Da reicht der Horizont halt gerade so bis zur eigenen Nase. Und dann wundert man sich, dass die Argumente nicht überzeugend sind.
Nehmen wir mal als Fallbeispiel 1: Dynamo Dresden. Ein Verein, der den Re-Start trotz persönlich schwieriger und unfairer Situation mitgetragen hat, denkt jetzt über eine Klage gegen den Abstieg nach. Weil man sich halt erst kümmert, wenn es einen selber betrifft... und es irgendwie auch zu spät ist. Das ist doch mal eine gute Perspektive in der Vereinsführung.
Und so wird in der Kommentarspalte des Kickers von einem "Opfermythos", der jetzt bedient wird, obwohl der Abstieg ja jahrelang vorbereitet worden ist.
Fakt ist halt auch: Dynamo hatte eigentlich die Kurve gekriegt und war vor der Pause auf einem guten Weg zum Klassenerhalt. Man hatte nach der Winterpause bereits 11 Punkte geholt, fast so viele wie in der gesamten Hinrunde. Und trotz des extrem fiesen Spielplans und den Verzicht auf eine Vorbereitung liegt man in der Rückrundentabelle auf Platz 14.
Und klar, dass der Rückstand aufs Rettende Ufer nach der Hinrunde so groß war, ist ausschließlich Dynamos Schuld. Dass ihnen die realistische Chance auf eine Aufholjagd genommen worden ist, dagegen nicht.
Lustig ist ja an der Stelle, dass Jan Reinold als Kicker-Redakteur auf Eintracht Frankfurt verweist, die einen fast genau so fiesen Spielplan hatten. Da gibt es aber einige gravierende Unterschiede: Erstens: Frankfurt hat als Europa League Teilnehmer mit einer derartigen Belastung gerechnet. Sie haben bereits im Vorjahr Erfahrungen mit vielen englischen Wochen. Und sie hatten halt auch die finanziellen Möglichkeiten einen entsprechend breiten Kader aufzustellen.Von Dynamo Dresden zu verlangen, dass sie ihren Kader so breit aufstellen, dass mit 9 Spielen in 29 Tagen klar kommen, ist einfach vollkommen absurd. Kurz gesagt: Die einen können einen Bas Dost von der Bank bringen, die anderen nicht... das ist ein elementarer Unterschied.
Dazu ist die psychische Belastung für die Frankfurter halt auch eine ganz andere. Die konnten es sich leisten von den Bayern 5 Gegentore zu kassieren. Oder das Derby gegen Mainz zu verlieren. Man stand trotzdem nicht in der Nähe des Abgrundes. Dynamo musste dagegen innerhalb von 7 Tagen 3 Spiele gewinnen um die Chance auf den Klassenerhalt zu wahren. Das ist eine ganz andere mentale Belastung.
Dennoch, nur um das festzuhalten, hat Jan Reinhold recht: Sich jetzt in die Opferrolle zu stürzten, nachdem man vorher immer pro Re-Start war, ist albern. Vor allem, wenn es eine ganz einfache Möglichkeit gegeben hätte, die man direkt als Lösungsvorschlag hätte anbieten können. Aber da hätte man ja ein goldenes Kalb für schlachten müssen... diesen einen unangenehmen Eiterpickel der fortschreitenden Kommerzialisierung angehen müssen. Das geht halt auch nicht.
Aber ganz ehrlich: Wie hätte die DFL reagieren müssen, wenn Dynamo den "Lasst uns den Re-Start der 2. Liga eine Woche nach hinten verschieben und die Woche der Relegation stattdessen für die letzten 2 Spieltage nutzen. Dafür muss die Relegation zwar abgesagt werden, aber das wären halt 4 Spiele, die für einen faireren Wettbewerb gestrichen werden. Mit Eurosport müssen wir ja eh erst noch eine Einigung erzielen, da ist das vielleicht gar nicht so schwer auf die Relegation zu verzichten..."
Mit diesem Vorschlag hätte Dynamo direkt proaktiv gehandelt. Und halt auch einen konstruktiven Lösungsansatz mitgeliefert. Und dem Fußball als ganzes etwas gutes getan, weil man seinen Beitrag zur Abschaffung der Relegation geleistet hat.
Und klar, man hätte in erster Instanz seine Rettungsaussichten verschlechtert, aber mit mehr Training und einem freundlicheren Spielplan hätte man auch Platz 15 holen können.
Aber man hat sich halt für das Kurzsichtige "Augen zu und durch, das wird schon irgendwie werden" entschieden. Nur um hinterher dann zu jammern, als man die Augen aufmachte und feststellte, wie beschissen die Situation ist...
Das wirklich lustige ist ja, dass das alles nicht nur am unteren Bodensatz der Bundesligatabellen passiert. Sondern auch am ganz anderen Ende des Leistungsspektrum. Denn bevor wir in der Sommerpause sind, macht Karl-Heinz Rummenigge das, was er am besten kann: Unmotiviert und sinnlos gegen die Länderspiele hetzen. Das beherrscht der. Und er macht es halt bei jeder Gelegenheit.
Also nur um das mal aufzuzählen: Die Nationalen Verbänden haben sich bisher seit dem Corona Ausbruch komplett zurückgenommen. Sie haben die Vereine machen lassen. Und die Vereine nehmen dann auch einfach mal alles mit.
Also kein "Wir beschränken uns erst Mal auf das nötigste und streichen die Relegation oder die Pokalwettbewerbe... nur die 8 Ligaspieltage, mehr nicht, dann ist Sommerpause."
Möglich wäre auch: Sein wir ehrlich, der Champions League Sieger wird eh mit einem großen Sternchen versehen... gerade wenn Leistungsträger vor dem Turnier schon gewechselt sein werden. Das ist doch eigentlich albern, lasst doch eher Vernunft walten und die 2020er Europacup Saison absagen.
Aber immer wenn der Rummenigge mit spielt oder zumindest mitkassiert, schreit er laut "Da sind wir dabei, das ist prima!" Denn das ist ja alles systemrelevant.
Wenn dann aber die Nationalmannschaften erstmals nach über 10 Monaten für 2 Spiele treffen wollen... dann ist das zu viel. Die Belastung zu hoch. Dann geht es auf ein Mal um das Wohl der Spieler. Da greift dann RB Leipzigs Markus Kösche zum "Das ist brutal und für die Gesundheit nicht gut"... und ja, wir reden von derselben Gesundheit, die uns bei Dynamo Spielern egal war... Oder gerade bei den Drittliga-Profis, die ebenfalls eine Extrembelastung durchmachen, egal ist.
Also um das mal kurz festzuhalten: Beim MSV Duisburg sitzt gerade ein Ersatztorwart im Feldspieler-Trikot auf der Bank, weil der Kader dank der ständigen englischen Wochen mit extrem vielen Verletzungen zu kämpfen hat. Aber da muss man halt durch...
Nehmen wir mal Jörg Schmadtkes Wortlaut: "Da geht es ums Geld. Die betroffenen spielen keine Rolle mehr." Es sei ein "unglaubliche Belastung auf Kosten der Spieler." Hier ist das faszinierende: Da hat er vollkommen recht. Das Problem ist. Er könnte sich im selben Wortlaut über die Fortsetzung der internationalen Vereinswettbewerbe aufregen.
Also ganz ehrlich: Als VfL Wolfsburg seine Spieler erst in eine kurze Pause zu schicken, um sie dann auf ein Europa League Turnier vorzubereiten, welches dann im ungünstigsten Fall nach einem Spiel beendet ist, ist absoluter Wahnsinn. Also vor allem für die Spieler. Am geilsten wird es für die Frankfurter, die ja nochmal antreten müssten um ein 0:3 aus dem Hinspiel auszumerzen. Auswärts. Vor einer Geisterkulisse. Da hat man doch so richtig Bock auf 14 Tage Vorbereitung. Dennoch steht der 6.8. als designierter Spieltermin bei Eintracht Frankfurt im Kalender. Wer als Verantwortlicher in einem Verein derartige Lösungen unterstützt, sollte hinterher einfach mal die Klappe halten, wenn andere auch mal wieder mitspielen wollen.
Also ja, es gäbe eine einfache Lösung für die derzeitige Überlastung des Rahmenterminkalenders: Einfach mal die internationalen Wettbewerbe aussetzen. Da verpasst man selbst im Idealfall 3 Spiele.
Oder aber man sagt: Die TV Gelder sind zu wichtig. Wichtiger als die Gesundheit der Spieler. Dann kann man sich aber nicht darüber aufregen, dass die Nationalen Verbände dies dann ähnlich sehen. Denn auch die haben Verträge, an die man sich halten muss. An der einen Stelle nur auf die Umsätze zu gucken und sich dann bei der nächsten Gelegenheit als großer Verteidiger der Gesundheit der Spieler zu stellen, funktioniert halt nicht.
Und nur um das mal festzuhalten: Den Bayern fehlen im Extremfall dank Corona 2 Heimspiele. Halt aus dem Champions League Viertel- und Halbfinale. Alles andere ist, ich sag das mal so, brutal durchgeprügelt worden. Und auch die Chance aufs Tripple hat man sich erhalten. Die Nationalmannschaften haben dagegen gerade ihre längste Länderspielpause seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Also wenn der September-Termin gekippt wird, würde dies 12 Monate am Stück ohne ein einziges Länderspiel bedeuten. Und das hat es halt ungelogen seit 1950 nicht mehr gegeben.
Ich habe ja auch gar kein Problem damit, dass die Europapokalwettbewerbe zu Ende gespielt werden. Aber dann sollen mir die Verantwortlichen nicht ins Gesicht lügen und behaupten, dass die Gesundheit irgendwie wichtig wäre. Wenn die Elite das unbedingt will, dann sollen sie das durchziehen. Dann müssen sie sich halt Gedanken machen, wie sie ihren im schlimmsten Fall überlasteten Spielen im Dezember oder November eine Pause gönnen. Im Gegensatz zu Dynamo dürfte man dazu ja breit genug aufgestellt sein.
Und ja, wir reden hier nebenbei im Wesentlichen von 16 Mannschaften in ganz Europa, für die dann die Nationalen Verbände Weltweit ihre Ansprüche komplett zurückstellen müssen. Nur weil diese paar Hanseln unbedingt die TV Milliarden verteilen müssen, dürfen 211 Nationalmannschaften nicht antreten. Das ist dann wohl die neue Solidarität, die wir uns von Corona erhofft haben: Wir stecken alle zurück, damit die paar Superreichen Vereine ihren Spaß haben können.
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