Dienstag, 28. Januar 2020

Der Rattenschwanz mit Kevin Vogts Gehirn

Oder: Warum mache ich mir so viele Gedanken über die Gesundheit anderer...

Und natürlich bin ich da auch nicht der einzige. Florian Kohfeldt gab bei der Pressekonferenz vorher bekannt, dass man höchste Vorsicht hat walten lassen hat, weil es halt "etwas ganz anderes ist als bei einer Muskelverletzung."Kevin Vogt hat alle Test erfolgreich absolviert und ist deswegen aufgelaufen.

Auch wenn meine Bildung zu dem Thema natürlich nur aus dem Internet kommt, ist sich das ziemlich einig: 8 bis 10 Tage reichen definitiv nicht aus. Die Rückkehr in den Sport sollte "im Rahmen eines interdisziplinär überwachten Prozesses mit schrittweiser Steigerung der körperlichen und geistigen Belastung" passieren. Denn die das Hirn schützende Flüssigkeit braucht Wochen um sich angemessen zu regenerieren. Empfohlen wird mit Nordic Walking einzusteigen. Ein Fußballspiel auf Bundesliganiveau dürfte das krasse Gegenteil von Nordic Walking sein.

Anders ausgedrückt: Wenn man einen Hirnexperten dazu fragt, ob Vogt nach der Nummer vom letzten Spieltag mit 2 heftigen Schlägen gegen den Kopf, wieder spielen kann, dürfte die Ferndiagnose mit einem "Nein" anfangen.

Aber das ganze ist halt ein Riesenproblem, welches mehr als eine Ebene hat. Denn es ist auf nicht so, dass ich unbedingt auf der Medizinischen Abteilung von Werder Bremen zumhacken will. Die haben ja so schon genug mit ihrem Lazarett zu tun.

Eine durchaus mögliche Variante ist ja auch, dass Kevin Vogt trotz der Warnungen der Ärzte gesagt hat: Ich bin ein richtiger Mann, ich kann spielen. Auch wenn die Ärzte mir davon abraten, die Tests sagen ja, dass es nicht so schlimm ist. Die Mannschaft braucht mich halt. Und wer lässt sich schon wegen einer Gehirnerschütterung wochenlang krank schreiben. Das geht schon.

Dieses "Ertrag es wie ein Mann, auch wenn es unvernünftig ist" prägt halt immer noch unsere Betrachtung von Profisportlern. Das belegt ja auch irgendwie die Berichtserstattung: Zumindest bin ich auf niemanden getroffen, der die Entscheidung zu spielen hinterfragt hat. Und wenn die Ärzte ihn gesund geschrieben haben... die werden schon wissen, was sie tun.

Wirklich? Also wir reden hier schon von Teamärzten. Das ist euch bewusst, oder? Und Profisport ist halt ein Millionengeschäft, da steht man schon gehörig unter Druck. In den meisten Fällen geht es nicht darum Spieler gesund zu pflegen, sondern sie wieder fit zu bekommen.

Nur so als krasses Beispiel: Pep Guardiola hat damals Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt vorgeworfen, dass es (Zitat des Arztes) nicht sein kann, "dass die Verletzungen bei uns sechs Wochen dauerten und in Spanien nur 14 Tage." Also ja, Guardiola ging die Genesung nicht schnell genug. Und es ging nie darum die Spieler wieder gesund werden zu lassen.

Aber das ganze wird ja auch teilweise von den Spielern forciert. Also gerade wäre es den Bayern eigentlich lieber, wenn ein Niklas Süle seinen Kreuzbandriss halbwegs ordentlich auskuriert und erst zur neuen Saison wieder einsteigen würde. Süle hat sich selber aber das ehrgeizige Ziel "Europameisterschaft" gesetzt und arbeitet hart daran, dass er dafür rechtzeitig wieder fit wird. Ob es vernünftiger wäre dem Knie mehr Ruhe zu gönnen, können wir alle nicht abschätzen.

Solche Geschichten sind ja nichts ungewöhnliches. Und wenn man als Fußballprofi in seinem Leben vielleicht 2 Europameisterschaften spielt, ist es auch nachvollziehbar. Dazu kann es einem ja passieren, dass man in der Nationalmannschaft von einem Inkompetenten Trainer betreut wird, was die eh schon raren Chancen so einen Titel zu holen weiter schmälert. Da muss man jede Gelegenheit mitnehmen.
Genau so wie es nachvollziehbar ist, wenn Verein, medizinische Abteilung und Spieler alles versuchen um bei den Saisonhöhepunkten wie einem Champions League Halbfinale auf dem Platz zu stehen. Aber zu glauben, dass da immer die medizinische Vernunft waltet, halte ich für naiv.

