Mittwoch, 11. März 2020

Hat die Bundesliga ein Torhüter-Problem?

Also kollektiv?
Und ja, ich habe einfach keinen Bock auf Politik und Viren. Und auf Kohfeldt. Also beschäftigen wir uns mal mit etwas harmlosen und neuem: Der ständig nachlassenden Qualität der Bundesliga. Oh, warte, auch das ist hier ständig ein Thema...

Dass ist natürlich wie alles immer ein schleichender Prozess. Also warum zum Beispiel ein Roman Bürki mit all seinen Unsicherheiten als gehobenes Bundesliganiveau gilt. Und natürlich ist Bürki ein gestandener Bundesligatorwart. Also so jemand, der in der Bundesliga gut mitspielen kann. Aber gerade kommt er halt auch auf einen Notenschnitt von 3,16 und einem überragenden Spiel in der Saison. In dem ist er dann auch direkt ausgewechselt worden. Von einem Spitzentorwart kann man mehr erwarten. Und ganz ehrlich: Für Dortmund würde es keinen Unterschied machen, wenn sie den Rest der Saison auf Marvin Hitz setzen müssten. Das kann man jetzt als Lob für die Breite des Kaders betrachten... aber gerade im Tor willst du ja keine Breite, sondern einen überragenden Kandidaten.

Bei RB Leipzig frage ich mich seit Jahren, ob Peter Gulacsi wirklich mit dem Verein mit gewachsen ist, oder ob die Bundesliga einfach nicht mehr gut genug ist um dessen Schwächen zu offenbaren. Aber hier ist halt auch das Problem: Wenn man nur in 2-3 internationalen Partien wirklich gefordert wird, wird man dazwischen auch nie in Frage gestellt.
Nun muss ich natürlich zugeben, dass das eine reine Gefühlssache bei mir ist. Also ich glaube halt einfach, dass RB nochmal den Stammtorwart tauschen wird, bevor sie zu wirklichen internationalen Erfolgen durchstarten. Andererseits würde ich darauf kein Geld wechseln und es Gulacsi sogar gönnen.
Und er ist einer von den 4 oder 5 Torhütern, bei denen ich mir aktuell die wenigsten Sorgen mache. Also Manuel Neuer steht halt gerade mal wieder über allem. Yann Sommer ist aus irgendwelchen Gründen immer noch in Gladbach. Das wäre einer der ersten Kandidaten, den ich mir als Champions League Titelaspirant angucken würde. Lukas Hradecky hat den Sprung von "Kann in der Bundesliga mitspielen" zu "kann oben mitspielen" geschafft. Aber dahinter wird es halt ganz schnell überraschend finster.

Wenn man dann noch bedenkt, dass nur 2 Torhüter in der Spitzengruppe überhaupt durch deutsche Spieler besetzt werden. Und einer davon war Alexander Nübel. Dessen Kontrahent zunächst in einer 3 Spiele Sperre nicht so überzeugen konnte, dass Schalke in der Rückrunde und trotz des feststehenden Wechsels zunächst wieder auf Nübel setzte... Und dann spielte der so schlecht, dass jetzt doch wieder Markus Schubert im Kasten steht.
Wie oft erlebt man es, dass eine Mannschaft, die mindestens in die Europa League will, so oft den Torwart wechselt. Nebenbei frage ich mich ja, ob Schalke darüber nachgedacht hat, im Winter Ralf Fährmann zurückzuholen... weiter verliehen haben sie ihn jedenfalls. Da fragt man sich schon, wie der das Problem ab Sommer lösen soll...

Dahinter kommen direkt 3 Kandidaten, die wenig dafür können, dass sie dieses Jahr zum nachlassenden Niveau beitragen. Denn Wolfsburg, Hoffenheim und Freiburg mussten verletzungsbedingt auf ihre Nummer 1 verzichten. Was dazu führte, dass ein 34 jähriger Philipp Pentke zu seinem Bundesligadebüt kam... Und besser kann man das nachlassende Niveau nicht beschreiben: Vor 2 Jahren saß der noch in der 2. Liga auf der Bank, jetzt steht er in der ersten im Tor. So was wird dann ja immer als wunderbare Erfolgsgeschichte beschrieben... Weil halt keiner darüber reden will, dass es auch daran liegt, dass das allgemeine Niveau nachlässt.
Aber hier ist das eigentlich faszinierende: Auf dem ersten Blick hat sich keiner der 3 Vereine verschlechtert, weil man auf die Nummer 2 setzen musste. In Wolfsburg kommen beide auf einen Notenschnitt von 3,00, bei den andern beiden Vereinen ist die Nummer 2 laut Kickernotenschnitt jeweils besser.
Was mich ja zu der nächsten Frage bringt: Wie kommt man als Torwart eigentlich auf seine Noten? Also kann es sein, dass einem neuen oder jungen Torhüter einfach mehr verziehen wird und man ihn trotzdem die besseren Noten gibt?

Timo Horn steht vor einem entscheidenden Schritt in seiner Karriere: Wir aus dem wirklich nochmal zumindest eine Nummer 2 im Land? Oder wird er doch nur eine Kölner Legende, steht da 15 Jahre im Tor und wechselt nach dem 3. Abstieg irgendwo anders auf die Bank... also wird er wirklich ein Bundesligatorwart, oder nur der nächste Sven Ulreich?

Union hat den "Vorteil" des Aufsteigers. Anscheinend ist Rafal Gikiewicz nicht die Torwart Version des Marius Ebbers Angreifers. Das ist der allgemeine Vorteil, den die Berliner gegenüber dem SC Paderborn haben. Mich würde es aber auch nicht überraschen, wenn die spätestens 2021 nach einem Upgrade suchen.

Kevin Trapp ist Deutscher Nationaltorhüter... allerdings wurde er auch von den ganz großen Vereinen gewogen und als zu leicht eingestuft. Und klar, als Identifikationsfigur in Frankfurt funktioniert er wunderbar. Das bringt mich aber auch irgendwie zu der Frage: Kann es wichtiger sein, dass dein Torwart eine Identifikationsfigur und ein relativer Fixpunkt ist? Ist es dann am Ende egal, wie gut er wirklich ist?
Nebenbei bedeutet dies auch: Die Nummer 3 in Deutschland ist nicht mehr gut genug für die Champions League. Dazu kommen wir noch, aber das war mal anders... zumindest gefühlt.

Bei Hertha steht plötzlich nach gefühlt 100 Jahren wieder Thomas Kraft im Tor. Obwohl dort quasi alle zu dem "Ist auf der Bank besser aufgehoben" Schluss gekommen sind. Fun Fact: Rune Jarstein ist mit seinen 3,12 trotzdem der Notenbeste Spieler im Kader... Das hat was vom Berliner Abitur, was die da abliefern. Und Kraft wurde halt auch nur auf Grund des vorherrschenden Chaos in die Truppe gespült, nicht weil er zwingend besser ist als Jarstein.

Beim FC Augsburg fragt man sich irgendwie schon seit Oktober, wie lange man da noch an dem Fehleinkauf zwischen den Pfosten festhalten will. Es war quasi allen bewusst, dass Andre Luthe die bessere Option ist, aber man wollte sich nicht eingestehen, dass man im Sommer daneben gelegen hat. Und Trainer Martin Schmidt wird ausgerechnet nach diesem überfälligen Schritt entlassen... Die Augsburger Torwartsituation ist nebenbei seit dem Wechsel von Marvin Hitz zu Dortmund eher traurig.

In Mainz übernimmt Florian Müller jetzt zum wievielten Mal? Nebenbei hat mich dieses Video zu diesen Beitrag inspiriert. Da heißt es nach der Auswechslung von Robin Zentner mit einem "es scheint, als hat Mainz 2 gleichwertige Torhüter"... nur damit Müller beim 1:1 direkt wieder zumindest unglücklich aussieht.
Und Müller ist halt vor allem der Grundlegende Beweis für das eigentliche Problem: Müller hat als Deutscher U21 Torhüter durch die Verletzung von Rene Adler den Platz zwischen den Pfosten eingenommen. Das war in der Saison 2015/16. Früher war unsere Jugendarbeit im Tor so gut, dass ein U21 Torwart seine Position nie wieder abgeben musste. Ein Rene Adler kannte das ja aus beiden Positionen: Zunächst verdrängt er als aufstrebendes Talent über Nacht Hans Jörg Butt, weil dieser gesperrt fehlte. Butt bekam bei Bayer nie wieder eine Chance. Dann traf es irgendwann Adler selber, der durch einen jüngeren Bernd Leno ersetzt worden ist. Wieder überzeugte das Talent so sehr, dass der verletzte Stammtorhüter nie wieder eine Chance bekam... Und selbst als Nationaltorwart war man vor einer derartigen Degradierung nie sicher.
Müller verliert dagegen seinen Stammplatz nach 3 Spieltagen an Zentner, obwohl Zentner weit weg davon ist, für die Nationalmannschaft berufen zu werden.
Und wie man bei 2 angeblich gleich starken Torhütern auf den Älteren setzen kann, ist ein anderes Rätsel. Oder das Gerede ist halt nicht ernst zu nehmen.

In Düsseldorf startete Zack Steffen stark, ließ aber auch stark nach. Und ist jetzt auch schon eine Weile verletzt. Ersatztorwart Florian Kastenmeier erzielte direkt bei seinem Debüt auch sein erstes Tor und ist damit immer noch statistisch gesehen mit der gefährlichste Angreifer der Rückrunde von... Werder Bremen.

Und dort hat Jiri Pavlenka halt das Pech, dass er einen Vollidioten als Cheftrainer hat, der es einfach nicht schafft eine gewisse Stabilität in die Verteidigung von Standards zu bekommen. Obwohl das eigentlich die einfachste Arbeit sein sollte, schließlich reden wir von "ruhenden Bällen"... wenn man da als Trainer über Monate keine vernünftigen Lösungsansätze hat... Ist vielleicht auch der Torwart das Problem, dem die nötige Präsenz fehlt.
Lustiger Weise las ich irgendwann im Oktober den ersten "Was könnte Kohfeldt jetzt tun" Artikel... und da wurde über einen Torwartwechsel spekuliert, damit er wenigstens ein Zeichen setzen kann. Denn da hatte er immerhin, im Gegensatz zu all den anderen Positionen, eine Alternative. Jetzt muss er auf diese zurück greifen, weil seine Nummer 1 verletzt ist.

Die Personalie Pavlenka zeigt halt auch ein eigentliches Problem: Torhüter sind in den meisten Fällen einfach nur Mitläufer. Wenn es gut läuft, halten die auch mal einen Ball fest. Und wirken überraschend souverän. Wenn der eine wirklich gute Spieler dann in der nächsten Saison weg ist, sieht derselbe Torhüter, der vorher angeblich internationale Klasse hatte, wie ein Depp aus. Genau genommen lassen sich 80% der Bundesligatorhüter auf genau diese Rolle beschränken. Und dann wird dir auf ein Mal bewusst, dass es, bis auf wenige Ausnahmen, komplett egal ist, wer bei dir im Tor steht.

Die spannende Frage ist halt, ob das nicht eigentlich schon immer so war. Also genau genommen ist der Torwart ja die Position, bei der Konstanz am wichtigsten ist. Es bringt dir genau genommen wenig Millionen in einen Torwart zu stecken, der dann ein wenig besser ist als der Vorgänger... dafür dann aber einen Fixpunkt im Team, gerade was Kommunikation betrifft, zu verlieren. Dann ist Vertrautheit auf ein Mal wichtiger als Qualität. Und dann lässt das Niveau vielleicht gar nicht mehr nach, sondern war halt schon immer bescheiden. Ich meine, Oliver "Pannen-Oli" Reck und Tomislav "Wtf was für ein Eigentor" Piplica waren ja auch Jahrelang Stammtorhüter.

Die Fälle Nübel, Schubert und Müller zeigen allerdings: Die Qualität der Ausbildung lässt anscheinend nach. Dass man lieber auf 34 jährige Zweitligatorhüter setzt, statt auf die eigene Jugend, ist ebenfalls kein gutes Zeichen.
Dabei bin ich ja echt nicht der Typ, der die "Wir sind keine Torhüternation mehr, wie konnte das passieren" Panikwelle mit reitet. Eher im Gegenteil: 2 der 3 weltbesten Torhüter sind immer noch Deutsche. (Marc-Andre ter Stegen und Neuer halt). Und als Nummer 3 hatte man früher auch einen Oliver Reck, der weit weg von Weltklasse war. Da ist man mit Bern Leno noch besser aufgestellt.
Aber man muss halt jetzt anhand der doch eher bescheidenen  Leistungsnachweise der nächsten Generation schon fragen, ob die Ausbildung und Förderung der Talent noch up to date ist. Denn wenn man das Ausnahmetalent Neuer und den einen oder anderen passenden Import rausrechnet, ist die Position Torwart in der Bundesliga gerade richtig bescheiden besetzt.

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