Montag, 18. Juli 2016

Was macht eigentlich Matthias Sammer?

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr diesen einen etwas komplexeren Gedankengang habt? Ihr euch den dann für die Sommerpause aufheben wollt... und dann von der Realität überholt werdet?

So ungefähr geht es mir, seit dem ich das Erste Mal den "Was macht eigentlich Matthias Sammer?" Gedanken in meinem Kopf hatte... Das war vor seinem leichten Schlaganfall...

Das lustige daran ist ja: Das werden einem selbst die Bayern-Spitzen nicht genau beantworten können...
Sammer ist genau genommen kein guter Manager. Die Bilanz "seiner" Transfers ist eher dürftig. Erst seit dem Michael Reschke die Scoutingabteilung übernommen hat, finden die Bayern die Kingsley Comans und nicht mehr die Sinan Kurts... Und aus dem Kurt kann noch ein richtig guter Spieler werden. Trotzdem wird er nicht als guter Transfer für die Bayern in die Geschichtsbücher eingehen...

Aber... die Bayern hatten unter seiner Führung trotzdem die erfolgreichste Phase seit den 70ern. Das mag auch an der guten Vorarbeit gelegen haben (schließlich war man schon vor Sammer nur eine verteidigte Ecke vom Champions League Titel entfernt. Mit ihm und Pep Guardiola war man nur gegen spanische Mannschaften schlagbar. Der Rest der Welt war keine Konkurrenz.

Und das wirklich faszinierende an dieser Bayern Mannschaft ist ja, dass sie nicht nachgelassen haben. 4 Jahre am Stück. Bis zu dem EM Sommer 2016 wurden sie anscheinend von dieser einen Niederlage angetrieben... oder halt... von Matthias Sammer...

Denn wenn es eines gibt, worüber kein Zweifel besteht, dann das Sammer gut im Antreiben ist. Zu gut.

Gucken wir mal auf Sammers "anderen" Karrieren.
Als Spieler war er der erste abkippende Sechser des deutschen Fußballs... lange bevor es solche Begriffe überhaupt gab. Damals nannte man das noch "Libero vor der Abwehr"... und ja, der Einfluss von Sammer lässt sich erst Jahre später wirklich erkennen... der war ein echter Visionär auf dem Rasen.
Und schon als Spieler prägte Sammer die erfolgreichste Phase in der Geschichte seines Vereins. Man muss sich überhaupt mal die Erfolge von Sammer angucken... Europameister 1996 (trotz Berti Vogts), 3 Facher Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund... oh und 2facher DDR Meister... wir wollen ja nichts unterschlagen... Und ganz im Wesentlichen: Champions League und Weltpokalsieger 1997.
Und jetzt kommt der Kicker: All das, ohne jemals für die Bayern gespielt zu haben. Sucht mal einen weiteren Spieler raus, der ohne das Bayerntrikot auf 3 Deutsche Meisterschaften und den Landesmeisterpokal kommt. Lasst uns just for fun den Uefa Cup noch dazu nehmen. Da wird es vielleicht ein paar Borussen um Jupp Heynckes und Berti Vogts geben. Aber selbst der überragende Günter Netzer fällt nicht in diese Kategorie.
Viel wichtiger: seit den 70ern und der Ausnahmegeneration der Gladbacher... gibt es keinen deutschen Profi, der eine vergleichbare Bundesligakarriere hingelegt hat. Und das muss man nicht mal googlen, das kann man einfach so behaupten. Man beweise mir das Gegenteil...

Und jetzt kommt der nächste Kicker: Matthias Sammer war gar nicht so überragend. Also das war schon ein guter Fußballer, aber kein Lionel Messi... trotzdem gewann er als letzter Deutscher den Ballon d'Or. Als einer von 2 Defensivspielern in den letzten 25 Jahren.
Sammer war halt schon als Spieler ein Besessener. Ein krampfhaft vom Erfolg Besessener. Man muss sich einfach nur noch mal vor Augen führen, wie Sammer die Mannschaft 96 zum Europameistertitel getrieben hat. Eine Mannschaft, die am Ende (Zufall?) mehr verletzte als fitte Spieler hatte...
Er war die Art Spieler, die für das erreichen der Sportlichen Ziele auf nichts Rücksicht nahm. Das bekamen teilweise Mit- und Gegenspieler oder die Schiedsrichter zu spüren (Motzki Sammer wäre zu einem epischen Meme geworden, wenn es damals schon Social Media gegeben hätte...). Vor allem aber bekam es der eigene Körper zu spüren.
Der 4.10.1997 sollte eigentlich ein ganz normaler Bundesligaspieltag gewesen sein... zumindest war nicht davon auszugehen, dass an diesem Tag etwas besonderes passieren würde... Weil halt noch keiner wusste, dass Sammer ausgerechnet in Bielefeld das letzte Bundesligaspiel seiner Karriere absolvierte. Einen Monat nach seinem 30. Geburtstag.
Danach hat er sich zwar noch 2 Jahre lang durch die Reha geschunden (weil der Profi Sammer halt auch nicht anders konnte...), aber am Ende hat sein Kapital also der Körper nach gefühlt unzähligen Knieoperationen aufgegeben.
Und ja, am Ende waren es die Keime, die Sammer sich bei einer Operation eingefangen hat. Aber nur um mal zu verdeutlichen, dass Verletzungen und Operationen keine Ausnahme in seiner Karriere waren: Seit seiner Debüt-Rückrunde bei Borussia Dortmund absolvierte Sammer nicht ein Mal 30 Bundesliga Spiele ein einer Saison. Weil er seinen Körper immer so weit ans Limit trieb, dass dieser sich Verletzungspausen gönnen musste.

