Freitag, 7. Mai 2021

Jetzt überschlagen sich die Ereignisse

Denn auf ein Mal lässt auch Dennis Aogo seinen Expertenposten ruhen. Denn auch der hat sich "unglücklich ausgedrückt"... 

Die Kernaussagen sind, um sie nur ein Mal wiederzugeben, „Wenn man Familie kriegt, dann hat man immer den Wunsch nach einer festen Bleibe, sodass man nicht immer irgendwie wie ein Zigeuner von A nach B reist.“ und "Trainieren bis zum Vergasen"... Ernsthaft? 

Zunächst muss hier mal grundlegend geklärt werden, warum die Fremdbezeichnung "Zigeuner" nicht mehr verwendet werden sollte: Die Sinti, die damit beschrieben werden, lehnen den Begriff ab. So einfach ist das. Also das "klassische Ethnologen-Beispiel" ist ja "Eskimo - Inuit". Beim Wort Eskimo wurde darüber diskutiert, ob das abwertend und respektlos gegenüber den Inuit ist. Deswegen haben die sich dagegen gewehrt, bis man dann herausbekommen hat, dass Eskimos eine größere Volksgruppe anspricht und keineswegs eine wertende Abgrenzung ist. Also Inuit heißt, wie 90 % aller Selbstbezeichnungen, "Mensch", Eskimo heißt wohl doch nur "Die, die eine andre Sprache sprechen."

Um das Ganze an einem theoretischen Beispiel festzumachen: Wenn wir jetzt (Ich nutze ganz bewusst lieber den Konjunktiv) die Engländer als Inselaffen bezeichnen würden. Wir sagen dann immer: Wir meinen das gar nicht böse, wir wollen nur zum Ausdruck bringen, dass sie sich von der EU abgewendet haben und auf ihrer Insel ihr eigenes Ding machen. Und natürlich nennen wir deren kulinarische Verbrechen dann "Inselaffensoße". Dann würden sich die Engländer darüber übelst aufregen und dafür sorgen, dass wir das wieder lassen. Ähnlich ist es mit den Zigeunern.

Jetzt kommt ja als Nächstes dazu, dass selbst ein "man will nicht wie die Sinti leben" immer noch böse diskriminierend wäre. Weil er sich eben eindeutig abwertend über den historischen Lebenswandel eines Volkes äußert. Wobei es noch schlimmer ist, denn er äußert sich über das Klischee eines Lebenswandels. Je genauer man hinguckt, umso schlimmer wird die Aussage. Vor allem, weil er halt nicht die "Das war doch nur nen Witz" Ausrede bringen kann... 

Und dann kommt noch das "bis zur Vergasung". Wie man als Deutscher in der Öffentlichkeit mit dieser KZ-Referenz leichtfertig umgehen kann. Anscheinend fielen die Trainingseinheiten des SC Freiburg immer genau auf die Geschichtsunterrichtstunden. Da kann man halt nichts machen. Aber hey, immerhin ist die Strafe da schnell festgelegt: ein Besuch in einer KZ-Gedenkstätte. Das Traurige daran: Man findet ganz sicher eine in seiner Nähe... weil es halt überall welche gibt. Da trifft er dann ja vielleicht sogar auf den Keller. Nur um festzuhalten, dass Aogo bei weitem nicht der einzige ist, der sich mal intensiver mit deutscher Geschichte und unangebrachten Vergleichen beschäftigen muss... Warum passiert das eigentlich gerade ausnahmslos ehemaligen Freiburgern? Das waren doch die Guten mit dem Weitblick...

Hier kommt jetzt das wirklich faszinierende: Aogos Zigeuner-Aussagen sind zum einen nicht neu. Und der andere Ausfall ist vom Dienstagabend... übertrieben ausgedrückt: Es war die Aussage, die Jens Lehmann zu seinem Glückwunsch ans Sky Team, dass Aogo ja kompetent ist und tolle Quoten besorgt, inspiriert hat.

Aber nur über einen der beiden Vorfälle wurde auf Kicker.de auf der Startseite berichtet. Zu Aogo's Aussagen gibt es dort kein Satz. Und wo ich schon dabei bin, mitzuzählen: Auch das Friedhelm Funkel sich verbal fast verdribbelt hat, wurde dort nur im Kleingedruckten erwähnt. Frei nach dem Motto: Das geht bestimmt weg, wenn man es ignoriert.

Wobei das ja am Ende nur Teil des Problems ist. Denn der Lehmann Fall ist ja so eskaliert, weil das Opfer sich gemeldet hat. Wenn der Zentralrat der Juden Aogos Aussage am Dienstag gehört und darauf reagiert hätte, wäre die Reaktion ebenfalls heftiger aufgefallen. Selbiges gilt, wenn der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma über das alte Aogo Video gestolpert wäre.

Aber der Aufschrei kommt halt immer erst, wenn sich ein Opfer meldet. Wobei, genau genommen wäre das schon ein Fortschritt, oftmals bekommt das Opfer dann ja nur ein "Jetzt stell dich nicht so an" und "War doch nicht so gemeint" zu hören...

Das kann man ja auch an seinen eigenen Verhaltensweisen fest machen. Aber jetzt wird es halt wirklich unangenehm. Aber wie oft sitzt man in einem homogenen Umfeld und hört Witze über abwesende "skurrile Minderheiten"... Und man sitzt entweder schweigend daneben oder lächelt verkniffen. 

Zeit für 2 im Bus von Dota.

Damit ist dann auch die Frage beantwortet, die ich mir vorgestern gestellt habe: Wenn Lehmann seinen rassistischen Witz an den Programmchef geschickt hätte, hätte es kein Opfer und damit auch keinen Aufschrei gegeben, obwohl der Spruch immer noch genau so Scheiße ist.

Aber genau genommen hat Lehmann auch nur das per WhatsApp geschrieben, was 1000-fach in Deutschen Wohnzimmern gesagt worden wäre, wenn man sich gerade für gemeinsame Fußballabende treffen dürfte.

Um dann an der Stelle mal ganz offen zu reden: Ich schreibe das auch nicht mit erhobenen Zeigefinger. Nach dem Lehmann Vorfall habe ich schon zum 2. Mal in diesem Jahr im Familienkreis darüber diskutiert, welche Witze man eigentlich im engsten Kreis bringen darf und was man doch eher lassen sollte. Wenn wir wirkliche Fortschritte erreichen wollen, dürfen wir halt nicht immer nur darauf warten, dass die Opfer sich beschweren, sondern früher eingreifen, damit es gar nicht erst dazu kommt, dass es diese Opfer gibt.

So, jetzt aber wieder Fußball... es sei denn, der DFB baut nochmal Scheiße... also wohl eher kein Fußball...

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