Oder was ein halbes Jahr alles so ausmachen kann.
Wenn vor einem halben Jahr jemand darauf gewettet hätte, dass Omar Marmoush für 70+X Millionen zu Manchester City wechseln würde, hätte er wahrscheinlich auch eine Million gewonnen. Wenn er den Zeitrahmen auf "innerhalb der nächsten 6 Monate" gesetzt hätte, wäre der PayOut verdoppelt worden. Und in China kann man ja mittlerweile auf alles wetten.
Wobei man an der Stelle nochmal erwähnen muss, dass man auch in Europa auf verdammt viel manipulierbaren Bullshit wetten kann. Es ist nur einfacher, wenn man die Schuld am anderen Ende der Welt sucht.
Jedenfalls war Marmoush vor 12 Monaten angeblich 15 Millionen Euro wert. Wolfsburg hat so richtig nie eine passende Verwendung für ihn gefunden und ihn deswegen nach St. Pauli und Stuttgart verliehen. Für eine perfekte Marktmanipulation fehlt eigentlich nur ein kurzer Aufenthalt in Bielefeld... Er kam, bevor es nach Frankfurt ging, auf 9 Bundesligatore in 69 Spielen. Und ja, er ließ immer wieder sein technisches Potenzial aufblitzen, aber es mangelte immer an der nötigen Effizienz. Dazu steckte er mit Stuttgart im Abstiegskampf. Aber vor 12 Monaten wirkte es so, als würde Marmoush einer dieser Stürmer werden, die einfach nur durch die Bundesliga ziehen. Die technisch beschlagene Version von Sandro Wagner. Und nach seiner guten Durchbruchssaison geht es vielleicht sogar mal zu den Bayern, um da auf der Bank zu sitzen. Was nebenbei auch nichts Schlimmes ist. Marmoush würde damit immer noch ein Multimillionär werden und einigen Vereinen helfen. Vielleicht wäre sogar ein Wechsel zu einem Mittelklasse-Klub in England drin. Max Kruse ist ja zwischenzeitlich auch ins Ausland gewechselt.
Dann hat Marmoush eine ordentliche Saison gespielt. 12 Tore und 6 Vorlagen in 29 Spielen muss man nicht verstecken. Aber es sorgt auch nicht dafür, dass die internationalen Scouts Flugtickets nach Frankfurt buchen. Er war der Topscorer in Frankfurt, aber er spielte international auch nur in der drittklassigen Conference League. Und der Abstand zwischen Frankfurt auf Platz 6 und den Champions League Mannschaften war schon beachtlich.
Nichts deutete darauf hin, dass Marmoush schon in diesem Winter ein Angebot eines internationalem Topklubs bekommen würde. Jetzt soll er plötzlich der teuersten Mannschaft der Welt helfen. Der individuell wohl am besten besetzten Mannschaft. Einem Team, das alles braucht, außer einen Stürmer. Wenn Man City Ellyes Skhiri als Ersatz für Rodri holen würden, ergäbe das mehr Sinn. Aber nachdem Erling Haaland einen 10-Jahres-Vertrag unterschrieben hat, holt man noch einen Stürmer? Einen Stürmer, der noch nicht mal nachgewiesen hat, dass er auf Champions League Niveau mithalten kann?
Und all das nur, weil Marmoush ein herausragendes Halbjahr gespielt hat. Das will ich auch gar nicht kleinreden. Es ist und bleibt seine beste Bundesliga-Saison mit 25 Scorerpunkten. Der hat in dem letzten halben Jahr mehr gemacht, als vorher in einer ganzen Saison. Aber er hat noch nicht mal im Ansatz nachgewiesen, dass er diese Leistung auch halbwegs konstant abrufen kann. Ein herausragendes Halbjahr hatten viele schon. Das bedeutet noch lange nicht, dass man in der absoluten Weltspitze mithalten kann. Ich verweise mal demonstrativ auf Randal Kolo Muani. Das ist genau genommen der erwartbare Weg des Ägypters: Er wird Bank- und Ergänzungsspieler und muss dann mit sich ausmachen, ob ihm das reicht.
Dass Marmoushs Marktwert sich innerhalb von 6 Monaten mehr als vervierfacht, beweist auch nur, wie absurd überhitzt dieser Markt immer noch ist. Da gibt es keinerlei Normalisierung der Preise. Also außer, dass wir es als normal empfinden, dass ein Stürmer mit 0 Champions League Toren und einem starken Halbjahr so viel Geld kostet.