Das wirklich faszinierende war allerdings... dass das mit den Verletzungen als Trainer nicht besser wurde. Weil er halt die Spieler so geschunden hat, wie er es von sich selbst gewohnt war. Ging ja auch sehr erfolgreich los. Nachdem er 2000 über Nacht zum Co-Trainer aufstieg, sicherte er sich erst die Klasse und wurde danach 2002 zum jüngsten Meistertrainer aller Zeiten. Und Julian Nagelsmann muss sich echt ran halten, wenn er den Rekord knacken will... wahrscheinlicher ist, dass das einer für die Ewigkeit ist... Es übernehmen halt nur ganz selten Mannschaften mit 34 eine Mannschaft mit diesem Potenzial. Oh und "nebenbei" führte er Dortmund ins Uefa Cup Finale... Ein aufsteigender Stern am Trainerhimmel...

Aber es zeigte sich auch die hässliche Seite von Sammers Intensität. Die letzten Jahre als Borussen Trainer sind bei mir als die Jahre der Kreuzbandrisse. Am Besten dargestellt durch dieses Tor von Otto Addo, dass er direkt nach dem sich sein Kreuzband verabschiedet hat, erzielte...
Natürlich findet man dazu keine ordentlichen Statistiken. Man findet nur ein Artikel, in dem nebenbei erwähnt wird, dass sich Thorsten Frings UND Evanilson in einem belanglosen Spiel der Vorbereitung 2003 jeweils das Kreuzband gerissen haben... Und gefühlt ging bei Addos Kreuzbandriss ein "Nicht schon wieder" und "nicht noch einer" durch die Deutschen Wohnzimmer...
Dazu kommen die 13 Monate Pause vom Kapitän Christoph Metzelder in genau dieser Saison. Eine derartige Häufung von schweren Verletzungen kann auch einfach kein Zufall sein...
Ich muss zugeben, dass ich irgendwie dachte, dass Sammer mehr als eine richtig Böse Knieoperation in seiner aktiven Karriere hatte, weil er als Trainer ständig mit diesem Problem konfrontiert worden ist...
Sammer forderte halt als Trainer eine Intensität, die er als Spieler vor gelebt hat... Die aber auch einen extremen Verschleiß mit sich bringt. Und er scheiterte als Dortmundtrainer an genau den selben Problemen wie als Dortmund-Spieler: Operationen am Knie.

Und Sammer hat das ja anscheinend nach seiner 2. Station in Stuttgart (wo er nach einer Saison entlassen worden ist) selber gemerkt. Anders ist es eigentlich nicht zu erklären, dass er als eigentlich aufstrebender Meistertrainer mit 38 Jahren effektiv seine Trainerkarriere beendete...

Und sich für einen entspannten Schreibtischjob entschied... was nebenbei schon sein Mentor Ottmar Hitzfeld zwischenzeitlich so gemacht hat.
Natürlich war der erste Schreibtischjob auch zu entspannt. Und ein Sammer hatte dort zu wenig Einfluss, weil er halt ständig gegen die Clique um den unantastbaren Jogi Löw ankämpfen musste...
Also wechselte er auf den perfekten Posten für ihn: Er sollte beim FC Bayern eigentlich einfach nur seine Intensität vorleben... ohne dabei die Spieler kaputt zu machen.
Und ja, Sammer ist einer der wenigen Menschen, denen ich glaube, dass sie ihren Job buchstäblich 24 Stunden 7 Tage die Woche machen. Denn am Ende füllte Sammer diesen Job so lange aus, bis mal wieder der eigene Körper aufgab... dieses Mal mit leichten Hirnblutungen...

Es entsteht da ein gewisses Muster. Was wirklich tragisch ist. Denn ich hätte den Spieler Sammer gerne noch 4 Jahre lang gesehen. Und der Junge Trainer hatte auch vielversprechendes Potenzial.
Die Arbeit als Manager im gemachten Nest ist natürlich schwer zu bewerten. Aber es kann durchaus sein, dass Sammers Einfluss auf die Mannschaft erst deutlich wird, wenn er auf ein Mal nicht mehr da ist...
Alles in allem ist Sammer eine der faszinierendsten Persönlichkeiten im Deutschen Fußball... aber leider muss man an der Stelle wahrscheinlich sagen: gewesen. Denn Sammer ist halt auch zu intelligent um den Zusammenhang zwischen seiner Einstellung und den Reaktionen der Körper zu ignorieren. Deswegen würde mich ein Comeback bei einem anderen Verein echt überraschen.

1 Kommentar:

  1. Dein bisher wahrscheinlich bester Post ...und das sage ich ganz ohne Ironie!

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