Dienstag, 28. Januar 2025

Das könnte echt das Worst-Case-Szenario sein

Auch wenn es trotzdem lustig werden wird. Aber es könnte gleichzeitig auch furchtbar werden.

Denn Stuttgart und Paris kommen beide beinah sicher weiter, wenn sie sich auf ein 0:0 einigen. Es sei denn, Zagreb gewinnt 7:0. Das könnte also zu einem Nichtangriffspakt führen.

Hier muss man aber auch sofort festhalten: Das hätte uns auch im alten System passieren können. Zumindest in den Schlussphasen ist es durchaus auch schon vorgekommen, dass beide Mannschaften das Fußball spielen eingestellt haben. Und genau so werden auch die letzten Minuten ablaufen, falls es in dem "Endspiel" lange unentschieden steht: Keiner wird das Weiterkommen durch eine mutige Offensive aufs Spiel setzen.

Der Vorteil am neuen Modus: Beide Vereine sollten gewinnen, um sich hoffentlich ein einfacheres Los in der Zwischenrunde zu sichern. Also klar, es wartet theoretisch Aston Villa auf den "Tabellenletzten". Aber dieses Aston Villa hat halt auch die Bayern geschlagen. Die Optimisten reden sich also ein, dass eine Mannschaft aus der Premiere League der Wunschgegner ist.

Das liegt nebenbei auch an der Sondersituation, dass Club Brügge und Manchester City aufeinandertreffen. Also wenn beide theoretisch gewinnen könnten, würde in Stuttgart kein Unentschieden reichen.

Club Brügge zeigt nebenbei die Absurdität des Spieltags: Bei einer Niederlage droht ihnen das komplette Ausscheiden. Bei einem Sieg wäre theoretisch sogar noch Platz 8 drin. THEORETISCH muss hier extrem großgeschrieben werden, denn dafür müssten die 8:0 gewinnen und alle anderen Ergebnisse in ihre Richtung ausgehen. Ich wage mal zu behaupten: Da kann man nicht mal in China drauf wetten...

Die Bayern könnten im Worst-Case-Szenario 21. werden. Also dafür müssen sie erstmal gegen Slovan Bratislava verlieren... aber wir hielten es auch letzte Woche für absurd, dass die Bayern in Rotterdam 3:0 verlieren. Auf der optimistischen Seite ist Platz 5 noch drin. Also um mal demonstrativ zu verdeutlichen, wie viel theoretische Bewegung in dieser Tabelle noch drin ist.

Wobei man jetzt auch fragen muss, ob Platz 21 wirklich "so schlecht" wäre. Denn es könnte bedeuten, dass man Real Madrid, Paris und Manchester City aus dem Weg geht. Dass diese 3 Mannschaften so abkacken würden, hat wohl niemand kommen sehen. Bei einer sachlichen Betrachtung muss man aber zugeben: dank der extremen Dauerbelastung von Real und City war ein zwischenzeitlicher Einbruch eigentlich absehbar. 

Aber das könnte eine zusätzliche Würze ins Spiel bringen: Wenn man als Tabellen-Elfter vor einem Date mit City in der Zwischenrunde steht, könnte das der ultimative Zeitpunkt für ein taktisches Eigentor sein.

Gerade von Platz 18 bis 5 ist die Lage aber so eng, dass ein einzelnes Tor alles komplett auf den Kopf stellen würde. Warum sollte man also aufs Eigentor gehen, wenn man mit einem Sieg auf Platz 5 springen könnte? Und wie soll man vorhersagen, was auf den anderen Plätzen passiert? Am Ende haben all diese Mannschaften nur die Option, selbst auf Sieg zu spielen.

Und mittendrin gibt es dann Graz - Leipzig und Bern - Belgrad. 2 Spiele, die wirklich nur für die Statistik ausgetragen werden. Und für die Fernsehgelder. Dass 4 bereits ausgeschiedene Mannschaften am letzten Spieltag aufeinandertreffen, sollte eine ähnlich große Ausnahme sein, wie der mögliche Nichtangriffspakt in Stuttgart.

Freitag, 24. Januar 2025

Und das war nur die Vorspeise

Die Hauptspeise kommt erst nächste Woche.

Also ganz ehrlich: Es muss Jahrzehnte her gewesen sein, dass ich für eine zweite Halbzeit eines Gruppenspiels in der Champions League vor dem Bildschirm gehangen habe. Mit einem "Scheiß drauf, dass ich morgen zur Schule muss". Das war in diesem ominösen Früher, wo man halt ein ganzes Jahr drauf warten musste, um einen Rivaldo im Fernsehen zu sehen: auch wenn man damals wenig gesehen hat, hat man eingeschaltet. Da ist uns wenigstens gar nicht aufgefallen, dass Rivaldo gar nicht gespielt hat...

Mittlerweile ist der Markt ja so übersättigt, dass man zumindest jede Woche die Highlights sehen kann. Und man hat ja die technischen Möglichkeiten, einfach alle Spiele zu sehen, wenn man das unbedingt will.

Aber egal: Paris St. Germain gegen Manchester City war das beste Gruppenspiel aller Zeiten. Das hätte die Uefa nicht besser skripten oder der chinesische Wettmarkt nicht besser manipulieren können. Wer auch immer das zu verantworten hat, hat sich ein dickes Lob verdient.

Also rein technisch gesehen hätte dieses Spiel im alten Modus ja gar nicht ausgetragen werden können, weil beide Mannschaften in Lostopf 1 gelandet wären. Damit war ausgeschlossen, dass sie aufeinander treffen. Und eigentlich fand ich es ja absurd, dass die neue Gruppenphase jetzt dazu führt, dass wir die Duelle, die es ab dem Viertelfinale eh jährlich gibt, noch häufiger stattfinden.

Aber da ging ich auch davon aus, dass es für beide um relativ wenig bis nichts geht. Also nur um die Frage, ob man Vierter oder Fünfter wird.

Jetzt haben beide die Gruppenphase so verkackt, dass beide das Spiel gewinnen mussten, um sich wenigstens die Playoffs zu sichern. Also halbwegs zu sichern. Und wenn 2 individuell großartig besetzte Mannschaften auf Sieg spielen müssen, kommt da meistens ein großartiges Spiel bei raus. Dass dann ausgerechnet Paris, die ja bisher immer am geringsten Widerstand zerbrochen sind, den Rückstand drehten, ist eine absurde Pointe.

Aber das müssen sie jetzt nächste Woche nochmal beweisen. Denn wenn sie gegen Stuttgart verlieren, wären sie trotzdem raus. Auch Stuttgart muss aber zwingend gewinnen, wenn sie im Wettbewerb bleiben wollen. Und klar, wenn Bologna gegen Sporting verliert, könnte Stuttgart auch mit einem Unentschieden weiterkommen. Aber wer verliert schon gegen Bologna?

Oh, ja, die Dortmunder. Natürlich. Es ist aber auch faszinierend, wie kaputt der BvB gerade ist. Und damit meine ich nicht nur das offensichtliche, dass Nuri Şahin als Trainer komplett überfordert war. Auch die Führungsetage ist offensichtlich komplett kaputt. Also die Frage, warum Lars Ricken befördert werden musste, obwohl die eigentliche Bilanz der Dortmunder Eigengewächse grausam ist, kann mir immer noch keiner beantworten. Was natürlich auch daran liegt, dass sich niemand mit der Frage, warum sich keine Dortmunder Eigengewächse durchsetzen, beschäftigt. Sebastian Kehl ist hauptsächlich Manager, weil er schon so lange da ist. Aber was macht eigentlich Matthias Sammer? Bei Amazon Prime die Mannschaft zerlegen? Also klar, mit seiner Einschätzung hat er vollkommen recht. Dass er die unangenehmen Wahrheiten ausspricht, ist wichtig. Aber bezahlen die den nicht als "Berater", damit er das intern so deutlich anspricht? Denn diese "Nicht-Verfassung" kommt ja nicht... aus dem Nichts. Diese Verfassung konnten wir 4 Spiele lang bestaunen. Aber Sammer fällt das erst jetzt auf? Oder er spricht das erst jetzt an? Oder er wurde intern ignoriert, weil er es vorher angesprochen hat?

Entweder die Dortmunder verschwenden das Gehalt für Sammer, weil sie ihnen eh nicht zuhören, oder sie verschwenden das Gehalt für Sammer, weil er seinen Job nur öffentlich macht... Egal, wie man es betrachtet, man kann da beiden Parteien kein gutes Zeugnis ausstellen.

Joachim Watzke sitzt daneben und guckt sich an, wie um ihn herum sein Lebenswerk zusammenbricht. Ganz großes Kino.

Und so, wie sich der Rest der Deutschen Mannschaften gerade anstellen, gibt es ja nicht wirklich die große Hoffnung, dass man über die Jahreswertung als 5. Mannschaft zur Champions League eingeladen wird. RB Leipzig ist schon sicher ausgeschieden. Der TSG 1899 Hoffenheim droht ebenfalls das Vorrundenaus. Heidenheim ist schon in der Zwischenrunde. Bayern und eben Dortmund müssen da wahrscheinlich auch antreten. Stuttgart hofft zumindest, dass sie diese erreichen. Aber vielleicht ist das ja der Dortmunder Plan: Dass die deutschen Mannschaften in dieser Zwischenrunde so viele Punkte holen, dass man am Ende wieder zu den besten Nationen gehört...

Ernsthaft: Wie werden diese Playoffs eigentlich für die 5-Jahres-Wertung verrechnet? Ist es am Ende gut, wenn da viele Mannschaften aus deiner Liga teilnehmen? 

Aber ja: Von der "halben Liga", die dieses Jahr international starten durften, überzeugen nur Bayer Leverkusen und natürlich Eintracht Frankfurt. Das ist kein gutes Zwischenzeugnis. Das ist jetzt vielleicht auch nicht DER Moment, um darauf hinzuweisen, dass die Bayern in der Liga nur einen Punkt mehr geholt haben, als in der angeblich so grausamen Vorsaison. Also falls noch irgendjemand glaubt, dass unter Vincent Kompany alle deutlich besser geworden ist: Ist es nicht, Bayer ist nur ein wenig schwächer geworden, deswegen fällt das nicht auf.

Mittwoch, 22. Januar 2025

Es ist einfach absurd, wie schnell das alles mittlerweile geht.

 Oder was ein halbes Jahr alles so ausmachen kann.

Wenn vor einem halben Jahr jemand darauf gewettet hätte, dass Omar Marmoush für 70+X Millionen zu Manchester City wechseln würde, hätte er wahrscheinlich auch eine Million gewonnen. Wenn er den Zeitrahmen auf "innerhalb der nächsten 6 Monate" gesetzt hätte, wäre der PayOut verdoppelt worden. Und in China kann man ja mittlerweile auf alles wetten.

Wobei man an der Stelle nochmal erwähnen muss, dass man auch in Europa auf verdammt viel manipulierbaren Bullshit wetten kann. Es ist nur einfacher, wenn man die Schuld am anderen Ende der Welt sucht.

Jedenfalls war Marmoush vor 12 Monaten angeblich 15 Millionen Euro wert. Wolfsburg hat so richtig nie eine passende Verwendung für ihn gefunden und ihn deswegen nach St. Pauli und Stuttgart verliehen. Für eine perfekte Marktmanipulation fehlt eigentlich nur ein kurzer Aufenthalt in Bielefeld... Er kam, bevor es nach Frankfurt ging, auf 9 Bundesligatore in 69 Spielen. Und ja, er ließ immer wieder sein technisches Potenzial aufblitzen, aber es mangelte immer an der nötigen Effizienz. Dazu steckte er mit Stuttgart im Abstiegskampf. Aber vor 12 Monaten wirkte es so, als würde Marmoush einer dieser Stürmer werden, die einfach nur durch die Bundesliga ziehen. Die technisch beschlagene Version von Sandro Wagner. Und nach seiner guten Durchbruchssaison geht es vielleicht sogar mal zu den Bayern, um da auf der Bank zu sitzen. Was nebenbei auch nichts Schlimmes ist. Marmoush würde damit immer noch ein Multimillionär werden und einigen Vereinen helfen. Vielleicht wäre sogar ein Wechsel zu einem Mittelklasse-Klub in England drin. Max Kruse ist ja zwischenzeitlich auch ins Ausland gewechselt

Dann hat Marmoush eine ordentliche Saison gespielt. 12 Tore und 6 Vorlagen in 29 Spielen muss man nicht verstecken. Aber es sorgt auch nicht dafür, dass die internationalen Scouts Flugtickets nach Frankfurt buchen. Er war der Topscorer in Frankfurt, aber er spielte international auch nur in der drittklassigen Conference League. Und der Abstand zwischen Frankfurt auf Platz 6 und den Champions League Mannschaften war schon beachtlich.

Nichts deutete darauf hin, dass Marmoush schon in diesem Winter ein Angebot eines internationalem Topklubs bekommen würde. Jetzt soll er plötzlich der teuersten Mannschaft der Welt helfen. Der individuell wohl am besten besetzten Mannschaft. Einem Team, das alles braucht, außer einen Stürmer. Wenn Man City Ellyes Skhiri als Ersatz für Rodri holen würden, ergäbe das mehr Sinn. Aber nachdem Erling Haaland einen 10-Jahres-Vertrag unterschrieben hat, holt man noch einen Stürmer? Einen Stürmer, der noch nicht mal nachgewiesen hat, dass er auf Champions League Niveau mithalten kann?

Und all das nur, weil Marmoush ein herausragendes Halbjahr gespielt hat. Das will ich auch gar nicht kleinreden. Es ist und bleibt seine beste Bundesliga-Saison mit 25 Scorerpunkten. Der hat in dem letzten halben Jahr mehr gemacht, als vorher in einer ganzen Saison. Aber er hat noch nicht mal im Ansatz nachgewiesen, dass er diese Leistung auch halbwegs konstant abrufen kann. Ein herausragendes Halbjahr hatten viele schon. Das bedeutet noch lange nicht, dass man in der absoluten Weltspitze mithalten kann. Ich verweise mal demonstrativ auf Randal Kolo Muani. Das ist genau genommen der erwartbare Weg des Ägypters: Er wird Bank- und Ergänzungsspieler und muss dann mit sich ausmachen, ob ihm das reicht.

