Dienstag, 22. Juli 2025

16 Teams ist das perfekte Teilnehmerfeld

Beim Verfolgen der Viertelfinale wurde mir eines bewusst: ein Turnier mit 16 hat die perfekte Größe. Denn auch wenn ich mich hinter der Maske des Zynismus verstecke, liebe ich es halt, guten und relevanten Fußball zu sehen. Aber gerade in letzter Zeit wurde mir mehr und mehr bewusst, dass ich keinen Nerv mehr für belanglosen Fußball habe.

Hier muss jetzt erstmal ein schizophrener Disclaimer rein, denn mir ist bewusst, dass man bei der Herren-WM nicht auf 16 Teilnehmer zurückgehen kann. Dafür ist der Sport viel zu groß. Und es geht ja, wie ich an anderen Stellen immer betone, nicht darum, das bestmögliche Turnier für uns Europäer zu erschaffen, sondern die globale Entwicklung zu feiern. 
Aber dass fast die Hälfte aller Verbände zur Herren-EM müssen, wird das Turnier auf ewig negativ beeinträchtigen.

Das erste Positive ist der Fakt, dass man nicht sein gesamtes Leben auf den Kopf stellen muss, um das Turnier zu verfolgen. Man musste erst 18 Uhr einschalten und war um 23 Uhr fertig. Wenn man wirklich mal verhindert ist, braucht man nach der Schicht oder nach dem Konzert nur eine Stunde, um alles Relevante zu erfahren. Und ab dem Viertelfinale gibt es nur noch ein Spiel pro Tag, welches abgesehen vom obligatorischen "Wir schalten ins deutsche Lager" komplett im Fokus steht.

Nächstes Jahr werden wir in der Gruppenphase 4 Spiele am Tag auf dem Menü haben. Da wird es von 17 bis 6 Uhr nur Fußball geben. Die werden Doppelschichten beim Public Viewing planen müssen. Selbst mein 21-jähriges Ich, welches 2006 quasi alle Spiele live verfolgt hat, würde da an seine Grenzen kommen.

Dann gab es mit Wales nur eine einzige Mannschaft, die man, bei allem Respekt, als Kanonenfutter bezeichnen kann. Alle anderen Mannschaften waren vor dem Turnier relativ dicht beieinander, auch wenn die Niederlande so zerstritten war, dass man das nur erahnen konnte. Und die Spanierinnen sind halt zu gut, von daher gab es nach ganz oben doch einen beachtlichen Skill-Gap.

Deswegen gab es richtige Hammergruppen. Und weil nur die ersten 2 in jeder Gruppe weiterkommen, gab es auch kein großes Taktieren. Deswegen gab es während des gesamten Turniers nur 2 Unentschieden und noch kein einziges 0:0. Beide Statistiken werden nächsten Sommer am 3. Tag eingestellt sein.

Wo ich gestern auf Kicker.de geflucht habe: Das Re-Live von Portugal - Italien ist beim ZDF nicht mehr auffindbar. Fehlercode 404... Das ist schade, weil man genau diesen Effekt in dieser Schlussphase wunderbar nachvollziehen konnte: Portugal erzielte spät den Ausgleich. Bei einem Turnier mit 24 Teilnehmern würden sich jetzt beide mit diesem Ergebnis arrangieren. Denn Italien wäre mit 4 Punkten als bester Gruppenvierter quasi sicher weiter. Es gibt theoretische Szenarien, in denen man mit 4 Punkten ausscheidet, aber das passiert nur, wenn alle 4 Mannschaften auf diese 4 Punkte kommen. Und auch Portugal wäre mit einem Sieg gegen bereits ausgeschiedene Belgierinnen genauso sicher weiter.

Stattdessen spielten beide Mannschaften in der Nachspielzeit voll auf Sieg. Italien war sich bewusst, dass sie noch ein Spiel gegen die Spanierinnen verlieren werden. Portugal wollte sich nicht darauf verlassen, dass Spanien sich im letzten Gruppenspiel mit einem humanen Sieg zufriedengibt, anstatt aufs 3:0 zu gehen. 
Während man bei den Männern taktiert hätte, führte die extreme Intensität zu einem Platzverweis und 3 klaren Chancen in der Schlussphase.

