Dienstag, 11. Juni 2019

Der Absurde Fall Leroy Sané

Oder: Kann man die Kirche einfach mal im Dorf lassen und Spieler angemessen bewerten... und ihnen Zeit zur Entwicklung geben?

Denn im wesentlichen lassen sich alle Debatten über Leroy Sané auf ein "Der hat sich mit 23 noch nicht endgültig bei einer der besten Offensivabteilungen der Welt endgültig durchgesetzt und das ist schlecht" zusammenfassen. Aber ist es das wirklich?

Also zum einen muss man mal festhalten: Die Offensivabteilung von Manchester City ist exzellent besetzt. Klar, laut Transfermarkt.de ist Sane der einzige Linksaußen... Aber im Wesentlichen muss Pep Guardiola aus Spielern wie Kevin de Bruyne, Raheem Sterling, Sergio Agüero, Gabriel Jesus, Riyad Mahrez, David Silva und eben Sané ein Offensivquartett basteln. Vielleicht kann er es sich hin und wieder erlauben 5 von den 7 aufzustellen, aber gegen die gefährlichen Gegner wäre es vielleicht sinnvoller gewesen ein zusätzliche Absicherung einzubauen.

Sané ist jetzt... die Nummer 5 oder 6 in diesem Offensivensemble. Mit 23. Und er hat dieses Jahr zum ersten Mal keinen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, sondern leistungstechnisch stagniert. Er hatte letztes Jahr mehr Scorerpunkte als in diesem.

Aber Entwicklungen sind halt nicht immer linear. Und natürlich muss Sané in den nächsten 2 Jahren nachweisen, ob er wirklich gut genug ist um in den besten Offensivreihen der Welt Stammspieler zu werden. Aber das mit 23 noch nicht zu sein, ist halt kein Beinbruch.

Fragt euch einfach mal, wer von den anderen Deutschen Offensivkräften bei ManCity eine ähnliche Rolle spielen könnte: Marco Reus ist dafür zu oft verletzt. Serge Gnabry hat gerade einen gewaltigen Entwicklungsschritt, der nicht unbedingt erwartet worden ist, hinter sich... aber dieser Schritt bringt ihn, wenn überhaupt, nur auf Augenhöhe mit Sané. Timo Werner hat eine beeindruckende Bundesliga-Bilanz, aber bisher auch immer für die (relativ) kleinen gespielt und ist "nur" dort Stammspieler gewesen. Ob er sich jetzt bei den Bayern durchsetzen kann oder nicht, könnte eine spannende Frage werden. Aber bei Man City ist er garantiert nicht auf dem Zettel.
Julian Brandt hat sich gerade für die kleinere Adresse in Dortmund entschieden. Julian Draxler musste in Paris (also bei vergleichbaren Personal) eine neue Position erlernen um zum Zug zu kommen... und ist schon 25. Bleibt also... Kai Havertz, der ein absolutes Ausnahmetalent, welches nicht mal von Heiko Herrlich ruiniert werden konnte, ist. Der könnte als einziger der Nationalen Angriffsabteilung mit 23 weiter sein, als es Leroy Sané schon ist.

Und das sollte man mal in Perspektive setzen. Wir haben die ungute Angewohnheit jedes gute Talent mit den herausragenden Talenten wie Lionel Messi zu vergleichen. Und wer dann mit 23 noch nicht Stammspieler ist, der muss sich Gedanken machen. Und sich fragen, ob er in 2 Jahren nicht als gescheitert gilt... obwohl sein Leistungshöhepunkt erst in 4 kommen dürfte.

Das fällt mir halt nicht nur bei Sané auf. Nehmen wir ein neutraleres Beispiel: Renato Sanchez braucht eine Luftveränderung, weil er mit seinen 21 Jahren wesentlich mehr Matchpraxis braucht als die 24 Pflichtspiele, die er dieses Jahr zugewiesen bekommen hat. Denn mit 21 Jahren nur Azubi bei einem der selbsternannten Titelanwärter auf die Champions League zu sein, geht ja gar nicht.

Dabei könnte Sanchez eine ganz normale Entwicklung nehmen: Nach einem überraschenden Debüt-Turnier hat er den 2. Schritt vor dem 1. gemacht, dafür 1 1/2 Jahre lang gebüßt und jetzt könnte er anfangen sich beim FC Bayern zurechtzufinden. Und wenn er mit 22 dann nicht den nächsten Schritt macht und (Leroy Sané-esque) 30 Pflichtspiele macht... dann muss man darüber nachdenken, ob es für ihm auf diesem Niveau reicht. Oder ob er sich erst Mal in der Europa League einreihen sollte, um dann vielleicht später als gereifter Spieler auf die ganz große Bühne zurückzukehren. Sollte alles kein Problem sein.

Ist es aber, weil wir uns von einigen wenigen wirklichen Ausnahmetalenten, denen schon mit 20 der Durchbruch auf höchstem Niveau gelingt, so sehr blenden lassen, dass wir das von allen erwarten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen