Sonntag, 21. Februar 2021

Wie soll man die Bodenhaftung verlieren

Wenn man seit Jahren keine mehr hat?

Ich muss ja zugeben: Das ist jetzt der 3. Versuch etwas zu den "Vorfällen" bei den Bayern und deren Aussagen zu schreiben. Aber irgendwie sind die letzten beiden am Ende nichts geworden. Also frei nach Reinhard Mey: Alle guten Dinge sind drei!

Zunächst mal sollte man sich das Interview von Karl-Heinz Rummenigge im Aktuellen Sportstudio mal angucken. Es ist durchaus lobenswert, dass Kalle sich diesen kritischen Fragen gestellt hat. Und das ASS hat halt genau das gemacht, was ich mir vom Kicker erwünscht hätte. Das Problem ist am Ende, dass Rummenigge davon kam, ohne viel Substanzielles zu sagen.

Am faszinierendsten sind seine "Klarstellungen" zu den Impfungen der Bayern-Stars. Also das ist ganz großes Medienkompetenztraining. Rummenigge behauptet jetzt also, dass er immer von der "Wenn genügend Impfstoff da ist" Situation gesprochen haben wollte. Und das er sich aufgrund der wachsenden Impf-Skepsis so geäußert hat. Hier ist das Problem: Dann hätten seine Aussagen halt komplett anders klingen müssen. Ungefähr so:

Natürlich werden alle Mitarbeiter des FC Bayerns sich so schnell wie möglich impfen lassen. Wir werden uns an der Stelle vorbildlich verhalten. Impfungen sind der einzige Weg diese Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Alle anderen sollten sich auch impfen lassen, aber natürlich jeder zu seiner Zeit. Deswegen startet der FC B heute eine Impfkampagne.

Dann wird das Video eingespielt, mit Leon Goretzkas "Starke Menschen haben keine Angst vor der Nadel, lasst euch impfen" Statement.

Rummenigge ist letzte Woche nicht falsch verstanden worden, er wollte schon, dass Fußballer so schnell wie möglich geimpft werden. Er hat dann den Gegenwind gespürt und versucht jetzt seine Aussagen so zu drehen, dass sie mit der Mehrheit übereinstimmen.

Genau so faszinierend ist ja, dass er jetzt die Schuld bei der UEFA sucht. Die müssen ja entscheiden. Den Bayern sind die Hände gebunden. Hier sollte ihm jetzt seine Vergangenheit auf die Füße fallen. Denn Rummenigge war ja vorher nie um seine Meinung verlegen. Er hat sich immer als Moralapostel aufgespielt, auch wenn er eigentlich nur Interessenvertreter des FC Bayern war. Anders ausgedrückt: Er ist ein Populist. Und er hat seine Stimme in schöner Regelmäßigkeit erhoben, wenn es um unnötige Reisen geht. Also unnötige Länderspielreisen. Wenn die Bayern reisen müssen, kann man da halt nichts machen.

Wir reden hier von jemanden, der sich jahrelang als moralische Instanz inszeniert hat. Der Vorsitzender der ECA war. Der innerhalb der europäischen Topclubs unfassbar gut vernetzt ist. Wenn der zu all den Ansetzungen der UEFA und Fifa schweigt, dann passiert das bewusst.

Dieser Rummenigge sich gegen den Supercup oder die Klub-WM positioniert hätte, hätte das ein Beben ausgelöst. Vielleicht wäre die UEFA sogar eingeknickt, wenn er eine Absage des europäischen Supercups verlangt hätte. Wenn er dann mit einer "Wir reisen hier nur an, damit es keine Sperren für den deutschen Fußball gibt" Haltung dahin gefahren wäre, hätte das eine ganz andere Resonanz gegeben. Selbiges gilt jetzt für die Klub-WM.

Der Mann, der sonst immer seine Stimme erhoben hat, hat sich jetzt dagegen entschieden. Und dann wundert er sich, warum die Leute ihn fragen, warum er nichts sagt. 

Als 3. wunderbarer Punkt kommen ja die Ablösesummen, die jetzt laut Rummenigge angeblich zurückgehen. Weil man Leroy Sahne, wie er ihn zu nennen pflegt, ein Jahr vor Vertragsende und nach einer schweren Verletzung für nur 45 Millionen Euro bekommen hat. Und weil man jetzt auch Dayot Upamecano für günstige 42,5 Millionen Euro Ablösesumme holt. Doch genau an der Stelle funktioniert die Logik nicht.

