Donnerstag, 5. Oktober 2023

Teil 2: Warum sind unsere Nationalspieler so schlechte Trainer?

 Nachdem wir gestern etabliert haben, dass die 100 besten Nationalspieler nur auf eine Handvoll Titel als Trainer kommen, bleibt jetzt ja die offene Frage: Warum ist dies so? Dafür gibt es natürlich nicht die eine einfache Antwort, sondern viele kleine Puzzleteile. Das offensichtliche ist ja:

1. Den Nationalspielern wurden die Trainerscheine hinterhergeworfen. Das klingt völlig absurd, schließlich sind die Jahrgangsbesten ungefähr so große Versager, wie die Nationalspieler. Die Logik dahinter war, dass man bei diesem Lehrgang wenig Neues erfährt, wenn man jahrelang mit großartigen Trainern im Alltag zusammengearbeitet hat. Also auf der Vereinsebene, versteht sich, denn unsere Nationaltrainer waren ja nie gut. Das wurde aber wegen anhaltender Erfolglosigkeit wieder abgeschafft. Aber anscheinend muss man den Trainerschein schon irgendwie mit einer durchschnittlichen Note absolvieren, um eine Chance im Traineralltag zu haben. Aber kommen wir als kreativen Ansatz mal zu dem Grund, warum dieser Sonderlehrgang überhaupt eingeführt wurde:

2. Franz Beckenbauer als überragende Lichtgestalt. Man kann von dem ja menschlich halten, was man will, aber er war der beste deutsche Spieler aller Zeiten. Und auch alles, was er im fußballerischen Rahmen sonst so anfasste, wurde zu Gold... oder fing 9 Monate nach der Weihnachtsfeier an, zu schreien. Und auch als Präsident, Trainer und Funktionär gelang ihm halt quasi alles. Er gilt ja als einziger Mensch auf der Welt, der die WM in 3 unterschiedlichen Rollen gewonnen hat: 74 als Spieler, 90 als Trainer und 2006 als Kopf des WM-Komitees.
Und wie gestern schon erwähnt, schaffte er all dies ohne jemals den Trainerschein zu machen. Er hat aber auch nie nachgewiesen, dass er das Alltagsgeschäft beherrscht. Und seine taktischen Anweisungen sollten sich ja auch "Geht's raus und spielt Fußball" beschränkt haben. Was faszinierend ist, denn das 1990er-WM Finale war definitiv eines der schlechtesten aller Zeiten. Was fairerweise hauptsächlich daran lag, das die Argentinier so gar nicht am Spiel teilnehmen wollten...
Trotzdem, so als dreiste These, legten seine Erfolge die Grundlage für den "Als verdienter Nationaltrainer braucht man doch gar keinen Trainerschein" Mythos. Frant Beckenbauer war so ziemlich der Erste, der einfach nur lichtgestalten konnte, aber er wird vielen anderen ehemaligen Nationalspielern die Tür ins Traineramt geöffnet haben, auch wenn diesen dann die Kompetenz für diesen Posten abging.

3. Fußballer sind halt eher... Insel begabt. Das soll jetzt auch keine Beleidigung sein, aber wenn man 30 seiner ersten 35 Jahre fast ausschließlich gegen den Ball tritt, verpasst man halt vieles. Es gibt ja Gründe, warum Fußballer so viel unterhaltsamen Blödsinn in die Mikrofone erbrechen. Und wenn die 15 Jahre lang das Denken von einem Berater abgenommen wird, wird es natürlich irgendwann schwierig, den Kopf den ganzen Tag lang zu benutzen.
Dazu sind die halt auch hochtalentiert. Also die meisten ein Miroslav Klose war da ja eher die Ausnahme. Und das ist ein Kompliment. Gerade bei dem einen oder anderem auf dem Platz sehr kreativen Kopf stellt man drumherum immer wieder fest, dass es eher großartige Intuition als durchdachte Aktionen waren, die diesen Menschen den Legenden-Status gebracht haben. Wenn man das mit einem Jürgen Klopp vergleicht, der sich als Spieler den Zweitligastatus hart erarbeiten musste... oder Leuten wie Tuchel oder Nagelsmann, bei denen es als Spieler gar nicht gereicht hat und denen deswegen frühzeitig klar war, dass sie sich auf den Trainerjob einlassen müssen, wenn sie in die Bundesliga wollen. Für die war der Aufwand als Trainer aber gar nicht so viel größer, weil sie schon als Spieler viel mehr in die Details gehen mussten, um am Ball zu bleiben.
An der Stelle bin ich wirklich überrascht, dass Kloses Trainerkarriere bisher nicht funktioniert hat. Wenn es einen Nationalspieler gab, der für mich eine "sichere Traineranlage" war, dann er. Denn er war ja schon auf dem Platz jemand, der sich alles hart erarbeiten musste und dem nichts in den Schoß gefallen ist. Der als Angreifer trotzdem die taktische Disziplin und Übersicht hatte, um seiner Mannschaft auch ohne den Ball zu helfen. Und glänzte immer mit einer hervorragenden Einstellung. Wenn sich also jemand wirklich das Trainerhandwerk erarbeiten kann, dann er. Aber bisher hat es noch nicht funktioniert.

