Sonntag, 24. Juli 2022

Worst of des "Ungefähr so sieht das halt aus" Viertelfinales.

 Also ja. Entweder man kann damit was anfangen, oder man will halt vom Frauenfußball nichts wissen. Aber als Turnier an und für sich hat dieses Viertelfinale sehr gut funktioniert.

Allein schon, dass alle Spiele erst in der Schlussphase endgültig entschieden wurden. Das ist halt schon ideal. Und dann hatte jedes Spiel seine eigene Geschichte.

Die Spanierinnen schaffte es fast, sich gegen die wütenden Angriffe und der auch wirklich großartigen Stimmung zu wehren und die Gastgeberinnen rauszuschmeißen. Und das 1:1 ist eines dieser Szenen, bei denen man froh ist, neutraler Beobachter zu sein, denn in Spanien wird man noch in 10 Jahren behaupten, dass der VAR da hätte eingreifen müssen. In England wird man ganz entspannt von "britischer Härte" sprechen. Und das Schöne am Fußball ist: Beide haben recht. Am Ende sind die Engländerinnen der glücklichste Viertelfinalteilnehmer.

Österreich hat dann häufiger das Aluminium getroffen, als die Deutschen das Tor. Also nur um festzuhalten, wie knapp das am Ende war. Und klar, Deutschland war besser, aber am Ende hatte man genaugenommen doch nur die bessere Torhüterin und mehr Glück. Also alles wie bei den Männern.

Die Belgierinnen lieferten dann genau die Abwehrschlacht, die man von einem Außenseiter erwartet. Und zur allgemeinen Überraschung hatten auch die eine Torhüterin, die bis in die Nachspielzeit alles hielt, was es zu halten gab. 

Frankreich schaltete in Halbzeit 1 kollektiv in den Gomez der Woche Modus. Aber in den ersten 45 Minuten sind sie die mit Abstand beste Mannschaft in diesem Turnier. Aber in der 2. Halbzeit wirken sie dann plötzlich wie eine durchschnittliche Mannschaft. Ernsthaft, die haben in der ersten Hälfte 8 ihrer 9 Tore erzielt. Und das letzte erst in der Verlängerung. Ich habe selten eine Mannschaft gesehen, die nach 45 Minuten so konsequent die Arbeit einstellt.

Apropos Verlängerung: Da ist in allein in dem Frankreich - Niederlande Spiel mehr passiert, als bei den 3 letzten Verlängerungen im letzten Sommer zusammen... Was natürlich nicht schwer ist. Denn die französische Trainerin Corinne Diacre hat etwas völlig Absurdes gemacht: Sie hat trotz eigener Führung 3 frische Kräfte gebracht, um für Entlastung zu sorgen. Und dann passierte genau das, was man eigentlich erwarten konnte: Die auf müde Verteidigerinnen zulaufende Ouleymata Sarr hatte direkt 3 starke Szenen, in denen sie zumindest das 2:0 machen kann. Und negative Folgen gab es keine. Man sollte diese Szenen vielleicht mal Gareth Southgate zeigen, damit der vielleicht versteht, was passiert, wenn man seine Offensivkräfte nicht erst in der allerletzten Sekunde und nur fürs Elfmeterschießen einwechselt.

Und nur um mal zu erwähnen, wie absurd das Ganze war: Entgegen der Angaben bei Kicker.de wurde nicht nach dem Seitenwechsel 4 frische Spielerinnen eingewechselt, sondern während der Unterbrechung. Also als die Zeit angehalten war. Selbst die in Führung liegenden Französinnen verzichteten darauf, die Wechsel zu nutzen, um an der Uhr zu drehen. Die wollten das Spiel lieber entscheiden. Und wo wir schon beim Thema liegen sind: Lediglich Wendie Renard tat dies kurzzeitig, weil sie nach einem Luftzweikampf auf die Hüfte fiel. Könnt ihr euch das vorstellen? Eine Verlängerung, die nicht nur aus Auswechslungen, Behandlungspausen und dreistem Zeitspiel besteht?

Wenn man sich ansieht, wie die frisch eingewechselte Rechtsverteidigerin Marion Torrent noch nachrücken und für Entlastung sorgen kann, fällt einem wieder auf, wie grob fahrlässig es ist auf solche Impulse zu verzichten... Trotzdem werden wir es in einem halben Jahr wieder sehen.
Nebenbei ist das ja auch nicht "der Standard". Schließlich wechselten die Engländerinnen in der 116. und 117. Minute, nur um das Ergebnis über die Zeit zu retten. Trotzdem ist es immer wieder schön, wenn man so was mal zu sehen bekommt.

