Mittwoch, 26. Oktober 2016

Erwarte ich am Ende zu viel von den Leuten?

Es ist ja nicht so, dass ich mich ständig freue Recht zu behalten. Eigentlich ist bei mir eher das Gegenteil des Fall: Ich würde mich gerne eines besseren Belehren lassen... So wie von Christian Streich gerade... Nur um das mal erwähnt zu haben. Der Mann hat mit seiner Einschätzung irgendwie auch recht...

Aber... nun ja... dieses Wochenende kam am Samstag um 17:57 der erste "Jetzt ist Hertha offizielle Bayern-Verfolger Artikel" raus... Da war der Spieltag noch nicht mal durch...

Und da fängt ja auch schon das größte Problem mit dem Sportjournalismus an: Die Redakteure sehen sich selber viel zu sehr als Verkäufer und viel zu wenig als Experten.
Das fiel mir nebenbei dieses Wochenende auf, bevor die Bundesliga-Berichterstattung überhaupt los ging... als Markus Opdenhövel direkt behauptete, dass das ja die spannendste Dritte Liga aller Zeiten ist... weil nach 10 Spieltagen den Tabellendritten und den Tabellen-16. (also Abstiegskämpfer und Aufstiegskämpfer) sagenhafte 3 Punkte trennen. Das Problem daran: Die Dritte Liga ist schon immer sehr eng. Solche Konstellationen sind nichts ungewöhnliches. So absurd das klingt.
Als gebürtiger Rostocker verfolge ich die Dritte Liga ja viel genauer, als mir persönlich lieb ist. Deswegen kann ich auch behaupten: Es gibt ganze 2 Dinge, auf die man sich in der Dritten Liga verlassen kann: Hansa Rostock wird am Ende irgendwie die Klasse halten und der VfL Osnabrück bricht am Ende ein und verspielt den Aufstieg. Der Rest... ist eine reine Lotterie.

Um mal zu belegen, wie belanglos die aktuelle angeblich ach so spannende Drittligatabelle wirklich ist: Die Würzburger Kickers standen letztes Jahr zur Winterpause mit 8 Punkten Rückstand auf Platz 3 im gesicherten Mittelfeld... Am Ende der Saison sind sie dann durchmarschiert.

Oh und an der Stelle sei nochmal Darmstadt 98 erwähnt, die nach der 2013er Saison eigentlich vor dem Abgrund Regionalliga standen und 12 Monate später ähnlich sensationell wie Würzburg als Dritter in die Zweite Liga aufgestiegen sind. Solche Geschichten sind in der Dritten Liga nichts ungewöhnliches.

Da gibt es natürlich auch Gründe für. Die meisten Drittligisten hangeln sich von Saison zu Saison. Und stellen sich im Sommer regelmäßig ein neues Team zusammen, da überraschend wenige ihrer Spieler einen Vertrag haben, der länger als 12 Monate läuft. Die Manager der Dritten Liga hoffen quasi allesamt, dass sie die Konstellation (um die 2-3 Fixpunkte im Kader) gefunden haben, die in dieser Saison zum Aufstieg reicht.
Deswegen spielen sich die Drittligisten im Endeffekt 30 Spieltage lang ein. Und erst 8 Spieltage vor Schluss lohnt es sich dann wirklich auf die Tabelle zu gucken. Und wer dann seinen Lauf kriegt, steigt am Ende auf. Genau so funktioniert im Wesentlichen die 3. Liga.
Und ja, Duisburg sieht gerade wie der sichere Aufsteiger aus... Allerdings mit lächerlichen 14 Toren nach 12 Spielen... wenn sich der Rest ein wenig besser auf deren Angriff einstellt, sind die ganz schnell da oben weg... Obwohl sie uns gerade als Überteam "verkauft" werden...

Da sind wir ja auch beim eigentlichen Grundproblem: Wenn Opdenhövel ehrlich und sachlich an diesen Teil seiner Sendung gehen würde... würde die Anmoderation eher so klingen:

"Wir zeigen ihnen jetzt die Dritte Liga. Das ist auch ganz lustig, weil man nie vorhersagen kann, wie es ausgeht. Aber wir zeigen ihnen am Ende keine Tabelle, weil die gerade genau genommen vollkommen egal ist. Wir hoffen aber, dass wir ihnen jetzt schon die Spieler vorstellen können, die dann im April den Aufstieg entscheiden werden. Bleiben sie also dran und merken sie sich die Namen."

Das klingt natürlich unglaublich unsexy. Deswegen lässt der Opdenhövel das natürlich. Denn seine Aufgabe ist es ja nicht, uns die Verhältnisse der Dritten Liga zu erklären... sondern uns diese als möglichst attraktiv zu verkaufen.

Deswegen (um ein weiteres aktuelles Beispiel zu nennen) erzählt uns der Kommentator von Darmstadt - Frankfurt ja auch nicht, was für ein unfassbar schlechtes Spiel wir da gerade sehen... sondern sagt die ganze Zeit "Bleiben sie dran, da kommt noch was ganz Großes!" Auch wenn das "ganz Große" nur ein Gurkentor ist...
Das schöne an der Sportschau ist dabei natürlich, dass sie mit solchen Ansagen wenigstens keine Werbeunterbrechungen einleiten... und ja, ich bin alt genug um genau das erlebt zu haben... damals, beim Privatfernsehen...

Aber bei den "Live-Kommentatoren" kann ich das ja noch fast nachvollziehen... Denn da hat die Übertragung ja auch 2 Seiten der Medaille. Denn wir als Zuschauer wollen halt auch unterhalten werden. Und wir fühlen uns im Durchschnitt eher schlecht unterhalten, wenn man uns permanent drauf hinweist, was für eine Grütze wir da gerade sehen...

Aber das die Nachtberichtserstattung oftmals dasselbe Niveau erreicht... stört mich halt definitiv...
Alle hoffen darauf, dass Hertha oder RB Leipzig wirklich zum Bayern-Jäger mutiert. Damit sie hinterher behaupten können: Das haben wir ja gleich gesagt. Das habt ihr als erste exklusiv bei uns gelesen. Und ja, genau dann wird das auch raus geholt.
Wenn ihr jetzt denkt: Der übertreibt doch, so was würde ein Fachmagazin doch nie machen... dann holt mal den Außenteil vom aktuellen Kicker raus. Glaubt ihr, der Kicker würde seine "Fiesta Mexicana" Schlagzeile noch mal ausgraben, wenn das damals die einzige Torvorlage von Marco Fabian geblieben wäre? Oder die ""Labbadias Aus wird die Probleme nicht lösen" Schlagzeile, wenn Markus Gisdol mit 7 Punkten gestartet wäre? Diese Dinge bauen sie nur ein, damit wir alle bemerken, dass sie und das ja vorausgesagt haben... So was stärkt halt unser Vertrauen in das Medium.

Aber: Niemand wird hinterher erwähnen, dass man die Hertha zum Bayern-Jäger gemacht hat, wenn sich die Tabelle normalisiert hat und die Hertha 10 bis 15 Punkte hinter den Bayern liegt... In dem Fall werden diese Schlagzeilen ganz schnell wieder ganz tief vergraben.

Und das ist halt ein grundlegendes Problem der Internet-Zeit: Es geht nicht mehr darum richtig zu berichten, es geht darum als erster eine möglichst prägnante Schlagzeile in den Umlauf zu bringen. Was die Journalistische Arbeit (hauptsächlich neben dem Sport, also wenn es um wirklich wichtige Dinge geht.) unfassbar schwierig macht. Denn wirklich gute Recherche-Arbeit kostet Zeit... Stumpfe Schlagzeilen dagegen nicht.
Und am Ende bringt der gut recherchierte Artikel auch noch weniger als die rausgerotzte Schlagzeile...

Dazu kommt natürlich, um zurück zum Sport zu kommen, der Leicster Faktor. Also dass da das Unvorhersehbare wirklich passiert ist. wirkt sich natürlich jetzt natürlich auf unsere Experten aus. Da will sich hinterher keiner Vorwerfen lassen, dass er das nicht hat kommen sehen. Da schreibt man doch lieber gleich seine Schlagzeilen, damit man hinterher behaupten kann: Wir haben gleich dran geglaubt...

Wie könnte man dieses Problem lösen? Nun ja, mit guter, detaillierter und tiefgründiger Analyse als Fachmagazin. Und wie ich mir das vorstellen könnte, beschreibe ich morgen. Yeah! Sequel Baiting.

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