Dienstag, 28. August 2018

Warum können "wir" das mit dem Videobeweis nicht?

Dafür muss es doch Gründe geben... also es kann doch nicht sein, dass der VAR in der Bundesliga zum großen Flughafen wird... Wir sind doch die gut organisierten Deutschen... wenn die korrupte Fifa und ihre Freizeitschiedsrichter aus Entwicklungsländern das hinbekommt... Vor allem mit haufenweise Deutscher Beteiligung... Kann doch nicht angehen?

Oder kann man es sachlich erklären? Hmm... versuchen wir es mal...

Also eine Sache wird man halt auch kaum in Frage stellen: Das Tempo bei einer Weltmeisterschaft ist einfach niedriger als in der Bundesliga. Auch wenn die gerade weit weg von der Weltspitze zu sein scheint, hat sie doch eine höhere Intensität in den Zweikämpfen als Marroko - Iran... was auch nicht wirklich überrascht. Und höheres Tempo führt halt auch zu mehr schwierigen Entscheidungen. Und ja, bis zum Viertelfinale ist eine WM einfach einfacher zu leiten als ein Bundesligaspiel.


Das erste Grundproblem des Videobeweises ist aber halt: Wir wenden den immer noch falsch an. Vergleichen wir einfach mal 2 Szenen: Zunächst hätten wir Vedad Ibisevic, der angeblich in der Entstehung des 1:0 Georg Margreitter gefoult hat... Weshalb der Videobeweis ausgelöst wurde und Nürnberg jetzt jammern darf... Auf der anderen Seite haben wir Diego Costa, der für Spanien Pepe aus dem Weg räumt um das zwischenzeitliche 1:1 zu erzielen... Was keine Überprüfung auslöst... was für unsere Deutschen Sportkommentatoren "unglaublich" ist. Und klar, das war eine Fehlentscheidung. Aber nicht jede Fehlentscheidung auf dem Platz löst den Videoassistenten aus... dann würde man ja gar nicht mehr zum spielen kommen...
Vergleichbar ist nebenbei auch das letzte Tor im DFB Pokalfinale, als auch völlig unmotiviert die Stimmung gekappt wurde, weil tief in der Frankfurter Hälfte eventuell ein Foul passiert ist.

Bei der WM gab es da eine einfache und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage: Wenn du selber noch 4 Chancen hast, das Tor zu verhindern, wie es bei den Nürnbergern ja war, dann suche die Schuld bei deinen eigenen Fehlern, nicht bei dem des Schiedsrichters. Und das war gut so.
Genau so sollte man das auch einfach kommunizieren: Der Videoassistent greift nur bei der direkten Toraktion und nicht bei der Entstehung ein. Mit allen anderen Fällen hat der VAR nichts am Hut.
Und solange das jeder weiß und man sich konstant drauf einstellen kann, kann damit auch jeder arbeiten. Das wichtige am VAR ist ja, dass er konstant arbeitet. Und nur in den wirklich entscheidenden Szenen eingreift. Gerade der Ibisevic-Margreitter Zweikampf war halt einfach nicht entscheidend. Und die ganze Debatte kommt nur auf, weil das Tor halt völlig unmotiviert überprüft wurde. Genau bei diesen Szenen will der Fan das halt nicht. Denn dann musst du wirklich jedes Tor überprüfen, denn irgendwas ist ja immer...


