Montag, 24. Juni 2019

Weitere Absurditäten der Frauen-Weltmeisterschaft

Und ja, ich habe Thailand - Chile gesehen. Unter anderem weil ich die Vorstellung, dass ich der einzige Mensch in dem Land bin, der diesen Stream guckt, lustig fand. Aber vor allem, weil im Parallel-Spiel relativ schnell klar war, wie es ausgeht...
Interessant war das vor allem, weil dieses Spiel de facto durch einen an die Latte geschossenen Elfmeter in der 86. entschieden worden ist. Also zumindest der Ausgang der Gruppenphase, denn wenn Lara den ins Tor schießt, steht Chile im Achtelfinale...
Das Absurde daran ist ja... dass der Elfmeter nicht wiederholt worden ist, lag im wesentlichen an der mangelnden Dynamik der Torhüterin... denn sonst hätte sie die Linie garantiert wie alle um 5 CM verlassen und dadurch eine Regelwidrigkeit begangen, die der VAR überprüft hätte...

Klingt übertrieben, ist aber bei Frankreich - Nigeria genau so geschehen. Und das liegt an einem riesigen Problem, der vor allem eine extreme Respektlosigkeit gegenüber dem Frauenfußball ist: Die spielen nach den neuen Regeln der Fifa. Als erste. Quasi als Experimentierfeld für uns Männer. Auch wenn da vielleicht raus kommt, dass die konkrete Regelauslegung vielleicht einfach ignoriert werden sollte.
Gerade der "für uns Männer" Teil muss da explizit erwähnt werden, denn die U21 EM, die zeitgleich stattfindet, wird noch nach den alten Regeln gespielt. Denn es man kann es jungen Millionären, für die es um die Qualifikation für Olympia geht, nicht zumuten, dass sie sich innerhalb weniger Wochen auf neue Regelauslegungen einstellen... Das wäre ja eine absolute Zumutung.

Bei den Frauen dagegen... spielen einige Torhüterinnen jetzt ihr absolutes Karrierehighlight, stehen im Elfmeterschießen, haben eine ganze Nation, die auf sie schaut... ok, zumindest theoretisch... und müssen jahrelang an trainierte Verhaltensmuster plötzlich abstellen, sonst fliegen sie mit Gelb-Rot vom Platz.
Und es reichen halt echt 5 CM, damit der VAR eingreift. Was völlig absurd ist... und garantiert nach dem 5. Spieltag der Bundesligasaison wieder abgeschafft wird, weil die Regelumsetzer erkannt haben, dass das ziemlich dämlich ist da so penibel zu sein.
Deswegen, Captian Obvious incoming, werden die Regeländerungen ja meistens (der 4. Wechsel in der Verlängerung war eine Ausnahme, der wurde mitten im laufenden DFB Pokal eingeführt) im Sommer durchgesetzt: Danach haben dann alle Beteiligten ein 3/4 Jahr Zeit sich darauf einzustellen, bevor dann die wirklich relevanten Ansetzungen kommen. Außer halt bei den Frauen, da drückt man die Änderungen vor nicht nur dem Jahreshighlight, sondern dem Highlight des 4 Jahres Zyklus durch.

Nebenbei ist auch der VAR bei den Frauen praktisch nur für die WM eingeführt worden... und es dauerte natürlich keine 5 Tage, bevor sich über den deutschen Videoassistenten aufgeregt worden ist. Die eigentliche Frage ist doch, warum nach dem Desaster, die die Einführung des VARs in Deutschland war, unsere Schiedsrichter für so was überhaupt genommen werden. Ich würde um die einen großen Bogen machen. So wie Felix Brych das angeblich um seinen Persönlichen VAR Felix Zwayer seit der WM in Russland macht. Aber hey, bei der Frauen WM kann man den Zwayer ja mal ein wenig üben lassen...
Das Ergebnis der Geschichte ist dann... das Kamerun beinah in einen Streik gegangen wären, weil sie einfach nicht verstanden haben, warum das Schiedsrichtergespann ständig gegen sie entscheidet... und jeder VAR-Eingriff zu ihrem ungunsten ausgeht.

