Dienstag, 16. Januar 2018

Warum haben eigentlich alle so viel Angst vor "Challenges"?

Also nach dem die Probephase zur Hälfte "durchgestanden" ist, gibt es ja nur 2 Dinge, die definitiv fest stehen:
1.) Mit der derzeitigen Anwendung ist niemand wirklich zufrieden. Wir müssen dringend an der Optimierung des Videobeweises arbeiten
2.) "Challenges" stehen definitiv nicht zur Debatte. Nicht mal als Denkmodell. Sie sind keine Option.

Um das Konzept der Challenges kurz zu erklären: Man gibt in einem solchen System den Trainern die Möglichkeit, einen Videobeweis einzufordern. In der NFL hat dies jahrelang erfolgreich funktioniert.

Die spannende Frage ist: Warum ist dies im Fußball so unvorstellbar? Also wieso kann man die Idee nicht mal debattieren und die Vorteile eines solchen Systems hervorheben.
Und die Vorteile sind zumindest für mich offensichtlich. Also ganz einfach: Ein Christian Streich kriegt einen seiner Anfälle, weil seine Mannschaft einen Einwurf nicht bekommen hat. Also rennt er wild mit dem Armen fuchtelnd zu Bibiana Steinhaus... diese schaltet automatisch in den Barney Stinson Modus und antowertet "Ok, Challenge accepted"...
Und Jürgen Klopp dann so: Warte was? Nein! Also so wichtig ist der Einwurf dann doch nicht... Aber dann ist es schon zu spät... Damit hat Thomas Tuchel dann eine seiner 2 Challenges für einen sinnlosen Einwurf verschwendet... und das nächste Mal wird Pep Guardiola sich überlegen, ob er sich wirklich wieder über die scheinbare Ungerechtigkeit eines bedeutungslosen Pfiffs aufregt...

Und geht mal in euch, wie oft sich die Trainer an der Seitenlinie aufregen, als wären sie gerade offensichtlich betrogen worden. Was ja jeder gesehen haben muss... Und überlegt euch, wie viel Unruhe die damit ins Spiel bringen können...
Wenn dieses Verhalten eine Challenge auslösen würden... würden sie die Situation auf ein Mal ganz anders beobachten. Und Funkkontakt zum Co-Trainer im VIP Bereich mit Videobildern aufnehmen...
Was meint ihr, wie sich die Stimmung auf den Trainerbänken plötzlich ändern würden. Weg von den Pausenclowns, die bei jeder Gelegenheit zum Schiedsrichter rennen. Hin zu einer sachlichen und produktiven Analyse der Entscheidungen auf dem Spielfeld. Was soll daran schlecht sein?

Und wenn man schon dabei ist: Auch die Spieler, die sich lauthals und mit ausgestreckten Armen beim Schiedsrichter beschweren, lösen dadurch eine Challenge aus. Was meint ihr wie ein Trainer seinen Spieler hinterher in der Kabine zur Sau macht, wenn er nach einem offensichtlich sauberen Zweikfampf eine Challenge auslöst... und dem Trainer damit in der 89. Minute die Möglichkeit fehlt die wirklich strittige Szene im Strafraum nochmal analysieren zu lassen... Auf ein Mal hätte man als Trainer ein gesteigertes Interesse daran, dass sich die Spieler um ihr eigentliches Aufgabenfeld kümmern anstatt sich mit Schiedsrichterentscheidungen zu befassen... Was auch definitiv viel zu häufig passiert...
Warum darf man über so ein Konzept und seine Auswirkungen nicht mal nachdenken?

Wichtig ist dabei natürlich, dass ausschließlich Challenges zu einer Überprüfung der Szenen führen. Also in der NFL gibt es mittlerweile das Problem, dass haufenweise Spielzüge automatisch überprüft werden... Also jeder erzielte Punkt und jedes Turnover... was dazu führt, dass die Trainer ihre Challenges verwenden können um wirklich belanglosen Scheiß kontrollieren zu lassen. Weil sie es für die wichtigen Entscheidungen eigentlich nicht mehr brauchen.

Und natürlich müssen die Challenges auch entsprechend rar sein. 2 pro Spiel. Eventuell eine 3., wenn man 2 Mal richtig gelegen hat. Aber definitiv nicht mehr, damit die Trainer sich wirklich genaustens überlegen, ob sie dieses taktische Mittel jetzt verwenden.

