Freitag, 1. November 2019

Passives Abseits vs Tradition Teil 3: Die große Vorschau auf das Derby, das keines ist.

Ernsthaft, mich nervt dieses Derby-Narrativ beim Spiel Union - Hertha so dermaßen. Das ist so was von konstruiert.
Und natürlich darf man schon erwähnen, dass es das erste Spiel zweier Berliner Mannschaften in der Bundesliga seit 1977 ist. Und man darf das als Auszeichnung für die Arbeit der Unioner in den letzten Jahren sehen. Und nebenbei auch nicht verheimlichen, dass sich bei der Hertha so viel getan hat, das zumindest Zweitligaduelle derzeit ausgeschlossen sind. Aber deswegen ist es doch kein Derby. Ein Derby macht doch mehr aus als örtliche Nähe.

Und dann kommt noch dieses "Ist Berlin eigentlich groß genug für 2 Bundesligisten?" Was für ein Bullshit. Berlin hat 3,7 Millionen Einwohner. Dortmund und Gelsenkirchen kommen zusammen auf 700.000. Selbst wenn man Essen, Oberhausen und Bochum noch dazurechnet, kommt man nicht auf 3,7 Millionen. Dazu kommt, dass Berlin ja auch ziemlich isoliert ist. Also mitten in Brandenburg liegt. Da kommt halt erst mal ganz lange nichts mehr und dann irgendwann die Ostsee. Dass ein derartig großes Einzugsgebiet bisher nur von einem einzigen Bundesligisten abgedeckt wurde, ist eigentlich absurd. Auch eine dritte Profimannschaft wäre überhaupt kein Problem.
Allein deswegen ist die Konkurrenzsituation, auch rein wirtschaftlich, komplett an den Haaren herbeigezogen. Aber lasst mal so tun, als wäre das relevant.

Aber ein Derby entsteht doch nicht nur durch örtliche Nähe, sondern durch Reibung. Durch regelmäßige Duelle, bei denen es auch wirklich um was geht. Es geht um schmerzhafte Niederlagen und grandiose Triumphe. Also, um es an einem praktischen Beispiel zu erklären, Bayern - Dortmund ist mehr Derby als Bochum - Dortmund. Denn jeder Dortmund Fan denkt sofort an die Schmerzhafte Niederlage in Wembley, die Bayern denken an das 5:2 im DFB Pokal. Als Dortmund Fan denkt man an all die Verräter, die übergelaufen sind. Und wenn Matts Hummels Dortmund zu einem Titel führen sollte, werden die Bayern das plötzlich auch denken.
Das sind Emotionen, die sogar bei neutralen Zuschauern sofort hochkommen, wenn man an dieses Duell denkt. Dagegen dürfte niemand mehr wissen, wie das letzte Duell Bochum - Dortmund ausgegangen ist.

Und das Dortmund - Schalke das Überderby im Deutschen Fußball ist, liegt halt nur zum Teil an der räumlichen Nähe. Klar, das spielt mit rein, aber wesentlich relevanter ist doch, dass beide Mannschaften in diesem Jahrtausend bereits eine Meisterschaft in genau diesem Duell effektiv verloren haben. Schalke damals im legendären "Wenn wir in Herne West gewinnen und Meister werden, laufe ich zurück nach Schalke" Spiel. Dortmund letztes Jahr beim heftigen 4:2.
Dieses Duell ist so legendär, weil beide in gewisser Regelmäßigkeit zu den Spitzenmannschaften der Liga gehört und diese Nachbarschaftsduelle auf Augenhöhe die Titelvergabe mitentscheiden. Was den Bochumern vielleicht ein Mal in ihrer Vereinsgeschichte gelungen ist.

Oder das wohl zweitbeste traditionelle Derby: Hamburger SV - Werder Bremen. Die liegen sogar relativ weit auseinander. Also hier ist was faszinierendes: Hannover ist, genau wie Hamburg, 120 Kilometer von Bremen entfernt. Es würde trotzdem niemand von einem wirklichen Derby sprechen. Weil es halt zwischen Hannover und Bremen keine wirkliche Rivalität gibt.
Bremen hat dagegen allein im Jahr 2009 3 Titelchancen für den HSV vereitelt. Wir wissen heute, dass es die letzten Titelchancen waren... Jeder HSV Fans bekommt immer noch Flashbacks, wenn irgendwo eine Papierkugel rumliegt.
Und da beide Mannschaften jahrelang um den Titel "Nummer 2 hinter den Bayern" gekämpft haben, sind Geschichten wie 2009 keine Einzelheit.

Bei Hertha - Union dagegen... joah... also... Ist nett. Wenn jetzt ein Herthaner auf den ersten "Derbysieg" der Unioner angesprochen wird, sagt er (Zitat aus dem Montags-Kicker): "Ich wusste, Hertha wird trotzdem aufsteigen." Also wenn Thorsten Mattuschka mit seinem Freistoßtor den Aufstieg der Hertha verhindert hätte... oder der Aufstieg danach zumindest auf der Kippe gestanden hätte, weil man auf den Relegationsrang zurück fiel. Stattdessen ist die Reaktion auf den ersten Unioner Sieg ein allgemeines Schulterzucken.

Und dass diese Derbys überhaupt stattgefunden haben, war ja kein Ergebnis der guten Arbeit der Unioner, sondern einiger Fehltritte der Herthaner. Das ist ja jetzt zumindest anders. Also ja, ich sehe ein, dass die Union Fans dieses Spiel als das große Symbol für ihre großartige Entwicklung feiern. Aber andererseits haben sie genau dasselbe letzte Woche im Block in München gemacht. Da ist dieses Spiel in Berlin nur bedingt etwas besonderes.

Aber trotzdem tun jetzt alle (und nicht nur die Regionalen Medien, wo ich es vielleicht noch einsehen würde) so, als wäre dies das größte Derby, auf dass wir alle gewartet haben. Mit 6 Seiten Interview, Derby Check, 18:30er Anstoss-Zeit. Das komplette Paket. Obwohl das eigentlich albern ist.

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