4. Fußball entwickelt sich verdammt schnell weiter, da bringen die alten Lorbeeren wenig. Gerade das "Die haben bei Legenden gelernt" führt auch dazu, dass sie vielen veralteten Blödsinn aufgenommen haben. Gerade taktisch muss man heute doch wesentlich mehr ins Detail gehen, als dies noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Deswegen (aber dazu komme ich irgendwann) ist es ja so dämlich, wenn ein Paul Breitner beim Zeigler meint, dass ein Nationaltrainer sich einfach zurücknehmen und die Spieler machen lassen muss. In den 70ern hat das definitiv funktioniert, war das ist 50 Jahre her. Heutzutage nehmen dich die Spanier auseinander, wenn du dir keinen vernünftigen Plan machst, wie du deren Passmaschine einschränken willst.

5. Die Intelligenten machen was Entspannteres. Also meistens was mit Medien. Oder sie organisieren so ein Turnier. Thomas Helmer sitzt lieber beim Doppelpass im Moderatoren-Sessel. Bastian Schweinsteiger quatsch locker mit der Esther Sedlacek. Philipp Lahm holt die EM ins Land. Das sind 3 Typen, denen ich zumindest eine vernünftige Trainerkarriere zutrauen würde. Klaus Allofs wurde zur Manager-Legende in Bremen. Stefan Reuter machte still und heimlich herausragende Arbeit in Augsburg, ist jetzt aber frei verfügbar. Ganz ehrlich: Den sollte sich RB vielleicht mal angucken. Günter Netzer zum Medienmogul. Oliver Kahn hat es nach seiner Titanenkarriere geschafft, plötzlich sympathisch zu wirken.

6. Trainer ist halt auch ein Knochenjob. Mit geringer Jobsicherheit. Versuche mal eine Mietwohnung zu finden, wenn du auf einen Schleudersitz anheuerst. Die meisten Vermieter werden dir sagen, dass sie doch eher was Langfristiges suchen. Vor allem muss man sich heutzutage halt 20 Stunden am Tag mit dem Spiel beschäftigen, wenn man ein guter Trainer sein will. Die alte Generation belächelt das ja gerne als "Laptoptrainer", aber ohne ordentliche Vorbereitung der Gegner geht heutzutage halt wenig. Damit die Spieler 2 Stunden lang trainieren können, musst du 2 Stunden Vorbereitung einplanen. Wenn die Spieler danach im Pool entspannen, musst du die nächsten Gegner scouten. Wenn du in der Länderspielpause einfach mal Ski fahren willst, wirst du entlassen. Und das sollst du dann 10 Monate im Jahr durchziehen. Und im Sommerurlaub musst du die Profile der Neuzugänge studieren. All das, während du Millionen Euro auf dem Konto haben solltest. Da steckst du doch lieber so ein symbolisches Gehalt als Repräsentant oder Berater ein.

2 Kommentare:

  1. Au Mann, meinst Du den Klose mit der hervorragenden Einstellung, der öffentlich zugegeben hat, sich bei seinem Arbeitgeber (FC Bayern) von einer kleinen "Verletzung" zur nächsten gehangelt zu haben, damit er dann zum nächsten großen Turnier fit war? Der ist für mich der Inbegriff eines egoistischen Blenders und seine Trainer "karriere" wundert mich kein bisschen. Fußball ist cool, klann man schön rumstreiten.

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    1. Danke für den Einwand und das meine ich wirklich ehrlich. Also ich habe echt nicht auf dem Schirm, wie oft Klose ausgefallen ist und ob es da Probleme gab, werde das aber bei Gelegenheit nachschlagen. Bald ist ja wieder Länderspielpause...

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