Ein weiteres positives Beispiel waren die extremen Emotionen nach dem Schweizer Ausgleich. Und das auf BEIDEN Seiten. Die einen feiern das Weiterkommen, die anderen müssen nach Hause fahren. In einem System mit den besten Gruppendritten kommen beide weiter.
Nicht nur das. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die Schweizerinnen bei einer knappen Niederlage mit 3 Punkten und +0 Toren die besten Gruppendritten gewesen wären. Die 4 besten Gruppendritten kamen bei der EM im letzten Sommer weiter.

Hier muss man nochmal festhalten, dass man im aktuellen System bei den Männern mit 3 Unentschieden quasi garantiert weiterkommt. Slowenien hat das vorgemacht, während die Ukraine mit 4 Punkten ausgeschieden ist. Portugal kam 2016, ohne nach 90 Minuten ein einziges Spiel zu gewinnen, bis ins Finale. Bei der WM 1990 war es die Niederlande, die ohne Sieg ins Achtelfinale einzogen, um dort unseren Rudi zu bespucken. Nur um zu verdeutlichen, dass dies kein absurder Sonderfall ist. Seit der Einführung der 3 Punkte Regel in 3 von 4 Turnieren mit den besten Gruppendritten ist dieses Szenario eingetreten. Das ist viel zu häufig.

Es geht also, weil man sich nicht ohne Sieg durchmogeln kann, gleich richtig zur Sache. Und weil es "nur" 16 Teilnehmer gibt, kommt es schon am ersten Spieltag zu richtig geilen Ansetzungen. Nächsten Sommer gibt es dagegen 16 Gruppen. Damit ist ausgeschlossen, dass die 15 besten Mannschaften sich in der Gruppe aus dem Weg gehen. Die USA und Mexiko sind gerade Teil dieser Top-15, ich habe also bedacht, dass es 3 Gastgeberländer gibt. Das Best-Case-Szenario wäre ein Duell zwischen Uruguay in Spanien. 

Aber selbst wenn es dieses "Hammer-Los" gibt, ist der Rest des Teilnehmerfeldes so schwach, dass selbst der Verlierer mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit die K.O. Phase erreichen wird. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass selbst Deutschland dies schaffen wird. Diese Gruppenphase zieht sich nebenbei über 15 Tage... Da bekommt man doch richtig Bock, jede Nacht 8 Stunden vorm Fernseher zu hängen.

Und in dieser K.O. Phase setzt sich dieses Problem dann fort. In dem aktuellen Turnier gab es schon in der ersten Runde nur gute und enge Spiele. Bei der WM im nächsten Jahr werden wir im Sechzehntelfinale quasi nur David gegen Goliath sehen. Und natürlich ist dann so eine Sensation immer eine faszinierende Geschichte. Im Wesentlichen lassen sich diese Spiele aber auf "der Außenseiter verbarrikadiert sich erfolgreich am eigenen 16er und dem Favoriten fällt nichts ein" runterbrechen. Also Spanien gegen Marokko halt. Für die Freunde des guten Fußballs ist das nichts. Dass der Außenseiter wie Italien gerade in Führung geht, weil sie überraschend gut mitspielen und hoch pressen, ist quasi ausgeschlossen. 

Die Fussball-WM nächsten Sommer hat 104 Spiele im Plan stehen. Von denen werden, falls die Achtelfinale günstig fallen und es da 6 spannende Ansetzungen gibt, 13 relevante Spiele geben... Bei der aktuellen EM gibt es 31 Spiele, dafür gab es schon am ersten Spieltag relevante Klassiker wie Frankreich - England oder Deutschland - Schweden.

Damit steht quasi jetzt schon fest, dass wir diesen Sommer das bessere Turnier verpasst haben und uns nächstes Jahr das schlechtere Turnier schönsaufen werden. Aber wenigstens gibt es dann richtigen Fußball.

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