Donnerstag, 16. Februar 2017

Moralische Reflektion über eine gesperrte Südtribüne

Yeah, es wird philosophisch, da landen wir bestimmt wieder bei Goebbels... und der zieht immer.

Aber ja: heute beschäftigen wir uns mit der schwierigen Frage, warum der DFB am Ende die gesamte Südtribüne sperren muss.

Also ja, mir würde auch lieber etwas besseres einfallen lassen als Kollektivstrafen für 25.000 Menschen. Aber der DFB hat halt keine andere Wahl. Und das muss Dortmund als Verein und die Südtribüne als Ganzes auch einfach mal anerkennen.

Denn in Dortmund versuchen sie sich ja gerade auf die "Das war eine Minderheit" Theorie zu stützen. Wir sind selber Opfer! Wir konnten ja gar nicht ahnen, wie schlimm das alles war. Der Bereich der Südtribüne, auf dem ich stand, hatte keinerlei Plakate und Schmähungen. Und ja, der Durchschnitt der Kicker-Leserbriefe zeigt durchaus an, dass dies nicht die Reaktion der Mehrheit ist... aber es gibt halt auch den Teil, der sich selbst in die Opferrolle drängen will.

Was ich auch voll verstehen kann. Das ist eine gerade zu menschliche Reaktion. Die sicherste Variante jegliche Verantwortung von sich zu weisen. Eine Reaktion, die der Deutsche sowohl 1946 als auch 1991 als erste Reaktion auf die Verbrechen ihrer Staatssysteme gezeigt haben.

Also ja, ein inhaltlicher Vergleich zwischen den unfassbaren Verbrechen der Nazis mit den Schmähungen der Fankurve ist unangebracht. Worauf ich an der Stelle hinaus will: Eine Minderheit kann einer Mehrheit seinen Willen nur aufdrücken, wenn die Mehrheit den grundlegenden Konsens mitträgt. Sowohl im Großen als auch im Kleinen.
Man kann an der Stelle schlecht Opfer sein, denn man ist mindestens Solidaritäter.

Das Problem wird halt besonders deutlich, wenn sich das DFB-Urteil auf die "Verunglimpfung und Diffamierung von einzelnen Personen durch Transparente und Schmähgesänge" bezieht. Dortmund will sich quasi gerade einreden, dass 2.000 Menschen lauter waren als die restlichen 79.000. Und dass diese 79.000 keine Chance hatten irgendwas gegen diese paar Hanseln auszurichten. Die wurden quasi von diesen "Nennt sie nicht Fans" in Sippenhaft genommen.

An der Stelle muss ich mal mit einem ganz traurigen Geständnis kommen: Ich war beim Spiel Lok Leipzig - Chemie Leipzig. Dem ersten Pflichtspiel der beiden seit der Wende. Was mich danach dann irgendwie geärgert hat: Dass die "Judenschweine Raus!" Gesänge, die 2 mal ganz kurz aufkamen, hinterher nirgends erwähnt worden sind.
Nach dem Verhalten der Dortmunder gegen RB habe ich dann verstanden, warum: Diese Gesänge kamen wirklich nur extrem kurz auf. Also ich war mir selber direkt gar nicht sicher, ob die wirklich gesungen haben, was sie gesungen haben. Was mir verdeutlicht hat, das es recht extrem gewesen sein muss, war die Reaktion des restlichen Stadions, die deutlich lauter mit einem "Nazis Raus!" und "Eure Eltern, sind Geschwister!" reagiert hat.

Genau so funktioniert das, wenn eine Minderheit im Stadion unangemessene Stimmung verbreiten will. Genau das ist in Dortmund halt nicht passiert.
Dabei hätte man noch nicht mal RB "verteidigen" oder "verstehen" müssen. Man hätte einfach jedes mal, wenn der Beginner-Klassiker "Wir wollen Keine keine keine! Wir wollen keine Bullenschweine" angestimmt wird, mit eigenen die Mannschaft unterstützenden Gesängen reagieren müssen. Dann wäre die Minderheit extrem schnell extrem kleinlaut geworden. Aber genau das ist nicht passiert. Man hat diese Stimmung im Stadion halt mitgetragen. Einerseits in den Bannern, andererseits in den Gesängen.

Und was sich der DFB sich erhofft (oder zumindest ich mir erhoffe), ist ja genau diese Reaktion: Dass sich die wahren Fans das nächste Mal, wenn es gegen einen Retortenklub geht, nicht von dieser Anti-Stimmung mitreißen lassen, sondern die positive Stimmung verbreiten, für die sie legendär geworden sind.
Dass das nächste Mal, wenn das "Dietmar Hopp im Fadenkreuz" Plakat (nur um mal zu erwähnen, dass wir hier auch nicht mehr von einen einmaligen Ausrutscher sprechen) hochgehalten wird, der Rest dieser Minderheit deutlich mitteilt, dass er den Scheiß bitte runter nimmt.
Und ja, das eine ist einfacher als das andere. Aber: Wenn jemand ein "Geh zurück in den Zoo, du Neger" Plakat hochhalten (oder diese Minderheit Affenlaute imitiert, wenn ein entsprechender Gegner am Ball ist, was ja auch schon in Stadien passiert ist, auch wenn es eine Weile her ist), würde genau das passieren. Irgendwie geht man aber davon aus, dass ein Aufruf zum Selbstmord etwas anderes ist...

Jetzt könnten die Fans erkennen, dass sie auf der Tribüne als Kollektiv wahrgenommen werden. Falls ihnen das vorher klar nicht war (Ich dachte in meiner naiven Weltanschauung, dass es dabei ja genau darum geht...). Und dass sie auch mitverantwortlich sind, was für eine Stimmung dieses Kollektiv ins Stadion trägt. Aber nur wenn sie das erkennen, können sie das nächste Mal solche unschönen Szenen eindämmen. Sich an der Stelle in die Opferrolle zu begeben, ist aber garantiert nicht sinnvoll...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen