Dienstag, 9. April 2019

Weil es so ein schönes Lehrbuchbeispiel ist

und weil man sich dann Kunststück von Matheus Cunha angucken kann, wenn man es weiterlaufen lässt: Das Handspiel von Mitchell Weiser war wohl der regeltechnische Aufreger des Wochenendes: Muss man dafür Elfmeter geben?

Kurze Antwort: Natürlich nicht, ein Elfmeter ist viel zu hart. Das ist ja das eigentliche Grundproblem, über das man mal reden müsste.

Aber das alle ausschließlich aus der Sicht des Verteidigers argumentieren, nervt halt schon ein wenig. Denn wenn man das ganze mal aus der Sicht der Angreifenden Mannschaft betrachtet: Marcel Halstenberg will da einen Seitenwechsel der Leipziger wieder scharf machen und denn Ball in den Strafraum auf Ibrahima Konaté legen. Derartige schnelle Seitenwechsel sorgen eigentlich immer für Chaos und sind verdammt schwierig zu verteidigen. Nur deswegen kommt der Ball ja an die Hand des sich in einer Pirouette befindenden Weiser.

Es ist natürlich doppelt hart, weil er den Ball nur streift. Aber ob der Ball ohne die Berührung auch geklärt werden kann, wird niemand mehr nachvollziehen können. Klar, es sieht danach aus, aber wie viel Geschwindigkeit wird durch Weisers Handspiel aus dem Ball genommen?
Ich muss zugeben, dass es im Originalgeschwindigkeit in meinem Kopf deutlicher aussah, aber Details, es geht ja ums Prinzip.

Denn hier beginnt halt das Grundlegende Problem: Wenn ich als Verteidiger mit einem Handspiel durch Vergrößerung meiner Körperfläche den Angriff unterbinde oder beeinflusse, muss irgendwas passieren. Das liegt schon im Namen der Sportart: Fußball. Der einzige, der seine Hände zum Abwehren von Bällen benutzen darf, ist der Torwart.

Dabei ist es auch überhaupt keine Frage, ob etwas Absicht war oder nicht, es geht ausschließlich darum, ob man als Mannschaft einen Vorteil aus dem Handspiel erhält. So, wie das jetzt bei der Angreifenden Mannschaft eindeutig geklärt sein wird.

Nebenbei wird die Frage "Absicht oder nicht" ja auch nur bei Handspielen ins Gespräch gebracht. Bei allen anderen Regelüberschreitungen ist es für den Pfiff völlig egal, ob das gewollt war oder nicht.  Wenn meine auf den Ball gehende Grätsche eine Millisekunde zu spät kommt und ich nur den Fuß treffe, gibt es einen Freistoß. Wenn ich beim Fallrückzieher den Verteidiger, der mit dem Kopf zum Ball geht, im Gesicht treffe, weil ich ihn einfach nicht gesehen habe, gibt es Gelb. Und das, obwohl ich doch nur die Absicht hatte das Tor des Jahres zu erzielen, da kann mir doch keiner einen Vorwurf machen.

Aber diese Beispiele haben halt einen minimalen Unterschied: Es gibt eine angemessene Strafe für das Vergehen. Es sei denn, man klärt per Fallrückzieher im eigenen Strafraum und trifft dabei den Gegenspieler im Gesicht, dann sagen aber auch alle nur "Wie dumm war denn der Verteidiger" und es gibt Elfmeter. Und das ist halt der springende (oder eben nicht, denn der liegt ja konstant) Punkt: Wenn wir über Handspiele diskutieren, reden wir immer über "Elfmeter oder nicht?" Die einzige Ausnahme, die mir natürlich einfällt, ist Karlsruhe - Hamburg in der Relegation 2015. An sonsten werden all die Handspiele, wenn sie denn im Mittelkreis oder an der Eckfahne passieren, Schulter zuckend hingenommen: Ich hab den Ball halt mit der Hand gespielt, das ist halt nen Foul, weiter geht's.

Das ganz große Problem ist, dass die Strafe "Elfmeter" für viele Handspiele viel zu drastisch ist. Und dessen sind sich die Schiedsrichter ja bewusst. Und die Kommentatoren auch. Die Frage ist nie "Hat der Verteidiger durch sein Handspiel einen Vorteil gewonnen?" sondern "Reicht das für einen Elfmeter?"

Die Lösung wird den beiden Stammlesern bekannt vorkommen. Und ich habe sie letztens betrunken einem Schiedsrichter vorgeschlagen, der auch nur sagte "Warum ist da noch keiner drauf gekommen?": Gebt doch für die unabsichtlichen Handspiele, für die Szenen, wo die Hand nicht eindeutig zum Ball geht, einen indirekten Freistoß. So wird die angreifende Mannschaft nicht um ihre potenzielle Torchance gebracht, die foulspielende Mannschaft wird aber auch nicht in eine Situation gebracht, die praktisch nicht mehr zu verteidigen ist. Und man kann dann erkennen, welche Trainer ihre Mannschaften auf derartige Situationen gut vorbereitet und sich kreative Lösungen einfallen lässt... und wer den Ball einfach nur blind aufs Tor dreschen lässt, weil ihm so mal eine Meisterschaft entrissen worden ist...

Das wäre eine angemessene, eindeutige und nachvollziehbare Strafe: Sobald die Körperfläche vergrößert wird und der Ball mit der Hand gespielt wird, gibt es einen indirekten Freistoß. Das wird dann auf jedes Handspiel im Strafraum angewendet. Und keiner fragt sich mehr "Ist das jetzt eine zu krasse Strafe?" Oder "War das jetzt ein anderes Handspiel als das vor 3 Wochen, wo es für uns keinen Elfmeter gab?"

Mich stört ja wirklich, dass keiner der bezahlten Experten, sei es bei den Verbänden oder den Fernsehstationen, auf diese Idee kommt. Dass denen anscheinend nicht bewusst ist, dass die Frage "Elfmeter oder nicht?" die entscheidende ist, an der die Emotionen hoch kochen.

Wenn man eine konstruktive Debatte zum Thema Handspiel führen will, sucht man nach Lösungen, die zu nicht so extremen Strafen führen. Die damit aber auch dazu führen, dass wirklich jedes Handspiel gleich bewertet werden kann. Nur, wenn da mal was passiert, wird sich diese Debatte irgendwann mal entspannen.

Aber dafür müsste man sich ja mal mit dem Sport und nicht mit neuen Uhren beschäftigen... Das wird also nicht passieren. So werden wir diesen völlig sinnlosen Diskurs ohne jegliche Fortschritte noch in 20 Jahren führen...

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