Freitag, 24. Mai 2019

Fußballfans sind ein verlogenen Haufen

Und da reduziert sich meine Leserschaft direkt auf 0. Guter Start in den Tag...

Aber ja, ich habe es gesagt: Gerade die Selbsternannten Gralshüter der Tradition sind im Endeffekt auch nur bigotte Egoisten. Wer hätte das gedacht.

Damit will ich nicht mal darauf hinaus, dass die Stuttgarter Fans am Ende einer Saison, in der ihnen "die ganze Saison nichts geboten" wurde, ihre Mannschaft auspfeifen. Sondern dass sie die Mannschaft nur auspfeifen und nicht mehr machen.

Nebenbei wollte ich mich bei der Gelegenheit den Eurosport Kommentator lobend erwähnen. Der hat mit "Das darf einem Bundesligisten nicht passieren" und "Jedenfalls hat das wenig mit Fußball zu tun" Aussagen die Stuttgarter Saison als Ganzes wunderbar zusammengefasst. Aber die Relegationsteilnahme ist natürlich so was von verdient, weil sie alles andere als eine grottige Saison gespielt haben.

Aber eigentlich will ich ja auf was anderes aus: Die Fans. Die ja immer voll gegen diese böse Kommerzialisierung des Sportes sind. Dass sie so was von dagegen sind, wenn der Fußball seine Seele verkauft. Und dass man da ganz dringend etwas gegen unternehmen muss... Außer es betrifft einem selber nicht... oder man ist mit anderen Dingen beschäftigt.

Also falls es irgendjemand tatsächlich ignoriert hat, hier die schockierende Wahrheit: Die Relegation ist nicht eingeführt worden, weil die Schalke Fans damals zitternd beim Public Viewing im Parkstadion saßen, unsicher ob sie Dortmund den Abstieg wünschen sollten oder doch lieber darauf hofften, dass es nächstes wieder ein Derby geben würde... Oder damit die Fans in Hamburg wenigstens ein Mal im Jahr ein wenig was von Europacup-Flair bekommen, weil die Auswärtstor Regel sie retten könnte... und wirklich niemand dachte an die Emotionale Achterbahnfahrt, die die treuen Fans (an einem Montag Abend, um das mal offensichtlich zu machen) im Stadion erleiden müssen.

Die Relegation wurde einzig und allein eingeführt, weil man dadurch mehr Sky und Eurosport Abos verkaufen wollte. Weil man in den Vertragsverhandlungen mit den Fernsehstationen dann mehr Geld raus schlagen konnte. Was ja jetzt nochmal deutlicher wurde, wo der Scheiß nicht im FreeTV gezeigt wird.
Die Allgemeine Reaktion des gemeinen Fußballfans: Ich komme nicht aus Hamburg oder Wolfsburg, was interessiert mich das. Obwohl die die Personifizierung der Kommerzialisierung des Fußballs ist... also genau das Symbol, welches man eigentlich nieder reißen sollte. Aber es betrifft einem halt nicht. Und wenn man dabei ist, kann man seine Zeit ja nicht mit so einen Scheiß verschwenden, da muss man seine Mannschaft unterstützen... Oder aus Wut das Stadion in Brand setzen, eines von beidem...

Das wirklich faszinierende ist ja: Die Fans haben gerade mit kreativen und gewaltfreien Protest bewiesen, dass sie als zahlende Kunden durchaus Einfluss auf die Entscheidungen der DFL nehmen können. Die Montags-Spiele wurden erfolgreich abgeschafft. Klopft euch auf die Schulter, was für ein großartiger Sieg.

Aber gehen wir das ganze mal Mathematisch an. Also es gibt 18 Bundesligisten und 5 Montagsspiele im Jahr. Also müssen knapp die Hälfte der Mannschaften an dem ganzen Scheiß schon mal gar nicht teilnehmen. Und genau genommen hat man als ach so schützenswerter Ultra was... 1 Auswärtsspiel alle 4 Jahre, dass man verpasst, weil man nach der Arbeit nicht mehr anreisen kann. Wenn man (wie gefühlt 80% der RB Leipzig Fans) eine längere Anreise zu Heimspielen hat, weil man auf dem Dorf wohnt, verpasst man zusätzlich alle 4 Jahre ein Heimspiel. Im Worst Case Szenario also alle 2 Jahre ein Spiel. Was für ein unerträglicher Zustand.