Apropos taktisches Mittel: Eine Challenge würde natürlich immer dazu führen, dass die Zeit angehalten wird. Allein schon um zu verhindern, dass es in der Schlussphase als Mittel zum Zeitspiel eingesetzt wird. Aber das lässt sich definitiv einfach lösen. Genau genommen sollte der Einsatz des Videoschiedsrichters jetzt schon zu einem Anhalten der Uhr kommen...
Andererseits... öffnet man damit natürlich auch die Büchse der Pandora... also wenn man erst Mal anfängt die Uhr bei der einen Gelegenheit anzuhalten... müsste man sie dann nicht auch bei Verletzungsunterbrechungen stoppen? Also prinzipiell wäre ich da definitiv dafür, dann könnte man sich die letzten 10 Minuten eines Fußballspiels auch wieder angucken, weil nicht mehr ein Team effektiv verteidigt, in dem es am Boden liegt... Aber das ein Spiel 90 Minuten dauert... und absehbar ist, wann diese 90 Minuten vorbei sind... ist immer eine Grundlage des Spieles gewesen...
An der Stelle muss man sich allerdings auch fragen: Wäre das Ende der fortlaufenden Spielzeit wirklich eine größere Veränderung für den Sport als das, was in den letzten 2 Jahren mit Torlinientechnologie und Videobeweis passiert ist? Und wenn man die Zeit im ungünstigsten Falle 4 Mal pro Spiel anhält, wird der Unterschied ja nicht sooo relevant werden... Man kann ja als Kompromiss einführen, dass die Uhr in den letzten 10 Minuten angehalten werden kann, wenn ein Videobeweis eingefordert wird.

Was ebenfalls noch wichtig wäre: Eine gescheiterte Challenge muss auch irgendwie zu einer Strafe führen. Also sagen wir ein Eckball für den Gegner. Oder ein Freistoß vom Flügel. Also auf jeden Fall die Gelegenheit einen ruhenden Ball in den Strafraum zu schlagen. Allein schon um zu verhindern, dass man versucht das Spiel zu unterbrechen um einen Gegenangriff zu stoppen. Oder ähnliche Unruhe aufs Spielfeld zu bringen...

Wäre das die Lösung aller Probleme beim Videobeweis? Bestimmt nicht. Aber es ist doch zumindest mal ein diskussionswürdiger Ansatz. Ich würde es wirklich als spannend empfinden, wie sich eine solche Reglung auf das Klima im Fußball auswirkt...
Und ja, ich gehe felsenfest davon aus, dass dies erstmal zu haufenweise Überprüfungen führen würde.. die in 90% der Fälle nur die Entscheidung des Schiedsrichters belegen... Bis dann irgendwann mal wirklich einem Trainer im entscheidenden Moment eine Challenge fehlt und er sich ärgert, dass er die schon verschwendet hat.
Als Schritt 2 führt diese Änderung zur Einführung eines Videoassistenten. Den es schon längst geben sollte. Also ein zusätzlichen Blickwinkel, der über Funk dem Trainer aus seiner Perspektive auf Auffälligkeiten hinweist. Und halt nebenbei kritische Szenen blitzschnell beurteilen muss... Wenn Fußball ein gut gecoachter Sport wäre, würde es so was schon längst geben. Aber im Fußball wird man ja ausgelacht, wenn man sich die erste Halbzeit von der Tribüne aus angucken will, weil man von dort einen besseren Blick hat...

Das aller größte Problem wäre natürlich, dass man dieses "Ok, du hast dass jetzt gechallenged." auch wirklich durchziehen muss. Und daran wird es am Ende scheitern. Denn genau genommen haben die Schiedsrichter schon alle Möglichkeiten um zumindest für Ruhe auf dem Platz zu sorgen. Sie müssten nur das Vorhandene Regelwerk konsequent anwenden und den Spieler, der eine persönliche Strafe für seinen Gegner verlangt, ebenfalls verwarnen. Genau so wie fürs vehemente Beschweren... Das macht aber halt keiner und deswegen ist die Stimmung auf den Plätzen ja so, wie sie ist...
Wahrscheinlich dürften die Spieler der etablierten Verein weiterhin vor sich hin jammern, ohne dass die Challenges ausgelöst werden... weil... wer will wirklich, dass ein etablierter Nationalspieler plötzlich wie ein Depp dasteht?

Ich sag das mal so: Über die Vor- und Nachteile eines Challenge-Systems sollte man wenigstens mal in aller Konsequenz nachdenken, anstatt es von vorne herein auszuschließen. Denn es könnte wirklich interessante Auswirkungen auf die Reaktionen auf dem Feld haben, die anscheinend einfach niemand bedenkt.

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