Mittwoch, 29. August 2018

Die Sache mit Thomas Müllers Zenit

Man muss ja auf seine Stammleser der ersten Stunde achten... und wenn die sich beschweren, kriegt man richtige Probleme. Lasst uns also ein Mal halbwegs sachlich darüber diskutieren, ob Thomas Müller seine besten Jahre schon hinter sich hat.

Zunächst mal kann man die ganze Diskussion eiskalt beenden: Thomas Müller war auf dem Höhepunkt seines Schaffens die Weltklasse Inkarnation des Martin Harnik Angreifers. Und das sage ich ohne zynische Hintergedanken: In der Rolle als unterstützender Angreifer für Arjen Robben und Franck Ribery war der Mann im Sommer 2013 Weltklasse. Und als Teil der Weltmeister Elf auch. In dieser Phase konnte Müller eine gut funktionierende Offensive weiter optimieren.

Aber ein Thomas Müller war für sich nie Weltklasse. Deswegen behaupte ich ja auch immer, dass sie bei den Bayern Louis van Gaal eigentlich ein Denkmal setzen müssten, anstatt ständig schlecht über ihn zu reden. Denn der hat als erste erkannt, wie wertvoll Müller neben diesen richtig guten Leuten sein kann.
Geht einfach mal folgendes Gedankenspiel durch: Wenn der Müller nicht in München, sondern in Bochum groß wird... wird er dann eine bessere Karriere machen als sagen wir Martin Harnik. Ein wenig besser, natürlich... aber er wird nie die Legende, der er jetzt ist.
Oder wenn van Gaal ihn halt nicht entdeckt, sonder verliehen hätte... Müller ist halt immer auch ein Produkt seiner Umstände, aus denen er zweifellos das beste gemacht hat.

Das sage ich alles nebenbei mit dem allerhöchsten Respekt. Obwohl er Schlüsselspieler bei den Bayern und für Deutschland ist, kann ich seine Leistungen wirklich wert schätzen. Und ich mag es immer, wenn Spieler wie Müller weit über ihrem eigentlichen Talentlevel erfolgreich sind... weil sie gewillt sind alles zu tun um erfolgreich zu sein. Und sich ihrer Grenzen auch bewusst sind, diese deswegen aber auch ausreizen.

Vor allem würde es mich wirklich überraschen, wenn Thomas Müller dieses Weltklasse Niveau nochmal erreichen würde...
Das ist ja das einfache am "Er ist über seinen Zenit": Wenn man von ganz oben kommt, ist "gehobenes Bundesliganiveau" nun mal nicht der Höhepunkt seines Schaffens. Das ganz große Problem bei solchen Spielern ist halt, dass sie sehr schnell Probleme bekommen, sobald sie einen Schritt langsamer werden. Ob im Kopf oder in den Beinen.
Wo der gerade sein Abschiedsspiel hatte, würde ich Bastian Schweinsteiger als perfektes Vergleichsobjekt heranziehen: Als der 30 war, dachte auch bei den Bayern niemand, dass er schon relativ kurz vor dem Ende seiner Bayern Karriere stehen würde... Als er 31 war, musste man ihn plötzlich an Manchester United verkaufen... und das auch nur, weil besagter van Gaal dort Trainer war, das Niveau für United hatte er auch nicht mehr... Weil Schweini, sobald er nicht mehr sein absolutes Topniveau abrufen konnte, nicht mehr gut genug für die Bayern war. Ein weiterer Name, der mir sofort einfällt, ist Miroslav Klose.
Ich prophezeie Thomas Müller eine ähnliche Karriere... es sei denn, es fällt niemanden auf, weil dank der nachlassenden Bundesliga seine Quote behält... wie ein Franck Ribery...

Angesprochen wird das hier natürlich hauptsächlich aus einem Grund: Weil der relative Leistungsabfall bei einem Müller ignoriert wird, bei einem Mesut Özil aber immer darauf hingewiesen wird. Beide sind für mich durchaus vergleichbar, auch wenn sie ganz andere Voraussetzungen haben, sind sie irgendwie im selben Stadium ihrer Karriere: Die beste Zeit liegt hinter ihnen, auch wenn beides noch gute Fußballer sind.
Und das Özil über seinen Zenit ist, erscheint bei uns als Allgemeinwissen akzeptiert zu werden... dabei hat er letztes Jahr für die Arsenal London in einer offiziell stärkeren Liga 13 Scorerpunkte gesammelt. Klar, Thomas Müller war bei 24, aber er spielte halt auch für eine brutal überlegene Mannschaft. Dazu muss man dann aber auch erwähnen, dass Özil am Ende in der Liga nicht mehr eingesetzt wurde, weil Arsene Wenger alles auf die Europa League setzte. Und er dann noch verletzt ausfiel. 
Müllers Statistiken werden halt schon in die Höhe getrieben, weil der Rest der Liga die Spiele gegen die Bayern mit einem Zahnarztbesuch vergleicht... und meisten schon zufrieden sind, wenn sie nur 4:0 verlieren.
Wir können halt nicht einerseits behaupten, dass die Bundesliga immer schwächer wird, dann andererseits die Leistungen in dieser schwachen Liga für das hochwertigste halten. Es wird ja auch niemand behaupten, dass Amin Younes unbedingt Nationalspieler werden muss, weil er für Ajax Amsterdam eine überzeugende Ligasaison gespielt hat...
Macht einfach mal folgendes Gedanken-Experiment: Wenn Müller und Özil letztes Jahr die Plätze tauschen... wie viele Vorlagen sammelt Özil dann in 29 Spielen? 20? Mehr? Weniger?
Und schneidet Arsenal mit Müller in der Offensive besser ab? Ich würde behaupten: Nicht wesentlich. 
Wie gesagt: Bei einem sind wir uns sicher, dass er über seinem Zenit ist... bei dem anderen wird das ignoriert.