Also man bezahlt halt ohne zu jammern die Summe, die RB Leipzig in seiner Vertragsverlängerung mit Upamecano in diesem Sommer festgelegt hat. Was auch nur bedeutet, dass RB nicht den Vertrag verlängert, sondern sich nur mit Dayot drauf geeinigt hat, zu welcher Summe er den Verein verlassen wird. Den nur halbes Jahr nach der Verlängerung macht er von der Klausel gebrauch. Was für beide Parteien ein vernünftiger Kompromiss ist. Bei Timo Werner gab es ja denselben Kompromiss und auch da war an der Stelle der FC Chelsea sofort und ohne Nachverhandlungen bereit die in diesem Fall sogar vor Covid festgelegte Summe zu bezahlen...

Wenn jetzt aber wirklich der große Preisverfall einsetzen würde, von den Rummenigge schwadroniert, hätte er sich mit Oliver Mitzlaff an den Verhandlungstisch gesetzt. Er hätte wenigstens versucht den Preis zu drücken. Mit der offenen Drohnung Upamecano im Zweifelsfall ein Jahr später ablösefrei zu holen. Da die Preise aber nicht wirklich fallen, haben die Bayern gerne die von RB festgelegte Summe bezahlt.

Der FC Bayern ist also immer noch gewillt die willkürlich von anderen festgelegten Ablösen zu zahlen ohne nachzuverhandeln, will uns aber andererseits erzählen, dass die Preise fallen. Netter Versuch.

Dann folgt noch eine Auseinandersetzung über die Sponsorengelder des Katars. Verbunden mit einem "Menschenrechtsverletzungen sind keine Kultur." An der Stelle muss ich sofort widersprechen: Doch sind sie, und sie sind es immer gewesen.

Also historisches Beispiel zu bringen: Die Kultur der Südstaaten in den USA würde über Jahre durch die Sklaverei geprägt. Am Ende haben sie einen Krieg geführt um... ok, es ging da ja nur um die Rechte der einzelnen Staaten. Praktisch nur um das eine Recht auf die Haltung von Sklaven, alle anderen hätten sie behalten dürfen... Details. Aber einzelne Auswirkungen dieses Systems sind in der Kultur dieser Region bis heute bemerkbar. Geht jetzt nicht darum die USA an den Pranger zu stellen, sondern nur darum zu verdeutlichen, dass Menschenrechtsverletzungen durchaus Kultur sind. Denn Kultur heißt ja nichts anderes als "Vom Menschen gemacht". Und praktisch alle Menschenrechtsverletzungen werden vom Menschen gemacht.

Aber zurück zu Rummenigge: Auch hier hätte man sich positionieren können. Die Bayern setzen da auf Dialog. Was vernünftig ist. Aber muss ich unbedingt die Millionen annehmen, um mit denen zu reden? Also macht das Trainingslager dort, nehmt die Frauenabteilung mit und nutzt die Präsenz vor Ort dann um mit denen zu reden. Die Millionen von Quatar Airways nehmt ihr aber erst an, wenn der Dialog zu einem positiven Ergebniss gekommen ist.

Nächster interessanter Gesprächspunkt sind ja die Hygienekonzepte, die so wunderbar funktionieren. Also es sind 3 unterschiedliche von Uefa, Fifa und DFL, aber all die basieren ja im Wesentlichen auf der Arbeit der DFL. Und da gebe ich Rummenigge recht: Dass  die DFL es als erste geschafft haben ein solches Konzept aufzustellen, welches zumindest im nationalen Rahmen weitestgehend funktioniert, ist eine erwähnenswerte Leistung. Deswegen hat ja auch kaum jemand ein Problem damit, dass die Bundesliga stattfindet.

Aber dass die internationalen Hygienekonzepte greifen? Also die Bayern hatten mit Joshua Zirkzee, Leon Goretzka, Javi Martinez, Serge Gnabry, Nicklas Süle Thomas Müller und Benjamin Pavard bereits 6 positive Corona-Tests in ihren Reihen. Von denen waren Gnabrys und Süles "False Positives", trotzdem mussten schon 6 Bayern mindestens kurzfristig in Quarantäne. Und hatte 4 wirklich infizierte. 

Und der FC Bayern ist seit dem Corona Ausbruch am meisten gereist. Champions League Bubble, haufenweise Nationalspieler, DFB Pokal, Supercups und Klub-WM. Um das extreme Gegenbeispiel zu nennen: Arminia Bielefeld hat seit dem Restart 32 Spiele absolviert. Beim FC B sind es 49. Bielefeld ist nur innerhalb von Deutschland gereist, die Bayern bis in den Nahen Osten. Bielefeld hat keinerlei Corona-Fälle zu beklagen. Aber sie mussten sich der erhöhten Gefahr aussetzen, weil sie direkt nach Bayerns Katar-Trip gegen diese antreten mussten. Und machen wir uns nichts vor: Alle nicht Fußballer hätten geschlossen in Quarantäne gemusst, wenn einer von ihrem Team bei einer derartigen Reise mit einem positiven Test zurückgekehrt wären.

Dabei will ich gar nicht infrage stellen, dass die Bayern alles in ihrer Macht stehende unternommen haben, um derartige Fälle zu verhindern. Aber wenn man so viel reist, ist es wahrscheinlich nicht zu verhindern, dass sich Einzelne Anstecken. Einzelne heißt halt 17,39% des Kaders... das sind Prozentzahlen, von denen die SPD gerade träumt...

Um das mal in einen großen Rahmen zu setzen: die 2,3 Millionen Fälle Deutschlandweit entsprechen nur 2,79% aller Bürger. Da kann man sich kurz ausrechnen, wie "hoch" der R-Wert für den FC Bayern ist. Für die Bundesliga insgesamt liegt er wohl bei 481... Und erreicht seine Höhepunkte während der Länderspielreisen.

Natürlich, und das muss an der Stelle zwingend auch erwähnt werden, wird sich bei Fußballprofis extrem darum gekümmert wird, dass sie sonst niemanden anstecken. Und die Reproduktionsrate ist ja das eigentliche Problem dieses Virus. Der R-Wert für die Stadt München ist geringer, als der, der für Bielefeld angegeben wird. Der Fußball ist also anscheinend kein Superspreader. Das wäre ein sinnvolles Argument für den Fußball...

Bleibt ja nur noch die Gesundheit der Spieler. Und da könnte man zu dem Schluss kommen, dass dieses viele Reisen der Bayern trotz Hygienekonzept und Bubble ein verdammt hohes Infektionsrisiko darstellen. Und das nur national reisen ein wesentlich geringeres Risiko ist. Also auch deswegen könnte der FC Bayern daran interessiert sein, seine Reisen möglichst einzuschränken. Schließlich sollte man gerade bei Leistungssportlern mögliche Langzeitfolgen nicht außer acht lassen. Also wenn wir Normalsterblichen nur noch 90% unserer Lungen nutzen können, merken wir das vielleicht beim Rauchen... Bei Sportlern kann dies das Karriereende einläuten. Man sollte also im Interesse der eigenen Angestellten versuchen die Reisen zurückzufahren.

Und natürlich kann ein Rummenigge das nicht alleine entscheiden. Aber er wäre in der Position eine Debatte über ein erneutes kleineres Finalturnier ab dem Viertelfinale anzustoßen. Aber er weist da ja jegliche Verantwortung und alle Möglichkeiten von sich. "Das liegt in der Verantwortung der Uefa" ist sein "Ist nen Softwareproblem"... 

Beeindruckt war ich auch, dass am Ende angesprochen wurde, dass die Stimmung endgültig gegen den Fußball kippen könnte. Dass das Verhalten und die Positionen des FC Bayerns in den letzten Tagen dazu führt, dass sich mehr Menschen vom Fußball abwenden und die Rechnung, die die Bayern für ihre 4 Millionen Euro Preisgeld zahlen, gigantisch sein könnte... Das ist halt so ein Gefühl, welches mich auch schon die ganze Woche über begleitet hat, welches ich aber einfach nicht treffend ausdrücken konnte. Praktisch zu wissen, dass andere dieses Gefühl auch teilen...

Am Ende glaube ich sogar, dass Rummenigge all das, was er da sagt, wirklich glaubt. Vor allen den Punkt mit der Bodenhaftung. Und aus seiner Position stimmt das sogar: Die Bayern Offiziellen haben jetzt nicht weniger Bodenhaftung als vor der Pandemie. Das Problem ist halt: Sie haben jegliche Bodenhaftung vor 20 Jahren verloren, aber dank Corona fällt uns das jetzt auf...

1 Kommentar:

  1. Wenn wir schon bei Reinhard Mey sind, dann doch bitte der Song

    https://www.youtube.com/watch?v=Zb6nZo4CujM

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