Völlig absurd ist dagegen dann die Debatte um die nicht mehr ganz so neue Abseitsregelung von unseren Kommentatoren. Was mich zunächst mal zu der Frage bringt: Ist es eigentlich ein Fortschritt der Emanzipation, dass sich diesen Sommer niemand darüber aufregt, dass die Neumann Fußballspiele kommentiert? Oder ist es ein verdammt schlechtes Zeichen, dass dies diesen Sommer einfach niemand mitbekommt?

Jedenfalls wird ja mittlerweile die Szene laufen gelassen und die Fahne im Nachhinein gehoben. Dies passiert auch bei den extrem offensichtlichen Abseitsstellungen und deswegen wird natürlich gefragt, ob es sinnvoll ist die Damen erst noch all die Meter im Vollsprint laufen zu lassen.
Und dann kam die 64. Minute und Debinha wird steil geschickt, flankt in die Mitte zum 1:1 von Thaisa... und die Fahne geht hoch. Zum Glück nicht gleich, denn dann wäre das Tor nicht gefallen. Denn dieses Tor wurde dann vom VAR tatsächlich bestätigt. Diese eine Szene im Achtelfinale rechtfertigt all die vorher laufen gelassenen Abseitsszenen. Denn in Sachen Abseits gibt es nur 2 Varianten: 1.) Man wendet dort den VAR nicht an und entscheidet gleich. Denn sobald die Fahne hochgeht, wird darauf ja reagiert und der Angriff abgebrochen. Dies ist so absurd, dass ich mich frage, warum die Fifa sich nicht für genau diese Variante entschieden hat, denn es würde zu massiven Ungerechtigkeiten im Fußball führen... und das ist doch deren Motto.
2.) Man lässt die Szenen weiter laufen, hebt die Fahne nach dem Abschluss, sorgt so für definitive Gerechtigkeit, weil es keine Abseitstore mehr geben wird (oder keine Großchancen, die wegen angeblichen Abseits zurück gepfiffen werden) und lebt mit den paar extra Metern. Gerechtigkeit gibt es halt nicht um sonst.
Sich aber als Kommentator über die sinnvolle Anwendung aufzuregen, weil man es nicht schafft bis zum nächsten knappen Abseits und der daraus resultierenden Fehlentscheidung zu sehen...

Nebenbei finde ich es total faszinierend, wie sich die Reaktionen der Spieler jetzt ändert. Also vorher gab es ja auf jede gehobene Fahne eine entsprechende "Auf keinen Fall war ich im Abseits" Geste der Akteure. Jetzt wird der Abschluss doch eher halbherzig gesucht, wenn die Person vorher im Abseits stand... Weil man als Profi natürlich doch relativ genau weiß, ob das jetzt Abseits war oder nicht... Aber zugeben, dass der Assistent Recht hat, war halt nie eine Option.

Und dann gibt es noch die allerletzte Perle. Denn während der WM fiel der Satz: "Es ist ja keine Selbstverständlichkeit, dass sie hier jetzt spielt, schließlich hat sie in der Heimat gegen Rassismus protestiert und das kann einem schon mal die Karriere kosten." Jetzt werdet ihr bestimmt denken: Naja, ist halt ne WM, da nimmt ja auch der eine oder andere Staat teil, der es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt... aber die "Sie" in dem Satz war Megan Rapinoe, die aus Protest (und aus Solidarität mit einem gewissen Colin Kaepernick, dem genau dieser Protest die Karriere kostete) die Nationalhymne der Amerikaner nicht mehr mitsingt.
Ich fand es schockierend, wie selbstverständlich die Information verbreitet worden ist, dass so etwas in einem freien Land eine Karriere beenden kann. Wenn sich die Chinesen so was trauen würden, wäre der Aufschrei groß, aber bei den Amis nehmen wir es Schulter zuckend zur Kenntnis...

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