Mittwoch, 26. Januar 2022

Ist Wolfsburg der am schlechtesten geführe Verein der Bundesliga?

 Kurze Antwort: Ja, klar. Allein schon, weil der Hamburger SV, Werder Bremen und Schalke 04 schon abgestiegen sind. Ich jammere ja gerne darüber, dass die Qualität der Liga nachgelassen hat, weil Vereine mit fantastischem Potenzial so schlecht geführt werden, dass sie jetzt in Liga 2 antreten dürfen. Auf der anderen Seite muss ich aber zugeben, dass dadurch halt besser geführte Vereine aufgestiegen sind. Leider sind sie damit in eine Liga gerutscht, in der sie wenig bis nichts verloren haben. Aber da können sie ja wenig für und gute Arbeit muss halt auch hin und wieder belohnt werden.

Nebenbei reden wir hier nicht primär über die Arbeit der Trainer oder Manager, sondern über die Ebene darüber. Also die Spielvereinigung Greuther Fürth ist still und heimlich einer der am besten geführten Vereine. Das sind sie unabhängig davon, wer da gerade an der Seitenlinie steht. Dabei geht es nicht mal darum, dass man es 2 Mal nicht verhindern konnte aufzusteigen. Es geht viel mehr um die unglaublich konstanten Ergebnisse in der 2. Liga. Denn man ist praktisch DIE INSTITUTION dieser Liga. Gründungsmitglied der zweigleisigen und der eingleisigen 2. Liga. Und logischerweise liegen die auf Platz 1 der ewigen Tabelle

Und klar, auch Fürth ging den Weg des ganz normalen Zweitligisten, der sich verschuldet und deswegen absteigt und abstürzt. Aber seit dem man sich 1996 mit Harry Kochs Verstenbergsgreuthern zusammenschloss und damit faktisch zu der Spielvereinigung wurde, die wir heute können, arbeitete man sehr konstant und sehr seriös.

Da muss man sich nur mal die Abschlusstabelle ihrer Comback-Saison angucken. Die Konkurrenz von damals hat seit dem wie viele Konkursverfahren hinter sich? Die Antwort lautet: Lok Leipzig musste neu gegründet werden. Wattenscheid 09 hat den Spielbetrieb einstellen müssen. Die Lage beim KFC Uerdingen bleibt konfus. Die Stuttgarter Kickers und der FC Gütersloh spielen in der Oberliga. Carl Zeiss Jena, Energie Cottbus, Unterhachingen und Fortuna Köln sind inzwischen in der Regionalliga gelandet. Zwickau und Meppen landeten zumindest zwischenzeitlich ebenfalls in der 4. Liga. Genauso wie Fortuna Düsseldorf, die bisher in diesem Jahrtausend extrem viel erlebt haben. Selbst der FC St. Pauli, den man am eheste mit den Fürthern vergleichen kann, spielten 4 Jahre in der Regionalliga. Auch wenn das damals natürlich noch die 3. Liga war.

Dazu kommen mit Mainz, Freiburg und Frankfurt 3 Mannschaften, die sich in Richtung Bundesliga verabschiedet haben und nur noch in Ausnahmefällen in der 2. Liga antreten. Oder anders ausgedrückt: Von den 18 Mannschaften haben 14 der Liga langfristig den Rücken zugekehrt. Einzig St. Pauli, Düsseldorf, der 1.FC Nürnberg und eben die Fürther sind heute wie damals etablierte Zweitligisten.

Und Fürth musste sich dabei ja die ganze Zeit den aufstrebenden Emporkömmlingen mit wesentlich größeren finanziellen Mitteln zu Wehr setzen. Also Augsburg, RB Leipzig, Hoffenheim, Wolfsburg sind da offensichtliche Kandidaten, aber auch Heidenheim fällt halt in diese Kategorie.

Man schaffte es halt ohne das alternative Image als Kiezklub, externen Investoren und ohne eine WM Arena, die öffentlich gefördert worden ist. Und ja, Düsseldorf hat als Oberligist ein neues Stadion auf WM Niveau bekommen, weil die Stadt sich für WM und Olympia als Spielort bewerben wollte. Da flossen 80 Millionen Euro aus öffentlichen Geldern in das Stadion eines Oberligisten... Derartige finanzielle Spritzen dürften die Fürther noch nie bekommen haben.

Ich erwähne das nur, um zu verdeutlichen, dass ich vor der Arbeit in Fürth durchaus Respekt habe, auch wenn ich mich gerade darüber lustig mache, dass sie in der Bundesliga überfordert sind. 30 Jahre lang unter den Top 25 in Deutschland zu landen ist keine Selbstverständlichkeit. Und, um zum eigentlichen zurückzukommen, dass die Arbeit in Fürth nicht nur wegen Stefan Leitl und Rachid Azzouzi da stehen, wo sie gerade stehen. Und ja, ich habe auch gerade ein wenig den Faden verloren, wo war ich?


Ach ja... Zurück zu einem Verein, der sich gerade als Gegenteil entpuppt: dem VfL Wolfsburg. Wolfsburg macht gerade seine Zukunft von einem Ergebnis gegen eben diese Fürther ab. Einem Verein, der eigentlich in einer anderen Liga spielen sollte, aber dem man aufgrund der eigenen Inkompetenz fast auf Augenhöhe begegnet. Und wenn man jetzt durch ein Kacktor des Monats zu einem glücklichen 1:0 Sieg kommt, dürfen Jörg Schmadtke und Florian Kohfeldt weiterwurschteln? Wenn man aber durch einen fragwürdigen Elfmeter unglücklich verliert, weil man selber 3 Mal Aluminium trifft, müssen beide gehen?

Derartige Entscheidungen von einzelnen Ergebnissen abhängig zu machen, ist sowieso schon albern. Also Schmadtke ist ein überdurchschnittlicher, aber menschlich anstrengender Manager. Wenn ich den verpflichte, bringt er mich im Idealfall ins internationale Geschäft und dann zofft er sich mit dem Trainer. Das weiß ich, wenn ich ihn verpflichte. Und Kohfeldt hat halt diesen einen Trainerpreis gewonnen, der seit dem nicht mehr vergeben wird...

Und natürlich hat Schmadtke gerade bei der wichtigsten Frage "Wer soll mein Trainer sein?" 2 Mal daneben gelegen. Jetzt kann man zu dem Schluss kommen, dass dies die gute Arbeit aus der Vorsaison, in der man ja in die Champions League eingezogen ist, negiert. Und die 2 Jahre davor waren ja auch schon stabil bis ordentlich. Oder man kommt vorher schon zu dem Schluss, dass das Zerwürfnis mit Oliver Glasner diese Arbeit zunichtemacht. Was ich aber nicht machen kann: Diese Beurteilung von einem Auftritt gegen ein abgeschlagenes Tabellenschlusslicht abhängig machen. Also man kann schon, dann ist man aber ein beschissen geführter Verein...

Und ja, man hätte im Dezember die Entscheidung treffen können, dass man einen neuen Manager braucht. Dass Schmadtke den Verein mit seinen hohen Ambitionen nicht so nach vorne bringt, wie man sich das vorgestellt hat. Und dann holt man vor dem Transferfenster jemanden, der schonmal eine Neuausrichtung anschieben kann. Stattdessen wartet man jetzt, bis das Transferfenster geschlossen ist, damit der neue Manager dann auch garantiert keinen Einfluss auf die aktuelle Saison nehmen kann.

Und machen wir uns nichts vor: Die meisten dieser Ultimaten enden kurz- oder langfristig mit der Entlassung der Trainer und Manager. Dass wirklich der Bock nach einer derartigen Konstellation umgestoßen wird, ist eine echte Rarität. Wenn man dann noch bedenkt, dass Kohfeldt chronisch schlecht im "Bock umstoßen" ist...

Was die ganze Sache noch schlimmer macht: Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt für einen neuen Trainer. Oder man stärkt seinem leitenden Angestellten richtig den Rücken und macht den Spielern klar, dass sie mit ihm durch diese Scheiße gehen müssen. Denn wir haben ja gerade eine einzigartige Konstellation: Eine Länderspielpause, an der die europäischen Verbände nicht teilnehmen. Das bedeutet: Man hat praktisch seinen gesamten Kader beisammen und kann eine 3. Vorbereitung durchziehen. Weil ja die letzte Vorbereitung im Januar so viel gebracht hat, lässt man das Kohfeldt jetzt nochmal machen... nur um ihn dann doch zu entlassen, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Das sind doch die perfekten Voraussetzungen für die tägliche Trainingsarbeit.

Nur mal so als Vergleich wie ein gerade gut geführter Verein dies regelt: beim VfB Stuttgart sägt noch keiner am Stuhl von Pellegrino Matarazzo oder Sven Mislintat. Man ist überzeugt davon, dass die letzten beiden Jahre kein Zufall waren und dass die Leistungen und Ergebnisse schon zurückkehren werden, wenn sich das Lazarett lichtet. Also fliegt man gemeinsam ins Trainingslager, um gemeinsam an genau diesen Leistungen zu arbeiten. Und wenn sich die Ergebnisse nicht sofort einstellen (Die gezeigten Leistungen gegen RB Leipzig und Freiburg waren ja schon ordentlich.), wird man dann nicht sofort in Panik verfallen. Zumindest hoffe ich das. Aber das ist die Grundlage für eine erfolgreiche Aufholjagd.

Wolfsburg dagegen versucht sich irgendwie durchzuwurschteln und hofft, dass das funktioniert. Oder dass andere halt noch dümmer sind, als man es selber ist. Man setzt eher auf den Dead Coach Bounce (der ja diese Saison schonmal funktioniert hat...), anstatt einem neuen Trainer wirklich die Möglichkeit zu geben sich auf den Frühling vorzubereiten.

Und macht mir am meisten Sorge macht: Wir reden hier im Wesentlichen von der Vorstandsriege bei VW... einem der größten Unternehmen in Deutschland... Nun sollte es mich im Zuge des Abgasskandals nicht schockieren, aber dennoch muss man irgendwie darauf hoffen, dass sie ihre richtige Firma mit mehr Weitsicht und Kompetenz führen.

Und nur um das mal festzuhalten: der VfL steckt zum dritten Mal in 6 Jahren im Abstiegskampf. Wir reden hier also nicht, wie in Fürth, über eine Ausnahmesituation, mit der man überfordert sein darf, sondern von ganz normalen Entwicklungen im Verein.

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