Also nicht auf dem Platz. Da zeigt sich Union dann doch solidarisch: Wenn unsere Fans den Bochumern 3 Punkte schenkt, müssen wir auch den Heidenheimern 3 Punkte schenken. Wenn die jetzt noch gegen St. Pauli und Kiel verlieren, ist doch alles fair abgelaufen.
Aber wie sich die Offiziellen gerade präsentieren. Heute in der beliebten Serie: Wie verspiele ich meine Sympathien bei neutralen Zuschauern? Indem ich weiter absurden Scheiß rede.
Also am meisten stört mich die Relativierung der Vorfälle. Dirk Zingerle hat schon "ganz viele Spiele erlebt hat, wo Spieler getroffen worden sind". Das sei ja nichts Außergewöhnliches, das passiert doch ständig. Dann ist es ja auch nicht so schlimm.
Wenn das so normal ist, dann muss sich da dringend etwas ändern. Dann schafft dieses Urteil einen dringend nötigen Präzedenzfall, an dem sich alle jetzt orientieren können: Wenn ein Spieler mit einem Gegenstand am Kopf getroffen wird, bedeutet dies, dass die Mannschaft des den Gegenstand werfenden Fans das Spiel verliert.
Und Punktabzüge, was dies de facto wäre, ist halt die einzige Sprache, die Fans verstehen. Denn finanzielle Strafen für ihren Verein nehmen die Ultras ja seit Jahren in Kauf. Und dann wundern die sich plötzlich, dass kein Geld für die neue Flutlichtanlage da ist... Erst wenn ein Verein absteigt, weil die Fans sich nicht benehmen können, wird sich vielleicht was ändern.
Ist das dann Wettbewerbsverzerrung? Ja. Und ich kann gerade Oke Göttlich auch verstehen, denn dem 1. FC St. Pauli könnte dieses Urteil mehr schaden, als Union Berlin. Dass sie als völlig Unbeteiligte davon betroffen sind, ist richtig Scheiße. Aber muss man sich dann in völlig absurden Verschwörungstheorien verlieren? Also Göttlich befürchtet ja "Wiederholungen". Dass andere Fans sich denken: Ich kann in den Wettbewerb eingreifen! Wie geil.
Aber wie soll das denn funktionieren? Solange man sich nicht in die ganz absurden "Vereine schleusen Fans in die gegnerischen Kurven, damit die dann einen Spielabbruch provozieren" Abgründe bewegt, sehen die Szenarien ungefähr so aus:
Dortmund Fans werfen Gegenstände auf den Heidenheimer Torwart, damit die 3 Punkte bekommen und Hoffenheim absteigt. Im Bekennerschreiben wird genau das als Motiv angegeben. Der Fan wird zu Dortmunds Luigi Mangione und alle wollen sein lebenslanges Stadionverbot aufheben.
Die Eintracht Frankfurt Ultras werfen trotz Führung Wurfgeschosse auf den Bayern Torwart Alexander Nübel, weil dies die einzige Variante ist, wie sie die erste Meisterschaft von RB Leipzig, die zeitgleich an den Bayern vorbeiziehen würden, zu verhindern. GEMEINSAM GEGEN RB steht auf dem Feuerzeug. Die waren richtig gut vorbereitet und wussten, was sie zu tun hatten.
Das sind die absurden Szenarien, in denen die Fans es gut finden würden, wenn ihr eigener Verein verliert. Und das muss hier nochmal explizit festgehalten werden: Die Aktion, die zum Spielabbruch führt, wird immer in der ersten Instanz dem eigenen Verein schaden. Wer das seinen eigenen Fans zutraut, sollte mal dringend darüber nachdenken, in was für einem Verein er aktiv ist.
Und ja, Fans fantasieren jetzt über eingeschleuste V-Männer gegnerischer Vereine, die einen Spielabbruch provozieren wollen. Fans dürfen aber auch rein emotional und völlig realitätsfern reagieren. Aber dass Göttlich entweder Angst vor richtig absurden Szenarien hat, oder eben genau dies auch befürchtet, ist ein riesiges Problem. Denn die Führung jedes Vereins sollte in diesen Momenten Ruhe, Sachlichkeit und Weitsicht ausstrahlen. Stattdessen kippt der Mann weiteres Öl ins Feuer. Richtig gut.
Einen völlig absurden Beitrag zu diesem Diskurs brachten dann Mainz 05 und der VfL Bochum ein. Denn die Highlights bestanden fast ausschließlich aus Kopftreffern in verschiedener Intensität. Tim Oermann und Ivan Ordets mussten aufgrund von Kopfverletzungen ausgewechselt werden. Dass Ordets mit einer blutenden Wunde am Kopf 60 Minuten lang weiterspielen durfte, verdeutlicht irgendwie, dass wir Gehirnerschütterungen auch im Jahr 2025 nicht wirklich ernst nehmen. Oermann hat es wenigstens nur kurz versucht, nachdem er wie ein vom Lucky Punch getroffener Boxer zu Boden gegangen war. Da muss man schon festhalten: Kopfverletzungen, die von anderen Spielern verursacht werden, sind harmloser, als Kopfverletzungen, die durch Feuerzeuge verursacht werden...
Und bevor jetzt jemand mit "Guckt mal, jetzt wirft er Drewes doch Schauspielerei vor!" kommt: Tue ich nicht. Ich werfe den Teamärzten vor, dass sie oftmals nicht die Gesundheit ihrer Spieler im Kopf haben. Die wollen nur sicherstellen, dass der Verteidiger weiterspielen kann und das taktische Konzept nicht umgeworfen werden muss. Das ist gerade bei Kopfverletzungen verdammt gefährlich. Aber über CTE im Fußball wird halt nie geredet werden. Also zumindest nicht ernsthaft. Deswegen muss sich der Drewes ja auch die Vorwürfe der Schauspielerei anhören: Wir sehen jedes Wochenende heftigere Kopftreffer, da kann das ja gar nicht so schlimm gewesen sein. Aber gerade bei Kopftreffern sollte man sich solche Kommentare immer verkneifen, denn das Gehirn ist ein verdammt sensibles Instrument. Mittlerweile wissen wir, dass das Schlimmste eine 2. kleinere Erschütterung nach der 1. heftigen ist.
Ich bin da ja seit Jahren für neutrale Ärzte, die gerade bei Kopfverletzungen nur auf die Gesundheit der Spieler achten und diesen das Weiterspielen erlauben oder eine Auswechslung anordnen. Die muss dann auch nicht gegen das Wechselkontingent gezählt werden. Aber Fans werden sofort wieder vermuten, dass dieser "neutrale Arzt" heimlich Fan des größten Konkurrenten ist und deswegen die Spieler ihres Vereins nicht zurück auf den Platz lässt.
Und sonst so? Muss man nochmal festhalten, dass Julian Brandt mal wieder eine hervorragende Gelegenheit hatte, sich als Führungsspieler zu profilieren: Die komplette Abwehr fiel wegen einer Grippewelle aus. Dortmund war extrem ersatzgeschwächt. Das soll jetzt keine Ausrede sein, aber...
Also das wäre jetzt genau der Moment gewesen, in dem Brandt vorne wegmarschiert und seinen Mitspielern halt gibt. Stattdessen war von ihm mal wieder nichts zu sehen. Darauf kann man sich echt verlassen.
Dabei verlange ich nicht mal, dass der demonstrativ in jeden Ball reingrätscht. Aber nehmen wir mal das riesige Loch, dass Tapsoba vor dem 3:0 freispielt. Muss ich von einem Führungsspieler nicht erwarten, dass er seiner neu formierten Defensive hilft, indem er derartige Löcher zumacht? Wenn er das nicht macht, muss er wenigstens so viel Druck aufbauen, dass der Pass nicht sauber gespielt werden kann. Brandt greift aber lieber gar nicht ein, sondern guckt, was wird. Er sieht einen starken Spielzug des Meisters. Genauso wie Brandt bei der Spieleröffnung vorm 0:1 das Spiel nicht an sich reißt, sondern die neu formierte Abwehr mal machen lässt und guckt, was wird.
Das wäre genau das Spiel gewesen, um eine deutliche Weiterentwicklung als Führungsspieler zu zeigen und seine Position in den Vertragsgesprächen zu stärken. Stattdessen wird der Vertrag am Ende nur verlängert werden, weil beide Parteien sonst keine Optionen haben. Und dann gucken sich auch 2026 und 2027 alle verwundert an, wenn Brandt in wichtigen und engen Spielen mal wieder abtaucht....
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