Montag, 14. Juli 2025

Worst of der "Mathhias Sammer hat Rech" Vorrunde

 Also zumindest der Überschrift nach zu urteilen. Praktisch im Prinzip. Denn auch wenn ich Matthias Sammer für einen der fähigsten, kritischen Köpfe halte, will ich mir deswegen jetzt kein Abo holen... und so weit, dass man denen 50 Cent für einen Einzelartikel geben kann, sind die noch nicht.

Außerdem wird Sammer da kaum an den Frauenfußball gedacht haben, auch wenn die gerade ein Paradebeispiel fürs Schönreden abliefern.

Da war Klara Bühl (zumindest glaube ich, dass das ihre Reaktion war) nach dem Spiel dann "stolz" drauf, dass man gegen die Schwedinnen in Halbzeit 2 nur ein Gegentor gefangen hat. Schließlich war man in Unterzahl. Dass die Schwedinnen ihre Stars auswechselten und bei eigenem Ballbesitz in den Schonmodus geschaltet haben, wird ignoriert.

Christian Wück sah seine Mannschaft bis zum Platzverweis von Nora Nderlage auf Augenhöhe. Hier ist das Problem: mit dem Handspiel verhinderte Carlotta Wamser, wie Nderlage im bürgerlichen Leben genannt werden will, das sichere 3:1. Man liegt da quasi schon deutlich zurück. Wenn man jetzt beim Stand von 1:1 einen unglücklichen und fragwürdigen Platzverweis bekommt... Aber man hat zum 3. Mal innerhalb von 20 Minuten richtig beschissen verteidigt.

Apropos beschissen verteidigt: Wück sieht ein glückliches 1:2, weil der Schussversuch ja nur aus Tor geht, weil eine Deutsche beim Klärungsversuch angeschossen wird... Aber ganz ehrlich: wie Smilia Holmberg da an Bühl und Sarai Linder vorbeizieht, ist beängstigend einfach. Und da gibt es eine einfache Regel: wenn man erst im Strafraum versucht, wenigstens Widerstand zu leisten, fängt man sich regelmäßig Gegentore ein. Und das hat dann mehr mit der eigenen Unfähigkeit, als mit "Pech" zu tun.

Wahr ist: Die ersten 20 Minuten waren stark. Aber man hat sich in den entscheidenden Umschaltmomenten viel zu eng an das Lehrbuch Jogi Löws gehalten, obwohl wir seit 8 Jahren wissen, wie naiv das ist. Um es freundlich auszudrücken. Vor allem fand man nach dem Ausgleich nie zum eigenen Spiel zurück. Und sich jetzt auf die ersten 20 Minuten zu konzentrieren, wenn ein Großteil des Spiels Scheiße war, kann nicht der Ansatz sein. Hoffentlich analysieren sie das unter den kritischen Augen Rihannas gründlicher.

Lasst uns da mal ein praktisches Beispiel fürs Verklären von Mittelmaß zur Weltklasse anbringen: Dem Narrativ, dass Elisa Senß eine Lena Oberdorf vergessen lässt. Die Lücke sei "sportlich geschlossen", weil die Frankfurterin in 9 von 10 Länderspielen mitgewirkt hat. 

Und das geht jetzt nicht gegen Senß. Die hat bisher ein ordentliches Turnier abgeliefert. Aber eben auch nicht mehr. Und Lena Oberdorf ist eine der 2 verbliebenen Spielerinnen mit deutschem Pass, die wirklich Weltklasse verkörpern. Die andere ist die ebenfalls verletzte Giulia Gwinn. Der Rest der Mannschaft ist gut, aber nicht überragend. Wir reden uns aber trotzdem ein, dass wir um den Titel mitspielen, obwohl andere deutlich bessere Spielerinnen haben. Weil ja "das System" so gut und so wichtig ist. Dieses System hat beim ersten echten Stresstest einen klassischen Bluescreen produziert.

Eine Lea Schüller lässt schon in der Bundesliga zu viele Chancen liegen. Einer Liga, die international mehr und mehr den Anschluss verliert. In der Champions League kommt sie fast schon logischerweise auf 0 Treffer in 7 Spielen. Aber gut, da wird sie ja meistens auch nur eingewechselt.

Eine Jule Brand lässt immer wieder wunderbares Potenzial aufblitzen, muss aber aufpassen, dass sie nicht zum weiblichen Julian Brandt wird. Der Vergleich drängt sich nicht nur wegen des Namens auf. Und sie muss trotz ihrer 63 Länderspiele noch lernen, wie man konstant und seriös nach hinten mitarbeitet... Hoffentlich hilft ihr der Wechsel zu Olympique Lyon, aber da wird sie erstmal ihre Schwächen aufarbeiten müssen.

Nebenbei zeigt uns diese Entwicklung wahrscheinlich auch ein elementares Problem: Wer Weltklasse werden will, muss die Bundesliga verlassen. Und das so schnell wie möglich. Das ist keine gute Grundlage für langfristiges Wachstum. 

Und es kommt ja zumindest kurzfristig nichts nach. Also während woanders mit Vicky, Schertenleib, Beney, Wandeler und Gaupset 20-Jährige in die Startelf drängen, ist Wamser als 21-jähriges "Küken" eher die Notlösung. Selbst die steinalten Schwedinnen haben mit Holmberg eine 18-jährige, die zumindest gut genug ist, um Deutschland abzuschießen... 

Frankreich hat die Legende Wendie Renard durch Alice Sombath, Melween N'dongala, Thiniba Samoura und Lou Bogaert ersetzt, die alle höchstens 21 sind. Sonbath und Samoura bildeten in den letzten beiden Spielen die Innenverteidigung. Die anderen wurden regelmäßig eingewechselt.

In Deutschland guckt eine 20-jährige Franziska Kett nur zu, wie eine 32-jährige Kathrin Henrich eingewechselt wird...  Nur um zu verdeutlichen, dass die Dinge nur bedingt besser werden, falls es dieses eine Mal noch gegen Frankreich reicht. Und auch wenn Frankreich uns jetzt einreden will, dass unsere Mannschaft favorisiert ist, weil die vor 12 Jahren regelmäßig Titel gewonnen haben, sieht es in der Gegenwart so aus, dass ein Weiterkommen eine ordentliche Überraschung wäre.

Aber anstatt den Finger in die Wunde zu legen, wird uns überall eingeredet, dass das ja schon irgendwie werden wird. Denn jetzt, wo die Aufmerksamkeit gerade vorhanden ist, schon die Missstände anzusprechen, wäre doch völlig übertrieben. Das kann man doch dann machen, wenn keiner mehr hinguckt, da tut es dann nicht so weh. 

Das macht es dann in 2 Jahren auch wieder leichter, sich einzureden, dass man ja zur Elite gehört. Nur um dann wieder überrascht zu gucken, wenn man mit dem Halbfinale nichts zu tun hat... 

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