Aber kommen wir zum eigentlichen: Das ist dann jetzt endlich das erste Halbfinale seit der EM in Frankreich. Damals hat Bastian Schweinsteiger noch gespielt und ihr habt alle geglaubt, dass Jogi Löw ein guter Trainer ist. Das sind in der Summe 4 Turniere in Folge. Also die EM 2017, die WM 2018, die WM 2019 und die EM 2021. Eine vergleichbar lange Serie ohne deutsche Halbfinalteilnahme hat es noch nie gegeben. Also noch nie bedeutet hier auch: Selbst als man zwischenzeitlich wegen Adolf nicht eingeladen wurde und man die Trümmer des 2. Weltkrieges beseitigen musste, dauerte es nur 1 Turnier (an dem man halt nicht mal teilnehmen durfte) bis man wieder ins Finale einzog. 

Es ist an der Stelle einfach nur unfassbar, wie verwöhnt der gemeine Fan der deutschen Nationalmannschaft halt ist. Also selbst in den fußballerisch schlimmsten Jahren der Herrengeschichte stolperte man halt in ein WM-Finale... und die deutschen Frauen gewannen zwischenzeitlich 8 von 9 Europameisterschaften. Damit ist es eigentlich unmöglich, auch nur 2 aufeinander folgende Turniere ohne Halbfinalteilnahme zu finden. Ich erwähne das auch nur, um zu verdeutlichen, wie herausragen die Trainerleistungen von Jogi Löw und Steffi Jones waren, die das ja irgendwie zu verantworten haben.

Aber hey, wenigstens da gilt dann wirklich das Konzept vom "Equal Play." Also ich habe hier ja vor einigen Jahren aufgelistet, wie absurd schlecht die Bilanz der Nationaltrainer auf Vereinsebene so ist. Und dass Hansi Flick in einem Jahr mehr Titel geholt hat, als alle seine Vorgänger zusammen. Und dass die einzige relevante Qualifikation "Kontakte zum DFB" sind.

Bei den Frauen... ähm... Gero Bisanz wurde Meister in der Landesliga Mittelrhein. Das steht buchstäblich als einziger Erfolg vor den Europameistertiteln auf seiner Wikipediaseite. Tina Theune hat einfach nur die DFB-Frauen trainiert. Silvia Neid folgte ihr, weil sie halt vorher 9 Jahre Co-Trainerin und davor eine verdiente Spielerin war. Bei Steffi Jones dachten sich alle: Hey, die war ja quasi die "deutsche Kaiserin", da kann die auch den Trainerjob übernehmen, wie der Franz das gemacht hat. Lief katastrophal. Dann kam als Paniklösung Horst Hubresch aus der U21 der Männer. Weil der aber schonmal richtige Vereinsmannschaften trainiert hat, konnte er das nur Interimsweise machen. Und jetzt ist halt Martina Voss-Tecklenburg dran, die man von der schweizer Nationalmannschaft abgeworben hat und die vorher (immerhin) 3 Titel auf Vereinsebene geholt hat. Die aber auch in der deutschen Bundesliga seit Januar 2012 keine Angebote mehr bekommen hat. Ihre Vorqualifikation gleicht also eher der von Jogi Löw: Nicht gut genug für die erste Liga, aber für die Nationalelf reicht's.

Nur um das mal zu vergleichen: Die bereits erwähnte und anscheinend auch durchaus umstrittene Corinne Diacre wurde von einem französischen Zweitligisten abgeworben. Die hat vorher eine Herrenmannschaft trainiert und wurde dort Trainer des Jahres. Als die FA beschloss, dass sie die Damenmannschaften jetzt mal richtig aufstellten, holten sie die amtierende Titelträgerin aus den Niederlanden. Die war nebenbei auch schon 2 Mal Meister und Pokalsieger. Oder anders ausgedrückt: Sarina Wiegman holte auf Vereinsebene allein mehr Titel, als alle deutschen Trainerinnen zusammen. Der schwedische Trainer Peter Gerhardsson hat jahrelang in der schwedischen Allsvenskan trainiert. Also auch bei den Männern. Mark Parsons von der Niederlande trainierte jahrelang in der amerikanischen Profiliga der Frauen, nur um ein weiteres Beispiel zu nennen.

Der einzige Verband, bei dem es wichtiger ist, 100 Länderspiele gemacht zu haben, als wirklich konstant nachgewiesen zu haben, dass man eine gute Trainerin ist, bleibt der DFB. Aber da dies bei den Männern genau so läuft, kann sich da halt auch niemand beschweren... 

Bei den ganzen vorher erwähnten und ja auch als selbstverständlich hingenommenen Erfolgen ist das irgendwie auch nur fair. Also man will gar nicht wissen, wie viele Weltmeistertitel Deutschland geholt hätte, wenn man auf die durchaus vorhandenen fähigen Trainer aus den Vereinsmannschaften gesetzt hätte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen