Montag, 24. Oktober 2022

Haben die Bayern sich ihre Probleme selber erschaffen?

 Also ja, haben sie. Offensichtlich. Ich finde es aber immer noch faszinierend, wie Vereine freiwillig ihre Saison und die Chance auf einen Champions League Titel sabotieren, weil sie im Sommer irgendwo auf der Welt Märkte erschließen wollen. Weil sie unbedingt Freundschaftsspiele in Washington D.C. austragen müssen.

Nebenbei frage ich mich, ab wann Trainer und Spieler, die ja ständig über eine zu hohe Belastung jammern, solche Trips boykottieren. Und ob sie dann auch gewillt sind, dafür auf Gehälter zu verzichten. Aber das formuliere ich irgendwann mal aus.

Jetzt mal zunächst die Bayern: Die hatten im Sommer ein richtig großes Problem: Ihr offensiver Fixpunkt wollte weg. Robert Lewandowski wollte sich halt unbedingt den Lebenstraum Spanien erfüllen, da war es ihm am Ende sogar egal, dass es gar nicht Real wurde. 

Das ganze Spiel war aber jahrelang auf Lewandowski ausgerichtet. Der Mann sorgt ganz alleine dafür, dass Thomas Müller wie ein richtig guter Offensivspieler aussah. Seitdem Lewy aber keinen Bock mehr hat, geht auch bei Müller weniger. Also klar, auf den ersten Blick sieht das alles noch grandios aus. Die meisten Spieler würden für 7 Scorerpunkte in 8 Spielen ihre Seeler verkaufen. Aber diese Punkte wurden halt explizit gegen Gegner gesammelt, die sich explizit nicht gewehrt haben: Frankfurt, Wolfsburg, Bochum und Leverkusen. In den engen Spielen war Müller weitestgehend unsichtbar. In der Champions League hat er auch nur gegen Pilsen und nicht gegen Barca oder Inter ein Tor erzielt.

Dass es gerade für ihn schwieriger werden würde, war ja abzusehen, schließlich kann man an seiner Länderspielkarriere sehr gut abschätzen, wie seine Leistungskurve abfällt, wenn er keinen klassischen Mittelstürmer mehr um sich herum hat.

Das ist auch dieses Mal kein Vorwurf an Müller. Aber es wurde mittlerweile im Rahmen der Länderspiele offen darüber geredet, ob der eigentlich noch gesetzt sein muss. Das wollte ich doch gar nicht, der muss bei der WM auf jeden Fall spielen. Also für mein Tippspiel, in dem Deutschland nicht Weltmeister wird.

Aber Müller ist halt definitiv derjenige, dessen Arbeitsplatz sich durch den Abgang des Weltklasse-Stürmers am deutlichsten verändert hat. Und er hatte halt auch wenig Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen.

Denn an der Stelle muss man festhalten: Hasan Salihamidžić Plan in diesem Sommer war richtig gut. Also er hat den einen Weltklasse-Stürmer durch einen anderen ersetzt. Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass man Lewandowski durch Sadio Mané ersetzt wird, hätte ich den für bekloppt gehalten: Solche Spieler wechseln doch nicht in die Bundesliga!

Aber wenn Erling Haaland und Romelu Lukaku (beide haben formell gesehen diesen Sommer die Trikots gewechselt, deswegen erwähne ich sie und Harry Kane nicht) keine Optionen waren, dann ist Mané der beste Mann, den man verpflichten konnte.

Das Problem ist halt, dass dieser Spieler eine ganz andere Anlage hat, als Lewandowski. Was nichts an sich Schlechtes sein muss. Nur hat man leider darauf verzichtet, diese Spielweise in sein System zu integrieren. Da sind wir wieder bei dem ursprünglichen Problem: Man bevorzugte es im Sommer in der Weltgeschichte herumzureisen.

Was bei Mané nochmal doppelt schlimm war, weil er noch mal fix nach Marokko düsen musste, um eine persönliche Ehrung entgegenzunehmen. So kommt er dann auf 18.000 Kilometer. Jetlag inklusive.

Es ist an sich schon Wahnsinn im dank Coronaverschiebungen und Winter-WM noch enger gestrickten Terminkalender solche Reisen zu planen. Und ja, die 9 Wochen, in denen der Ball komplett ruhen musste, wirken immer noch nach, weil niemand auf Ansetzungen verzichten wollte und der Ball sonst nie 9 Wochen ruht. Aber wenn man dann noch den wichtigsten Spieler, auf dem die ganze Vorbereitung ausgerichtet sein sollte, lieber in ein Flugzeug setzt, als auf den Trainingsplatz zu stellen, ist man irgendwie auch selber Schuld.

Das Hauptproblem ist halt, dass Mané nicht so wirklich in die neue Mannschaft integriert ist, was, wie dargestellt, erwartbar war.Julian Nagelsmann weist jetzt schon darauf hin, dass es nicht wirklich besser werden wird, weil ja praktisch gar nicht trainiert, sondern nur regeneriert, wird.

Man stelle sich ein kurzes Altenativszenario vor, in dem die Bayern in diesem Sommer in der Heimat bleiben. Oder zumindest in derselben Zeitzone. Und in der Mané, selbst wenn er nach Marokko reist, keinen Jetlag bekommt und nur 5.200 km fliegen muss. Man hätte wesentlich mehr trainieren und damit viele Probleme lösen können.

Nebenbei dürften diese Probleme im Winter nur noch schlimmer werden, wenn sie dann den Großteil ihres Kaders nach Katar schicken werden, während Union Berlin nur Genki Haraguchi abstellen muss. Die Unioner dürften also zunächst mal die erste richtige Pause seit Pandemiebeginn genießen und können sich danach dann geschlossen und zielgerichtet auf die Rückrunde vorbereiten. Der SC Freiburg dürfte einen ähnlichen Wettbewerbsvorteil genießen. Die Chancen auf eine Sensationsmeisterschaft stünden noch nie so gut.

Aber hier ist das Problem: Die Bayern haben mit Eric Maxim Coupo-Moting doch eine Problemlösung in ihrem Kader. Und ja, die ersten Komiker fragen schon, ob Lewy den die ganzen Jahre nur aufgehalten. Hat er definitiv. Als der Deutsch-Kameruner hätte mit einem Stammplatz bestimmt 24 Tore pro Jahr erzielt.

Für die Bundesliga reicht dessen Niveau vollkommen aus. Und mit ihm als Mittelstürmer kann man auf die alten, antrainierten Verhaltensmuster zurückgreifen. Das wird reichen, um Meister zu werden. Man muss sich nur damit zufriedengeben, dass dies zu mit einem "frühen Ausscheiden" in der Champions League führen dürfte.

Denn sein wir mal ganz kurz ehrlich: Manchester City, Liverpool, Chelsea, Paris St. Germain und Real Madrid haben keine Angst vor Coupo-Moting. In diese Duelle mit einem 33-Jährigen eh auf diesem Niveau an seine Grenzen stoßenden Müller und einem guten Bundesligaangreifer zu gehen, ist sehr sehr naiv. Aber den Bayern geht es doch darum, sich mit diesen Mannschaften zu messen.

Nun wird dieser Champions League Sommer sowieso der extreme Wahnsinn und wahrscheinlich dadurch entschieden, welche Mannschaft die wenigsten Halbfinalteilnehmer im Dezember stellt. Was dann wieder den Bayern zugutekommen dürfte. Aber wenn es am Ende nicht reicht, weil Mané immer noch nicht richtig integriert ist, werden die Bayern nur auf die WM fluchen. Das ist halt viel einfacher, als die eigene Sommerplanung zu hinterfragen. Aber wenn man die Lage selbstkritisch analysieren würde, könnte man genau da anfangen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen