Montag, 15. Juni 2020

Passives Abseits vs Tradition: Teil 8: Passives Abseits vs Kommerz

Warum eigentlich nicht? Also genau genommen wird gerade wieder deutlich, dass die Frage "Was ist Kommerz?" genau so random beantwortet wird, wie die Frage "Was ist Tradition?" Auch hier gilt anscheinend: Die einen dürfen, die anderen eher nicht.

Also es gab ja im letzten Montagskicker (ja, ich bin gerade extrem langsam) 2 große Beiträge zur Kommerzialisierung des modernen Fußballs. In dem einen ging es um die 100 Millionen, die Red Bull gerade RB Leipzig gut geschrieben hat. Ein Bilanz technischer Trick, sagen alle. Nichts ungewöhnliches, sagt RB selber. Aber die ganze Geschichte ist so groß, dass der den gesamten "RB Leipzig Berichtserstattungsteil" einnimmt. Und wie immer denkt man sich: Dieses böse RB. Jetzt kriegen die auch noch 100 Millionen Euro geschenkt? Ist da eigentlich wirklich alles sauber? Weil RB ja das personifizierte böse ist. Und ja, wenn es Fans im Stadion geben würde, hätten die dieses Wochenende Protestplakate wegen der Spende ausgehangen.

Auf der anderen Seite... also auf der wirklich anderen Seite... gibt es einen äußerst interessanten Artikel über Lars Windhorst. Nur ist der halt nicht der Leitartikel zur Hertha, sondern wird auf Seite 82 unter KickerBuisness versteckt. Und ich weiß ja nicht, wie es auch geht, aber das ist der Teil des Kickers, den ich meistens nur ganz grob überfliege.
Weil es einem einerseits nicht wirklich interessiert... aber man es aber auch nicht wirklich versteht, was da passiert.

Also ich habe den Artikel "Das Konstrukt hinter Tennor" jetzt mehrmals gelesen und immer noch nicht annähernd verstanden, was das alles bedeutet. Da werden halt Netze über 4 Länder gespannt, um alle möglichen Steuer-Schlupflöcher auszunutzen. Immerhin geht es nicht in die Karibik... Aber sonst ist da echt alles dabei: ein Flughafen in den Niederlanden, Jersey im Ärmelkanal, Luxemburg und die Schweiz.
Am Ende ist man sich nicht mal mehr sicher, wie viel Einfluss das Gesicht vor dem Konstrukt Lars Windhorst wirklich hat... oder ob der nicht doch auch nur eine Marionette es.

Aber bei einem Satz werde ich dann doch hellhörig: "Genau das muss ein Investor irgendwann tun, um Rendite zu realisieren." Der Grund für dieses komplizierte Konstrukt ist einfach: Man will seine Anteile am Ende gewinnbringend weiterverkaufen. Dieses "am Ende" sollte möglichst zeitnah sein...

Also das einzige, was ich verstanden habe, ist: Lars Windhorst ist ein Heuschrecken-Kapitalist, der die Hertha möglichst schnell nach oben pushen will... um dann seine Anteile abzustoßen und so seinen persönlichen Gewinn erzielen will. Deswegen muss es mit der Hertha ja auch so schnell wie möglich nach oben gehen. Und so setzt man auf Namen wie Jürgen Klinsmann und Jens Lehmann, die kurzfristigen Glanz versprechen, sich aber bei genauerem Hinsehen eher als Dampfplauderer erweisen. Also bei Klinsi auf jeden Fall, bei Lehmann steht da das finale Urteil noch aus. Aber beides sind Persönlichkeiten, die Umsätze generieren, weil sie polarisieren... und nicht langfristigen Wachstum entstehen lassen, weil sie einen Plan mit Perspektive haben.

Um das mal zu personalisieren: Wenn es Windhorst um einen langfristigen Aufbau gehen würde, würde er versuchen Christian Heidel oder Fredi Bobic für sich zu gewinnen. Aber diese Namen klingen halt nicht wirklich sexy.
Windhorst persönlich dürfte es halt auch völlig egal sein, ob die Hertha hinterher wirklich besser da steht als vorher, solange er den richtigen Zeitpunkt findet um seine Anteile abzustoßen.

Also lasst uns das mal mit den eigentlichen Feindbildern vergleichen. Und klar, bei Red Bull findet man auch schnell Steueroasen und vernetzte Strukturen. Denn noch weiß man genau, wo die 100 Millionen, die gerade Wellen geschlagen haben, herkommen. Und man weiß auch, welchen Zweck Red Bull mit seinen Fußballvereinen erreichen will: Das soll eine tolle Werbeplattform für den Gummibärensaft sein. Also der Plan ist nicht mit RB Leipzig Geld zu generieren, sondern da Geld reinzupumpen, damit wir mehr von deren Dosen kaufen.
Das kann man natürlich doof finden, gar kein Thema. Und man darf bei RB auch einiges kritisieren. Aber immerhin will sich Mateschitz nicht direkt selber an dem Projekt bereichern. Deswegen hat man halt auch gesteigertes Interesse daran ein langfristig tragfähiges Projekt zu erschaffen... damit man da nicht ständig weitere 100 Millionen reinbuttern muss.
Einer der dümmsten Drohszenarien von RB-Feinden ist ja: Und was macht ihr, wenn RB sich irgendwann in der Premiere League einkauft? Dann seid ihr nur noch ein Ausbildungsverein, da werdet ihr echt viel von haben.
Dann sage ich ganz sachlich: Wenn die hinterher für einen Champions League Sieger ausbilden und dafür auch regelmäßig in der K.O. Phase in diesem Wettbewerb stehen, während man vorher nur Regionalliga sehen konnte... dann ist man doch gerne ein Ausbildungsverein.

Also praktisch wollen einem ja die Leute erzählen, dass RB Salzburg so hart unter RB Leipzig leidet... und dass RB ja voll das Interesse an seinem eigentlichen Stammverein verloren hat... und dann weißt man die darauf hin, dass RB Salzburg 2018 die erfolgreichste internationale Saison seit 24 Jahren gespielt hat, weil man bis ins Halbfinale vorgedrungen ist. Und 2019 hat man dann tatsächlich zum erst Mal seit 1994 an der Champions League Gruppenphase teilgenommen. Oh und man konnte dort solch fantastische Talente wie Erlin Haarland live in Aktion erleben.
Anders ausgedrückt: Selbst nachdem Red Bull erkannt hat, dass man als Salzburg nie an der K.O. Phase der Champions League teilnehmen wird (und deswegen dann zu RB Leipzig "weiter gezogen" ist), haben sie dort immer noch den Anspruch um die Europa League Titel mitzuspielen. Was ein Niveau ist, was man in Österreich sonst nur noch in Ausnahmefällen erreicht. Und das, was vorher als großer Erfolg gefeiert worden wäre (so eine Achtelfinalteilnahme zum Beispiel), gilt mittlerweile eher als Enttäuschung.

Anders ausgedrückt: Selbst wenn RB irgendwann das Interesse an Leipzig als Hauptfiliale verliert, wird man danach dann weiterhin auf einem vorher unerreichbarem Niveau Fußball spielen lassen.

Der Vollständigkeit halber muss natürlich auch noch das andere Feindbild Numemr 1 erwähnt werden: Dietmar Hopp. Der... nun ja... hat halt seinen eigenen Jugendverein nach oben gespusht. Einfach nur, weil er Bock drauf hatte. Nie mit dem Ziel sich daran selber zu bereichern. Er hat den Traum eines jeden Fußballers vom Dorf einfach mal... nun ja... auf die Spitze getrieben. Er kann sich das halt auch leisten. Und er hat am Ende auch sicher gestellt, dass er sein Geld wieder rausbekommen hat, das sollte man auch nicht verschweigen. Aber es ging halt nie nur darum seine Rendite zu steigern.

Um das dann mal kurz zusammenzufassen: Wir haben den einen Investoren, der sich eine Werbeplattform aufbaut und der genau genommen (Lok Leipzig dürfte gerade in die dritte Liga aufsteigen...) vor Ort nichts kaputt gemacht hat...
Wir haben den anderen Mäzen, der sich seinen Jugendtraum erfüllt hat... und nebenbei so vielen anderen Vereinen unter die Arme gegriffen hat, dass auch er sich auch keine "Das macht den Fußball kaputt" Vorwürfe machen lassen muss...
Und wir haben den Heuschrecken-Turbo-Kapitalisten, der nur auf eine eigene und wahrscheinlich schnelle Rendite aus ist... und der seinen eigenen Verein damit erst Mal direkt ins Chaos stürzt.

Jetzt fragt euch mal, wer von den dreien sich im Fadenkreuz abbilden lassen muss? Wessen Fans bei Auswärtstrips attackiert werden? Und wer einfach nur ohne irgendwelche Widerstände investiert...

Also ich hab mal spaßeshalber die Begriffe "Lars Windhorst" und "Protest" gegooglet. Da wird schon beim 2. Eintrag "Protest" angegeben. Anscheinend gab es keinerlei nennenswerte Protestaktionen gegen Windhorst in den Bundesligastadien. Dabei ist der mindestens genau so schlimm wie RB...
Er ist genau das, wovor der Traditionsfan die meiste Angst hat. Und die Erste Saison auf dem Weg zum Big City Club belegt ja alle Klischees. Da wurde ja wirklich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte.
Genau genommen wurde nicht wegen Dietmar Hopp oder RB, sondern wegen Leuten wie Windhorst das 50+1 als Grundsatz eingeführt. Trotzdem gucken die Ultras, die sich sonst immer als Ordnungshüter aufführen, einfach mal elegant weg.
Als Traditionsverein darf man sich halt auch an die Schlimmsten des Schlimmen verkaufen. Denn Tradition ist ja ein ultimativer Freifahrtschein. Die überblendet alles.

Also nur mal fürs Gedankenexperiment: Wie groß wäre der Widerstand gegen Windhorst, wenn der der nach einem Blick auf die Hertha beschlossen hätte: Das ist ein Chaos Club und die halten seit Jahrzehnten an einem bedingt kompetenten Manager fest. Den werde ich da auch nicht weg bekommen... da mach ich doch lieber den Berliner AK 07 zum Big City Club, das ist einfacher... Wie krass würde dem dann der Gegenwind ins Gesicht blasen?
Und natürlich wäre der Weg für Windhorst von der Regionalliga in die Champions League wesentlich weiter. Deswegen lässt er das ja. Aber für sein "Ich will einen Verein hochpumpen und dann abstoßen" Konzept ist es praktisch vollkommen egal, bei welchem Verein er sich engagiert.

Nun will ich natürlich keinesfalls, dass auch Windhorst im Fadenkreuz abgebildet wird. Aber die Frage, warum der so vollkommen unter dem Radar läuft und sich anscheinend niemand an seinen Investitionen stört, muss schon mal in den Raum geworfen werden. Denn genau genommen ist es reine Willkür, dass man das eine schweigend hinnimmt und gegen das andere lautstark demonstriert.

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