Mittwoch, 23. Oktober 2019

Positionsbeschreibung: Marius Ebbers Angreifer.

Da wird einem plötzlich bewusst, dass man diesen Begriff viel zu oft verwendet. Und dass die eigentlich geplante Serie bis jetzt bei einem Beitrag seit 2017 ist. Und dass damals schon dieser Beitrag angekündigt worden ist. Macht doch Hoffnung für die "Passives Abseits vs Tradition" Serie.

Um euch kurz daran zu erinnern, worum es hier gehen soll: Die klassischen Positionsbeschreibungen sind im Modernen Fußball ja völlig überholt. Viel zu statisch in einem immer komplexer werdenden System. Das Problem an den "neuen" Begriffen wie "abkippender 6er" oder "falsche 9" ist aber, dass sie lediglich die Rolle eines Spielers in einem System beschreibt. Viel spannender und lehrreicher ist es doch, sich die Rollen eines Spielers in verschiedenen Systemen anzugucken und dadurch dann Muster zu erkennen, die einem bei der Einordnung von Spielern weiter hilft.

Und damit machen wir jetzt weiter:

Der Marius Ebbers Angreifer

Marius Ebbers ist jetzt ja doch schon eine Weile im Ruhestand. Aber er hatte zu seiner aktiven Zeit eine gewisse Sonderrolle: Er war als Stürmer gut genug um praktisch jeden Verein in die Bundesliga zu schießen. Dort dann aber zu schlecht, um sich wirklich durchzusetzen und den Klassenerhalt zu sichern. Deswegen stehen bei seinem Erfolgen 3 Aufstiege... und sonst nichts.
Marius Ebbers war aber als Zweitligastürmer so absurd gut, dass er selbst den FC St.Pauli und Alemannia Aachen in die Bundesliga schoss, also 2 Vereine die in dieser Liga praktisch gar nichts verloren haben. Das Problem war aber halt, dass er stets postwendend wieder abstieg.

Und so einen Spieler zu haben, ist einerseits schön, weil man ja aufsteigt, andererseits ein riesiges Problem, weil man diesen Spieler dann irgendwie absägen muss, wenn man auch die Klasse halten will. Das ist für alle Beteiligten eine eher unangenehme Situation. Denn der Spieler ist ja auf Grund seiner Leistungen auf dem Weg zur Legender bei den Fans. Er wird auch innerhalb der Mannschaft eine gewisse Führungsrolle einnehmen. Die Vereinsführung ist ihm auch irgendwie zu Dank verpflichtet. Und der Spieler selber geht natürlich davon aus, dass ihm dieses Mal endlich der Durchbruch gelingt und wird deswegen seinen Platz nicht freiwillig räumen. Solche Spieler auf die Bank zu setzen ist immer ein schwieriges Unterfangen.

Wenn man es allerdings nicht macht, schafft man sich am anderen Ende Probleme. Also man sieht ja gerade an Paderborn, was einem passiert, wenn man darauf hofft, dass die Aufstiegshelden den nächsten Schritt machen... und der dann kollektiv nicht kommt. Nebenbei passiert es Uwe Hünemeier ja bereits zum 2. Mal, dass er überraschend aufsteigt und dann in der Bundesliga überfordert ist. Dies passiert also nicht nur bei Angreifern, sondern technisch gesehen auf allen Positionen.

Bei Angreifern ist es halt nur am auffälligsten, weil die die eindeutigste Statistik haben: Tore. Also ein Marius Ebbers Angreifer erzielt in seiner Karriere mehr Zweitligatore, als er Bundesligaspiele absolviert. Das kann man schön einfach festhalten. Bei Ebbers sind es 102 Zweitligatore und 77 Bundesligaspiele. Anhand dieser Fixpunkte kann man dann schön die aktuellen Stürmer durchgehen:

Simon Terodde ist bei 118 Zweitligatoren und 43 Bundesligaspielen. Mit seinen 31 Jahren wird er diese Kategorie selbst dann nicht mehr verlassen, wenn er jetzt 2 Jahre am Stück unumstrittener Stammspieler ist. Faszinierender Weise wurde bei Terodde, als er im Winter zum hoffnungslos abgeschlagenen 1.FC Köln ging, offiziell davon geredet, dass das ja kein Vorgriff auf die nächste Saison und das Projekt Wiederaufstieg sein soll. Praktisch gesehen war es genau das.

Köln hat zusätzlich noch Dominick Drexler im Kader, der jetzt ja leider verletzt ist, der aber auch mit 29 Jahren nachweisen muss, dass er wirklich noch den Sprung in die Bundesliga schaffen kann. 