Aber das ist natürlich alles Konstrukte, die sich jeder so auslegen will, wie er mag... Gucken wir uns mal die Fakten an, die die anderen Wettbewerbe so hergeben. Denn die sind eh die spannenderen.
Da wird einem als erstes offensichtlich: Sein letztes relevantes Länderspiel-Tor erzielte Thomas Müller im Sommer 2014... In seinen letzten 9 Turnierspielen kommt er auf eine einzelne Torvorlage... ich sag das mal so: Als Deutsch-Türke wirst du für solche Bilanzen ausgebürgert... Da heißt es dann "Der spielt seit Jahren einen Scheißdreck"... Und klar, gegen Norwegen und Tschechien trifft er... aber das ist für die Zuordnung in die Internationale Klasse ungefähr so relevant wie Vorlagen gegen den Hamburger SV... Man kann sich daran aufgeilen, wirklich weiter bringt es einen aber nicht...

Und die Champions League? Nun ja, 5 Scorerpunkte in 10 Spielen klingen ordentlich. Aber genau genommen sammelte er die auch nur gegen Besiktas Istanbul und Celtic Glasgow... 2 ziemlich überforderte Gegner...
Im Viertelfinale, also als es dann gegen richtige Gegner ging, blieb er torlos. Was, wie ich in dem letzten Bayern-Artikel bereits vorgerechnet habe. Insgesamt ist er seit 8 Spieltagen unter den letzten 8 Europas ohne Scorerpunkt. Wenn das einem Robert Lewandowski passieren würde... Aber Müller darf das...

Genau das meine ich ja, wenn ich davon rede, dass Müller über seinen Zenit ist. Wenn es in den wirklichen Spielen um die Wurst geht, ist er kein Faktor mehr. Und wenn die Bayern die ganz großen Favoriten herausfordern wollen, brauchen sie jemanden, der besser ist als die Post 2016er Version von Thomas Müller. Dieses Niveau hat er in meinen Augen einfach nicht mehr. Und da kann er diese Saison 65 Scorerpunkte in der überforderten Bundesliga sammeln, ich wäre trotzdem überrascht, wenn er auch gegen Real Madrid zuschlägt.

Das ist ja das allgemeine Problem, was den Umbruch der Bayern so endlos hinauszögert: Nur weil ihre offensive Dreierreihe für die Bundesliga gut genug ist, hat sie nicht das Niveau für die Ziele, die sich die Bayern eigentlich stellen. Da es aber immer wieder locker für die Bundesliga reicht, fällt das kaum jemanden auf.
Aber auch Müllers letzte Leistungen sind Teil des "International sind die Bayern nur noch Außenseiter" Narrativ. Denn genau genommen ist Müller "nur noch" gut genug um das Viertelfinale zu erreichen, dort wird die Luft dann verdammt dünn für ihn.

2 Kommentare:

  1. Du triffst den Nagel mal wieder auf den Punkt! Und ich frage mich wirklich wieso das bei den Bayern entweder keiner bemerkt, oder aber wissend ignoriert und trotzdem das Triple als Saisonziel ausgibt.. einfach unrealistisch, dass man übers CL-Halbfinale hinaus kommt. Ich glaube sogar es ist dieses jahr schon früher Schluss, je nach Losglück oder -pech. Dabei hätte man sogar die finanziellen Mittel, um zumindest die Chance zu haben mitzuhalten.. Es ist mir ein Rätsel! Und so viele zukünftige Stars sehe ich im Kader leider auch nicht, aber dafür ist die BuLi vielleicht auch wirklich nicht mehr attraktiv genug..

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  2. Erstmal danke für das Sonder-Feature ...das waren dann wohl meine 5 Minuten Fame.

    Zur Sache: Dann habe ich dich wohl bei dem Kommentar auf den du dich beziehst missverstanden, so kann ich deiner Argumentation einwandfrei folgen.

    Ich denke wir sind uns einig dass Müller keine Weltklasse ist undes vermutlich auch nie war. Er ist unter LvG einfach im richtigen System mit den richtigen Spielern optimal eingesetzt worden was ihn nach Weltklasse hat aussehen lassen. Das daraus resultierende Selbstvertrauen hat mit Sicherheit auch zu seinen überragenden Bilanzen bei der Nationalmannschaft beigetragen.

    Das ist prizipiell ja nichts schlimmes, ich bin überzeugt dass wahrscheinlich eine ganze Reihe der besseren Bundesligaspieler Weltklasse Leistungen bringen könnten wenn sie denn optimal eingesetzt würden. Das Problem als Spieler ist eben dass man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein muss ...und das hat auch mit viel Glück zu tun.

    Um auf die Ausgangsargumentation zurückzukommen: Ich behaupte dass Müller momentan auf seinem theoretisch zur erwartenden Niveau spielt spricht auf dem Zenit befindet, die im Artikel angesprochenen Saisons sich aber aufgrund äußerer Umstände weit über dem theoretisch zu Erwartenden bewegen und nicht wirklich zählen. Nimmt man diese Ausreißer nach oben als Zenit, hat er den schon lange ...und ich meine seit Jahren... überschritten.

    Das allgemeine Problem der Bayern liegt eher in einem Präsidenten der sich an längst vergangene Zeiten klammert und die Entwicklungen der Gegenwart gekonnt ignoriert. Als Fussballromantiker könnte man das schon fast sympatisch finden ...würde besagte Person nicht Ulli Hoeneß heißen.

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