Der 2. große Unterschied mag im ersten Moment absurd klingen... aber: Wir gucken die WM halt Emotionsloser. Also abgesehen von den 3 Deutschland-Spielen. Und bei den Deutschland-Spielen war der eine VAR Einsatz so offensichtlich, dass selbst der größte Hardcore Fan den Sinn der Aktion einsehen konnte.
Aber genau genommen war der Einsatz des VARs bei der WM gar nicht so perfekt, wie wir alle geglaubt haben... es war uns nur scheiß-egal, wenn irgend so ein Drecksland wie Serbien verpfiffen wurde, obwohl das eigentlich gar nicht gehen sollte... Wir berichten dann lieber darüber, wie absurd die Überreaktion von Mladen Kristajic doch war... und das ein Kriegsverbrechertribunal im Fußball nichts verloren hat... während die entscheidende Szene es nicht mal ins Youtube Video schafft.
Aber jetzt stellt euch mal vor Deutschland hätte einen aus unserer Sicht natürlich eindeutigen Elfmeter nicht bekommen... und der VAR hätte auch nicht eingegriffen... da wäre doch sofort ne Spontandemo in Chemnitz einberufen worden... Mit Linken und Rechten auf derselben Seite... Jürgen Kohler hätte sich mal wieder gefragt, warum eigentlich immer wir Deutschen bestraft werden... Und wir hätten eine endlos lange Debatte darüber geführt, wie sinnlos doch der Videoschiedsrichter ist, wenn er in solchen Momenten nicht eingreift... Diese Debatte hätten wir so lange und intensiv geführt, dass Horst ungestört seine Konzentrationslager hätte einführen können... also ohne eine Regierungskrise auszulösen... weil wir mit anderen Dingen beschäftigt gewesen wären...

Da es aber nur ein Land betraf, dass der gemeine Deutsche nicht auf einer Landkarte finden würde... (und ja, ich würde selber grob auf irgendwo in Jugoslawien zeigen, aber wo genau da Serbien ist...) ist es uns auch relativ egal, wenn die bei einer WM verpfiffen werden...
Nebenbei werden die Kroaten für den Rest ihres Lebens darüber diskutieren, warum der Freistoß vorm 1:0 gegeben wurde... und warum der VAR nicht beim Elfmeter eingegriffen hat... Aber der gemeine Deutsche ist sich ja noch nicht mal sicher, ob Kroatien ne Grenze zu Serbien hat oder nicht... So who cares?

Wenn dagegen ein Bundesligist, nehmen wir ausnahmsweise mal die Bayern, die Frage geklärt haben wollen: Ist der Strafraum eigentlich eine Liegewiese, und wenn ja für wen?
Dann hängt sich ganz Fußballdeutschland in die Debatte mit rein... und alle kommen zu dem Schluss: Für Franck Ribery auf jeden Fall... die einen, weil sie meinen, dass es ein ganz klarer Elfmeter ist, die anderen, weil sie sich fragen, warum der VAR nicht eingegriffen hat...

Da jeder Pissverein 40.000 Fans hinter sich hat... diskutieren also über jeden Pfiff immer mindestens 80.000 Fanatiker. Und die eine Hälfte sagt immer "Klare Fehlentscheidung"... obwohl es meistens eher eine "Kann Entscheidung" ist.
Dann wird die Entscheidung durch 50.000 Talkshows getrieben... und so der ganze Sonntag damit gefüllt. Und deswegen entsteht selbst bei richtigen VAR Einsätzen hinterher die große Debatte... weil natürlich die Talkshow-Sender auch ihr gesteigertes Interesse daran haben...


Das sind die beiden Hauptgründe, warum es in Deutschland bei diesem Phänomen keinen Fortschritt gibt. Und alles, was die DFL machen kann, ist mal (auch für die eigenen Schiedsrichter) eindeutig zu erklären, wann der Eingriff kommen kann: Bei der Torerzielung, bei Elfmetern, bei Platzverweisen und bei Spieler-Verwechslungen.
Und dann muss die DFL auch mal den Arsch in der Hose haben und sagen: "Den Zweikampf von Ibisevic zu überprüfen, war einfach falsch. Lasst das in Zukunft." Dann könnten sich alle besser orientieren...
Hoffentlich machen die das wenigstens intern... Denn solange die Bundesliga nicht die eindeutige und einfach Fifa Vorgabe übernimmt, wird die Debatte jedes Wochenende eskalieren...

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