Dass Marmoushs Marktwert sich innerhalb von 6 Monaten mehr als vervierfacht, beweist auch nur, wie absurd überhitzt dieser Markt immer noch ist. Da gibt es keinerlei Normalisierung der Preise. Also außer, dass wir es als normal empfinden, dass ein Stürmer mit 0 Champions League Toren und einem starken Halbjahr so viel Geld kostet.

Für die Frankfurter Eintracht ist das wunderbar. Die scheinen sich ja gerade darauf zu spezialisieren, dieses eine richtig gute Saison aus einem Stürmer zu pressen und den dann auf dem Höhepunkt seines Marktwertes über diesem zu verkaufen. Kolo Muani habe ich schon erwähnt. Jesper Lindström kam für 7 und ging für 30 Millionen Euro... Ohne wirklich einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Er wartet immer noch auf sein erstes Tor in einem anderen Trikot, ist aber schon beim 2. Verein n.E.. Frankfurt hat 23 Millionen an ihm verdient.

An Andre Silva verdiente man etwa 20 Millionen. Auch der hatte seine beste Zeit im Frankfurt Trikot. Luka Jovic und Sebastien Haller waren die Innovatoren, die diese Idee in Frankfurt eingeführt haben. Beide kamen im Juli 2017 für günstiges Geld. Beide zogen 2019 für deutlich mehr Geld weiter. 

Faszinierender Weise haben all diese Spieler dieselbe Fieberkurve: Sie kommen mit einem überschaubaren Marktwert in Frankfurt an. Es folgt ein kurzer, leichter Anstieg in Jahr 1 und eine Eskalation innerhalb von 6 Monaten. Danach geht der Marktwert wieder nach unten. Meistens bricht er komplett ein. Nur bei Haller hat er nochmal eine Kurve nach oben gemacht, der wäre vor seinem Wechsel nach Dortmund fast wieder an die 40 Millionen aus der Frankfurter Zeit gekommen.

Das ist jetzt wirklich schlecht für Dortmund, denn es ist ja nicht davon auszugehen, dass Frankfurt jetzt einbrechen wird, weil ihr einmaliger Glücksgriff verkauft worden ist. Es wirkt eher so, als hätte man in Frankfurt ein sehr stabiles System aufgebaut, in dem überdurchschnittliche Stürmer überragend aussehen können. Und mit Hugo Ekitiké hat man den designierten Ersatz mit steigendem Marktwert schon im Kader.

Andererseits ist es schlecht für Manchester City, denn all die Angreifer, die Frankfurt abgegeben hat, mussten hinterher zugeben, dass sie in Frankfurt ihre beste Zeit hatten.

Die nächste Ebene, auf der all das völlig absurd ist: Diese Transferpolitik und das Auge für solche ausrastenden Spieler wirkt auf uns schon fast normal. Seit 2020 verkauft man quasi jährlich einen Offensivspieler für mindestens 5 Millionen. Man hat nur an Angreifern 282,4 Millionen Euro an Ablöse kassiert. Dazu kommen 40 Millionen für den Verteidiger Willian Pacho. Der war eine Saison lang Stammspieler, das reicht, um ihn mit einer Marge von 27 Millionen weiterzuverkaufen. Ich persönlich wusste nicht mal, dass die Frankfurter diesen Spieler verpflichtet haben...

Aber hauptsächlich funktioniert das mit den Stürmern, die kurzfristig eskalieren und dann gewinnbringend abgegeben werden. Mittlerweile wirkt es fast so, als wenn das ja schon immer so war. Aber die Vorgänger von Haller und Marmoush waren Olivier Occéan, Stefan Aigner und Mo Idrissou

Zwischen Anthony Yeboah und eben Aigner kassierte man für keinen einzigen Stürmer mehr als 3 Millionen Euro Ablöse. Wir reden hier von einer Zeitspanne von 20 Jahren. 

Die Eintracht hat sich in den letzten Jahren einen völlig neuen Ruf aufgebaut, der ihnen verdammt viel Geld einbringt. Sie lagen zuletzt so häufig richtig, dass man nicht mehr nur von "Glück" sprechen kann. Gleichzeitig schafft man es, die Abgänge so gut zu kompensieren, dass man sich konstant im oberen Drittel eingenistet hat.

Das ist ein wenig wie beim Football Manager: Sie haben die Spielmechanik durchschaut und verstehen, wie man sie ausnutzt, um seine eigene wirtschaftliche Lage zu stabilisieren, ohne dass man auf dem Platz einen Qualitätsverlust erleidet. Nur, dass die Eintracht diesen Cheatcode im realen Leben gefunden hat. Er lautet: Finde einfach superreiche Vereine, die für deine guten, aber nicht überragenden, Stürmer unfassbar viel Geld bezahlen...

Montag, 20. Januar 2025

Worst of des "Immerhin wurde es nicht schlechter" Wochenendes

 Die 2. Halbzeit war doch "in Ordnung". Wie schon gegen Bayer Leverkusen und Holstein Kiel. Das sind doch...

Ok, genau genommen gab es nur einen Fortschritt: dass man dieses Mal keine 3 Gegentore in der ersten Halbzeit kassiert hat. Was auch nur bedingt eine eigene Leistung ist, denn die erste Einladung zum Gegentreffer wurde in der ersten Minute von Gregor Kobel versendet. 

Und klar, in der 2. Halbzeit konnte man die Eintracht tief in ihre eigene Hälfte drängen. Oder Frankfurt überließ den Dortmundern das Feld. Das ist eine reine Frage der Betrachtung.  Wirklich viel kam dabei aber nicht rum... außer die Hoffnung, dass es für Kleinigkeiten Elfmeter gibt.

Gerade das "Foul" an Serhou Guirassy ist auch bezeichnend: Anstatt sich mit Wucht und Dynamik durchzusetzen, lässt er sich beim geringsten Kontakt fallen. Oder anders ausgedrückt: Anstatt selber eine Entscheidung zu erzwingen, hofft er darauf, dass der Schiedsrichter schon helfen wird. Und wenn selbst Nuri Şahin hinterher einsieht, dass das kein Elfer war, beweist das nur, dass Guirassy nicht wegen des Kontaktes, sondern wegen der Gelegenheit gefallen ist. Bei Gittens Dribbling in den Strafraum sieht die Dortmunder Brille das natürlich anders, aber auch da ist der Angreifer auf nichts außer ein Foul aus. Und wenn das deine beiden "besten" Offensivaktionen waren, war es auch in Halbzeit 2 nicht wirklich gut.

So langsam versteht man auch, warum Vorgänger Edin Terzić diesen Sicherheitsfußball spielen ließ. Denn aggressives Pressing ist mit dieser Dortmunder Mannschaft einfach nicht vernünftig. Es ist faszinierend, wie immer wieder alles zusammenbricht, sobald ein Mal eine Pressinglinie überspielt wird. Gegen Leverkusen kassierte man so das 2. Tor. Gegen Frankfurt greift man vor dem 1:0 auf Höhe der Mittellinie nicht aggressiv genug zu und steht dann de facto blank. 

Und das war nicht der einzige Moment, wo plötzlich viel zu viele Frankfurter auf die Dortmunder Kette zuliefen. Da muss man als Trainer doch irgendwann mal merken, dass die Mannschaft in der derzeitigen Verfassung und Formation nicht vernünftig pressen kann.

Ein paar Fortschritte gab es aber schon. Emre Can und Guirassy sahen Gelbe Karten. Für aggressive Zweikämpfe? Natürlich nicht, sondern für übertriebenes Meckern. Oh und Julian Brandt wurde schon nach 70 Minuten ausgewechselt...
Also klar, ich schieße mich gerade voll auf Brandt ein. Aber er ist gerade auch das Gesicht des Fehlstarts. Allein schon, weil er im Gegensatz zu vielen anderen an allen 3 Spielen teilnehmen konnte. Oder musste. Was absurd ist, denn Sahin hat ja nach der "beschämenden" Nicht-Leistung "Konsequenzen" angedroht hat. Das offensichtliche wäre ja den Torschützen zum 1:2, Gio Reyna, anstelle der bisher größten Enttäuschung der Rückrunde zu bringen. Man ersetzt den Mann, der mit seinem Ballverlust das Elend gegen Kiel eingeleitet hat, durch den Mann, der fast noch das Comeback ermöglicht hätte. Das drängt sich geradezu auf. Reyna saß stattdessen zur Belohnung 88 Minuten lang auf der Bank...

Reyna hat nebenbei in 159 Minuten genauso viele Tore erzielt, wie Brandt in 1237... Ohne dass Brandt jetzt absurd viele Torvorlagen gesammelt hat. Und hey, vielleicht trainiert Brandt überragend, während Reyna da deutlich macht, dass er eigentlich keinen Bock hat. Aber bei dem, was wir bisher gesehen haben, ist es nicht nachvollziehbar, warum Brandt anscheinend einen Freifahrtschein hat...

Aber gut, immerhin hat man keine 3-Tore-Führung verspielt... gegen den Tabellenletzten. RB Leipzig hält also den Traum von der Champions League Qualifikation für Dortmund am Leben...
Bei Marco Rose kam an diesem Wochenende plötzlich der ehemalige Dortmund Trainer durch. "Das ist eine Frage der Haltung, da muss keiner mit Mentalität kommen"... Ja, er hat den "Wir nutzen haufenweise Synonyme, aber verweigern es von Mentalität zu reden" Joker genommen, den sonst nur Dortmund nutzt.
Noch geiler ist echt nur seine "Als Trainer sitzt du manchmal nur auf dem Beifahrersitz." Also ein guter Beifahrer hat den Überblick über die Fahrt, reicht dem Fahrer Getränke... und wenn der Fahrer sich verfährt, greift man halt ein und zeigt ihm den richtigen Weg. 

Am besten wird das an den Wechseln deutlich: Dieter Hecking bringt mit Holtmann den entscheidenden Impuls, damit der Bochumer Wagen in die richtig abbiegt. Rose wartet auf das 3:3, bis er seine 2 guten Optionen von der Bank bringt. Auch wenn die Leipziger Bank erschreckend dünn aussieht, so wäre doch gerade Yussuf Poulsen ein Spieler, der genau für die nötige Mentaliähh Haltung steht, die man braucht, um das Spiel nicht aus der Hand zu geben.

Wobei man das "erschreckend dünn" auch relativieren muss. Mit El Chadaille Bitshiabu und Lutshaerl Geertruida saßen zwei Spieler auf der Bank, die allein jeweils mehr Ablöse gekostet haben, als der gesamte Bochumer Kader... Wenn Rose für diese Spieler keinerlei Verwendung hat, ist er vielleicht nicht der perfekte Beifahrer.

Zu guter Letzt noch aus der neuen, beliebten Serie "In China kann man ja auf alles wetten": der 1. FC St. Pauli ist offizielle Baden-Württemberg Meister. Denn sie haben alle 4 Spiele in diesem Bundesland gewonnen. Sie haben in Freiburg, Hoffenheim, Stuttgart und Heidenheim gewonnen. Und ja, ich habe auch dieses Wochenende erfahren, dass Heidenheim in diesem Bundesland liegt. Fußball gucken bildet! 

Wer das als Kombiwette auf seinem Schein hatte, ist jetzt jedenfalls reich. Ich wollte es nur erwähnt haben. Wirklich absurd wird es ja, wenn man sich die Bilanz im "restlichen Deutschland" anguckt: Da ist St. Pauli bei einem Sieg, 2 Unentschieden und 11 Niederlagen... unter anderen gegen Heidenheim. Können die eigentlich für den Rest der Saison spontan umziehen?

Donnerstag, 16. Januar 2025

In der Bundesliga gibt es wenig Neues.

 Also ja, die Dortmunder Abwehrspieler sind zurück... Julian Brandt leistet sich trotzdem einen leichtfertigen Ballverlust, der direkt zum 1:0 führt. Und danach kassiert man bis zur Pause noch 2 weitere Tore. Läuft bei denen. 

Der wievielte komplette Systemabsturz des Jahres war das eigentlich? Und viel wichtiger: Saß Edin Terzić nicht im Block und konnte sofort helfen? Wobei man ja fairerweise erwähnen muss, dass auch der die strukturellen Probleme nicht dauerhaft lösen kann. Aber mittlerweile steht man auf Platz 10. Am Freitag kommt Eintracht Frankfurt...
Vielleicht sollte Dortmund in den Omar Marmoush Poker einsteigen. Also als Hilfe für Manchester City: Wie, das scheitert an 10 Millionen? Hier habt ihr die für irgendeinen U17 Spieler, Hauptsache Marmoush ist vor Freitag schon weg und verbringt die Rückrunde nicht komplett in Frankfurt.

Denn eine andere Sache wurde in dieser Woche auch deutlich: Die Top 3 der Bundesliga sind schon verdammt gut. Also für Bundesligaverhältnisse. Leverkusen gewinnt auch die hässlichen Spiele. Bayern schenkt Baumann seine 4+x Tore ein, damit alle Angreifer sich besser in den Vertragsverhandlungen positionieren können. Und Frankfurt macht in der Konstellation schon Laune. Der größte Hoffnungsträger für den BvB ist und bleibt RB Leipzig

Wo ich mich langsam frage, wie die reagieren, wenn Platz 4 ernsthaft in Gefahr gerät... und viel Spielraum haben sie ja nicht mehr. Wobei man an der Stelle auch anmerken muss: Die Leipziger können sich quasi komplett auf die Liga konzentrieren. Sie haben noch 2 "Pflichttermine" in der Champions League, aber ihr Ausscheiden ist schon perfekt. Ab Ende Januar haben sie maximal 2 weitere englische Wochen im Kalender. Auch wenn Marco Rose seine grundlegenden Probleme in Leipzig nicht in den Griff bekommt, kann man immer noch davon ausgehen, dass die im Frühjahr eine Siegesserie hinlegen. Einfach nur, weil sie deutlich frischer sein werden, als man das vor der Saison erwartet hat. Und gerade wenn man viel mit jungen, emotionalen Spielern arbeitet, macht sich so was oftmals bemerkbar.

Da muss sich die Borussia gut überlegen, ob sie auch gegen St. Pauli aus Solidarität 3 Punkte verschenken. Wenn sie es jetzt aber nicht machen, ist es auch irgendwie Wettbewerbsverzerrrung...
Was den Dortmundern wirklich zu denken geben sollte: Die spielen praktisch dieselbe Saison, wie letztes Jahr. Sie sind nur noch ein bisschen schlechter. Also international stehen die ja verdammt gut da. Minimal besser als die Bayern. Wenn man gegen Bologna und Donezk die erwartbaren 6 Punkte holt, könnte man der Zwischenrunde aus dem Weg gehen. Aber diese hat man schon sicher erreicht. Aber in der Liga reihen sich die unentschuldbaren Fehltritte aneinander. Was auch nur bedeutet: Nuri Şahin hat für keines der Probleme, die Terzić geplagt haben, eine Lösung gefunden. Dass diese strukturellen Probleme im Kader selbst ein Jürgen Klopp nicht lösen könnte, habe ich ja schon oft genug ausgeführt. Aber unter einem guten Trainer würden sich diese Probleme wenigstens nicht verschlimmern. Und unter Terzić hat man wenigstens ordentlich verteidigt.

Auch beim anderen Dauergast ändern sich die Aussagen nicht wirklich. Sie werden nur dramatischer. Vielleicht ist ihnen selbst aufgefallen, wie unwahrscheinlich es ist, dass die eigenen Fans einen Spielabbruch provozieren wollen, weil sie damit ja ihrem Verein schaden würden. Also bringt Horst Heldt die chinesische Wettmafia ins Spiel. Ernsthaft, Heldt hat tatsächlich Angst davor, dass ein Chinese seine Fans kauft, damit der dann im Stadion einen Spielabbruch provoziert und wahrscheinlich verhaftet wird, weil man da in einem versifften Lokal in Wuhan drauf wetten kann. Das sind die Strohmänner, an die sich Union aufhängt, weil sie keine anständigen Argumente haben, um das Verhalten ihrer Fans zu rechtfertigen. Wir sind von "Es kann nicht sein, dass Fans Gegenstände auf die Köpfe von Spielern werfen" zum "Es kann aber sein, dass die von den Chinesen bezahlt werden und deswegen können wir jetzt nicht dagegen vorgehen" gekommen. Stark.

Vielleicht sollte sich Union mal eher dem eigentlichen Problem zuwenden: Dem Fakt, dass man seit dem 7. Spieltag sieglos ist. Dass man im Januar 2025 plötzlich die schlechteste Mannschaft der Liga stellt. Denn die anderen zeigen ja gerade überraschende Lebenszeichen. Und klar, gegen Dortmund hat Union Berlin auch gewonnen, so gesehen hat Kiel gar nichts Besonderes geschafft. Aber seit dem hat man aber eben nur diese Kieler geschlagen.
Oder ganz direkt gesagt: wenn man gegen 10 Bochumer spielerische Lösungen gefunden hätte, müssten wir diese ganze Diskussion nicht führen. Und die ersten Anzeichen lassen nicht darauf schließen, dass der "Dead Coach Bounce" die Probleme lösen wird.

Vielleicht, ganz verrückter Gedanke, sollte man selber mal damit abschließen und sich auf die eigene Leistung konzentrieren. Denn die sind gerade so schlecht, dass man selbst noch von Bochum eingeholt werden kann. Und da werden Nebenschauplätze, die die Konzentration auf das Wesentliche behindern, nicht helfen

Montag, 13. Januar 2025

Worst of des "Und die legen auch noch nach" Wochenendes

Also nicht auf dem Platz. Da zeigt sich Union dann doch solidarisch: Wenn unsere Fans den Bochumern 3 Punkte schenkt, müssen wir auch den Heidenheimern 3 Punkte schenken. Wenn die jetzt noch gegen St. Pauli und Kiel verlieren, ist doch alles fair abgelaufen.

Aber wie sich die Offiziellen gerade präsentieren. Heute in der beliebten Serie: Wie verspiele ich meine Sympathien bei neutralen Zuschauern? Indem ich weiter absurden Scheiß rede.

Also am meisten stört mich die Relativierung der Vorfälle. Dirk Zingerle hat schon "ganz viele Spiele erlebt hat, wo Spieler getroffen worden sind". Das sei ja nichts Außergewöhnliches, das passiert doch ständig. Dann ist es ja auch nicht so schlimm.

Wenn das so normal ist, dann muss sich da dringend etwas ändern. Dann schafft dieses Urteil einen dringend nötigen Präzedenzfall, an dem sich alle jetzt orientieren können: Wenn ein Spieler mit einem Gegenstand am Kopf getroffen wird, bedeutet dies, dass die Mannschaft des den Gegenstand werfenden Fans das Spiel verliert. 

Und Punktabzüge, was dies de facto wäre, ist halt die einzige Sprache, die Fans verstehen. Denn finanzielle Strafen für ihren Verein nehmen die Ultras ja seit Jahren in Kauf. Und dann wundern die sich plötzlich, dass kein Geld für die neue Flutlichtanlage da ist... Erst wenn ein Verein absteigt, weil die Fans sich nicht benehmen können, wird sich vielleicht was ändern.

Ist das dann Wettbewerbsverzerrung? Ja. Und ich kann gerade Oke Göttlich auch verstehen, denn dem 1. FC St. Pauli könnte dieses Urteil mehr schaden, als Union Berlin. Dass sie als völlig Unbeteiligte davon betroffen sind, ist richtig Scheiße. Aber muss man sich dann in völlig absurden Verschwörungstheorien verlieren? Also Göttlich befürchtet ja "Wiederholungen". Dass andere Fans sich denken: Ich kann in den Wettbewerb eingreifen! Wie geil.

Aber wie soll das denn funktionieren? Solange man sich nicht in die ganz absurden "Vereine schleusen Fans in die gegnerischen Kurven, damit die dann einen Spielabbruch provozieren" Abgründe bewegt, sehen die Szenarien ungefähr so aus:
Dortmund Fans werfen Gegenstände auf den Heidenheimer Torwart, damit die 3 Punkte bekommen und Hoffenheim absteigt. Im Bekennerschreiben wird genau das als Motiv angegeben. Der Fan wird zu Dortmunds Luigi Mangione und alle wollen sein lebenslanges Stadionverbot aufheben.
Die Eintracht Frankfurt Ultras werfen trotz Führung Wurfgeschosse auf den Bayern Torwart Alexander Nübel, weil dies die einzige Variante ist, wie sie die erste Meisterschaft von RB Leipzig, die zeitgleich an den Bayern vorbeiziehen würden, zu verhindern. GEMEINSAM GEGEN RB steht auf dem Feuerzeug. Die waren richtig gut vorbereitet und wussten, was sie zu tun hatten.

Das sind die absurden Szenarien, in denen die Fans es gut finden würden, wenn ihr eigener Verein verliert. Und das muss hier nochmal explizit festgehalten werden: Die Aktion, die zum Spielabbruch führt, wird immer in der ersten Instanz dem eigenen Verein schaden. Wer das seinen eigenen Fans zutraut, sollte mal dringend darüber nachdenken, in was für einem Verein er aktiv ist.

Und ja, Fans fantasieren jetzt über eingeschleuste V-Männer gegnerischer Vereine, die einen Spielabbruch provozieren wollen. Fans dürfen aber auch rein emotional und völlig realitätsfern reagieren. Aber dass Göttlich entweder Angst vor richtig absurden Szenarien hat, oder eben genau dies auch befürchtet, ist ein riesiges Problem. Denn die Führung jedes Vereins sollte in diesen Momenten Ruhe, Sachlichkeit und Weitsicht ausstrahlen. Stattdessen kippt der Mann weiteres Öl ins Feuer. Richtig gut.

Einen völlig absurden Beitrag zu diesem Diskurs brachten dann Mainz 05 und der VfL Bochum ein. Denn die Highlights bestanden fast ausschließlich aus Kopftreffern in verschiedener Intensität. Tim Oermann und Ivan Ordets mussten aufgrund von Kopfverletzungen ausgewechselt werden. Dass Ordets mit einer blutenden Wunde am Kopf 60 Minuten lang weiterspielen durfte, verdeutlicht irgendwie, dass wir Gehirnerschütterungen auch im Jahr 2025 nicht wirklich ernst nehmen. Oermann hat es wenigstens nur kurz versucht, nachdem er wie ein vom Lucky Punch getroffener Boxer zu Boden gegangen war. Da muss man schon festhalten: Kopfverletzungen, die von anderen Spielern verursacht werden, sind harmloser, als Kopfverletzungen, die durch Feuerzeuge verursacht werden...

Und bevor jetzt jemand mit "Guckt mal, jetzt wirft er Drewes doch Schauspielerei vor!" kommt: Tue ich nicht. Ich werfe den Teamärzten vor, dass sie oftmals nicht die Gesundheit ihrer Spieler im Kopf haben. Die wollen nur sicherstellen, dass der Verteidiger weiterspielen kann und das taktische Konzept nicht umgeworfen werden muss. Das ist gerade bei Kopfverletzungen verdammt gefährlich. Aber über CTE im Fußball wird halt nie geredet werden. Also zumindest nicht ernsthaft. Deswegen muss sich der Drewes ja auch die Vorwürfe der Schauspielerei anhören: Wir sehen jedes Wochenende heftigere Kopftreffer, da kann das ja gar nicht so schlimm gewesen sein. Aber gerade bei Kopftreffern sollte man sich solche Kommentare immer verkneifen, denn das Gehirn ist ein verdammt sensibles Instrument. Mittlerweile wissen wir, dass das Schlimmste eine 2. kleinere Erschütterung nach der 1. heftigen ist.
Ich bin da ja seit Jahren für neutrale Ärzte, die gerade bei Kopfverletzungen nur auf die Gesundheit der Spieler achten und diesen das Weiterspielen erlauben oder eine Auswechslung anordnen. Die muss dann auch nicht gegen das Wechselkontingent gezählt werden. Aber Fans werden sofort wieder vermuten, dass dieser "neutrale Arzt" heimlich Fan des größten Konkurrenten ist und deswegen die Spieler ihres Vereins nicht zurück auf den Platz lässt.

Und sonst so? Muss man nochmal festhalten, dass Julian Brandt mal wieder eine hervorragende Gelegenheit hatte, sich als Führungsspieler zu profilieren: Die komplette Abwehr fiel wegen einer Grippewelle aus. Dortmund war extrem ersatzgeschwächt. Das soll jetzt keine Ausrede sein, aber...
Also das wäre jetzt genau der Moment gewesen, in dem Brandt vorne wegmarschiert und seinen Mitspielern halt gibt. Stattdessen war von ihm mal wieder nichts zu sehen. Darauf kann man sich echt verlassen.

Dabei verlange ich nicht mal, dass der demonstrativ in jeden Ball reingrätscht. Aber nehmen wir mal das riesige Loch, dass Tapsoba vor dem 3:0 freispielt. Muss ich von einem Führungsspieler nicht erwarten, dass er seiner neu formierten Defensive hilft, indem er derartige Löcher zumacht? Wenn er das nicht macht, muss er wenigstens so viel Druck aufbauen, dass der Pass nicht sauber gespielt werden kann. Brandt greift aber lieber gar nicht ein, sondern guckt, was wird. Er sieht einen starken Spielzug des Meisters. Genauso wie Brandt bei der Spieleröffnung vorm 0:1 das Spiel nicht an sich reißt, sondern die neu formierte Abwehr mal machen lässt und guckt, was wird.

Das wäre genau das Spiel gewesen, um eine deutliche Weiterentwicklung als Führungsspieler zu zeigen und seine Position in den Vertragsgesprächen zu stärken. Stattdessen wird der Vertrag am Ende nur verlängert werden, weil beide Parteien sonst keine Optionen haben. Und dann gucken sich auch 2026 und 2027 alle verwundert an, wenn Brandt in wichtigen und engen Spielen mal wieder abtaucht....

 

Freitag, 10. Januar 2025

Vollidiot des Jahres: Dirk Zingler

 Hey, bei Union Berlin dürfte ich eh unten durch sein.

Was für ein Schmierentheater! Da werden die armen Unioner für die Tat eines verwirrten Einzelnen bestraft. Und nicht nur die, auch Holstein Kiel, die jetzt vielleicht doch als Letzter und nicht als Vorletzter absteigen...

Ich sage jetzt mal was ganz Fieses: Hoffentlich fehlt Union am Ende 1 Punkt. Also damit Fans lernen, dass ihre absolut dämlichen Aktionen drastische Konsequenzen haben können. Absurde Geldstrafen, die zumindest in den tieferen Ligen richtig weh tun, scheinen da ja nicht zu helfen. 

Und hoffentlich führt der DFB die grundlegende Regel ein, dass Spiele immer und bedingungslos abgebrochen werden, wenn ein Spieler von einem Gegenstand am Kopf getroffen wird. Dann braucht man vielleicht auch nicht mehr die Schirme bei Eckbällen des Gegners aufzuspannen... was nebenbei auch ein viel zu normales Bild ist.

Was mich an Zinglers Argumentation am meisten stört, ist diese Relativierung. Das ist ja leider völlig normal, da kann man nichts machen. Also passiert ja auch bei Konzerten und anderen Indoor Events...

Ähm... Ich darf mich, was Konzerte betrifft, als Experte bezeichnen... weil ich auf 180 im Jahr bin. Teilweise als Gast, teilweise auf der anderen Seite der Bar. Ich habe vom spießigen Orchester im Gewandhaus bis zur Punkband in einer versifften Kaschemme alles gesehen. Und ja, vor 10 Jahren gab es noch den Kult, BHs auf die Bühne zu werfen. Aber diesem Trend sind wir in Zeit fortschreitender Aufklärung irgendwie entwachsen. Also zumindest bei Die Ärzte passiert das nicht mehr. Und ja, hin und wieder werfen junge, meist weibliche Fans Liebesbriefe auf die Bühne. Wobei die meistens eher mit der Security reden, ob sie die ins Backstage legen können.

Aber dass Wurfgeschosse auf die Bühne geworfen werden... in Richtung Künstler*innen? Auf einem so schlechten Konzert war ich noch nicht. Also da muss die Band schon richtig verkacken und sehr schnell von der Bühne gehen, sonst sind Musikfans meistens nicht so unzufrieden, dass sie auf ihre Idole zielen.

Und ja, hin und wieder eskaliert so ein Moshpit und es wird ein Plastikbecher durch den Raum geworfen. Aber.. also das habe ich bisher wirklich nur mit Plastikbechern erlebt, die in der Euphorie hochgeschleudert wurden und leer wieder runterkamen. Oder idealerweise schon leer waren. Da kriegt man dann hin und wieder ein wenig Bier ab, das ist aber alles.
Gerade bei Moshpits gibt es in den letzten Jahren echt faszinierende Entwicklungen: Die nennen das mittlerweile verdammt häufig "Wall of Love", statt "Wall of Death". Und die Leute passen da echt aufeinander auf. Wenn da einer irgendwie zu Boden geht, hilft man den auf. Man baut eine Schutzwand um Menschen, die gerade ihre Schnürsenkel neu justieren müssen... oder eventuell irgendwas verloren haben. Sobald jemand seine Brille verloren haben könnte, wird der ganze Pit angehalten. Und am Ende halten verschiedene Leute Portemonnaies und Schuhe hoch, damit die zurück zu ihrem Besitzer kommen können. Das war im Jahr 2024 der ganz normale Umgang miteinander auf Konzerten.

Und da wird es dann für mich persönlich: Vergleiche uns zivilisierte, feiernde Menschen nicht mit deinem Scheiß-Pöbel. Wir haben ganz andere Probleme als ihr. Also hauptsächlich sexistische Übergriffe, die sich nie ganz eindämmen lassen. Aber dass jemand gefährliche Gegenstände absichtlich auf Menschen wirft, habe ich noch nie...
Ok, noch nie ist übertrieben. Ich war vor ungefähr 20 Jahren auf einem Anti-Nazi Konzert im Sonnenblumenhaus in Rostock. Also dem Sonnenblumenhaus. Ferris MC und DJ Stylewarz haben gespielt. Und irgendwann hat ein sich Neo-Nazi eine Stinkbombe in die Menge geworfen, um das Konzert zu sabotieren. Das war aber echt das einzige Mal, dass bewusst irgendetwas Ekliges oder Gefährliches in meine Richtung oder in Richtung der Künstler*innen geworfen wurde.

Dass gefährliche Gegenstände in Richtung der Protagonisten oder gegnerische Fans geworfen werden, ist ein reines Sportproblem. Das ist ja auch logisch: Kaum jemand geht auf ein Konzert, weil er die Künstler*innen hasst. Aber den gegnerischen Torwart, der es aus deiner Perspektive mit dem Zeitspiel übertreibt, weil er genau dasselbe macht, was du bei deinem Torwart feiern würdest? Den hasst man dann irgendwie schon. Den Angreifer, der sich schon wieder so leicht fallen lässt, auch. Den technisch hochbegabte, aber viel zu lässigen Flügelflitzer, den man in den eigenen Reihen vergöttern würde. Den Scheiß-Neger.

Sobald diese Personen ein gegnerisches Trikot trägt, entwickelt man einen gewissen Hass auf sie, auch wenn man sie für dieselben Aktionen im eigenen Trikot feiern würde. Und diese negativen Emotionen, die es auf Konzerten nur ganz selten, im Stadion aber jede Woche gibt, führen dann dazu, dass Leute Gegenstände auf Spieler werfen.

Nebenbei würde ich sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass das ein reines Fußballproblem ist. So asozial sind nur wir. Beim Eishockey gibt es die Plastikscheibe ja, damit die Fans nicht vom Puck getroffen werden, und nicht, damit die nichts auf die Eisfläche werfen. Ich habe gerade mal "Spielabbruch und Basketball" gegoogled... und medizinische Notfälle oder technische Probleme gefunden.
Und ja, es gab den "Malice in the Palace" in der NBA. Aber das war vor 20 Jahren. Und das hat zu extremen Verschärfungen der Regeln geführt. Aber es mussten keine Fangnetze eingeführt werden, um Ähnliches zu verhindern.
Nebenbei ist es auch nicht so, dass sich Fangruppen nicht auch in anderen Sportarten hassen und prügeln würden. Hier habt ihr einen Artikel zu einer Massenschlägerei vor dem Final Four Turnier im Basketball. Aber... also achtet mal bei den Highlights aus der Basketball-Bundesliga auf die Plätze hinter dem Korb. Und dann vergleicht das mal mit diesem Bild von der an sich völlig harmlosen Spielvereinigung Elversberg. Oder... dieses "Positivbeispiel" für einen Gästeblock aus Frankfurt. Was seht ihr da demonstrativ zwischen den Fans und dem Tor? Riesige Fangnetze... die es bei Union noch nicht gab, aber jetzt als erste Reaktion wohl geben wird.

Es ist so absurd normal, dass Fans aus den Gästeblock Gegenstände auf das Feld werfen, dass das "Positivbeispiel" mit einem Schutznetz für die Spieler kommt. Wenn es diese Probleme auch beim Basketball oder beim Konzerten geben würde, wären auch da einzelne Bereiche mit solchen Netzen abgesperrt.

Random Sad Fact: Ich saß bei meinem ersten Konzert von Die Ärzte in Dresden direkt neben dem Gästeblock im Stadion. Der ist komplett mit Plexiglas abgeschirmt... weil... die mit Toten Hosen Fans gerechnet haben? Nein, weil man als Gästefan bei Dynamo sonst mit Gegenständen beworfen wird. Das ist da so normal, dass die einzige Chance dies zu verhindern, ein gläserner Käfig war.

Und jetzt, das macht es ja so schlimm, will der Zingerle so tun, als wenn das überall normal wäre. Ein ganz klares NEIN! Es ist zumindest in Deutschland ein Fußball-Fan-Problem. 

Natürlich ist es Scheiße, dass jetzt die Tabelle durch diese Idioten beeinflusst wird. Aber die Schuld dafür ist immer noch und ausschließlich bei diesen Idioten zu suchen und nicht beim DFB Sportgericht. Das jetzt noch zu verharmlosen und seinem Verein in die Opferrolle zu drängen, ist das Dümmste, was man als Verantwortlicher machen kann.
Und man kann ja auch sagen, dass man es Scheiße findet, dass die Tabelle dadurch jetzt beeinflusst wird. Man kann aber auch Verantwortung für seine Fans übernehmen, indem man diese Strafe akzeptiert, obwohl man sie Scheiße findet. Nur um sich eindeutig auf "So was darf einfach nicht mehr passieren" Seite zu stehen.

Montag, 6. Januar 2025

Steffen Baumgart wird bei Union Berlin scheitern

 Das ist ja mal direkt ein Hottake zum neuen Jahr. Das wird entweder unter "PassivesAbseitsLeserwissenesfrüher" oder "-exklusiv" fallen. 

Aber lasst mal direkt den Elefanten im Raum adressieren: wenn die bei Union doch auf hohes Pressing stehen, hätten sie auch Bo Svensson behalten können. Denn Baumgart steht für genau die Art schnellen und aggressiven Fußball, den Svensson mit dieser Mannschaft nicht umsetzen konnte. 

Auch stellt sich die Frage, ob der Kader zu Baumgarts Idee von Offensivspiel passt. Es gibt ja Gründe, warum der immer wieder Davie Selke holt: Der passt mit seinem 1,95 m perfekt zu Baumgarts Idee eines Zielspielers. Dass er fußballerisch eher limitiert ist, ist da egal. Jetzt hofft man quasi darauf, dass Baumgart die eher im Sande verlaufende Karriere von Jordan wiederbeleben kann. Zuletzt war der in Berlin eher ein Ergänzungsspieler. Auch die Leihe nach Gladbach verlief nicht so positiv, dass die ihn behalten wollen. Die Voraussetzungen sind also eher schlecht.

Der eigentliche Lichtblick in der zugegeben sehr trägen Offensive war ja Benedict Hollerbach. Der taugt aber nicht zum Zielspieler. Man muss also entweder doch auf dem Transfermarkt zuschlagen... oder hoffen, dass Baumgart die Spieler weiterentwickelt oder reanimiert. 

Union glaubt ja, dass er diese fördern kann... Aber spricht die Bilanz wirklich für Baumgart?
Gucken wir uns mal die Bilanz in Köln an. Wie viele Spieler hat er da deutlich besser gemacht?

Da bleibt natürlich der eine Erfolgsfall hervorzuheben: Dass Ellyes Skhiri so gut wird, hat selbst in Köln niemand erwartet. "so gut" heißt hier, dass die Eintracht ihn plötzlich auf dem Radar hatte. "Niemand erwartet" heißt, dass er ablösefrei gegangen ist, was schon für eine krasse Fehlplanung spricht. Andererseits... war Skhiri schon vor Baumgart unumstrittener Stammspieler teil der Nationalmannschaft Marokkos.

Aber auf die Transferbilanz gucken, ist vielleicht gar nicht so falscher Ansatz, um die Spielerentwicklung zu beurteilen: Wie viele Spieler hat Baumgart denn so weit nach vorne gebracht, dass sie mit viel Gewinn verkauft werden konnten? Und wie viele dieser Spieler sind dann mit Baumgarts Hilfe groß durchgestartet?

Da haben wir dann... Sebastiaan Bornauw. 5,25 Millionen hat der 1. FC Köln an diesem Transfer verdient. Das ist beinah ein reiner Inflationsausgleich, denn Bornauw ist immer noch derselbe Verteidiger, wie damals: souverän und robust gegen den Ball. Starkes Kopfballspiel, aber mit dem Fuß sehr begrenzt. Dass der nach 2 Jahren so viel mehr wert sein soll, liegt mehr an der größeren Plattform und höheren Liga, in der er sich bewiesen hat, als an einer großartigen Entwicklung. Hätte diese stattgefunden, wäre er für 20 Millionen nach Dortmund gegangen.

Apropos Dortmund: die haben 5 Millionen für Salih Özcan bezahlt... warum die den überhaupt haben wollten, bleibt ein Rätsel, denn sachlich gesehen war der eher ein Spieler für Wolfsburg... wo er jetzt auf der Bank sitzt. Dazu kommen 7 Millionen für Ismail Jakobs, der mittlerweile in der Türkei gelandet ist. Das sind im Wesentlichen die beiden Jugendspieler, die Baumgart vorangebracht hat. Für 2 Jahre ordentlich, aber nicht überragend. Keiner der von ihm geförderten Spieler bringt internationales Niveau. Kein einziger Deutscher Nationalspieler wurde gefördert und hervorgebracht. 

Dazu kommen die Fälle, in denen diese Förderung komplett im Sande verlaufen ist: das schmerzhafteste Beispiel Stefan Tigges. Ich habe ja damals prognostiziert, dass beide Parteien von dem Tausch von Anthony Modeste und Tigges profitieren würden. Wobei mich im Nachhinein vor allem überrascht, wie positiv ich Modeste gesehen habe. Dass er sich einfach nur für ein Jahr richtig Mühe gegeben hat, um wieder einen fetten Vertrag angeboten zu bekommen, und danach in der Versenkung verschwindet, hätte man ahnen können. Es gab da keine "große Weiterentwicklung", sondern lediglich eine Wiederholung der 2016/17er Saison. Modeste ist das personifizierte "Contract Year Phenomenon". Nur, dass man als Fußballer dafür keinen auslaufenden Vertrag braucht.

Aber gerade mit der "Modeste wird wie immer wieder nachlassen" Erkenntnis sollte doch der Tausch gegen den wesentlich jüngeren Tigges noch besser aussehen... Der muss jetzt nicht mal viel liefern, um besser als Modeste in Dortmund abzuschneiden. Wenn Baumgart denn jetzt fördern und entwickeln kann, spielt Köln noch in der Bundesliga. Kurz auf die Tabelle geguckt: Tun sie nicht. 

Nebenbei lässt sich das gesamte letzte Jahr mit Baumgart genau darauf reduzieren: Aufgrund des ganzen Chaos um die Transfersperre und den Abschieden von Skhiri, Ondrej Duda und Jonas Hector war Baumgart in der Saison 2023/24 extrem als Entwickler gefordert. Er ist an dieser Aufgabe einfach mal gescheitert. So krass, dass er nicht mal das Jahr 2024 erreicht hat.

Und in Hamburg ist die Bilanz dann eher noch desaströser. Denn da hatte er zum ersten Mal in seiner Karriere einen, relativ zur Konkurrenz, richtig guten Kader. Da hätte er nur 2 oder 3 der jüngeren Spieler besser machen müssen, um souverän den Aufstieg zu sichern. Stattdessen holt er Marco Richter und Davie Selke... 

Das sind vielleicht auch, neben Christopher Antwi-Adjei, die Paradebeispiele für Baumgarts Förderung: Er nimmt Spieler, die vom Leistungsniveau irgendwo zwischen 1. und 2. Liga pendeln. Er bringt die dann häufig tatsächlich auf Bundesliganiveau. Er bringt mit seinem einfachen, aber intensiven Fußball diese Spieler und die Mannschaft zum Funktionieren. In der einen Saison, in der das perfekt gelaufen ist, ging es sogar nach Europa. Aber im Normalfall ist man froh, wenn man im unteren Mittelfeld landet. Spieler aber wirklich so essenziell besser zu machen, dass die wirklich in der Bundesliga mithalten können, gelang ihm nur ganz selten. 

