiden Aufsteiger direkt wieder abgestiegen. Und die Saison ohne direkten Wiederabstieg muss halt mit einem Sternchen versehen werden: Wenn sich Schalke und Werder nicht so viel Mühe gegeben hätten, wäre der Klassenerhalt für Bielefeld wesentlich schwieriger gewesen.

Wir haben die Anzahl der Aufsteiger dank der Relegation effektiv halbiert, aber trotzdem steigt einer von denen mittlerweile regelmäßig wieder ab. Und wenn St. Pauli tatsächlich aufsteigen sollte, wird das ja nicht besser werden. Denn auch St. Pauli ist halt kein Verein mehr, der in der Bundesliga konkurrenzfähig ist.

Nur um mal zu verdeutlichen, wie absurd die Lage ist: 4 Jahre in Folge wird der Tabellenletzte nicht auf mehr als 20 Punkte gekommen sein. Es sei denn in Fürth passiert noch ein Wunder. Also ja, die Lage in Fürth ist so finster, dass "ein Wunder" schon lange vor dem Klassenerhalt beginnt. Aber hey, vielleicht kriegen sie ja Schalkes 16 Punkte aus der Vorsaison noch. Paderborns 20 Punkte sind wirklich weit weg. Nürnberg kam der Vollständigkeit halber auf 19.

Nur um das mal zu verdeutlichen: Seit der Einführung der 3 Punkte Regel gab es eine einzige Saison, in denen die Freiburger nur 18 Punkte holten. Das passierte also ein Mal in 22 Jahren.

Und wir hatten ja zwischendurch trotzdem Jahre, in denen wir einen abgeschlagenen, frühzeitig fest stehenden Absteiger hatten. Fürth Saison ohne einen einzigen Heimsieg endete trotzdem mit 21 Punkten. Köln kam bei seinem bis jetzt letzten Abstieg auf erbärmliche 22 Punkte. Was nebenbei auch nur bedeutet, dass der Trend mit den abgeschlagenen Tabellenletzten bereits 2017/18 begann...

Darmstadt lag bei seinem letzten Bundesligabesuch seit dem 14. Spieltag konstant am Tabellenende, kam aber trotzdem auf 25 Punkte. Das ist dann auch fast schon "normal", wie Hannover das Jahr davor bewies. 

Und klar, dass ein Aufsteiger als designierter erste Absteiger in die Saison ging, hat es schon immer gegeben. Aber früher konnten diese designierten Absteiger sich trotzdem wenigstens wehren. Wenn nicht gegen die Bayern, so doch wenigstens gegen Frankfurt oder Gladbach. Oftmals scheiterte man erst im "verfluchten 2. Jahr", weil die Aufstiegseuphorie einen durch die Saison trug, wie man das ja gerade in Bochum wunderbar siegt. 

Bochum ist jetzt das erste Gegenbeispiel, dass es doch geht. Aber man muss deren Lauf derzeit auch mit Vorsicht genießen. Also vor dem 8. Spieltag lagen sie fast auf Augenhöhe mit Greuther Fürth. Dann schlugen sie genau diese Fürther und damit ging dann ihr Lauf los. Aber es kann halt auch sein, dass dieser Lauf vorbeigeht und sie 10 Spiele in Folge nicht gewinnen. Bochum legt sich jetzt das Polster für die schweren Monate zu, damit sie überleben, wenn es nicht mehr läuft.

Das ist auch völlig normal. Also jeder Abstiegskandidat rutscht durch eine beschissene 7 Spiele Serie unten rein und rettet sich dann über so einen Lauf. Nur kann man in Bochum jetzt ja durchatmen, denn sie werden effektiv von Fürth und Bielefeld gejagt.

Da wird einem dann wirklich bewusst, wie schlimm die letzte Saison wirklich war. Denn nur dank der Katastrophensaison der Schalker und Bremer haben ja die Bielefelder die Klasse gehalten. Als, bei aller Liebe, wohl schlechtester Tabellen-15. aller Zeiten. Das klingt jetzt erstmal harsch, bis man auf die 26 erzielten Tore guckt. Diese wurden seit der Einführung der 3 Punkte Regel eh nur sehr selten unterboten: Von Schalke im selben Jahr. Von Gladbach 2007. Und natürlich vom Hamburger SV, der dank der Relegation trotzdem die Klasse hielten. Technisch gesehen brauchte man aber 28 Tore, um sich den Platz in der ersten Liga zu halten. Die 26 Tore reichten vorher noch nie zum (direkten) Klassenerhalt.

Es ist aber halt auch wesentlich einfacher, wenn man sich 6 Punkte dank 2 Treffern gegen hilflose Schalker sichern kann. Und hinterher musste man mit Voglsammer seinen potenziell besten Stürmer ablösefrei ziehen lassen. Und 5 Leihspieler kehrten zu ihrem Stammverein zurück. Unter anderem Ritso Dohan als zumindest in der Rückrunde stärkster Bielefelder der letzten 20 Jahre. Bielefeld ist halt nicht besser als letztes Jahr. Trotzdem wehrt man sich wenigstens. Dennoch dürfte es auch den Bielefeldern schwerfallen, dieses Jahr mehr als 25 Punkte zu sammeln. Damit muss Bochum aus den 3 ausstehenden Spielen gegen diese 2 Mannschaften 2 Siege holen, um sich zumindest die Relegation zu sichern.

Oder um einen anderen, ja an sich wie erklärt unangebrachten Maßstab anzubringen: Tasmania Berlin muss gerade im Jahresrhythmus um seine Rekorde für die Ewigkeit bannen. Letztes Jahr hätte Schalke fast den einen gebrochen. Dieses Jahr hat sich Fürth schon die längste Niederlagenserie der Bundesligageschichte gesichert. Wenn es so weiter geht, wackeln demnächst die 105 Gegentore in einer Saison. Und auch die 10 Punkte sind keineswegs "unerreichbar". Eigentlich sollte man nur ein Mal in Äonen Tasmania erwähnen, derzeit passiert uns das jährlich.

Und nur um das nochmal festzuhalten: Wenn der 1. FC St. Pauli aufstiegt, wird es kaum besser werden. Ein Aufstieg wäre für den Kiezklub ein Riesenerfolg. Sie sollten die finanziellen Vorteile weitestgehend mitnehmen und hoffen, dass man sich nicht völlig blamiert... und mit viel Glück vielleicht sogar die Klasse halten.

An er Stelle muss nebenbei nochmal erwähnt werden, wie wahnsinnig es war, dass die DFL es von Holstein Kiel verlangt hat, dass sie ihr Stadion für das eine Jahr Bundesliga ausbauen... auch wenn sie es danach nie wieder brauchen werden. Es sollte echt mal jemand auf eine Anpassung der Statuten bei der DFL pochen, sodass man erst in der 3. Bundesligasaison ein entsprechend großes Stadion braucht...

Die eigentlich wichtige Frage lautet ja: Schadet das der Bundesliga? Also an und für sich kann man ja sagen: "Ob Bayern und Dortmund jetzt 7:0 oder 5:0 gegen den Tabellenletzten gewinnen, ist doch egal!" Wie schwach das schwächste Glied in der Kette ist, ist doch für die Beurteilung der Liga als ganzes egal.

Aber einerseits führt es halt dazu, dass Mannschaften wie Bielefeld letztes Jahr die Klasse halten. Oder der HSV mit seinen lächerlichen Relegationsjahren. Oder die Hertha trotz ihrer konzeptuellen Inkompetenz. Der FC Augsburg hat laut Aussage des eigenen Präsidenten "systematisch das Fußballspielen abgewöhnt", einem mehr oder weniger sichereren Klassenerhalt stand dieser Umstand trotzdem nicht im Wege.

Dass solche konsequenten Fehlentwicklungen nicht mit dem Abstieg bestraft werden, sorgt doch nur dafür, dass sie es sich in der Liga bequem machen. Dass ein Heiko Herrlich die Augsburger dann 42 Spiele lang betreut, weil die Entwicklung zwar ideologisch ärgerlich, aber praktisch nicht so schlimm ist. Dass ein Tayfun Korkut verpflichtet wird, weil die defensive Stabilität, die er verspricht, ja zumindest fürs nächste halbe Jahr reichen wird. 

Wenn man weniger machen muss, um sein Saisonziel zu erreichen, gibt man sich auch mit weniger zufrieden. Oder lässt sich für weniger feiern. Auch, wenn die Abwärtsentwicklung objektiv trotzdem wahrnehmbar ist.

Und dann ist als Kirsche auf der Torte noch die internationale Reputation, die vielleicht auch dadurch ruiniert wird. Also, wenn die jenseits von Bayern sehr bescheidenen internationalen Leistungen nicht reichen. Aber wenn 41 Bundesligatore nicht für den Ballon d'Or reichen, könnte das auch daran liegen, dass die internationalen Journalisten sich denken: Gegen solche Gurkentruppen wie bei euch im Keller würde Lionel Messi doch 60 Tore erzielen... 

Aber um den nächsten Beitrag zu triggern: Fürth und Co. sind nur das Sympthom, das eigentliche Problem sind andere.

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