Und solange es nur um Knochen und Bänder geht, bekommt man ja auch entsprechendes Schmerzensgeld. Aber überlegt euch einfach mal, wie viele Profis am Ende ihrer Karriere feststellen: Für ein bisschen Golf spielen reicht es noch gerade so, aber richtiges Bewegen ist nicht mehr drin. Und dann muss man sich mit Ende 30 mit künstlichen Hüftgelenken auseinander setzen...
Leistungssport ist halt Raubbau am Körper. Immer gewesen. Dies ist allen bewusst. Auch den Ärzten, die diesen Raubbau medizinisch überwachen.

Und dann landet man noch bei dem ganz hässlichen Thema, über das im Fußball keiner reden will. Zusammengefasst in dem Fakt, dass die Spieler des SC Freiburgs auf der Gästeliste der berühmten Freiburger Universität standen. Also den Ärzten, die unsere Radprofis mehr als gut versorgt haben. Und die für Flächendeckendes Doping stehen.
Nun gilt natürlich die Unschuldsvermutung, die in Kombination mit dem Fakt, dass wir uns einfach nicht für Doping im Fußball interessieren, dazu führt, dass der Fußball sauber ist und ewig sauber bleibt.

Aber wenn man den Fokus mal etwas weiter stellt... und da reicht ja der "Dopingskandal" von Juventus Turin. Man muss ja nicht zwingend zum Staatsdoping der Russen oder damals in der DDR ausholen... Dann fällt einem vor allem eines auf: Die Mannschaftsärzte waren da immer involviert. Sie waren elementar wichtig um die nicht immer zwingend gesunden Hilfsmittel zu verabreichen und deren Einnahme zu kontrollieren. Damit auch ja nur die nicht nachweisbare Dosis genommen wurde. Und beim Doping wurden auch immer wieder Dinge forciert, die ziemlich ungesund waren.

Aber wir reden uns ja fleißig ein, dass unsere Ärzte moralisch integrer wäre als die der Russen oder damals in der Zone. Die sind von einem ideologischen System dazu getrieben worden, bei uns geht es ja nur ums Geld scheffeln... oder so.
Gut, dass es auch genügend Amerikanische Ärzte im Dopingsumpf gibt, könnte dieses Argument widerlegen. Aber wir Deutschen sind ja nicht so. Das sind immer die andern.

Es gibt halt so viele Teamärzte, die für an moralisch fragwürdigen Aktionen im Namen des Erfolges teilgenommen haben, dass mein Vertrauen in die nur bedingt vorhanden ist. Sportler wirklich gesund zu pflegen steht auf deren Prioritätenliste in den wenigsten Fällen ganz oben.

Nur um das nochmal zu verdeutlichen: Es gibt gute Gründe, warum die NFL als erste Sportliga bei Kopfverletzungen auf neutrale Neurologen setzt. Die haben eingesehen, dass das genau die Stelle ist, bei der man die Verantwortung für die Gesundheit der Spieler nicht den Teamärzten überlassen kann.

Der Umgang mit Kevin Vogt bringt mich irgendwie zu der Frage, ob sich die DFL nicht auch den einen oder anderen neutralen Neurologen leisten sollte. Denn Kopfverletzungen im Fußball sind definitiv auf dem Vormarsch. Und es ist allgemein nichts ungewöhnliches, wenn ein Spieler 8 Tage danach wieder Gesund geschrieben wird.

Nur um das mal festzuhalten: Als Mitch Langerak damals Robert Lewandowski "krankenhaus reif geprügelt hat", spielte der Bayern Angreifer ebenfalls 8 Tage später wieder... Weil halt ein Champions League Halbfinale auf dem Spielplan stand. Da steckt alles drin, was man braucht: ein Saisonhöhepunkt jagt den nächsten, Pep Guardiola als chronisch ungeduldiger Trainer, ein ehrgeiziger Angreifer, der immer spielen will und Müller-Wohlfahrt als Stimmer der Vernunft war da gerade seit ein paar Wochen zurückgetreten.
Glaubt da wirklich jemand, dass es medizinisch vernünftig war Lewandowski auflaufen zu lassen? Gemacht wurde es trotzdem...

3 Kommentare:

  1. Wenn schon von Werder Bremen die Rede ist sollte an dieser Stelle der Fall Ivan Klasnic nicht unterschlagen werden! Ich weiß nicht ob die Ärzte bei Bremen noch die gleichen sind, aber hier wurde offenbar (und auch gerichtlich bestätigt) ein ärztlicher Kunstfehler begangen ...und der Verdacht liegt nahe dass dies passiert ist weil weniger Klasnics Gesundheit als die Belange des Vereins, sprich ein spieltauglicher Stürmer, im Vordergrund standen.

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    2. Damn, wie konnte ich das vergessen?
      Aber die Teamärzte arbeiten laut Transfermarkt.de seit 2017 und 2018 für Werder und waren damals definitiv noch nicht im Profisport unterwegs.

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