Das bedeutet jetzt nicht, dass Baumgart ein schlechter Trainer ist. Wenn man mit relativ geringen finanziellen Mitteln eine Mannschaft stabilisieren muss, kann man den sofort holen. Wenn man mit dem Existenzkampf in der Bundesliga "zufrieden" ist, weil man erkannt hat, dass das alles ist, was wirtschaftlich noch stemmbar ist, ist Baumgart dein perfekter Trainer. 

Aber ein Investorenverein wie Union Berlin wird sich damit nicht zufriedengeben. Und ja, wenn die eine natürliche und normale Entwicklung genommen hätten, wäre Baumgart genau der richtige Mann. Aber dieser Verein hat einige Entwicklungsschritte übersprungen. Er steckt mal so nebenbei 20-30 Millionen Euro in die Ablösen seiner Neuzugänge... Die zwischen 2021 und 2023 haben die jede Saison mehr Geld in Transfers gesteckt, als Baumgarts Vereine in seiner gesamten bisherigen Karriere. Da muss man auch von einer ganz anderen Erwartungshaltung ausgehen: Einfach nur graues Mittelfeld wird da nicht reichen. Deswegen haben sie ja Bo Svensson entlassen.
Und der Unterschied zwischen Svensson und Baumgart ist einfach nicht so relevant, dass man den einen unbedingt entlassen muss, wenn er an sich im Soll liegt, um den anderen zu holen.

Freitag, 3. Januar 2025

Passives Abseits Albumcharts 2024

 Wegen der Tradition und so...

Nebenbei überdenke ich gerade meine Arbeitsweise. Also ich höre die Alben, bis auf die Top 5, in "chronologischer Reihenfolge", schreibe die "Review" und sortiere die dann ein. Das könnte beim Lesefluss auffallen, weil ich vielleicht auf Dinge Bezug nehme, die erst noch kommen. Und wie immer ist es am Ende wichtiger, dass mir das Album dieses Jahr über den Weg gelaufen ist, und nicht, dass es wirklich dieses Jahr rauskam. Das erste Album ist... acid.milch&honig.

Und ja, ich hab in der letzten Woche etwa 38 Alben durchgehört, die für mich zu sortieren... Trotzdem habe ich noch "Honorable Mentions: Tyna's PNK ist noch zu neu im Plattenregal. Genau so wie das "Ich bleibe nicht hier" Album von Deine Cuisine. Die bringt nächstes Jahr ein neues Album raus, deswegen werde ich das "aktuelle" nicht mehr in die Charts einfügen. Tanner Adells Buckel Bunny ist diese neue, selbstbewusste Country Musik, die Beyoncé inspiriert hat und alte, weiße Männer überfordert. Es ist aber auch nur eine EP und deswegen etwas zu kurz, um hier aufzutauchen. Freekinds "Good News" ist ebenfalls "nur" eine EP... aber vertraut mir, wenn ich euch sage, dass es sich lohnt, sich dafür einen Schallplattenspieler zu holen, weil es dieses Werk ausschließlich auf Vinyl gibt. Dota und Dan's De Repente Fortaleza ist halt eher eines dieser Zwischenprojekte als ein richtiges Album. Und es wäre leichte, diese Platte einzusortieren, wenn ich portugiesisch könnte. Spax's "Engel und Ratten" war das beste Hip Hop Album des Jahres... 2003. Aber geil, dass es ein Rerelease gab, da ich die Platte zwischenzeitlich mal verkaufen musste.

Platz 40: Antonia Hausmann - Teleidoscope: Ein Jazz-Album muss halt in die Charts. Und das Antonia Hausmann Album kann man schlecht hinten runterfallen lassen. Schließlich war sie still und heimlich schon viel zu oft in den Albumcharts vertreten. Hauptsächlich als Teil von Karl die Große. Aber eben auch Teil der Liveband von Clueso. Oder bei Fatoni. Oder, oder, oder. Wenn man die Linar Notes deutscher Alben liest, stolpert man häufiger über diesen Namen. Wenn man eine Posaune braucht, ruft man bei Hausmann an... oder so. Das Album selber sind halt klassische Jazz-Kompositionen, die genau um diese Posaune aufgebaut wurden.

Platz 39: Ant - Collection of Sounds Vol. 1+2: Normalsterbliche so: Braucht man wirklich 2 Instrumental-Alben von Ant, wenn man bereits 36 Atmosphere, 15 Borther Ali Vinyls und die gesamte Felt-Collection hat? Also in der Summe deutlich über 50 Platten mit Beats von diesem Mann? Ich so: Volume 3 kommt im Januar!!! Die Platten bestehen im wesentlichen aus Beatskizzen, die man wunderbar zum Freestylen nutzen kann. Zumindest will ich mir das einreden, damit nicht nur mein Sammlerherz was von der Platte hat.

Platz 38: DJ Stylewarz - Hall of Fame: Stylewarz ist und bleibt halt eine Oldschool Legende. Der letzte DJ vom Alte Schule Sampler, der wirklich noch aktiv ist. Und der alle paar Jahre seine Freunde einlädt und ein neues Album raushaut. Für die wirklichen  Highlights sorgen dann Umse auf "Family Biz" und Ferris MC auf "Hall of Fame". Dazu kommen 3 reine DJ Tracks in denen Stylewarz beweist, dass er immer noch scratchen kann, auch wenn er die Schallplatten längst durch Laptops ersetzt hat... weil halt auch ein Oldschooler auf Nachhaltigkeit setzt.

Platz 37: Get Jealous - Casually Breaking Hearts: Das ist dann der erste Eintrag aus der Kategorie: "Das wird ja immer rockiger hier!" Isso. Ich fühle mich halt mittlerweile bei jungen und aufstrebenden (Punk)-Rocker*innen wohler, als bei der neusten Hip Hop Generation. Das ich mich vom Hip Hop entferne, ist keine ganz neue Erkenntnis... dass ich mittlerweile auch lieber bei Punk bin, irgendwie schon. Was man diesen Charts anmerken wird. Das Konzept hier ist denkbar einfach: Harte Gitarren auf einfachen Drums. Dazu kommt die Verarbeitung der Genderdysphorie von Leadsängerin Otto. Was auch am Ende zum stärksten Song des Albums führt.

Platz 36: Ätna - Lucky Dancer: Wahrscheinlich ist dies das Album, welches in einem Jahr am weitesten nach oben verschoben werden muss. Denn ich muss ganz ehrlich zugeben: So richtig verstehe ich es noch nicht. Das war aber bei Ätna Alben immer so und dieses ist noch relativ neu in der Playlist. Ätna sind immer noch Inez am Gesang und Demian am Schlagzeug. Dazu jede Menge Effekte und Synths. Es ist aber auch kein Zufall, dass ich die beiden bereits 2 Mal mit einem Orchester auf der Bühne gesehen habe. Denn die Alben sind echt komplex, da kann man mit dem großen Besteck einiges rausholen. Aber die beiden haben Musik auch an der Uni studiert.
Das neue Album ist atmosphärischer als die alten Sachen. Es gibt mehr Flächen und weniger Tanzmusik. Das fiel mir vor allem auf, als Live dann endlich "Trick by Trick" gespielt wurde. Da dachte sich die Menge: Das sind die Bänger, für die ich Eintritt bezahlt habe. "My first high" ist bis jetzt mein Lieblingssong, weil da das Schlagzeug richtig kickt. Inez Stimme funktioniert für mich auf "Hiatus" am Besten.

Platz 35: Endless Wellness - Endless Wellness: Dieses Album lässt sich relativ schnell zusammenfassen: Wenn man sich mit der markanten Gesangsstimme von Philipp Auer anfreunden kann, findet man hier eine sympathische Band. Was halt auch irgendwie unfair ist, weil wir hier auch wirklich von einer Band reden. Dennoch kann man schon nach dem Opener "Donnerwetterblitz", der nur mit Gitarre und Stimme beginnt, feststellen, ob das was für einen ist. Die Kompositionen werden auf dem Album auch gerne durch Streicherarrangements erweitert. Heraus kommt ein Album, das zu sanft für Rock ist, aber zu komplex ist, um als Pop durchzugehen. Das nennt man dann wohl "Alternativ und Indie"... Die Texte lassen sich am ehesten mit AnnenMeyKanterei vergleichen: Also man weiß nicht wirklich, ob das jetzt tiefgründig und lyrisch oder doch einfach nur sinnlos ist. "Hand im Gesicht" ist da das perfekte Beispiel: Ich hab den Text bis jetzt nicht wirklich verstanden, aber er hat halt eine Geralt von Rivia Referenz, deswegen suche ich weiter... Aber am Ende erwische ich mich immer wieder, wie ich bei "Danke für alles" mitsinge: "Wir haben heute nichts versäumt, das waren die Eltern." Funktioniert also zumindest für mich.

Platz 34: Marsimoto - Keine Intelligenz: Vor Jahren habe ich ja mal behauptet, dass Marsi das kreativere Alter Ego von Marteria ist. Mittlerweile ist das irgendwie vorbei. Denn Marsi macht irgendwie das, was er halt immer macht: mit seiner hochgepitchten Stimme über ausproduzierte Beats rappen. Mal, wie auf "Heile Welt", "Washington PC" und "Das Gehirn" mit besser funktionierenden Ideen. Aber auch mit viel Durchschnitt. Am Ende ist es einfach auch Zeit, dass sich der Marsianer von diesem Planeten verabschiedet. War eine Geile Zeit, aber wirklich was neues kommt da nicht mehr.  

Platz 33: Borislav Slavov - Baldur's Gate 3 Soundtrack: Falls ihr es verpasst habt: Baldurs Gate 3 ist das beste Spiel aller Zeiten. Ein wahrer Gamechanger einer kleinen Indie Firma, welches letztes Jahr so ziemlich alles Platt gemacht hat und den großen Firmen verdeutlicht hat, dass man sehr Wohl erfolgreich sein kann, wenn man Detailliebe anstatt Micro Transactions liefert. Mitten in diesem Spiel kommt dann in einem der wichtigsten Kämpfe dieser Schatz als Hintergrund Musik. Und obwohl man Ewigkeiten an dem Kampf sitzt, wird der Song auch nach 30 Minuten in der Endlosschleife nie langweilig. Nachdem ich dann mit dem Spiel durch war und alle alten Gefährten von Baldurs Gate 2 umgebracht habe, wollte ich Larian Studios unbedingt noch etwas Geld geben... also bestellte ich die Limited Edition Vinyl, nur um diesen einen Song zu besitzen. Als sie nach einem halben Jahr endlich ankam, musste ich kurz darüber nachdenken, ob ich sie nicht eingeschweißt lassen soll... weil die Platte laut Discogs seinen Wert verdreifacht hat und damit eine verdammt gute Wertanlage ist... Ich wollte aber Raphaels Final Act mindestens ein Mal auflegen. Der Rest des Albums besteht aus einigen "Barden Hymnen" und ganz viel atmosphärischer Musik.

Platz 32: Textor - So tun als ob: Was soll man dazu schon groß sagen, außer: Textor taucht halt alle 4 Jahre aus der Versenkung auf und tut dann Textor-Dinge. Ob jetzt mit seinem langjährigen Partner Quasimodo als Kinderzimmer Productions, oder jetzt wieder Solo. Danach spielt er 5 handverlesene Konzerte und verschwindet wieder in der Versenkung. Die Frage, ob Textor dabei ein guter MC ist, der die ganzen komischen Dinge, die er so macht, mit Absicht einbaut, oder ob er eben einfach kein guter MC ist, wird nie final beantwortet werden. Das ist mittlerweile aber auch egal. Ob es wirklich Sinn ergibt, sich zu Fragen, was der Philosoph Andi Brehme dazu sagt, wird auch nie final geklärt werden.. Da hat jemand seine Nische gefunden und macht einfach nur sein seltsames Ding. Wer es mag, wird all die Alben lieben. Wer schon mit den alten Sachen nichts anfangen konnte, wird jetzt nicht plötzlich den Aha Moment erleben und Fan werden.

Platz 31: Klan - Das Ende der Welt: Das soll das letzte Klan Album werden. Sie haben ja auch alles erreicht, was von ihnen erwartbar war: Popmusik mit guten deutschen Texten. Dem Album hört man deutlich an, dass die beiden Brüder schon vorher der ersten Note wussten, dass es ihr Abschied werden soll. Da wurde noch einmal "vollgetankt" und Gas gegeben. Die neue Welt ist schon bestellt, aber man wartet vergeblich auf den Postboten. Gefühlt gab es auf dem Jaaaaaaaaa! Album mehr politischen Inhalt, aber wenn man sich verabschieden will, muss man sich wahrscheinlich auch mit sich selbst beschäftigen. Als letzten Track gibt es dann ein "war schön mit euch." Das kann man so stehen lassen.

Platz 30: Mal Élevé & Osy - Amour Résistance: Mal Élevé ist und bleibt ein unverbesserlicher Optimist. Seit 20 Jahren kündigt er die kommende Revolution an und liefert weltweiten Widerstand. Jetzt halt im Namen der Liebe. Und mit dem wesentlich jüngeren Osy als neuer Partner in Crime. Live reißen die beiden immer noch alles ab. Auf den Alben passiert genau genommen wenig neues: Man träumt von einer anderen Welt, solidarisiert sich mit den Antifaschisten und redet nicht mit Polizisten und fordert mit Rio Reiser Referenz zum Häuser besetzen auf. Das ist halt einer dieser Künstler, bei denen die Haltung wichtiger ist, als die musikalischen Details.

Platz 29:Smile - Price of Progress: Das eine wirklich schlimme an einer Fußball-EM in eigenem Land ist ja, dass das restliche kulturelle Leben noch mehr zum Erliegen kommt, als das im Sommer sonst der Fall ist. Und auch wenn sie sich bei der Fan Meile in Leipzig mit den Live-Acts wirklich viel Mühe gegeben haben: Nach 2 Wochen habe ich einfach die stickigen und engen Clubs vermisst. Also bin ich zu Smile in die Ilse. Einfach nur, um wieder ein Clubkonzert zu sehen. Und als die Leadsängerin dann zum Auftakt durch die Crowd ist, wurde mir wieder bewusst, dass sich der ganze Schweißgeruch doch lohnt.
Das Album selber wird durch den buchstäblichen Sprechgesang geprägt. Umgeben werden die von robusten Gitarren, was dem ganzen einen eher psychedelischen Post-Punk Vibe gibt. Wirklich absurd wird es dann, wenn eine Amerikanische Sängerin dir erklärt, was ein "Herrengedeck" ist.