Rouwen Hennings ist bei 62 Zweitligatoren und 53 Bundesligaspielen. Der müsste bald mal wieder absteigen, sonst wird das eng und er ein ganz normaler Bundesligastürmer. Wer will denn das bitte schön sein?

Union Berlin hat Sebastian Polter, der die Voraussetzungen stand jetzt gerade nicht erfüllt, aber bei Union nur noch Ergänzungsspieler ist und damit wohl bald wieder in die 2. Liga abgegeben wird. Der kann sich das quasi als Karriereziel setzen...

Als weiteres historisches Beispiel fällt mir Michael Turk mit 81 Bundesligaspielen und 96 Zweitligatoren ein.

Nur um mal zu erwähnen, dass die Liste derartiger Angreifer gar nicht mal so kurz ist. Was mich aber an diesen Spielern am meisten fasziniert: Warum tun sie sich das immer wieder an? Also sind die Aufstiegsjahre so geil, dass sie die Frustration des folgenden Abstieges als Bankdrücker aufwiegen? Warum wechselt man danach dann wieder in die 2. Liga, wenn es doch sinnvolle andere Alternativen gäbe, in denen man diesen Kreislauf durchbrechen kann.

Anders ausgedrückt: Warum wechselt keiner dieser Spieler zu Stade Renne nach Frankreich? Oder zu Heracles Almelo in Holland? Oder nach Österreich oder in die Türkei? Also in einer Liga, deren durchschnittliches Niveau so weit unter der Bundesliga liegen dürfte, dass man dort dann eben bei einem Mittelklasse Team mit gelegentlichen Ambitionen nach Oben mitspielen kann.

Solche Wechsel würden für alle Beteiligten extrem viel Sinn ergeben. Da würden alle von profitieren. Und wenn man nicht unbedingt will, muss man ja nicht mal ins Ausland ziehen. Also als Hennings wäre es kein Problem in Düsseldorf zu wohnen und in Holland zu spielen. Bei Twente Enschede. Ein Emil Bergreen hat genau das gemacht, als seine Karriere in der Bundesliga, auch Verletzungsbedingt, ins Stocken geriet. Dass Deutsche Profis gehen diesen Schritt zum Nachbarn nur sehr selten. Also nicht als Talent und Zwischenschritt in der persönlichen Entwicklung, sondern als Erkenntnis, dass es halt nur für diese Liga reicht. Beim Transfermarkt.de durchklicken fällt mir nur Steffen Schäfer auf, der vom 1.FC Magdeburg zu VVV Venlo gewechselt ist.

Ich frage mich halt auch, ob das an der mangelnden Bereitschaft der Spieler liegt, oder ob die Vereine der Nachbarländer diesen potenziellen Markt für Verstärkungen einfach nicht wahr nehmen... oder ob das Preisgefälle zwischen 2. Liga und Holländischer Liga einfach so gewaltig ist, dass es finanziell nicht machbar ist. Ein cleverer Manager würde den Karriereverlauf der Aufstiegshelden zumindest mal im Blick behalten und versuchen an diese Spieler zu kommen.

Jedenfalls ist es bei den Marius Ebbers Angreifern genau so wie bei den Martin Harnik Angreifern: Man kann dieses Konzept auf jedes Niveau anpassen. Egal in welche Liga man aufsteigt, man muss hinterher kritisch hinterfragen, ob die Spieler, die den Aufstieg gefeiert haben, wirklich auch in der Lage sind auf dem nächsthöheren Niveau mitzuhalten. Und wenn man dann zu dem Schluss kommt, dass es auf dem nächsten Level nicht mehr reicht, muss man seine Herangehensweise anpassen. Oder sich um neue, bessere Besetzungen kümmern.

Und auch als Fan ist es halt wichtig nach einem Aufstieg vernünftige Erwartungen an seine Spieler und den Verein zu stellen. Und gegebenfalls nachzuvollziehen, warum eure Lieblingsikone nur noch Ergänzungsspieler ist und durch diesen komische Lukebakio ersetzt worden ist...

1 Kommentar:

  1. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einen gewissen Mark Uth erwähnen.

    Der passt zwar laut Definition nicht in die Kategorie des "Marius Ebbers Angreifers" aber er ist der einer der seltenen Fälle eines Spielers der bei seinem Ausbildungsverein (FC Köln) keine Chance mehr sah und in die Niederlande (Heerenveen, Heracles Almelo) gewechselt ist und sich dort Spielpraxis geholt hat.

    Und wenn man ganz ehrlich ist, sah er auch nur unter Nagelsmann in Hoffenheim wie ein brauchbarer Bundesligastürmer aus, die Statistiken bei Schalke sehen auch eher wie die eines Marius Ebbers-Angreifers...

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