Donnerstag, 2. Januar 2020

Machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben:

Beim lustigen Floran Kohfeldt Bashing. Nicht unbedingt, weil es lustig ist, aber weil mir seit dem letzten Mal einige Dinge aufgefallen sind, die ihn auch nicht unbedingt besser aussehen lassen... die man aber mal durchdenken könnte.

Dabei ist eines ganz wichtig: Ich empfinde es als albern, die Leistungen eines Trainers ausschließlich von den Ergebnissen abhängig zu machen. Also nur, weil der Ball von der Latte ins Tor sprang und nicht zurück ins Feld, wird der Trainer nicht besser oder schlechter. Und natürlich sollte man als Trainer dafür sorgen, dass seine Spieler möglichst häufig in die Position kommt um Tore zu erzielen, aber Spiele werden oft durch sehr wenige, auch auf Zufall basierenden Ereignissen entschieden. Gerade wenn man nicht bei einem der großen, ständig dominant auftretenden Mannschaften ist.

Im Wesentlichen hat ein Trainer, nachdem er eine Spielphilosophie etabliert hat, was bei Kohfeldt ja der Fall gewesen sein soll, 3 wesentliche Aufgaben, an denen er sich messen lassen muss: 1. Wie hat er Neuzugänge integriert? 2. Hat er bereits bekannten Spieler weiter gebracht? Und 3. hat er die Spielphilosophie seiner Mannschaft weiter entwickelt.

Lasst uns mal erstens und zweitens ansehen und Kohfeldt mit einigen anscheinend guten Trainern vergleichen. Fangen wir bei erstens mit Julian Nagelsmann an. Klar, Leute mit Nagelsmann zu vergleichen, wirkt immer erst Mal unfair, aber andererseits... wer, wenn nicht einen Trainer des Jahres, soll diesem Vergleicht standhalten?

Vor allem geht es gar nicht um das Gesamtkonstrukt bei RB gehen, sondern um einen einzelnen Spieler, an dem man die Arbeit von Nagelsmann schön nachvollziehen kann: Patrik Schick. Der könnte einer dieser Standard-RB-Transfers sein, bei denen sich die Konkurrenz schon irgendwie fragen muss, warum sie nicht auf den Aufmerksam geworden sind. 18 Millionen haben die ja mittlerweile auch. Und man hätte ihn sich ja sogar erst mal leihen können. Aber man muss halt auf die Idee kommen, einen Stürmer zu holen, der in der Vorsaison in der Serie A nur 3 Tore erzielt hat... und das Potenzial aus diesem Spieler herausholen. Für das eine ist die Scoutingabteilung und das Management zuständig, das andere macht ein guter Trainer.
Vor allem war eigentlich nicht abzusehen, dass Schick schon in seiner ersten Halbserie eine relevante Rolle spielen sollte.  Eher im Gegenteil: Nach 12 Spieltagen stand er nur 3 Mal überhaupt im Kader und kam auf 42 Minuten Einsatzeit. Aber seit dem kommt er auf 5 Scorerpunkte in 5 Spielen... und könnte der Spieler sein, der Yussuf Poulsen nach all den Jahren verdrängt.

Offensichtlich haben Nagelsmann und sein Team es geschafft Schick zwischen den Spielen an das anspruchsvolle System und die Bundesliga heranzuführen. Und als er ihn endlich loslassen konnte, war Schick auch in der Position voll einzuschlagen.
Natürlich ist so was in einem Team, welches auf einer Erfolgswelle schwimmt und faszinierend funktioniert, einfacher. Aber dennoch ist es keine Selbstverständlichkeit.

Und derartige Geschichten hört man ja bei guten Trainern in schöner Regelmäßigkeit. In Freiburg brauchen Neuzugänge praktisch traditionell ein halbes Jahr als Anlaufzeit, aber dann fängt die Arbeit an Früchte zu tragen. Natürlich nicht immer, aber immer wieder.
Benito Raman ist gerade auf Schalke so ein weiteres schönes Beispiel, welches mir spontan einfällt: Nach 10 Spieltagen sah das nach einem Missverständnis für alle Beteiligten aus. Wie der Verpflichtung des nächsten "Schalke Angreifers". Seit dem hat es aber Klick gemacht und Raman lieferte eine überragende 2 Hälfte der Hinrunde ab. Das wird auch mit der Arbeit David Wagner zu tun haben.

Jetzt fragt euch mal, welcher Werder Neuzugang nach anfänglichen Problemen am durchstarten ist. Leonardo Bittencourt hat immerhin 2 Tore erzielt, aber wirklich viel ist das auch nicht. Michael Lang pendelt zwischen Startelf und Tribüne. Bei Ömer Toprak kann man immerhin auf Verletzungen verweisen... aber hier ist ja das ganz große Problem: Das ist keine zwingend neue Erkenntnis. Also auch bei den Transfers aus der Vorsaison Davy Klaassen (den man als überragenden Transfer von Frank Baumann einstufen muss, also als Sicheres Ding, aber wirklich entwickelt hat der sich auch nicht), Nuri Sahin und Yuyo Osako wartet man irgendwie auf den entscheidenden Schritt. Und Martin Harnik ist schon wieder weg.

Die letzten beiden bringen einen wunderbaren Übergang zu 2.: Die Weiterentwicklung vorhandener Profis. Yuyo Osako hat ja letzte Saison einen sehr ordentlichen Job als "Martin Harnik Angreifer" abgeliefert: Als Nebenmann von Max Kruse hat er wunderbar funktioniert. Nur hätte er dieses Jahr den Schritt zum Alphatier um Angriff nehmen müssen, damit Werder Bremen keine Probleme bekommt. Damit ist er anscheinend immer noch überfordert. Auch diesen Spieler hat Kohfeldt nicht entscheidend nach vorne gebracht.

Schon das letzte Mal habe ich ja, damals noch hauptsächlich auf Talente bezogen, dargelegt, dass die mangelnde Entwicklung das eigentliche Problem an der Misere ist. Und dafür ist halt auch irgendwie der Trainer verantwortlich.
Wenn man sich dann noch den spätestens gegen Köln offensichtlichen Verfall der Spielkultur anguckt... und sich anschaut, wie oft die Mannschaft komplett auseinander fällt...

Lasst uns das mal mit jemanden vergleichen, der genau so beschissen dasteht, dem die Entwicklung aber gelungen ist: Steffen Baumgart. Zu Saisonbeginn war diese Mannschaft hoffnungslos überfordert. Nach 8 Spieltagen war man ganz souverän auf Tasmania Berlin Kurs. Aber Baumgart hat einerseits die Spielphilosophie weiterentwickelt, so dass man nicht mehr so naiv spielt wie vorher. Und er hat einzelne Spieler wie Streli Memba deutlich weiterentwickelt. Bei dem denkt man sich mittlerweile: Er wird auch nächste Saison Bundesliga spielen können. Christopher Antwi-Adjei ist ein weiterer Name, dessen Leistungskurve (wenn auch auf bescheidenem Niveau) nach oben zeigt und der, wenn es so weiter geht, im Sommer tatsächlich Bundesliganiveau darstellen dürfte...

Und das Spielermaterial, mit dem Baumgart arbeiten muss, ist wesentlich schlechter als das der Bremer. Aber dennoch hat er sie an den Punkt gebracht, dass sie Bremen schlagen.

Lasst uns da mal ein fiktives Beispiel nehmen und uns fragen, ob der SC Paderborn stand jetzt das Team vom Saisonbeginn schlagen würde. Darauf dürfte es ein eindeutiges Ja geben. Bei Werder Bremen sieht dies eindeutig anders aus.

Nebenbei will ich gar nicht behaupten, dass Kohfeldt ein schlechter Trainer ist. Er hat durchaus Talent und ist noch jung genug um sich zu einem richtig guten Trainer zu entwickeln. Aber derzeit ist er einer dieser Durchschnittstrainer der Bundesliga. Etwas wie Bruno Labbadia oder Markus Gisdol: Mit gutem Material machen die brauchbare Dinge, aber selber gutes Material zu entwickeln ist nicht so ihres. Über Kohfeldt wird aber immer noch geredet, als wäre er ein Übertrainer.


Lasst mich, weil es mir gerade aufgefallen ist, mal über ein Beispiel einer überragenden Trainerleistung in einer anderen Sportart sprechen: Brian Flores von den Miami Dolphins in der NFL. Nur kurz zur Erklärung: Die Dolphins haben, weil man in Amerika nicht Absteigen kann (also zumindest nicht im Sport) vor der Saison ihren gesamten Kader auseinandergenommen um absichtlich schlecht zu sein. Und zu Saisonbeginn waren sie auf einem historisch schlechten Kurs. Man verlor unter anderem 0:43 gegen die New England Patriots, was quasi der FC Bayern der NFL ist. Als es für diese Patriots in einem Heimspiel am Ende um alles ging und für die Dolphins um nichts mehr... verloren zur allgemeinen Überraschung die Patriots. Und das Team, welches eigentlich alle 16 Spiele verlieren sollte, stand plötzlich bei 5 Siegen.
So sieht überragende Trainerarbeit aus: Er hat eine absolute Katastrophenmannschaft in 2 Monaten wettbewerbsfähig gemacht. Jetzt wird hinter vorgehaltener Hand darüber geredet, ober nicht Trainer des Jahres werden sollte.

Natürlich ist so was in der Bundesliga schlecht möglich, weil Mannschaften (abgesehen vielleicht vom Hamburger SV oh und Hannover 96... das muss an den HSV Initialen liegen) nicht den Plan haben schlecht zu sein, weil man dann ja absteigen könnte. Und vor allem werden Trainer, wenn es schlecht läuft, häufig schnell entlassen. Am ehesten würden mir das Friedhelm Funkel aus Fortunas Vorsaison und Markus Weinzierl in seiner ersten Augsburger Saison einfallen: Beide sahen in der Hinrunde wie sichere Absteiger aus und entwickelten aber (der eine schneller, der andere mit 9 Punkten aus der Hinrunde) eine Mannschaft, die sich souverän den Klassenerhalt sicherten.

Vielleicht ist das ja das wirklich spannende an dieser Vorbereitung: Kohfeldt muss genau jetzt nachweisen, dass er eine ähnliche Trainerleistung wie Funkel oder Weinzierl vollbringen kann. Er muss genau jetzt die Probleme, die sich angehäuft haben, lösen. Und auch wenn mich das überrascht, weil Werder ja zum Ende ein wenig die Luft ausging, aber den Nachweis, dass er eine bessere Rück- als Hinrunde spielen lassen kann, hat er letzte Saison geliefert. Wenn ihm das wieder gelingt, nehme ich alles zurück und verneige mich vor der Ruhe von Frank Baumann. Denn wenn er das jetzt schafft, ist er definitiv ein Guter Trainer. Aber er muss halt jetzt seine Meisterprüfung ablegen.

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