Platz 28: the Sensitives - Patch it up an go!: Die 3 spielen reinsten Punkrock: Schlagzeug, Gitarre und Bass. Dazu eine männliche und eine weibliche Gesangstimme. Viel mehr brauchen die nicht. Sie sind deutlich schneller und härter als Smile. Wie sich das für ordentliche Punk Musik gehört, passiert musikalisch auch nicht viel, aber die Energie ist schon ansteckend. Das ist halt Musik, zu der man live pogen sollte. "If only I could learn from my mistakes, I'll be an expert now" ist eine dieser einfachen Lebensweisheiten, die man so wunderbar zu Musik machen kann. Genau so wie "All I ever needed to live, was something to die for."

Platz 27: Ami Warning - Auszeit: Im Gegensatz zu all den meisten anderen Alben, leidet dieses Exemplar unter dem Nachteil, dass ich die Tour nicht Live sehen konnte... weil die Konzerte tatsächlich ausverkauft waren. Was ihr aber auch einfach zu gönnen ist. 10 Jahre nach ihrem Debüt Album hat sie den Schritt von der Vorband zum Headliner der eigenen, ausverkauften Tour gemacht. Ami Warning ist nebenbei auch eine dieser Künstlerinnen, die selbst bei Festival- oder Vorband-Auftritten mit gekürzter Zeit immer mal wieder ins Publikum fragt, was sie denn jetzt spielen soll.
So viel verändert hat sich aber gar nicht. Die Produktion ist etwas Bandlastiger, aber im Wesentlichen ist es immer noch eine warme Gesangsstimme und die Gitrarre, die das Album prägen. Das Highlight ist dann, wie häufig, der Titeltrack. Fatoni klärt im "war dabei" dann, ob das jetzt unter "Singer/Songwriter" oder R'n'B läuft: es featurerd ein Rapper, es muss also R'n'B sein... "Liebe ist laut" verdeutlicht, wie gut sich Mola und Ami ergänzen.

Platz 26: Karo Lynn - a line in my skin: Die wohl teuerste Erkenntnis des Jahres war ja, dass zumindest ich nicht wirklich Geld spare, wenn ich bei Konzerten auf der Gästeliste stehe. Das bekomme ich mittlerweile nämlich relativ häufig hin... nur kaufe ich dann 1 bis 2 Platten von Bands, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Das erste Mal passierte mir das bei Karo Lynn, wo ich direkt beide gekauft habe. Andere Beispiele wären Polis, Florian Paul und die Kapelle der letzten Hoffnung, Josh und Hayiti. Um die "Moritzbastei Honorable Mentions List" auch abzuharken.
Karo Lynn macht jedenfalls eher düstere Popmusik. Also ich würde am ehesten die Tuvaband als Referenz, die keiner versteht, angeben. Der Sound ist eher düster, die Texte schwanken zwischen melancholisch und abstrakt. Mein persönliches Highlight ist der "are you shaking, or am I?" Part auf It's breaking the ice. Den gibt es aber online nur in der Akkustik Version, welches den elektronischeren Klang des Albums nicht wirklich repräsentiert. Deswegen wird der Titelsong auch noch verlinkt.

Platz 25: acid.milch&honig - acid.milch&honig: Oder so. Wie heißt das Ding eigentlich? Discogs behauptet: Genau so. Und eigentlich gehört es noch in die letzten Charts, weil auf dem Album 30.11.23 steht... Anyhow: Der Typ ist ein Leipziger Elektropunk Mysterium. Also der war irgendwie immer präsent, aber nie wirklich da. Man lief sich immer wieder bei der einen oder anderen Live Eskalation über den Weg. Diese Liveauftritte arten auch gerne in Elektro Cover Versionen "beliebter" Popsongs aus. Gerüchte über ein Album gab es schon vor 10 Jahren, aber dass es wirklich fertig werden würde, war zu bezweifeln. Bis zur Release Show an eben dem 30.11.. Hat sich das Warten gelohnt? Wenn man auf Elektropunk mit dämlichen Texten steht, schon. Aber eigentlich ist das eher ein Live-Ding. Ganz nach dem Motto: "Wir machen hier alles kaputt!" Wenn man den Panzersong mag, mag man auch den Rest, wenn nicht, dann brauch man das Album auch nicht...

Platz 24: FeurigseinPeter - Punk Revolution: Wo wir gerade schon bei Leipziger Subkultur waren: Ich dürfte der einzige Mensch auf der Welt sein, der dieses Album gekauft hat... weil ich Spotify konsequent verweigere und dem Gitarristen 5 Euro in die Hand gedrückt habe, damit er mir die MP3s schickt. Die wurden dann garantiert in Sterni investiert. FeurigseinPeter ist halt dann halt reiner Punk. Da gibt es also genügend Trinklieder, um Alben zu füllen. Aber mit Regenauf Asphalt liefern sie ein überraschend melancholisch/politisches Lied ab... was dann natürlich am wenigsten abgespielt wird. Und mit "Schwurbelfrei" eine leider viel zu nötige Hymne gegen Querdenker und Nazis. Oh und da bin ich kurz im Video zu sehen, das ist dann nach dem Chor im "Akustisch und Live" von 100 Kilo Herz die nächste "Cameo"...

Platz 23: Sobi - Beloved Child: Aus der "Ich bin da ins Konzert gestolpert, weil ich nix zu tun hatte" Kategorie kommt die Beloved Child Platte von Sobi. Man kann ja auch mal die kleinen Siege des Lebens feiern, anstatt sich mit den ganzen Problemen zu beschäftigen. Ist auch viel gesünder. Dieses Album strahlt eine gewisse Zufriedenheit und Geborgenheit aus, die man in der kommerziell ausgelegten und erfolgreichen Musik einfach nicht findet.

Platz 22: Grossstadtgeflüster - Das Über-ICKE: Das ist eine von diesen Bands, die ich ewig so halb auf dem Radar hatte, bei denen der Funke nicht wirklich überspringen wollte. Auch wenn es mehr nach vorne geht, ist die Band ähnlich wie Mine: Einzigartiger, fetter Sound und gute Texte. Nur halt eher für den Club, als fürs Heimkino. Und die Texte sind oftmals eher albern. Neu ist halt, dass diese Textideen bei mir besser klicken, als auf den "alten" Alben. Dafür habe ich mich selber ein Mal zu oft fragen hören "Wo ist das Ketchup?" Und natürlich habe ich die AGBs keine Gültigkeit, weil ich die gar nicht les'.

Platz 21: Marie Curry - Cameo: Ich bin ein wenig verwirrt, weil die Frau ein straightes Hip Hop Album rausbringt. Denn "Alles groß" vom letzten Neonschwarz-Album war ja eher ein angesungener Song. Und dieses Ding soll das Solo-Projekt ja getriggert haben. Aber am Ende ist es die Vollendung der Wandlung von der Chorus-Gesangsstimme zur guten Rapperin. Nicht überragend, aber gut genug, um ein halbstündiges Soloalbum zu tragen. Das hätte ich, ganz ehrlich, nach den ersten Neonschwarz Alben nicht erwartet. Dass der Name der Band jetzt schon zum Zweiten Mal fällt, zeigt aber das große Problem dieses Albums: Diese Band ist zusammen deutlich besser, als ihre Einzelteile. Sie ergänzen sich einfach, also fehlt bei so einem Solo-Album etwas. Trotzdem bleibt ein sehr solides Solodebüt mit klarer feministischer Kante. Wer eine Janelle Monaé Referenz einbaut, ist bei mir immer beliebt. Außerdem kommt das Album mit dem Gütesiegel des einzigen Millie Dance Part des Jahres. 

Platz 21: Chloé - Trouble in Paradise: Chloe legt direkt ihr zweites Soloalbum nach. Da ich mit dem letzten Album nicht so wirklich warm geworden bin, komme ich damit sehr gut klar. Trouble in Paradise gefällt mir persönlich besser, weil endlich wieder vernünftig gesungen wird, anstatt auf das Ciara-sques minimalistischeren Sprechgesang zu setzen. Chloe hat ja die Range, und das zeigt sie jetzt endlich auch wieder. "Strawberry Lemonade" geht verdammt gut ins Ohr. "Nice Girls finish last" ist herrlich versaut. In "Roses" geht es nur um Selbstbefriedigung. Wenn sei dann ein "Stupid Motherfucker" raushaut, hat das einfach eine ansteckende Energie.

Platz 20: Nichtseattle - Haus: Heute in der beliebten Serie "Absurde Konzeptalben": Wir nennen das Album Haus, bauen das Artwork um ein Zelt auf, das an verschiedenen Orten aufgestellt wird, und geben dann jedem Song einen zusätzlichen (Titel), der sich auf ein Haus bezieht. Und die Vinyl kommt natürlich mit einer H-, einer A-, einer U- und einer S-Seite. Fertig ist die Grundidee von diesem Album. Geprägt wird es durch wirklich komplexe Kompositionen. Auf diesem Song sind die "kürzeren Lieder" 4 Minuten lang. Dass der Name für dieses Projekt eine Tocotronic Referenz ist, ergibt auch Sinn, denn die Texte orientieren sich schon am Anspruch dieser Band. Man muss wirklich in die Platte reinhören, um sie halbwegs zu verstehen. "Frau sein" dreht sich darum, was dies für verschiedene Generationen bedeutet... und beginnt mit einem "Ich will das nicht!" und endet mit einem "Ich mach das nicht!" Auf "Beluga" alleine passiert inhaltlich mehr, als auf manchen Hip Hop Alben der Neuzeit. Das ganze endet dann in einem "Ich bin immer soo fleißig/ und trotzdem: irgendwie reicht's nicht."

Platz 19: Ferris MC - Mortal Comeback: Damit, dass Ferris im Jahr 2024 nochmal ein tightes und reifes Album abliefert, hätte wohl niemand gerechnet. Also inklusive Ferris selbst, denn wenn man so grob über seine Biographie und seine Drogenexzesse geht, ist es schon eine Überraschung, dass der überhaupt noch lebt. Und auf Einklang beginnt er dann mit "So fühlt sich die Welt clean an." Gerade bei dem Text merkt man, dass Ferris selber nicht so wirklich glauben kann, dass er angekommen ist. Auf die Exzesse und das Gelaber hinter seinem Rücken versucht der sucht der "Freak" jetzt mit einem Lächeln zurückzuschauen. Auf "28325" schaut er auf Bremen Tenever als seine Urkatastrophe zurück, hält aber auch fest, dass dies Vergangenheit ist. Dem Mann geht es mittlerweile gut und as hat er sich verdient. Dafür musste er halt auch das eine oder andere "Trauma" verarbeiten. Faszinierenderweise kommt Ferris auch 2024 mehr über die Stimme und die Attitüde, weniger über die Technik und die Reime... nur ist die Attitüde mittlerweile "Familienvater" und nicht mehr "Assi".

Platz 18: 3% - Kill The Dead: Das Highlight der letzten Nachmittagssession im legendären Molotow waren diese 3 Rapper aus Australien. Die Wut und die Haltung erinnern an Public Enemy, nur halt ohne den schon immer eher nervigen Flavor Flav... Und dem Fakt, dass es schon nach 2024 und nicht nach 1988 klingt. BnP! Der Name der Band bezieht sich darauf, dass nur noch 3,8% der australischen Bevölkerung Aboriginals sind. In dem Album geht es dann hauptsächlich darum, wie beschissen mit denen umgegangen wird. Die wollen doch nur ihr Land zurück. Und beschweren sich darüber, dass viel zu viele von ihnen im Knast sitzen. Das wird natürlich komplett untergehen, weil sich niemand für die Probleme der Australischen Ureinwohner interessiert. Das Album sollte aber genau deswegen gehört werden.

Platz 17: Adam Angst - Twist: Wie geht man am Besten mit beschissenen Wahlergebnissen um? Kurzfristig, indem man sicher stellt, dass man für den Abend ein Punkrock-Konzert-Ticket hat. Denn gerade wenn die Rechten an die Urnen marschieren, hilft es, sich auf linksgrünversiften Konzerten daran zu erinnern, dass man doch nicht alleine ist. Und ja, genau so bin ich zu Adam Angst gestolpert. Ich suchte... "eine Lösung für deine Probleme." Twist ist nebenbei ein wirklich treffender Albumtitel, denn viele Songs kommen tatsächlich genau mit einem Plot Twist. "Unter meinem Fenster" behandelt das mir viel zu bekannte Problem, dass man eigentlich gar nicht mehr an die Tür gehen will, wenn es klingelt, weil dieser Knopf eh nur von Menschen benutzt wird, die man nicht sehen will... Nur um am Ende zu hoffen, dass doch noch jemand klingelt, wenn man irgendwann alt ist. "Mindset" wirkt im Chorus einfach nur wie eines dieser "Jetzt bitte durchdrehen" Live-Stücke, geht dann aber um toxische Influencer und Life-Coaches, die dir einreden, dass du ihnen dein Geld geben musst. "Wir sind zusammen" beginnt eigentlich wie ein schönes Liebeslied... wird aber ein Anti-Lead, indem es darum geht, wie nervig es ist, wenn andere dieses "Nein wir sind zusammen!" raushängen lassen. Es endet in einem "Seit ihr eigentlich ein Paar? NEIN, wir sind zusammen!" "Range Rover" ist dagegen relativ straight um die Wohnungssuche in Großstädten und Gentrifizierung... was halt ein immer wichtiger werdendes Thema ist, das jetzt auch in der Musik ankommt. Großartiges Songwriting. Und damit kriegt man mich immer.

Platz 16: Lola Young - this wasn't meant for you anyway: Gut, dass wir das vorher geklärt haben. Ich hoffe, es ist OK, dass ich es trotzdem feiere. Oder gerade deswegen. Meine Vorliebe für britische Sängerinnen, die mir beim Reeperbahn Festival über den Weg laufen, dürfte weitläufig bekannt sein. Das Debütalbum von Brooke Combe ist schon fast im Versand. Celeste und Jox Crooks müssen mal ihr 2. Album nachlegen. Bis dahin muss Lola Young übernehmen. Die ist tatsächlich schon bei ihrem 2. Album. Und das ist um einiges rotziger und punkiger, als das eigentlich zu erwarten war. Ihre Lieblingsvokabeln, neben dem obligatorischen "I", dürften "cunt" und "fuck" sein. Der Rest wird mit "wish you were dead" aufgefüllt. Das fasst die Grundstimmung, die sich durch das Album zieht, ganz gut zusammen. Da musste jemand ganz dringen Frust abbauen und das kann dann auch mal "messy" werden. Ob das ein Außreißer ist, oder ihr Vorgängeralbum "My Mind Wanders and Sometimes Leaves Completly" auch so derbe ist, kann ich noch nicht beurteilen, es steht halt noch eingeschweißt vor dem Plattenregal. Aber das aktuelle Album ist so gut, dass ich ohne reinzuhören den Vorgänger, den ich bei Release irgendwie verpasst habe, gekauft habe... Auch nen Qualitätsurteil.

Platz 15: Reinhard Mey - Nach Haus: Es ist für mich praktisch unmöglich, Reinhard Mey sachlich einzuordnen. Das ist halt meine Urkatastrophe. Der erste Musiker, den ich jemals bewusst gehört habe. Und damit werde ich auch nie aufhören. Da der ein für Musike biblisches Alter erreicht hat, ist jedes Album und jede Tournee ein Geschenk. Dass der Mann sich als Ü80-jähriger 16 Tage am Stück alleine auf die Bühne gestellt hat, um 2 Stunden Konzerte zu geben, ist völlig absurd...
Aber anderseits ist seine beste Zeit lange vorbei. Die absoluten Highlights der frühen 90er Jahre hat er schon lange nicht mehr erreicht. Trotzdem schafft es immer noch kaum jemand, so feinfühlig und präzise mit der Sprache umzugehen, wie Reinhard Mey. Der ist halt der beste deutsche Lyriker seit Goethe, da bleibe ich bei.
Dieses Album ist dann tatsächlich wieder politischer. Also explizit politischer, den linksgrünversifte Gutmenschenmusik war das ja immer. Was im Endeffekt damit begann, dass er sich auf seiner Homepage von all den Spinnern distanzieren musste, weil die seine Lieder missbrauchen wollten. Aber auch ein Reinhard Mey muss sich halt damit beschäftigen, dass sein totaler Pazifismus in Zeiten des Ukraine Krieges an seine Grenzen kommt. Krieg im allgemeinen ist auf dem Album sehr präsent. Sei es auf explizit "Verschollen" und "Black and White 1945", oder zwischen den Zeilen auf "Questo tavolo non sie vende". Dort bekommt Reinhard einen nicht zum verkauf stehenden Tisch geschenkt, weil er sich die Lebensgeschichte dieses Tisches anhört. Der Höhepunkt des Albums ist definitiv "Zwischen Kontrollpunkt Drewitz und der Brücke von Dreilinden". Hier beschäftigt er sich mit der Wendeeuphorie und der dann einsetzenden Enttäuschung. Da das ein kompliziertes Thema ist, braucht er halt seine 7:39... Das sind genau die Texte, die nur ein Mey schreiben kann. Bei der positiven Schlussnote bricht dann doch nochmal der unverbesserliche Optimist auf.
Auf "Lagebericht" kommt der dann nicht mehr zum Zug. Da zeichnet er dann für den 21.12.2042 genau den Lagebericht, den die "nicht mehr" Letzte Generation kommen sieht, den aber alle Politiker ignorieren. Auf "Misere mei" setzt er sich demonstrativ auf die Anklagebank der Tiere und seziert, wie unwürdig Massentierhaltung ist. Es ist aber nicht alles düster und politisch. Auf "Zwei Musketiere" schwelgt er mit leicht beschwinglich mit seinem alten Partner in Crime Hannes Wader in Erinnerungen. Und Liebeslieder kann er auch immer noch schreiben. 

Platz 14: Soko LiNX - Auf die Fresze. Fertig. Los!: Ja, eigentlich sollte das aktuelle Album "Blosz kein Stress" stehen. Aber das habe ich erst vor wenigen Tagen gekauft. Bei der Lebensfeier für meinen leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Karsten Kriesel hatten die nur ihr Debütalbum dabei. Deswegen wird dieses Album immer einen besonderen Platz in meinem Schrank finden.
Das Debüt Album ist, im vergleich mit dem neueren Werk, Electro-lastiger. Aber im Kern immernoch Punk. Sie sind irgendwie der geistige Nachfolger von Supershirts "Punk ist, was du draus machst." Und sie haben einen konkreten Plan, wie man die Wirtschaft ankurbelt: "Vandalismus schafft Arbeitsplätze!" "Tu nicht, was du auch laszen kannst" ist ja mein eigentliches Lebensmotto. "Stiefmütterchen" war Karstens Lieblingslied und kickt deswegen live nochmal ganz anders. Und die jeweiligen Enden der "Muszichnich" Strophen (mit einem großartigen Gastbeitrag von Yetundey) sind herrlich.
Das neue Album ist dann weniger Elektro und mehr Punk... und wird hier dann nächstes Jahr auftauchen.

Platz 13: Rachel Chinouiri - What A Devestating Turn of Events: Der traditionelle Preis für die "Britische Newcomerin des Jahres " geht dieses ja an Rachel Chinouiri. Die orientiert sich aber weniger am Soul und Jazz, sondern an den Brit Pop Ikonen der 90er Jahre. Die Musik ist dementsprechend schneller und härter als der ihrer Vorgängerinnen. Es ist aber wesentlich poppiger als das 2. Album von Lola Young. Inhaltlich orientiert es sich aber schon an den schweren Themen, die auch eine Joy Crookes aufgreift: Rassismus, Armut und Depressionen Der Titeltrack beginnt mit einer harmlosen Romanze und endet in einer ungewollten Schwangerschaft und Selbstmord. In "Robbed" wird dann der Verlust zu früh von uns gegangenen Menschen verarbeitet. "It is, what it is, what it is is a problem." Es fasziniert mich immer wieder, wie die jungen Britinnen schon früh in ihren Karrieren diese heftigen Themen angehen. Aber natürlich kann Rachel auf "All I ever asked" auch ganz entspannt über gebrochene Herzen singen.

Platz 12: Dominique Fils-Aimé - Our Roots run deep: Letztens hatte ich ein interessantes Gespräch mit meiner Kollegin. Die frage mich, wie ich überhaupt neue Musik kennenlerne, wenn ich Spotify und dessen Algorithmus nicht nutze. Denn das ist ja echt gut, um sich neue Musik vorschlagen zu lassen. Meine Antwort war: "Ich gehe halt auf Konzerte und gucke mir da alles an. Wenn es mir gefällt, kaufe ich die Platte." Sie dann so ungefähr: Aber das ist ja total begrenzt auf Leipzig und vielleicht noch Hamburg. Das engt dich doch total ein. Ich so: Ich gehe halt ein mal im Jahr aufs Reeperbahn-Festival, da kommt Musik aus der ganzen Welt vorbei. Da finde ich jedes Jahr mindestens eine Kanadierin, die ich mir hinterher zulegen muss. Letztes Jahr war das Storry. Dieses Jahr geht der Titel "Candadian of the Year" an Dominique Fils-Aimé. (Platz 2 geht an Baby Rose). Die Frau pendelt zwischen klassischer Soul und Jazz Musik. Her roots indeed run deep. Sie nutzt ihre Stimme (auch live über den Looper) oftmals auch als Sample und Rhythmusinstrument. Dazu kommt dann noch minimal Instrumentierung. Dass die Trompete sich wirklich in den Vordergrund schleicht, bleibt auf "Give me a reason" die Ausnahme. Aber die Stimme ist auch gut genug, um das herzugeben. Inhaltlich versucht sie, trotz der schwierigen Zeiten und großen Probleme, Hoffnung und Optimismus zu verbreiten.
Fils-Aimé ist dabei aber keine junges, aufstrebendes Talent, sondern dies soll der Auftakt ihrer 2. Trilogie sein. Vielleicht hätte mir Spotify das schon vor 10 Jahren vorgeschlagen... aber alles zu seiner Zeit.

Platz 11: Mine - Baum: Da muss ich erstmal zugeben, dass ich Mine tatsächlich Jahrelang unterschätzt habe. Also klar, dass die "gut" ist, stand immer fest. Einen einzigartigen Sound, den man auf den ersten Takt erkennt. Eine richtig fette Produktion, mit der in Deutschland sonst keiner mithalten kann. Kreative Texte mit vielen Ebenen... all das waren Dinge, die mir bereits bewusst waren. Aber wie verdammt gut die Gesangsstimme eigentlich ist, fiel mir erst beim Live-Konzert auf... Warum habe ich die letzten Touren eigentlich ausgelassen? (Spoiler: Weil die schon ausverkauft waren, als ich mich drum gekümmert hat.)
Auf Baum beschäftigt sich Mine mit den essenziellen Fragen des Lebens... also mit dem Tod der eigenen Mutter, welcher die Perspektive aufs Leben verändert, auch wenn man "selber Mama" ist. Das gibt dem Album eine größere Tragweite, aber auch eine gewisse Schwere. Aber fest steht: Das ist eine großartige Künstlerin.

Platz 10: Monsters of Liedermaching - Federwisch im Elfental: Die wohl bekloppteste Band des Landes. Theoretisch sind das ja nur 6 Liedermacher, die sich gemeinsam auf die Bühne setzen und ihre Lieder spielen. Und diese Live-Aufnahmen werden dann mitgeschnitten und auf Alben gepresst. Das funktioniert seit über 2 Dekaden. In diesen 20 Jahren war man nur ein einziges Mal im Studio. Diese Konzerte sind dann nicht die entspannten Liedermacher-Abende sondern enden im "Sitz Pogo" und in Saufgelagen. "Glücklich und besoffen sein" halt. Und nach all den Jahrzehnten haben die Jungs auch endlich das "Prädikat Punk"... dank einer veganen Bulette. "Die Hamstereinkäufe schämen sich für dich" ist die vielleicht beste Aufarbeitung der Pandemie...

Platz 9: Moop Mama x Alice - Wieder Laut: In den 7 Jahren seit dem großartigen "Ich" Album hat sich bei Moop Mama einiges getan. Das offensichtlichste ist, dass sich Keno als Stimme verabschiedet hat, aber auch an den Bläsern hörten einige auf. Unter anderem Marcus Kesselbauer, der für die Arrangements verantwortlich war. Das sind schon krasse Veränderungen, insofern ist es nachvollziehbar, dass auf "Alles am Weg" erstmal die Frage geklärt wird, wie es überhaupt weitergehen soll und kann. Technisch gesehen sind das hier auch 2 nacheinander entstandene EPs und nicht ein Album. Deswegen endet die erste Vinyl auch mit einem "Outro". Teil 1 merkt man noch an, dass sich die neue Konstellation erst noch finden muss. Aber das war ja bei Keno auch nicht anders. Aber auch auf dieser Platte finden sich mit "Bildet Banden" und "Taub" schon echte Bretter. "Ich hab ein Recht auf Bassmassage!" Und Bässe können die Bläser von Moop Mama halt wie kaum eine andere Band.
Auf der 2. Vinyl fühlt sich gerade die Sängerin Alice wesentlich wohler. Das merkt man am deutlichsten beim Chorus von "NPC" und dem Call and Response Strophen von "Ich halt das nicht mehr aus", die gerade Live extrem gut wirken. "Nie wieder" fängt mit dem ehrlichen Eingeständnis an, dass man eigentlich keinen Bock drauf hat, auch ein politisches Lied zu spielen... ist nie wieder schon wieder viel zu nah. Ein viel versprechender Start in eine neue Moop Mama Ära.

Platz 8: Brother Ali & Unjust - Love & Service: Brother Ali ist technisch immer noch absurd gut. Kaum jemand bringt komplexe Themen so konkret auf den Takt, ohne auch nur ein Mal einen Reim zu erzwingen. Das Grundprinzip bleibt weiterhin: "Like give me three minutes and twenty seconds and here's my highs lows joys woes and any pent-up fears." "If it ain’t joy and pain it ain't eligible." "The Collapse" erinnert uns daran, dass wir ganz viel Elend auf der Erde einfach ignorieren und weitertanzen. Als bekennender Muslim nimmt Ali sich aber die Freiheit, sich dabei klar gegen die Politik Netanjahus zu positionieren. Überhaupt ist dieses Album, noch mehr als seine Vorgängerwerke, vom Islam geprägt. Was Ali im aufwändig gestalteten Artwork auch selber anspricht. Genauso wie den Fakt, dass nicht er in "Cadillac" flucht, sondern der Polizist, den er in dem Song zitiert. In dem Song erzählt er, dass sein Stiefvater und er aus dessen Auto gezogen, weil sie Schwarz sind und eine Waffe im Auto vermutet... obwohl Ali ja Albino ist. Während Ali panische Angst hatte, dass er erschossen wird, nimmt sein Vater das eher gelassen hin, weil er das halt auch nicht zum ersten Mal erlebt. Dass man solche Geschichten einfach ertragen und niemanden damit belasten sollte.
Soundtechnisch bewegt sich das Album, wie schon auf Secret & Escapes, weiter weg von dem klaren und hellen Sound von Ant und hin zu dem dumpferen MF Doom-esquen Klang. Für mich als Ant-Groupie ist das immer noch gewöhnungsbedürftig. Es ist ein Album, für das man sich verdammt viel Zeit nehmen muss, aber diese Zeit hat es definitiv verdient.

Platz 7: Max & Joy - Alles Liebe: Falls noch irgendjemand einen Beweis braucht, dass die beiden die Deutsche Version von Jay-Z und Beyoncé sind, liefern die beiden ihre Version von "Everything is love" ab. Und nennen das dann auch noch "Alles Liebe." Max ist eigentlich viel zu gut, um nur noch als Teilzeitrapper aktiv zu sein. Joy ist immer noch die beste Gesangsstimme. Zusammen verarbeiten sie jetzt ihre nicht immer ganz einfache Beziehung. Es ist quasi "Das Wenigste" auf Albumlänge. Und die beiden sind halt verdammt gut. Sie spielen dabei immer wieder mit ihrem größten Hit. Sei es als Querreferenz auf "Ein bisschen mehr als Freundschaft" oder indem sie die Geschichte hinter dieser Pop-Hymne erzählen. Aber auch die Tiefpunkte mit der Zwischenzeitlichen Trennung werden auf 35 Missed Calls aufgearbeitet. Und dazu gibt es natürlich ganz ganz viele Songs, auf denen die beiden einfach nur froh sind, dass sie wieder zusammen sind. Und wie bescheiden es ist, dass die beiden sich trennen müssen, wenn Joy mal wieder auf Tour geht... Denn genau genommen ist Joy mittlerweile die Alphamusikerin der Familie. Sie ist wesentlich aktiver und während Max zumindest Live immer wieder mal die Luft ausgeht, ist sie auch dort noch auf absoluten Spitzenniveau. Trotzdem wird sie auf der nächsten Tour ohne ihren Mann wieder die kleineren Hallen bespielen. So funktioniert unsere Welt halt.
Das Album ist deswegen so gut, weil es so erwachsen ist. Es ist keine naive Glorifizierung der großen Liebe ist, sondern eine realistische Abbildung aller Höhen und Tiefen. Und "Mmina Tau" ist, auch wenn es thematisch nicht so ganz zum Rest passt, ein positives Stimmung verbreitendes Brett.

Platz 6: Kapelle Petra - Hamm: Die wollen ein "mittelmäßiges Leben" führen? Die liefern ein mittelmäßiges Album ab. Bei der Kapelle heißt Mittelmaß aber immer noch: Verdammt gut. Wobei man das kurz eingrenzen muss: Dass "Frühwerk" vor Internationale Hits ist schon anstrengend. Wobei... Aber seit dem die mein Lebensmotto "Geht mehr auf Konzerte" gemacht haben, liefern die nur noch großartige Alben ab. Die Jungs haben die wunderbare Gabe, einfache Geschichten anhand absurder Bilder zu zeichnen. Praktisches Beispiel: Ein Sommerhymne an den "Freibad Pommes" aufzuziehen. Ein Gedicht in Rot und Weiß. "Es war nicht alles schlecht früher" kommt mit dem "Das meiste ist es immer noch" Konter. Und endet mit einer "Deine Schuld" Referenz. Denn es ist ja egal, ob früher alles besser oder schlechter war, wichtig ist, dass wir in der Gegenwart etwas verändern. "Alle dumm! außer ich" endet mit der offensichtlichen Frage "Warum mag man mich trotzdem nicht? "Keine Lieder für böse Menschen" ist dann ihre Abrechnung mit all den unangenehmen Gestalten, die während und nach der Pandemie so zum Vorschein kommen... und der freundlichen Ansage nicht auf ihre Konzerte zu kommen.
Das Album ist kein revolutionäres Werk. Kapelle Petra haben ihre Nische gefunden und fühlen sich dort sehr wohl. Wenn man die anderen Alben feiert, mag man auch dieses hier. Ist doch gut, dass die damals in der Schule gepennt haben.

Platz 5: Spilif - irgendetwas das du liebst: 3 Jahre nach der Debüt-EP mit Rudi Montaire kam Ende 2023 endlich das Album. Und weil ich oftmals etwas länger brauche, kommt es erst dieses Jahr in die Charts. Seitdem ich die Frau das erste Mal auf dem Reeperbahnfestival gesehen habe, hat sich einiges getan. Vor allem fühlt sie sich mittlerweile sichtlich wohler mit der Live-Band im Rücken und auf Band. Auch wenn der Sound weiterhin straight Rap ist. Die Leichtigkeit, mit der Spilif über den Takt fließt, ist faszinierend. Die Texte strahlen einen eher melancholischen, introvertierten Vibe aus. "Wie retroperspektiv wird der Abend sein, wenn der Wein wieder fließt?" Im Titeltrack heißt es dann "Auf der Suche nach dem Sinn sind Nihilisten nie." Sie nennt sich selbst poetisch... und ein "rebellischer Hippie". Spilif ist Österreichs größte Raphoffnung.

Platz 4: Curse - Unzerstörbarer Sommer: Ist Curse der Beste Rapper des Landes? Auf jeden Fall der langlebigste. Es gibt halt kaum jemanden, der 2000 schon tight war und immer noch großartig ist. Dave P von Main Concept vielleicht, aber der kommt als Teilzeitarbeiter "Nur" auf 6 Albem... Und Curse kann von sich behapten, dass er zwischenzeitlich mal ein Popstar war, ohne sich irgendwie zu verkaufen. Können andere MCs auch ähnlich gut flown? Bestimmt. Kool Savas existiert immernoch. Zerlegen auch andere Live ganzen Laden und rappen 2 Stunden ohne Back Up MC durch? Milli Dance kommt nächstes Jahr zurück. Aber all das in einer Person? Kann eigentlich nur Curse. Das beginnt schon mit "Der Stimme." Wenn man er eine einzigartige, markante und prägende Stimme hat, kann man so halt das Album eröffnen. Aber Curse bricht am Ende bei "Die Stimme gehört nur einer Person und die heißt:" das Reimschema: Anstatt mit seinem eigenen Namen zu enden, kommt da ein "Du." "1994" malt das Bild dieses einen perfekten Jugendsommers, den wir alle erlebt haben und hinterher gerne verklären. Und klar, das hat Bryan Adams schon gemacht... aber Rap als Medium gibt Curse halt die Möglichkeit, mehr erlebten Bullshit in den Text zu packen. "Annuaki Flow" halt uns den Spiegel vors Gesicht und verdeutlicht, wie viele Dinge wir aus Bequemlichkeit ertragen. Und "Überdosistee" ist einfach nur absurd gut. Wie er in der ersten Strophe einfach Momente, in denen das lyrische Ich sterben könnte. Nur weil man gut versichert ist, hat das Leben nicht nen Sicherheitsgurt. In Strophe 2 geht er dann Global. Er schafft es dann, weil er sich auf Einzelbeispiele bezieht, das Ende einer jungen unschuldigen Jüdin und eines Kindes aus Gaza gegenüberzustellen... und das so neutral und brutal, dass er in keinster Weise eine moralische Stellung zu den Parteien bezieht, sondern einfach nur festhält, dass Krieg Scheiße ist. Ganz großes Kino.
Mein Lieblingsdetail: 20 Jahre nach "Vielleicht ist auch mein Herz nach dir vor Kälte erfriert" gibt Curse selber zu, dass es eigentlich erfroren heißt. In "Avocado Toast" beschreibt er, dass er mittlerweile wesentlich weniger braucht, als er vor 20 Jahren gedacht hat, um zufrieden zu sein... aber dass er damit auch verdammt zufrieden ist.
Da sind wir nebenbei auch noch nur beim Album. Er hat nebenbei noch ne EP released, für die er die Legenden Aphroe, Cora E. und die Stieber Twins motiviert hat. Und wie die sich die Querreferenzen hin und her werfen, ist einfach großartig. Da merkt man, dass die wirklich die Musik des jeweils anderen feiern.

Platz 3: Enno Bunger - Der beste Verlierer: Ich bin ja heimlich doch Clueso Fan. Also ich höre sehr gerne gute deutsche Texte auf ordentlich ausproduzierter Musik... und das läuft bei der GEMA unter Popmusik. Meine persönlcihe Sonderkategorie heißt: Cluesoig. Enno Bunger ist verdammt cluesoig. Aber ist halt auch die Antwort auf die Frage: Wie wäre es, wenn Clueso richtig viel Inhalt in seine Texte packt. Denn Enno Bunger macht auf den ersten Blick sehr seichte Popmusik, bis man dann auf die Texte hört. Dass ich ihn also nicht mit Dota, sondern mit Clueso vergleiche, ist reiner Sexismus... Der "Weltuntergang" hat uns ja gerade noch gefehlt. Auf "Einfache Leute" heißt es dann "Ich muss durch den Konsum". "Kritik am Kapitalismus, verkauft sich eben schlecht" ist der ultimative Aufdruck für einen Einkaufsbeutel... und dementsprechend ein Pflichtkauf. "Menschenwürde im Konjunktiv, ist das wonach wir streben,." "Ich sehe was, was du nicht siehst" ist eine dieser wunderbaren Depressionshymnen, die man nur wirklich versteht, wenn man daran leidet. Der Rest denkt sich so "Cool, dass du das mal ansprichst." Obwohl die Texte grundlegend von einer Melancholie getragen werden, versucht Enno Bunger trotzdem immer auf einen positiven Abschluss zu finden. Nirgends wird das so deutlich, wie auf "vielleicht morgen, heute nicht!" Sprachlich ist das alles auf einem unfassbar hohem Niveau. Inhaltlich trifft es meinen linksgrünversiften Nerv. Damit ist es für mich die perfekte Kombination.

Platz 2: Beyoncé - Act ii Cowboy Carter: Wie, nicht auf Platz 1? Will da jemand den Beyhive triggern? Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Dies ist das schlechteste Beyoncé Solo Album aller Zeiten. Und sie kann es nicht mal auf Jay-Z schieben... Nun ist "das Schlechteste" immernoch überragend. Es wäre aus meiner Perspektive pure Ironie, wenn sie ausgerechnet dafür ihren Grammy für das Album des Jahres bekommt, den sie seit einem Jahrzehnt verdient hat.
Das lustigste an dem Album: Nachdem sich bei Act I alle gefragt haben, wo die Stimme hin ist, haut sie als Leadsingle "16 Carriages" raus. Und "Blackbiird" mit einigen jüngeren, schwarzen Countrysängerinnen. Act I war einfach nicht das Album für die Stimme, sondern für den Dancefloor, aber die ist noch da. Auch wenn sie nach 2 komplizierten Schwangerschaften nicht mehr an die ganz hohen Töne von "Ave Maria" oder "Halo" rankommt und letzteres aus dem Live-Set streichen musste. Sie ist halt doch nur ein Mensch.
Aporpos Dancefloor: Das ausgerechnet "Texas Hold Em" der Song werden würde, den man dann doch wieder im Club spielt, verwirrt mich. Also so, wie "Break my Soul" die ganzen Partygänger verwirrt hat. Nicht, weil der Song schlecht ist, das ist schon ein Brett. Aber zumindest die DJs in meinem Umfeld haben 20 Jahre lang fast ausschließlich "Single Ladies" und "Crazy in Love" gespielt, weil die Gäste mit "Countdown" überfordert waren. Wenn ihr wissen nebenbei wollt, wie großartig die Stimme immernoch ist: Es gibt eine Acapella Version, auf der man dann erkennt, was sie da alles macht.
Wie schon auf Act I leidet das Album für mich aber unter einigen Längen. Ältere Beyoncé Alben waren einfach kompakter. Aber wenn man sich ein Album lang Zeit nimmt, um sich in diesem Fall mit dem Country Genre auseinanderzusetzen, dann muss das Album halt 80 Minuten lang sein.
Die wirklich Highlights, neben den angesprochenen Powerballaden, sind für mich aber "Ya Ya" und "Spaghettii". Also die Songs, bei denen B einfach das gesamte Genre Konzept über den Haufen schmeißt, auf alle scheißt und komplett durchdreht. Jetzt warten wir alle auf den 14.01. und fragen uns, ob es eine Welttournee oder "nur" Act III geben wird. Oder halt einfach ein neues Parfum... Es wirkt jedenfalls nicht so, als würde die Frau den Fuß vom Gas nehmen wollen. Gut für alle, die auf gute Musik stehen.

Platz 1: Sarah Lesch - Gute Nachrichten: Während Beyoncé mit einem "Country Album" überrascht... schockt Sarah Lesch uns mit einem Punkrock Album. Ganz ehrlich, dass kollektive Aufatmen, als sie beim Live Auftritt nach 15 Minuten Rock Musik endlich mit "Testament" ein klassisches Lied spielt, war einer meiner Lieblings-Livemomente des Jahres. Was ihr Manager wohl davon hält... kann uns egal sein, denn es kann ja sein, dass der einfach ein Arschloch ist...
Das Wichtigste: Abgesehen vom Chorus von "Dey" nimmt sie sich sprachlich in keinem Moment zurück. Und kommt weiterhin mit klarer Kante und Haltung. Begonnen mit der Leadsingle "Nie Wieder", in dem sie explizit die ganzen Rechten, die ihre Songs auf den Demos gespielt haben, anzählt. Auch wenn sie damit eher "die Spaltung der Gesellschaft" vorantreibt. Wie kann sie nur in diese fairen und gerechten Welt.
Auch wenn das Album um einiges härter ist, als seine Vorgänger, bleibt am Ende festzuhalten: Wie besten Songs sind am Ende doch wieder die Liedermacher-Sachen. Auf "Der letzte Faschist" wird sogar die Mundharmonika wieder ausgegraben. "Dopamin" geht es am Ende um einer eher toxische Beziehung. "Kannst du die Blindeschrift entziffern, auf meiner Haut." In "Bitte nicht anfassen" um Streit und häusliche Gewalt. Und dann ist da noch "Wenn er nicht trinkt." Der beste Song. Also nicht nur des Albums, sondern des Jahres. Der Song behandelt ein massives Alkoholproblem und erzählt uns, wie schwer es ist, wenn man jemanden hat, der unter dieser Krankheit leidet. Herzzerreißend und brutal zugleich... und komplett ohne einem "Das wird schon irgendwie"... wird es nämlich nicht.