Andererseits... nehmen Montagsspiele keinerlei Einfluss auf die sportliche Integrität der Liga. Es bleibt ein geschlossener und fairer Wettbewerb. Also so weit man das bei den unterschiedlichen Wirtschaftlichen Voraussetzungen, die die Champions League schafft, noch fair nennen kann. Aber ob es Montagsspiele gibt oder nicht hat kaum einen Einfluss auf das Endergebnis und dessen Konsequenzen für die Vereine. Es ist also realistisch gesehen egal, ob sie stattfinden oder nicht.

Und natürlich ist mir klar, dass es den Fans dabei ums Prinzip geht: sie wollen eine weitere Zerstückelung des Spieltages verhindern. Und haben genau dort die Grenze des für sie Zumutbaren gezogen. Aber warum ist dem gemeinen Ultra die Relegation so egal?

Also die eine ebenfalls rein kommerzielle Veranstaltung, die den geschlossenen Wettbewerb aufbricht und einen massiven Einfluss auf die Entwicklung der Vereine nimmt. Nehmen wir hier mal Spaßeshalber den Karlsruher SC als Beispiel: Die hatten den Aufstieg eigentlich so gut wie sicher. Dann gab es einen aus deren Sicht mehr als fragwürdigen Freistoß und all das über 34 Spieltage (und dieses Mal sogar 180 Minuten in der Relegation) erarbeitet hat, wurde wegen einer falschen Schiedsrichterentscheidung und eines Geniestreiches zunichte gemacht.
Aber damit ja nicht genug: Anstatt seine eigentlich verdiente Bundesligazugehörigkeit zu feiern, stieg man 2 Jahre später in die 3. Liga ab, weil man, wie quasi jeder Zweitligist, seine Mannschaft nicht wirklich zusammenhalten konnte... Nur um dann im Jahr darauf wieder an der Relegation zu scheitern...
Jetzt, nach 2 Jahren dritter Liga, ist man wenigstens halbwegs in der selben Ausgangsposition wie nach der ersten Relegation. Und all das nur für nen paar Millionen im Fernsehvertrag... von dem man nicht mal was hat, weil man ja 2 Jahre dritte Liga spielt. Obwohl man sich eigentlich rein sportlich für die erste Liga qualifiziert hatte.

Aber das nimmt der gemeine Ultra einfach so hin. Er versucht es nicht mal mit Widerständen. Wo bleiben all die kreativen Aktionen, die die Montagsspiele untragbar gemacht haben? Warum wird nicht auch in diesen Spielen der Anstoß mit Klopapierrollen und Tennisbällen nach hinten verschoben? Oder besser noch: Warum nutzen die unbeteiligten Fans in den bedeutungslosen Spielen am 33. und 34. Spieltag nicht diese Gelegenheit um Solidarität mit den Relegationsteilnehmern zu zeigen. Mit einfachen und klaren Transparenten: "Für einen sportlich fairen und geschlossenen Auf- und Abstieg - Die Relegation abschaffen!"

Aber da könnte man sich ja als Ultra selber ins Fleisch schneiden. Selbst Schalke war dieses Jahr erschreckend dicht dran an einer Qualifikation für die Relegation. Und praktisch (und ja, ich gehe immer noch davon aus, dass Union am Montag verliert... Ich sage das jetzt auch explizit so. Vielleicht hilft's) wurde der 3. Abstiegsplatz abgeschafft...

Und da jedes Jahr einer der schlecht geführten Hochglanzvereine in diese Relegation rutscht, man sich vorher aber nie sicher sein kann, welcher... könnte man sich mit diesem Protest doch ins eigene Fleisch schneiden. Da hat ja keiner Bock drauf...
Also ich protestiere doch nicht gegen etwas, wovon ich im Zweifelsfall, wenn alles wirklich beschissen läuft, profitiere... Auch wenn die Relegation für alles steht, was ich verabscheue.... Ich bin doch nicht dumm... sondern halt einfach nur ein verlogener Haufen. Wie ich eingangs halt gesagt habe...

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