Für die Frankfurter Eintracht ist das wunderbar. Die scheinen sich ja gerade darauf zu spezialisieren, dieses eine richtig gute Saison aus einem Stürmer zu pressen und den dann auf dem Höhepunkt seines Marktwertes über diesem zu verkaufen. Kolo Muani habe ich schon erwähnt. Jesper Lindström kam für 7 und ging für 30 Millionen Euro... Ohne wirklich einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Er wartet immer noch auf sein erstes Tor in einem anderen Trikot, ist aber schon beim 2. Verein n.E.. Frankfurt hat 23 Millionen an ihm verdient.
An Andre Silva verdiente man etwa 20 Millionen. Auch der hatte seine beste Zeit im Frankfurt Trikot. Luka Jovic und Sebastien Haller waren die Innovatoren, die diese Idee in Frankfurt eingeführt haben. Beide kamen im Juli 2017 für günstiges Geld. Beide zogen 2019 für deutlich mehr Geld weiter.
Faszinierender Weise haben all diese Spieler dieselbe Fieberkurve: Sie kommen mit einem überschaubaren Marktwert in Frankfurt an. Es folgt ein kurzer, leichter Anstieg in Jahr 1 und eine Eskalation innerhalb von 6 Monaten. Danach geht der Marktwert wieder nach unten. Meistens bricht er komplett ein. Nur bei Haller hat er nochmal eine Kurve nach oben gemacht, der wäre vor seinem Wechsel nach Dortmund fast wieder an die 40 Millionen aus der Frankfurter Zeit gekommen.
Das ist jetzt wirklich schlecht für Dortmund, denn es ist ja nicht davon auszugehen, dass Frankfurt jetzt einbrechen wird, weil ihr einmaliger Glücksgriff verkauft worden ist. Es wirkt eher so, als hätte man in Frankfurt ein sehr stabiles System aufgebaut, in dem überdurchschnittliche Stürmer überragend aussehen können. Und mit Hugo Ekitiké hat man den designierten Ersatz mit steigendem Marktwert schon im Kader.
Andererseits ist es schlecht für Manchester City, denn all die Angreifer, die Frankfurt abgegeben hat, mussten hinterher zugeben, dass sie in Frankfurt ihre beste Zeit hatten.
Die nächste Ebene, auf der all das völlig absurd ist: Diese Transferpolitik und das Auge für solche ausrastenden Spieler wirkt auf uns schon fast normal. Seit 2020 verkauft man quasi jährlich einen Offensivspieler für mindestens 5 Millionen. Man hat nur an Angreifern 282,4 Millionen Euro an Ablöse kassiert. Dazu kommen 40 Millionen für den Verteidiger Willian Pacho. Der war eine Saison lang Stammspieler, das reicht, um ihn mit einer Marge von 27 Millionen weiterzuverkaufen. Ich persönlich wusste nicht mal, dass die Frankfurter diesen Spieler verpflichtet haben...
Aber hauptsächlich funktioniert das mit den Stürmern, die kurzfristig eskalieren und dann gewinnbringend abgegeben werden. Mittlerweile wirkt es fast so, als wenn das ja schon immer so war. Aber die Vorgänger von Haller und Marmoush waren Olivier Occéan, Stefan Aigner und Mo Idrissou.
Zwischen Anthony Yeboah und eben Aigner kassierte man für keinen einzigen Stürmer mehr als 3 Millionen Euro Ablöse. Wir reden hier von einer Zeitspanne von 20 Jahren.
Die Eintracht hat sich in den letzten Jahren einen völlig neuen Ruf aufgebaut, der ihnen verdammt viel Geld einbringt. Sie lagen zuletzt so häufig richtig, dass man nicht mehr nur von "Glück" sprechen kann. Gleichzeitig schafft man es, die Abgänge so gut zu kompensieren, dass man sich konstant im oberen Drittel eingenistet hat.
Das ist ein wenig wie beim Football Manager: Sie haben die Spielmechanik durchschaut und verstehen, wie man sie ausnutzt, um seine eigene wirtschaftliche Lage zu stabilisieren, ohne dass man auf dem Platz einen Qualitätsverlust erleidet. Nur, dass die Eintracht diesen Cheatcode im realen Leben gefunden hat. Er lautet: Finde einfach superreiche Vereine, die für deine guten, aber nicht überragenden, Stürmer unfassbar viel Geld bezahlen...
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